Cover

Frohe Weihnachten 2022

Im Zeitraum vom 1. Advent 27.11.2022 bis hin zu den 3 Könige am 06.01.2023, steht dieses Büchlein kostenlos zum Downloaden zur Verfügung.

Ich wünsche euch eine frohe und sinnliche Weihnachtszeit.

 

Eure Conny

Copyright

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden. Ähnlichkeiten zu existierenden Personen sind rein zufällig.

 

Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus.

 

Alle Rechte vorbehalten.

 

Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

eBooks sind nicht übertragbar und dürfen nicht weiterveräußert werden. Bitte respektieren Sie die Arbeit der Autorin und erwerben eine legale Kopie.

 

Und denkt daran, im REALEN Leben gilt SAVER SEX, also achtet immer darauf. AIDS ist keine Krankheit, die man auf die leichte Schulter nehmen darf. Auch die anderen Geschlechtskrankheiten nicht.

Also schützt euch!!!!

 

Danke

 

 

Dies ist eine unkorrigierte Version und die Geschichte steht nicht im Verkauf. Sie ist nur auf Bookrix online und kostenlos zu lesen. Wer dafür Geld gezahlt hat, ist einem Betrug in die Falle gegangen. Mein geistiges Eigentum zu plagiieren oder auf verschiedenen Plattformen zu verteilen ist illegal und wird strafrechtlich verfolgt.

Wie gesagt respektiert unsere Arbeit.

Info

 

Dies ist eine Zusatzgeschichte zwischen Facetten und Unloved.

 

Die Gefahr des Spoilern ist vorhanden.

 

Cover: Vorläufiges Cover

 

LG C.Gr

Die Wette beginnt

 Aufgabe 1:

Erkennen und Annehmen

 

Per Handschlag wurde die Wette zwischen mir und Mario vereinbart und er überreichte mir den Zettel mit den Aufgaben.
Okay, Aufgaben war vielleicht etwas zu viel gesagt, es war mehr oder weniger, ein Ablaufplan der Zwischenziele aufzeigte, die ich zu lösen hatte, bis am Ende die Aufgabe gelöst war. Mario schien außer sich vor Freude, dass ich die Wette angenommen hatte, faltete vor Begeisterung die Hände zusammen und rieb sie sich. Ich nahm den Zettel entgegen und steckte ihn in meine Jeans, ohne ihn zu lesen.

Wir schlenderten noch eine Zeit lang unter der heißen Sonne nebeneinander her, als mir langsam der Geduldsfaden riss. Immer wieder fragte ich mich, für was für ein Mädchen Mario sich entschieden hatte. Welches sollte ich erobern? Nun es müsste kein Problem darstellen, ein Mädchen innerhalb von drei Monaten so weit zu bringen, dass sie sich mit Haut und Haaren in mich verliebte. Ich wäre nicht ich, wenn ich ein weibliches Wesen nicht rumkriegen würde und drei Monate waren dafür einfach eine lachhaft lange Zeit. Ich war ja nicht eingebildet, oder so, aber ich sah nun mal sehr gut aus. Frauen flogen auf mich und ich hatte noch nie ein Problem, sie in mein Bett zu bekommen. Damen konnten mir einfach nicht widerstehen. ›Ich bin ein Mann und Männer sind bekanntlich Jäger und Sammler‹. An einer festen Beziehung war mir noch nie gelegen, mich interessierte es nur, die Ladys zu erobern, um auf meiner Erfolgslatte eine weitere Kerbe hinzuzufügen. Ein Mädchen, eine Frau, egal, wenn ich sie wirklich wollte, hatte ich sie noch am selben Tag an der Angel und im Bett. Eigentlich war es egal, für wen er sich entschieden hatte. Mario hatte die Aufgaben gestellt und ich gab mich damit zufrieden.
›Nun gut, Wette ist Wette und ich, Samuel A. J. Höllesing, bin der Meister der Wetten‹. Es war noch nie der Fall, dass ich eine Wette verloren hatte und ich würde auch diese gewinnen.

»Also, welches Mädchen. Welches soll es sein? - Ich weiß, dass du dir schon ein Mädchen ausgesucht hast und ich finde es von dir ziemlich blöd, dass ich sie dazu bringen soll, sich in mich zu verlieben. - Es reicht doch, wenn ich sie flachlege und was ist, wenn sie gar nicht mein Typ ist?«, versuchte ich die Situation etwas aufzulockern, denn ich sah, dass Mario selbst nervös war.

»Seit wann machst du dir Gedanken darüber, ob du einem Mädchen das Herz brichst. Das ist dir so was von Jacke wie Hose!«, entgegnete mir Mario. Ich verdrehte nur die Augen.

Jepp, er hatte recht. Mir war es wirklich egal, wie sich das Mädchen fühlte. Die Frauen hier in dieser Stadt schauten auch nur auf das Geld meiner Eltern und warum sollte ich es nicht ausnutzen. Etwas Spaß im Leben hatte einem noch nie geschadet.


Die Sonne brannte höllisch und ich war schon gewillt mein T-Shirt auszuziehen, nur um etwas Erleichterung zu spüren. Wäre aber nicht so gut gewesen, denn dann wäre ich, bevor ich mich versah, in einer Arrestzelle der Polizei gelandet. Okay, also wegen eines ausgezogenen T-Shirts wäre ich wohl nicht gerade abgeführt worden. Allerdings ging ich vor einiger Zeit eine Wette ein, die von mir verlangte, nur mit einer Unterhose bekleidet, durch den Park zu laufen. Dabei hatte mich leider die Polizei erwischt und nun hatte ich eben diese Auflage, so wenig Haut zu zeigen, wie möglich. Als wäre das für mich ein Hindernis, also zog ich das Shirt aus.
Mario schlenderte einfach weiter, ohne die vorbeigehenden Mädchen zu beachten. Er schien auch nicht sonderlich zu suchen und so stieg meine Nervosität stetig an.
Bis zu diesem einen Moment als Mario einem Mann die Hand gab. Meine Nerven explodierten und einzig und allein der Gedanke ›Das ist doch ein Witz‹ hielt mich davon ab, in dem Augenblick auszurasten.
Dieser musterte mich kurz mit einem durchdringenden Blick und nickte mir zu. Dies reichte schon aus, um zu wissen, dass ich ihn nicht leiden konnte. Es wirkte sehr herablassend. Unnahbar und arrogant in einem. Er und ich, wir waren uns zu ähnlich. Danach ging er einfach weiter.
Mario ließ sich nicht weiter stören und ging zu einem Eiswagen. Kaufte sich ein Eis und schlenderte, wie er es schon die ganze Zeit tat, zurück.

»Wer war dieser Typ?«, rutschte es mir heraus. Er blickte mich nur an, schüttelte leicht den Kopf und nahm einen Bissen von seinem Eis, was mich erschauern ließ. Ich konnte es auf dem Tod nicht ausstehen, von einem Eis abzubeißen. Geschweige denn einem dabei zuzusehen, wie er von seinem Eis abbiss. Ein Eis leckte man. Und zwar genüsslich.
Da meinte er nur; »Deine Eroberung! - Ach und zieh dir das Shirt wieder an. Wir sind hier im Gebiet der Reichen und Schönen, - falls du es noch nicht mitbekommen hast. - Herrgott ist das Eis teuer. 1,20 für eine Kugel und schmecken tut es auch nicht, …«
Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Laut Wette sollte es ein Mädchen sein, das Mario per Händeschütteln auswählte, aber das, das war definitiv kein Mädchen. Das war ein Mann und ein gut aussehender noch dazu, wie ich zugeben muss. Nicht dass ich was für Männer übrig hätte.
Ich suchte die Spucke in meinem Mund, die mir auf fatale Weise abhandengekommen zu sein schien.
Mario stand stumm neben mir und noch immer weigerte er sich, seinen Blick von mir zu nehmen. Dies war die Herausforderung und irgendwie kam mir mein bester Freund nicht mehr so schüchtern und unbedarft vor. Sein Gesicht wurde nicht rot und er trat auch nicht von einem Fuß auf den anderen. Er stand einfach nur da und starrte mich an. Irgendwann, nach ewig langen Sekunden fand ich meine Stimme wieder und polterte los.

»Sag mal spinnst du? Ein Kerl?« Er zuckte nur mit den Schultern.

»War da nicht irgendwas von einem Mädchen?«

Er schüttelte den Kopf. »Nie! Ich sagte, dem Erstbesten dem ich die Hand schüttle und er war halt eben gerade da.«

»Mir kommt das wie ein abgekartetes Spiel vor. Du und er, ihr habt das doch geplant!« Mario schüttelte erneut den Kopf.

»Der Typ weiß nichts davon. Ach Sam, wenn dir die Wette zu schwierig ist, … ich freue mich auf deinen Wetteinsatz, morgen … auf dem … Pausenhof.«
Er funkelte mich an. Nein das war pure Herausforderung. Pure eiskalte Berechnung. Mario forderte mich zu einem doofen Wetteinsatz heraus, der die Peinlichkeit in Person war. Damit jeder wusste, dass ich eine Wette verloren hatte. ›Nein! Ich bin der Meister der Wetten und ich werde nicht klein beigeben und doch, …‹

»Ein Kerl?! Ich glaube, du spinnst wirklich! Ein Kerl, ein Typ, einer mit einem Gestänge da unten, … nee. Das kannst du nicht von mir verlangen.«
Er zuckte wieder nur mit den Schultern und meinte, dass er sich ein Plätzchen im Schatten suchen würde.
Und mich ließ er einfach in der prallen Sonne zurück und ich glaubte sogar, dass sich meine Körpertemperatur um mehr als zehn Grad erhöht hatte. Ein Kerl! War das denn zu fassen. Nein. Nie und nimmer!
Ich winkte ab und setzte mich zu ihm in den Schatten. Mein Shirt zog ich mir wieder an.

Aber was sollte ich machen? Den Schwanz einziehen? Das war ein Ding, das nun mal gar nicht ging. Ich gab nicht einfach auf. Egal, wie schwierig oder ekelhaft die Wette auch sein mochte. Aber einen Typen flachlegen? Was hatte sich Mario nur dabei gedacht? Wenn es nur flachlegen wäre, damit hätte ich vielleicht noch umgehen können, ein Loch war ein Loch, auch wenn mir feuchte und nasse Eingänge lieber waren. Aber gleich erobern?! Dass derjenige mir sozusagen gleich einen Heiratsantrag machte?! Oh Herr im Himmel.
Dieser und jener Gedanke huschten durch meinen Kopf und ich studierte erneut den Zettel.
Noch einmal las ich mir die Aufgaben durch und ein zweites und ein drittes Mal. Aber die Aufgaben änderten sich nicht, also faltete ich den Zettel wieder zusammen. Als ich aufblickte, schleckte Mario immer noch an seinem Eis.
Ein Kerl! Das war pure Berechnung, so gemein. So gern ich Mario als Freund auch hatte, aber es gab Grenzen und diese hatte er gewaltig überschritten.

»Noch kannst du es dir ja überlegen, aber sei gewiss, wenn du kneifst, dass ich dich dann morgen, wie ein Huhn gackernd, über den Pausenhof rennen sehen will. Entweder das und alles ist vergessen, oder du schaffst es in drei Monaten, dass der Typ dir mehr oder weniger aus der Hand frisst«, beantwortete er meine Gedanken, so als ob er sie gelesen hätte.

»Wer ist dieser Kerl überhaupt und warum gerade er? Warum überhaupt ein Kerl?«

»So viele Fragen, auf die es keine Antworten gibt. Ich sage einfach mal, … das Schicksal hat entschieden.«

»Du spinnst doch echt, ey!«
Wieder zuckte er nur mit seinen Schultern und ließ mich alleine zurück.


Als ich daheim ankam, hatte ich immer noch keinen Plan. Die einfachste Lösung wäre, die ganze bescheuerte Wette in den Wind zu schießen. Nur dann müsste ich am nächsten Morgen wie ein gackerndes Huhn über den Pausenhof hüpfen und immer wieder vor mich hin jodeln: »Ich habe die Wette verloren. Ich habe die Wette verloren. Mario hat gewonnen. Mario hat gewonnen. Mario ist der King.« Nee, ein absolutes No Go.
Was war noch mal Marios Wetteinsatz, wegen dem ich überhaupt erst die Wette angenommen hatte? Die komplette Staffel von Star Wars Animation in 3-D. Ein Jahresabo für ›World of Warcraft‹ und vier Kästen Bier.
Schon allein dieser Einsatz ließ mich erkennen, dass Mario mich besser kannte, als mir lieb war. Nein, mehr noch, er hatte mich an der Angel. Er wusste, dass mir meine Eltern ›World of Warcraft‹ gesperrt hatten. Dass ich schon lange die komplette Staffel der animierten Star Wars Serie haben wollte, sie mir aber wegen notorischen Geldmangels nie leisten konnte. Und vier Kästen Bier. Nun ja, davon hatte Mario auch etwas. Und ich? Ich sollte als gackerndes Huhn über den Pausenhof hüpfen. Mein Wetteinsatz war im Gegensatz zu Marios Einsatz sehr gering, aber diese Peinlichkeit. Diese öffentliche Zurschaustellung, dies ging absolut nicht, nie und nimmer. Wer war ich denn? Der Depp vom Dienst oder was?

Der Abend kam und ich hatte meine Hausaufgaben immer noch nicht erledigt, die mir in der Regel aber auch scheißegal waren. Mario machte sie immer, er brauchte es zu lernen. Ich nicht. Ich hätte, wenn ich gewollt hätte, meinen Abschluss schon seit über zwei Jahren in der Tasche haben können, aber ich wollte nicht.
Damals wollte ich Mario nicht alleine lassen, denn er wurde immer von irgendwelchen Typen aus höheren Klassen gemobbt. Und er sah zu der Zeit, mit seinen vierzehn Jahren, nicht gerade wie ein gestandener Mann aus. Okay, er sah noch immer genauso schmächtig aus, wie damals. Und trug noch immer diese unmögliche Brille. Obwohl ich ihn schon öfters gefragt hatte, warum er keine Kontaktlinsen benutzte. Er meinte dann nur, dass er sie nicht verträgt.
Mein Handy klingelte und ich blickte auf das Display. Mario!

»Dass du dich überhaupt noch traust anzurufen!«, schnauzte ich ihn an.

»Hey, mal langsam. Ich habe nur eine Frage. Immerhin mache ich für dich die Hausi mit, die du dann nur noch abzuschreiben brauchst.«

»Ja, wenn sie denn richtig wären. Also schieß los!«
Wie üblich hatte er immer beim gleichen Fach seine Probleme und wir telefonierten ungelogen noch eine ganze Stunde und diskutierten über den Stoff.

»Hast es jetzt endlich geschnallt oder soll ich wieder von vorne anfangen!«, schnauzte ich ihn wieder an. Auch wenn ich es eigentlich nicht wollte, so war ich doch noch sauer auf ihn.

»Ja ich glaube, ich habe die Aufgabe kapiert. Danke Sam.«

»Passt schon. - Ach Mario – Kikeriki, …!«

»Was du gibt auf????«, schrie er begeistert ins Telefon und ich, ich atmete resigniert ein.

»Einen Hühner-Sam, das wird ein Schauspiel. Yeah … gewonnen, gewonnen!«, er legte auf. Kurz schüttelte ich mich und war im nächsten Moment nicht nur wütend auf mich selbst. Ich hatte tatsächlich eingestanden, dass ich die Wette als verloren anerkannte. Mit anderen Worten, am nächsten Morgen hüpfte ich gackernd über den Pausenhof. Welche Ironie des Schicksals. Aber eigentlich war dies definitiv ein totales No Go.


Ich schloss die Augen und mir war, als ob sich ein dunkler, bohrender und stechender Blick tief in meine Seele brannte.
Ich schreckte hoch.

»Scheiße, ich kenne diesen Typ!«, rief ich. Aber leider wusste ich nicht woher.
Da war es endgültig mit meiner Nachtruhe vorbei. Immer wieder sah ich diese Augen und wälzte mich von einer Seite auf die andere.
Das letzte Mal, als ich auf meinem Wecker blickte, war es bereits weit nach Mitternacht und es wäre eine Lüge, wenn ich behaupten würde, dass ich in dieser Nacht geschlafen hätte.


Ziemlich gerädert stand ich auf und schlurfte in die Küche. Nicht anders als erwartet, stand nur die Haushälterin am Herd und bereitete das Frühstück vor.

»Guten Morgen!«, murmelte ich und setzte mich an den Tisch.

»Guten Morgen Sam! Dein Frühstück ist gleich fertig. Heute gibt es Spiegeleier auf Brot.«

»Hmm, Strammer Max!«
Sie nickte und stellte mir auch gleich den Teller hin.

»Ela, weißt du, wann meine Eltern heimkommen?«
Sie schüttelte den Kopf und ich schnaubte resigniert.
Da waren sie schon über zwei Wochen unterwegs. Und das Beste, sie hatten es nicht einmal für nötig gehalten, mich an meinem Geburtstag anzurufen. Der war letzte Woche. Nur Ela und Mario hatten daran gedacht und eine kleine Feier organisiert, nur für uns drei. Sicherlich, wenn ich gewollt hätte, so hätte ich eine Party steigen lassen können, zu der ich die halbe Stadt hätte einladen können. Nur wollte ich nicht.
Ein paar Mal stocherte ich im Essen, trank meinen inzwischen nur noch lauwarmen Kaffee aus und machte mich auf dem Weg in die Schule.
Feige daheimzusitzen und den Kranken zu markieren, - diese Ausrede drang zwar unaufhaltsam in mir hoch, war aber genauso wie diese Wette ein No Go.


Mit meinem Rucksack auf dem Rücken stand ich vor der Einfahrt zur Schule. Schon von Weitem sah ich, wie Mario sein Handy vorbereitete, um mich zu filmen. Diesen Moment musste er doch wirklich festhalten, ich schüttelte den Kopf. Atmete noch einmal resigniert und betrat das Schulgelände.
Mario sprach etwas, wahrscheinlich eine Einleitung, für die Aufnahme auf seinem Handy.
Ich hob meine Hand zum Gruß und hörte nur noch, wie er sagte, »Bis zu Sams großem Auftritt sind es noch, …«, er blickte auf seine Armbanduhr, »ca. 110 Minuten. Der Countdown läuft. - Hey!«, begrüßte er mich, nachdem er sein Handy in die Hosentasche verstaut hatte.

»Hey! Und hast die Matheaufgabe noch fertig gebracht?«
Ich musste mich ablenken. Mario hingegen grinste breit, als er mir zunickte.
Von überall kamen meine Kumpel oder welche die es gerne sein wollten und schlugen mir auf die Schulter. Ihre gehässigen Gesichtsausdrücke waren unmissverständlich. Mario hatte seine vorlaute Klappe wohl wirklich nicht halten können und in mir brodelte die Wut hoch.
Wie konnte er nur? Ich bin Sam, der Meister der Wetten, und es gab auf der Welt keine, aber auch absolut keine Wette, die ich nicht meistern konnte. Die ich nicht gewinnen konnte und so würde es auch mit dieser sein. Scheiß auf das kleine Detail, dass meine Eroberung ein Mann sein sollte. Ich musste ja nicht gleich mit ihm ins Bett steigen. Ich musste ihn nur dazu bringen, sich in mich zu verlieben und mir fiel dieser alte Song von ABBA ein ›The winner takes it all‹. Ich stand auf ABBA. Na und?


Und was?


Wo lag das Problem?


Es gab doch eigentlich keines!


Doch! Gab es!


Er war ein Mann!


Und ich stand auf Frauen!


Verdammt noch mal ich stand auf Frauen. Auf Brüste, auf Kurven, auf eine feuchte Muschi, auf eine Knospe, die stetig durch meine Penetration anschwoll, …
Kurz schüttelte ich mich und ließ Mario stehen. In diesem Moment wollte ich ihn nicht sehen. Er hatte mit mir gewettet und ich war darauf eingegangen. Nur hatte er diese kleine Tatsache, dass es sich dabei um einen Mann handeln würde, verschwiegen.


Ich betrat das Klassenzimmer und sämtliche Augenpaare waren auf mich gerichtet. Ich versuchte sie zu ignorieren, doch eine bestimmte Stimme, konnte ich schon anhand ihrer Tonlage nicht außer Acht lassen.

»Ey Samyboy, stimmt es wirklich, dass du eine Wette aufgegeben hast? - Ist ja wirklich sehr untypisch für dich. Für den Meister der Wetten oder wie du dich immer nennst.«
Ich blickte in seine Augen und sie strotzten nur so vor hämischer Herablassung. Kevin ein Typ aus der untersten Schicht. Vielleicht wären wir irgendwann einmal Freunde geworden, doch seine Aussage, dass alle, die etwas mehr Geld hatten als er, Aasgeier und Staatsschmarotzer seien, hatte dies verhindert. Da er damit auch meine Eltern und mich meinte. Außerdem hatte er versucht, seine Meinung auch ziemlich schlagkräftig zu untermauern. Aber er ging mit einer gebrochenen Nase zu Boden und meine Eltern mussten Schadensersatz leisten. Doch das war mir egal, wenn Kevin es denn brauchte, bekam er es gerne wieder.

»Was war das denn für eine Wette? Die angeblich zu schwer für dich ist! Musstest du Mario den Arsch abwischen?« Seine Kumpanen stimmten in sein Lachen mit ein und abermals schüttelte ich den Kopf. Was wäre es für eine Erleichterung ihn einfach in meine Faust laufen zu lassen. Nur durfte ich das nicht mehr. Mir wäre sonst ein Zwangsurlaub von vier Wochenenden im Jugendarrest aufgebrummt worden.

»Hey Kevin, was hältst du davon, wenn du diese Wette übernimmst und Samyboy so richtig zeigst, wie es geht«, laberte das Schoßhündchen von Kevin, Malven.

»Yeah, das ist gar keine so schlechte Idee!«, ging Kevin darauf ein, aber ich wusste, dass diese Clique nur große Sprüche klopfte.
Kevin war mein ewiger Rivale. Er hatte den gleichen Ruf wie ich, den noch nie eine Wette verloren zu haben. Nur, und das wusste ich mit ziemlicher Sicherheit, ging es bei ihm nie fair zu und das war bei mir das oberste Gebot. Dies war der ausschlaggebende Grund, weshalb ich noch nie auf eine Wette mit ihm eingegangen war. Aber irgendwann würde ich es diesem Wichtigtuer zeigen, ich bekam nur noch am Rande ihre sinnlose Unterhaltung mit.


Wie an jedem dieser fünf Tage in der Woche, in denen ich zum Unterricht musste, blickte ich gelangweilt aus dem Fenster. Wie gesagt, ich hätte nach dem Stand meines Wissens schon vor über zwei Jahren den Abschluss machen können. Und hätte jetzt, den dritten Doktortitel in der Tasche, zumindest dann, wenn die Onlinetests bewertet werden würden. Oder wäre irgendein Fachingenieur oder Mathematiker. So vergeudete ich meine Zeit hier neben Mario und spielte mich als dessen Beschützer auf. Ich hätte ihn vor vielen Jahren ignorieren sollen und ich wäre nun, … ach keine Ahnung wo! Egal, nur nicht hier. Hier neben meinem besten Freund, der mich auf seine Weise herausgefordert hatte und selbst einen auf schüchtern machte.
Wie immer beobachtete ich ihn eine Zeit lang. Mario, wie er an einem Kohlebild skizzierte. Er malte einfach fantastisch und es war sein Traum auf die Kunstakademie zu gehen, um dort zu studieren. Nur waren seine Schulnoten zu schlecht. Wieder schüttelte ich den Kopf, es war das wievielte Mal? Ich wusste es nicht.

»Hey Mario. Du weißt schon, dass ich diese Wette nicht aufgegeben habe.«
Er rutschte mit seinem Kohlestift ab und versaute damit das ganze Bild.

»Was? Aber du hast doch am Telefon gegackert!«, entgegnete er mir.

»Gegackert schon, aber nicht wie ein Huhn.«

»Hä? Du hast aber kikeriki, …«

»Schon, das war aber der morgendliche Weckruf eines Gockels und nicht das normale Gackern eines Huhnes.«
Er blickte mich ziemlich irritiert an.

»Du hast mich genauso falsch verstanden, wie ich dich. - Mario, du hättest gestern, als du erfahren hattest, dass ich die Wette falsch verstanden habe, abbrechen müssen und die Wetteinsätze wären annulliert worden. Du bist der Wettvorgeber und es lag in deiner Hand. Oder du hättest mich noch einmal darauf hinweisen müssen, dass es sich um einen Mann handelt und ob ich noch gewillt wäre, diese Wette fortzusetzen.«

Er blickte mich verdattert an und ich sah, dass er meinem Wetteinsatz hinterher trauerte. Erst viele Sekunden später reagierte er und schüttelte, für meine Bedürfnisse, viel zu langsam den Kopf.

»Du hast in die Wette eingeschlagen. Und somit angenommen. Ob du es nun falsch verstanden hast oder nicht, ist nebensächlich.«
Hoppla da muckte aber einer auf und insgeheim schmunzelte ich über seine Standhaftigkeit. Ich glaubte sogar, dass ich ihn mit meinen aalglatten Argumenten nicht mehr umstimmen konnte. Mit anderen Worten, er mich mit meinen eigenen Waffen schlug. Und wieder schüttelte ich den Kopf. Das wievielte Mal war das nun?
Wenn Mario sich so weiter entwickelte, dann würde das Wetten mit ihm um einiges interessanter.

»Gut ich wiederhole die Wette noch mal. Du musst innerhalb von drei Monaten, dem Erstbesten, dem ich persönlich außerhalb der Schule die Hand gebe, davon überzeugen, dass er dich liebt. Du bekommst einen Zettel, indem die Aufgaben stehen, die du zum Abschluss bringen musst, und zwar in der Reihenfolge, die ich mir überlegt habe. Auch einige Regeln, die du zu befolgen hast. Das Diskutieren und Verhandeln über das Für und Wider einer Aufgabe ist dir während der Wette untersagt. Solltest du die Wette zum Abschluss bringen, schulde ich dir einen Kasten Bier, ein Jahresabo für ›World of Warcraft‹, sowie die komplette animierte Staffel von Star Wars. Solltest du, aus welchen Gründen auch immer, aufgeben, so schuldest du mir eine Schulpause lang das Gegacker eines Huhnes, mit der Aussage Mario hat gewonnen. Sam hat verloren. Die Wette tritt in Kraft, wenn beide Parteien sich die Hand geben und ›die Wette gilt‹ rufen.«
Scheiße er hatte diese Wette Wort für Wort wiedergegeben und ich nannte mich einen dämlichen Narren. Mario hatte nichts falsch gemacht, ich hatte nur nicht richtig zugehört und vor allem hatte ich nicht nachgefragt. Und zudem hatte er sich gestern durchaus richtig verhalten.

»Du hast in diese Wette eingeschlagen und somit gilt sie. Wie schon gesagt, Veränderungen werden nicht angenommen. Es gibt nur dein Aufgeben oder du ziehst sie durch. Gestern in 90 Tagen müssen alle 12 Aufgaben mit Erfolg abgeschlossen sein. Für die erste Aufgabe hast du nur noch 6 Tage.«

»Die erste Aufgabe ist bereits ganz schön bescheuert. Erkennen und Annehmen, … was hat die überhaupt zu bedeuten? Sollte es nicht Annehmen und Erkennen heißen?«

»Drehe es, wie du es willst. Mir egal. Immerhin hast du Aufgabe 1 schon zu fast 80 % absolviert.«

»Neenee, wohl eher zu 100 %. Ich habe die Wette angenommen und erkannt um was bzw. wen es sich handelt.«

»Bist du dir da sicher?«, weiter sagte er nichts und widmete sich abermals seinem Bild. Wie immer war ich überrascht, wie er die Verunstaltung auf dem Bild wieder ausmerzen konnte.


Die Pause kam und Mario tat nichts, damit die Wette als verloren oder vorbei angesehen wurde. Selbst die umstehenden Schüler, die gespannt auf meinem Auftritt gewartet hatten, gingen auseinander und ich jubelte innerlich, nicht der peinlichen Szene ausgesetzt zu sein. Es hatte schon gelangt, dass ich im letzten Jahr halb nackt durch den Park rennen musste. Aber nicht für lange und vor allem, ich hatte diese Wette nicht verloren.
Am Ende des Unterrichtes gab mir Mario bekannt, dass ich die Aufgabe 1 mit Bravour bestanden hätte und nun Aufgabe 2 anstand.

»Was war Aufgabe 2 noch mal?«, fragte ich mich und im gleichen Moment erinnerte mich Mario daran, dass ich nur sieben Tage für jeweils eine Aufgabe Zeit hätte.
Okay, wenn man es so berechnet, hat mein bester Freund für jede Aufgabe eine Woche eingeplant. So kam er dann auf die drei Monate. „Mario, du bist zu einfach gestrickt“, und doch wusste ich, nein, das sagte mir mein Gefühl, dass die ganze Wette einen Haken hatte. Einen tierischen, wenn nicht gigantischen Haken. Dass es sich dabei um einen Mann handelte, ließ ich mal außen vor und doch, … irgendetwas passte bei dieser Wette ganz und gar nicht, also holte ich den Zettel mit den Aufgaben aus meiner Hosentasche. Ich las die Aufgaben noch einmal durch. Nur fand ich dort nichts, was mit meinem Gefühl übereinstimmte. Um es herauszufinden, musste ich die Wette weiterführen.

 

Geist der Vergangenheit

Aufgabe 2:

Besagte Person kennenlernen

 

Ich saß auf der Liege im Garten hinter unserem Haus. Ela wuselte, wie jeden Tag, und wie üblich überall zugleich herum. Was würde ich nur ohne sie machen? Sie war für mich mehr Vater und Mutter als meine eigenen leiblichen Eltern. Ela hat mich erzogen und mir beigebracht, was Recht und was Unrecht ist und doch fühlte ich mich so entsetzlich allein. Innerlich leer und vor allem gelangweilt.

Mir fehlten die kleinen Wetten für zwischendurch, doch Mario ließ sich auf keine andere Wette ein. Ich musste dazu sagen, dass dies die erste Wette war, die mir Mario anbot. Bis jetzt hatte er sich immer außen vorgehalten und stand mir bei meinen Wetten bei. Er hatte eigentlich gar nichts fürs Wetten übrig. Vielleicht war das auch der Grund dafür, weshalb ich auf diese unmögliche Wette überhaupt eingegangen war. Langsam fragte ich mich aber, warum gerade er mir so eine Wette vorgeschlagen hatte. Er sollte es doch eigentlich besser wissen, er hatte doch keine Chance gegen mich. Jedes Mal, wenn ich ihn nach seinem Grund für die Wette fragte, winkte er ab und zählte die Tage abwärts die mir noch blieben um die zweite Aufgabe zu lösen.

Aber Scheiße, wie sollte ich die zweite Aufgabe überhaupt angehen, wenn ich nicht einmal wusste, wie der Typ überhaupt hieß. Dieser Mann war mir völlig unbekannt, … aber auf der anderen Seite irgendwie kam mir der Kerl doch auch bekannt vor.

Und was, wenn er schon längst aus der Stadt verschwunden war und ich mir somit umsonst die Mühe machte.

So doof und bescheuert wie sich die Aufgabe anhörte, so leicht sie mir zunächst vorkam, im Nachhinein stellte sie sich doch mehr als schwierig dar.

Ich konnte schon nicht mehr zählen, wie oft ich auf Facebook nachgeschaut hatte, auf der Suche nach einem Bild, das auch nur ansatzweise Ähnlichkeit mit dem Typen aufwies. Oder hatte in meinem Freundeskreis nach jemand gefragt, mit der ungefähr die gleiche Statur. Und nun? Ich wusste nicht mehr weiter. Mario brauchte ich erst gar nicht zu fragen, ob er mir ein Phantombild erstellen würde so wie er es sonst oft gemacht hatte, um mir bei meinen Wetten zu helfen. Auf seine Hilfe konnte ich nicht zu hoffen. Er war der Wettgeber. Er durfte mir nicht einmal den kleinsten Hinweis geben.

Doch da fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

Doch er darf!

Laut unseren Regeln, ist er sogar verpflichtet einem Wettenden, der weniger als 10% der Zeit noch hatte einen helfenden und sachdienlichen Hinweis zu geben. Ok, somit war dieses kleine Problem gelöst. Ich musste nur noch warten bis ich weniger als 16 Stunden Zeit hatte.

Na toll, die letzten Stunden fallen aufs Wochenende. War ja wieder einmal typisch. Wochenende, da hatte Mario meist mit seiner Familie irgendetwas vor, oder er ging arbeiten.

Schon von weitem hörte ich meine Eltern wie sie sich wild unterhaltend näherten, genervt drehte ich mich dem störenden Lärm zu.

“Ah, da bist du ja Schatz!”, begrüßte mich meine Mutter und verteufelte sogleich wieder meinen Vater. Er hob nur ständig entschuldigend seine Arme und wartete bis Mutter ihm eine kleine Verschnaufpause gönnte.

“Ela! Wären Sie so freundlich und würden unsere Koffer auspacken!”, schaffte er es dem Ansturm von Mutter für einen kurzen Augenblick zu entkommen. Ela nickte nur und machte sich wieder über das Unkraut her. Ich sah nur wie Vater seine Augenbrauen hob, resigniert schnaufte und irgendetwas wie 'Weiber und ihre Sturköpfe' murmelte. Sofort ging die Triade von Mutter weiter.

Ich bekam nur am Rande mit, dass auf ihrer Geschäftsreise irgendetwas tierisch in die Hose gegangen war. Mir egal und so schloss ich meine Augen um noch etwas Sonne zu tanken.

Obwohl, dass ich fast täglich in der Sonne lag, ich hasste Solarbräune, war ich noch nicht so braun, wie ich es gerne hätte. Das ist das Erbe meiner dusseligen Mutter. Sie war blauäugig und blond und wurde eher rot als braun, mit Sonnenbrandgarantie. Mein Vater hingegen, er brauchte nur an das Wort Sonne zu denken und schon stand er da wie ein etwas zu blass geratener Neger. Nicht nur dass meine Eltern völlig bescheuert waren, sie waren auch noch so gemein mir jeweils ihre schlechtesten Gene zu vererben.

Ich selbst war ein Gemisch zwischen graublond und Kackebraun. Also, um es besser zu verstehen. Meine Haare waren weder blond noch braun. Irgendetwas undefinierbares dazwischen. Und es ist zum k o t z e n.

Ok, ok ich lasse meine Haare regelmäßig aufhellen. Jetzt sind sie zumindest ansatzweise blond.

Und meine Augenfarbe konnte sich auch nicht richtig entscheiden. In der Regel herrschte eigentlich die Farbe von einem Elternteil vor, doch bei mir war das anders. Ich bin ein Gemisch aus blond/blauäugig und Schwarz/braunäugig. Nun ja, auch wenn mir meine Kopfbedeckung und die Augenfarbe nicht so zusagten, konnte ich eigentlich doch zufrieden mit mir sein. Ich war zwar nicht wirklich groß, ca. 1,75, dafür aber sehr durchtrainiert. Wenigstens zahlten meine Eltern noch für meine sportlichen Aktivitäten und für mein leibliches Wohl sorgten sie auch. Aber gegen meine Langeweile etwas zu tun, von der ich mehr als reichlich hatte, kam ihnen einfach nicht in den Sinn.

Ich schwang mich von meiner Liege und betrat das Haus. Schon beim ersten Schritt hörte ich sie lautstark diskutieren. Wie immer wenn sie von einer Geschäftsreise nach Hause kamen. Dieses Geschäft, von dem sie sich noch vor vier Wochen soviel erhofft hatten, musste jetzt wirklich total in die Hose gegangen sein.

Ich hatte schon damals meinen Eltern vor der Reise abgeraten. Meine Hochrechnungen betreffend der Rentablilität dieser ausländischen Firma, ergab nur rote Zahlen. Aber wie sollte es auch anders sein, ich wurde völlig ignoriert und abgeschoben. Wie immer. Nun wie heißt es so schön, wer nicht hören will …

Langsam betrat ich das Wohnzimmer und sah, wie Vater sich seinen teuren Cognac in ein Glas, welches mit Eis überfüllt war, schüttete und ohne diesen fantastischen Geruch des Holzes und den herben Geschmack zu genießen, in seinen Rachen goss.

Meine Mutter lehnte an ihrer überteuerten Kommode und rauchte eine Zigarette.

“Willst du auch einen?”, fragte er, sie schüttelte nur träge ihren Kopf.

“Es bringt einfach nichts, sich noch weiter den Kopf darüber zu zerbrechen. Ich habe es dir von Anfang an gesagt, dass mir der Katzabuk nicht seriös vorkommt.” Jetzt war es Vater der träge mit dem Kopf schüttelte und anschließend meiner Mutter leicht zulächelte.

“Du hast recht. Ich sollte wohl wirklich langsam anfangen, meiner Frau mehr zuzuhören,…” Hoppla was geht denn da ab? Solche Floskeln hatte ich noch nie bei den Beiden gehört. Als ich mich räusperte erschraken beide leicht und blickten mich an.

“Sam!”

 

Ela war wieder wie ein Wirbelwind und nichts und niemand durfte sich jetzt zwischen sie und ihrer Arbeit stellen. Das Bestes wäre, wenn jeder in sein für ihn vorhergesehenes Zimmer ginge und wartete bis sie mit allem fertig war. Aber ich konnte nicht. Mir war langweilig und da ich nichts Besseres zu tun hatte, half ich ihr etwas.

Ab und zu bedachte sie mich mit einem Blick der nichts anderes besagte als lass einfach die Finger davon. Den ich aber gewissenhaft ignorierte.

Nachdem ich das dritte Mal, ihrer Meinung nach, die Wurst falsch zusammengefaltet hatte und ich mich erneut fragte, warum das so sein sollte, scheuchte sie mich an den Tisch. Ich meine, warum musste der Wurstteller mit zusammengelegter Wurst mit all dem ganzen Schnickschnack wie Tomaten, Paprika und Gurkenstücke verziert werden. Warum musste auf den Lachsscheiben immer ein Klecks Meerrettich darauf sein? Wer dies nicht mag, wird das ganze Essen weggeschmissen, einfach weil es nicht für ein zweites mal verwendet werden kann.

Das Abendessen verlief, wenn meine Eltern mal zu Hause waren, immer gleich. Vater studierte die Zeitung und Mutter telefonierte stetig mit ihren Freundinnen. Die Weiber, die Mutter immer besuchten, waren nur auf ihr Geld aus. Oder wohl eher darauf, sich einen besseren Stand in der Öffentlichkeit zu sichern, und dafür schmierten sie ihr genügend Honig um das Maul. Die Olle kapierte es aber einfach nicht. Na ja, halt naturblond.

Ich selbst aß mein Brot und verabschiedete mich. Viel Hoffnung hatte ich nicht, dass einer meiner biologischen Erzeuger es überhaupt bemerken würden. Ich wartete einige Sekunden und ging dann aus der Küche. Ich hatte es ja gewusst. Kein einziger Ton des Verabschiedens kam über ihre Lippen, nur Ela nickte mir zu.

Ich ging noch duschen und schloss mich dann in mein Zimmer ein. Wenn sie schon keine Unterhaltung haben möchten, dann will ich auch keine.

Wie geahnt klopfte es später an meiner Tür und Vater wollte mit mir reden. Ich gab keine Antwort und tat als ob ich schon schlief.

Aber wieder war von Schlafen keine Rede. Ich tat kein einziges meiner zwei Augen zu und zählte zwischenzeitlich schon die Sekunden.

 

Diese Haltung, diese Lippen, dieses weiche Gesicht mit seinen markanten Zügen die eigentlich überhaupt nicht zusammen passten und doch eine Einheit bildeten und Arroganz ausstrahlten, schoben sich immer wieder in meine Gedanken. Und immer wieder hatte ich das Gefühl etwas Neues an ihm wahrzunehmen, und das obwohl ich ihn nur flüchtig und aus drei Meter Abstand gesehen hatte.

Dieser Mann machte mich wahnsinnig. Irgendwie konnte ich ihm eine enorme erotische Ausstrahlung nicht absprechen.

Ich wusste nicht wann, aber früher oder später musste ich doch irgendwann eingeschlafen sein. Denn das Nächste das ich wahrnahm war, dass der Wecker losging.

Ich stand auf und schlurfte in die Küche. Ein mir völlig unbekanntes Bild bot sich mir da in Herrgottsfrühe. Meine Eltern saßen am Tisch. Eigentlich nichts neues, nur, … nur Mutter hatte kein Telefon in der Hand und Vater las keine Zeitung. Mir wurde es etwas mulmig in der Magengegend, als alle beide, synchron zu mir aufblickten und mich anlächelten.

“Guten Morgen Sam,…!”, das war Vater.

“Guten Morgen Schatz,…!”, das war Mutter und ich blickte leicht verdattert in die Runde. Selbst Ela schien anders zu sein als sonst. Sie hatte ein Grinsen im Gesicht kleben, so als ob es der schönste Morgen auf der ganzen Welt sei.

Ich wollte schließlich auch nicht so sein und sagte ebenfalls guten Morgen. Was mich dann ereilte, stellte einen Bruch meiner Weltanschauung dar. Ich meine, meine Mutter war nicht mehr die Jüngste und Vater? Ich glaubte kaum, dass er es ohne Viagra noch hinbekam, …

Ok also noch einmal von vorne. Ich wiederholte für mich gedanklich ein paar Mal den Satz, der aus dem grinsenden Mund meines Vaters kam.

“Mama ist schwanger, du bekommst ein Geschwisterchen, …” Peng, Fanfare, Silvesterkracher, … Kacke!

“Ah ja!?”, kam es aus meinem Mund während die Uhr an der Wand mich grausam auszulachen schien. Ungefähr so, 'Was hast denn du gedacht? Hast du wirklich noch daran geglaubt, dass die Babys vom Storch gebracht werden?! Noch nie davon gehört, dass auch die eigenen Eltern es im stillen Kämmerchen miteinander treiben, …'

“Ok, … ich gehe dann in die Schule!”, ich war einfach zu überrumpelt als dass ich auch nur ein Fünkchen Freude für meine Eltern aufbringen konnte. Zumal ich die meiste Zeit meines Lebens, meine Eltern nur in der Zeitung zu sehen bekam. Und jetzt soll Mutter schwanger sein und ich mich noch darüber freuen?!

Schaut euch das mal an! Ich bin neunzehn und meine Eltern schweben schon irgendwo zwischen gut und böse. Wie wird das aussehen? Wenn ich mit dem Kinderwagen durch die Straßen schubbere. Da hält mich doch jeder für den Vater. Ne, ein absolutes No Go

Entgegen meinem normalen Verhalten ging ich zur Bushaltestelle, in der Hoffnung mit Mario zusammen in die Schule fahren zu können.

Ich … Trottel war so verwirrt und hatte nicht einmal daran gedacht, dass er auf der anderen Seite der Stadt wohnte und von dort mit einem anderen Bus in die Schule fuhr. Und schon stand für mich fest, dass dieser Tag total fürn Arsch war. Langsam fing ich an die Sekunden bis zum Abend abzuzählen. 46.800 Sekunden. Scheiße, diese Hiobsbotschaft, das ich ein Geschwisterchen bekomme hatte mich total kirre gemacht. Was bitteschön will ich mit einem Bruder, oder noch schlimmer, mit einer Schwester?

 

Am Eingang sah ich dann Mario schon auf mich warten und noch bevor er irgendetwas zum Gruß erwidern konnte, berufe ich mich auf die 10% Regelung. Er blickte mich mit zugekniffenen Augen an und ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel, das wirklich sehr untypisch für ihn war und mich fast von den Socken riss. Mir lief es lauwarm meinem Rücken runter und zwischen meinen Beinen regte sich was. Ruckartig schüttelte ich mich und ging auf ihn zu.

Er blickte geschäftig auf seine Armbanduhr.

“Hmm, dachte ich mir, dass du damit kommst. Aber leider musst du dich noch 18 Stunden, 53 Minuten und 24 Sek,… 23 Sek, ... gedulden. Frage mich morgen im laufe des Nachmittags noch einmal.”

Bitte was? Und da wurde es mir plötzlich klar. Diese Wette hatte Mario schon sehr lange und sehr genau geplant gehabt und jetzt glaubte ich sogar, dass der Mann mit 100% Wahrscheinlichkeit in seinen Plan passte, es war kein Zufall. Mario musste ihn kennen. Vor allem aber musste er sich sehr sicher sein, dass ich diese Wette verlieren würde, oder so wie ich meinen besten Freund einschätzte er rechnete damit, dass ich aufgab.

 

“Sam du weißt aber schon, wenn ich dir die 10% Regelung jetzt zugestehe, dass du dann den Joker 50:50 und die Verweigerung, während der Wette einsetzten musst. Die Verweigerung einer Aufgabe gilt dann als 'Aufgabe verloren' wenn du die nächste Aufgabe nicht innerhalb von 24 Stunden gelöst hast und wenn du die nächste Aufgabe nicht innerhalb der verkürzten Zeit abschließt, … du die ganze Wette verloren hast.”

Das durfte doch jetzt wohl nicht wahr sein. Er holte die Pokerface Regeln hervor und bestand auf deren wortwörtlichen Einhaltung.

Die Wettregeln sahen einige mögliche Joker vor, die der Wettnehmer einsetzen durfte. Selbstverständlich durfte die Wette durch die Joker insgesamt nicht erleichtert werden, daher barg die Anwendung der Joker zugleich auch immer eine Gefahr. Bei der 10 % Regelung, musste der 50:50 Joker und die Verweigerung ebenfalls in Anspruch genommen werden. Die 50:50 Regelung bedeutete, dass der Wettgeber dem Wettnehmer zwei Alternativen nennen musste und sich dieser für eine entscheiden muss, traf er die richtige Entscheidung ging es weiter, wenn nicht hatte er die Wette verloren, also letztendlich entschied hier das Glück. Die Verweigerung gestattete es dem Wettnehmer eine einzelne von ihm ausgewählte Aufgabe dann komplett zu verweigern, in diesem Fall wurde zwischen ihm und dem Wettgeber eine Erschwerung der Aufgabe verhandelt. Können sich die Wettkontrahenten nicht über eine Erschwerung der Aufgabe einigen, so galt, dass die nächste Aufgabe innerhalb von 24 Stunden zu lösen sei.

Aber ich wäre nicht der Wettmeister, wenn ich bei der ersten kleinen Schwierigkeit direkt den Schwanz einziehen würde.

“Gut ich bin damit einverstanden und berufe mich dann auf Erschwerung der Wette und gebe die Verweigerung ab. Also lass uns über eine Erschwerung verhandeln.”, versuchte ich einen anderen Weg einzuschlagen. Mario blickte mich verdattert an.

“Was denn? Ist voll und ganz im Rahmen der Pokerface Regeln. Oder hast du damit nicht gerechnet.”

“Doch ich habe damit gerechnet, dass du zum Verhandeln kommst und meine Antwort ist nein. Mit dem Wettgeber ist, während der Wette nicht zu verhandeln. Die Aufgaben und auch die Joker bleiben so wie sie sind. Es gibt keine Erleichterung und auch keine Erschwerung der Aufgaben. Du kannst dich auf die Pokerface-Regeln berufen, was zur Folge hat, dass auch die 50:50 Regelung und die Verweigerung angewendet werden. Für die Las-Vegas Regelung ist es jetzt zu spät. Die kannst du bei der nächsten Aufgabe anwenden. Aber auch nur, wenn du auf die Pokerface-Regeln insgesamt verzichtest.”

Scheiße, Mario hatte das wirklich sehr gut durchdacht. Woher wusste er das alles? Diese Frage war so etwas von überflüssig, dass ich mich selbst einen Narren schimpfen musste. Die ganzen Regeln, das ganze Wetten, alles hatte er von mir gelernt. Wir sind seit mehr als vier Jahren die besten Freunde und er stand mir in dieser Zeit ständig zur Seite. Und, ja, … dass musste ich mir jetzt wirklich eingestehen, ohne ihn hätte ich so einige Wetten nicht gewonnen.

Er hatte mich ausgetrickst, dieser Mistkerl. Keine der Aufgaben war innerhalb von 24 Stunden zu bewerkstelligen. Die Pokerface-Regel waren somit keine Möglichkeit für mich. Aber irgendwie konnte ich ihm nicht böse sein. Warum bin ich überhaupt auf diese Wette eingegangen? Mario war und ist auch jetzt noch meine rechte Hand.

“Nene, laut Pokerface-Regeln kann ich eine von den drei Jokers verweigern, muss aber dann eine Erschwerung der Wette akzeptieren.”, versuchte ich ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen und wieder umspielte seine Mundwinkel dieses Lächeln.

“Laut Wette, in die du eingeschlagen hast, ist das Verhandeln mit dem Wettgeber untersagt, die Pokerface Regeln können in diesem Fall nicht verhandelt werden, sondern können nur unverändert angewendet werden.”, meinte er nur und schulterte seinen Rucksack.

Er ging Richtung Schulgebäude und drehte sich nicht einmal mehr zu mir um. Sein Rücken,… ich blickte weiter hinab,… - hatte er eigentlich schon immer so einen wohlproportionierten Hintern?

“So ein Arsch!” murmelte ich und war mir nicht sicher in welcher Beziehung ich dies jetzt wieder gemeint hatte. Wieder schüttelte ich mich und versuchte krampfhaft nur an das Weiterführen der Wette zu denken.

Er lässt wirklich nicht mit sich verhandeln. Jeder Andere hätte die Erschwerung mit einem Handkuss angenommen. Entweder ist Mario so unbedacht oder er plant etwas anderes. Und wieder kam das Gefühl in mir hoch, dass mit dieser Wette irgendetwas nicht stimmte. Aber auch ein anderes Gefühl das ich so nicht kannte und lieber ignorierte.

Kirre,… Kirre. Irgendwie machte Marco mich ganz kirre.

Mich auf den Unterricht zu konzentrieren war unmöglich und ich bettelte die Uhr an der Wand an, sich schneller zu drehen. Selbst über die nicht vollständige oder falsche Hausaufgabe konnte ich mich aufregen. Mario ignorierte mich die ganze Zeit und tat zumindest so, als ob er sehr konzentriert dem Unterricht folgte. Nicht einmal eine Sekunde lang bekam ich von ihm Aufmerksamkeit so dass ich mich entschloss nach Hause zu gehen.

Was ist nur in Mario gefahren? Warum behandelt er mich wie Luft, … Warum kann ich ihn nicht um Rat fragen? … So wie ich es sonst immer konnte. Die Antwort war so klar, dass es in mir wieder zum brodeln begann. Er ist der Wettgeber und kann nur als solcher mir behilflich sein.

Und wieder fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Er hat dies alles mit einkalkuliert. Selbst diese Zusatzklausel, von wegen dass man nicht mit dem Wettgeber verhandeln kann. Oder die Anwendung der Las-Vegas Regel und der Pokerface-Regel. Alles schien er bedacht zu haben. Aber es musste einen Ausweg, eine Hintertür geben, einen kleinen Fehler, den Mario übersehen hatte.

 

Leicht verdrossen holte ich den, zwischenzeitlich schon ziemlich verknitterten Zettel aus meiner Hosentasche und las die Aufgaben und die dazugehörigen aufgestellten Regeln erneut durch. Eigentlich müsste ich das nicht, da ich die Aufgaben, danke meine hervorragenden Gedächtnis, bereits auswendig kannte. Tue es aber dennoch. Den Zettel in der Hand zu halten beruhigte mich auf eine gewisse Art. Ganz besonders, wenn ich die elegante Schriftzüge von Mario erblickte.

Shit, auf den ersten Blick oder wie es in meinem Fall war, auch auf den hundertsten Blick, fiel mir immer noch kein Fehler auf.

Es ist wirklich zum Mäusemelken, ich fing an Mario zu verteufeln, und am Ende mich selbst. Ich schimpfte mich einen Narren, einen Idioten, bis hin zu einem hirnverbrannten Arsch, dass ich wirklich nur den Wetteinsatz gesehen hatte und nicht die eigentliche Wette.

 

Mein Handy klingelte und ich blickte auf das Display. Mario.

“Jo! Was gibts?“

“Wo bist du hin?“

“Hatte die Schnauze voll, von der Schule.”

“Ähm, Sam, … Mama lässt dich grüßen und lädt dich zum morgigen Familienfest ein.”

“Gibt es Käsekuchen?”

“Denke schon, dass Mama ihn macht.”

“Ok, ich komme, …” Marios Mutter machte den weltbesten Käsekuchen. Sollte man auch meinen, da sie eine eigene Konditorei hatte.

“Ey Sam. Tut mir leid. Ich würde dir gerne helfen. Aber Regeln sind Regeln und ich kann die Regeln, nur weil du mein bester Freund bist, nicht brechen. Ich könnte mir selbst und auch dir nicht mehr ins Gesicht schauen, …!”

Scheiße, zum Teufel mal. Was sollte dass denn? Doch irgendwie verstand ich es auch.

“Schon gut! Du kannst nichts dafür.”

Mario legte auf und ich starrte wieder an die Decke.

Nun gut nach ewigen Sekunden des Starrens wurde es mir überdrüssig und ich hievte mich aus dem Bett. Blickte aus dem Fenster und schnaufte resigniert.

Immer wieder huschte der dunkle Blick dieses Typen durch meine Erinnerung und es gab nichts, das mir an diesem Menschen noch verborgen war. Das hatte man nun davon, wenn man mit einem verdammten photographischen Gedächtnis geboren worden war. Je öfters ich mir diese Szene, dieses Bild aus meiner Vergangenheit herauf beschwor umso mehr Einzelheiten kamen an die Oberfläche. Nur, und da konnte ich mir in den Arsch beißen, fiel mir beim besten Willen nicht mehr ein, wann und wo ich diesen Mann schon einmal gesehen hatte. Ich wusste, ich hatte ihn schon einmal gesehen und das strapazierte meine Nerven bis aufs äußerste.

Der Tag verging und ich freute mich auf die Nacht, die aber dann doch wieder schlaflos war.

 

Der nächste Tag war genauso wie die Nacht, langweilig und grauenvoll. Meine Eltern waren der Meinung ihr Leben vollständig umzukrempeln zu müssen. Das beinhaltet nicht nur ihre Einstellung zum Leben sondern auch das gesamte Inventar des Hauses.

Alles, aber auch wirklich alles, wurde plötzlich als gefährlich eingestuft und für die Renovierungsfirma markiert. Die diese 'gefährlichen Gegenstände' zu entsorgen hatte. Ich schüttelte nur mit dem Kopf und verschwand lieber in mein eigenes Reich.

Als aber dann meine Mutter noch in mein Zimmer kam um dort auch jeweils diese 'gefährlichen Gegenstände' zu markieren rastete ich völlig aus.

“Vage es ja nicht. Hier kommt das Balg nicht rein,…”, wahr wohl ein kleiner Fehler von mir. Mutter begann mit ihrer äußerst seltenen, wenn gar nicht vorhandenen Mütterlichkeit mir eine Standpauke zu halten.

“Raus!”, zischte ich, sie starrte mich verdattert an. Fast so als ob sie mich gar nicht verstanden hätte.

“Was ist? Das hier ist mein Ding!”, ich holte mit meinen Armen aus. “Und hier habe ich das Sagen. Und hier wird nichts verändert, denn das Kind wird hier nicht reinkommen.”

“Mein Lieber, das hört sich ja fast so an, als ob du unser Baby verabscheuen würde.”

“Nein ich verabscheue das Baby nicht. Ich habe eher Mitleid mit ihm.”

Bamm, die Bombe war geplatzt. Sie wurde weiß im Gesicht. Sie drehte sich um. Sie schloss die Tür hinter sich und ich, … ich fühlte mich irgendwie erleichtert und im gleichen Atemzug aber auch irgendwie schlecht.

Aber ich war nie ein Mensch, der in der Lage war Gefühle gut auszudrücken. Ganz besonders, wenn es um Gefühle für meine Eltern ging. Welche Gefühle überhaupt? Hatte ich überhaupt welche? Wohl kaum. Vater und Mutter waren eine Einheit. Vater und Mutter waren beide mit ihrer Arbeit verheiratet. Und ich blieb irgendwo zwischen Kindsein und erwachsen werden auf der Strecke links liegen gelassen In den letzten paar Jahren konnte ich unsere familiäre Dreisamkeit an einer Hand abzählen.

Es ist sowieso ein Ding der Unmöglichkeit, dass meine Eltern jetzt noch ein Kind großziehen wollen. Wie wollen die das überhaupt schaffen? Sie und ihre Arbeit, ihr Geld, ihre sogenannten Freunde, die nur den Reichtum sahen. Damit haben sie genügend an der Backe und jetzt kommt da noch so ein schreiendes Etwas. Absolut ein No Go.

 

Ich machte mich für das Familienfest bei Mario fertig und wählte bewusst nicht meine teuersten Klamotten aus. Bei Mario war eher das Zweckmäßige angesagt und nicht die Prahlerei die meine Eltern gerne an den Tag legten.

Plötzlich klatschte ich mit der Hand an meine Stirn und war selbst von meiner eigenen Reaktion überrascht. Ich sollte meine Eltern endlich aus dem Kopf bekommen und rieb mir über meine geschlagene Stelle.

Time out!

Um diese Reaktion von mir, die ich mir irgendwann selbst angewöhnt hatte, verstehen zu können, muss ich was erklären. Eigentlich gibt es darüber nicht viel zu sagen. Es ist einfach eine automatische Reaktion, immer dann wenn ich anfange mir viel zu viele Gedanken über meine Eltern zu machen. Da klatsche ich mir selbst an die Stirn um wieder klar denken zu können. Mehr nicht. Mit anderen Worten. Je weniger Gedanken ich mir über sie mache, umso besser.

Ich schnappte mir meine Autoschlüssel und fuhr zu Mario. Noch bevor ich in die Seitenstraße einbog, in der er wohnte, hielt ich an einem Blumenladen an und kaufte für seine Mutter einen Blumenstrauß. Ich weiß, wie das aussieht, aber es gefällt mir einfach zu sehen, wie sie sich über Blumen freut. Diese Geste hatte ich einmal bei meiner Mutter versucht und wurde tierisch enttäuscht. Sie hing nur am Telefon und deutete mir mit einem Handzeichen an, dass ich die Blumen auf den Tisch legen sollte. Am nächsten Tag lagen sie immer noch auf der gleichen Stelle und waren schon teilweise verwelkt. Kein Danke, keine Freude, rein gar nichts und ich hatte es aufgegeben ihr irgendeine Freude bereiten zu wollen.

Noch bevor ich den Motor meines Wagens abstellte, sah ich schon, wie Mario die Haustüre öffnete. Er wohnte in einem gemütlichen Einfamilienhaus. Normalität steht bei dieser Familie an der obersten Stelle. Normal in dem Sinne, Wärme und Geborgenheit. Manchmal, wenn ich bei Mario war, fühlte ich so etwas wie Neid, aber dies würde ich vor ihm nie eingestehen.

Er ließ mich rein und zeigte wie immer in die Richtung, in der seine Mutter war. Und wie immer wuselte sie in ihrer gemütlich eingerichteten Küche.

“Hallo Sam. Schön, dass du kommen konntest.”

Ich überreichte ihr den Blumenstrauß, und sofort wurde in eine Vase Wasser eingefüllt und die Blumen aus dem Papier befreit. Hierfür ließ sie alles stehen und liegen. Mein Herz erwärmte sich.

Bis zum Essen dauerte es noch eine Weile und Mario zog mich mit in sein Zimmer. Leicht genervt verdrehte er die Augen und schnaufte tief durch. Ich verstand ihn einfach nicht. Er sollte doch zufrieden und glücklich mit seinem Leben sein.

Sofort startete er seine Play-Station und murmelte etwas wie, 'Mütter'. Danach drückte er mir einen Controller in die Hand und zockte sein Lieblingsspiel. “Call of Duty - Black Ops two”.

Wir spielten eine Weile bis ich mich an den versprochenen Käsekuchen erinnerte. Mario der total in seinem Spiel vertieft war, meinte nur, so etwas wie 'geh und hol dir was aus der Küche'. War auch nicht anders zu erwarten gewesen. Normalität eben. Bei uns wurde alles am Tisch kredenzt. Von einem extra bestelltem Cateringservice. Von wegen Selbstbedienung, dass wäre ja unterstes Schublade und ein No Go für meine Eltern.

Ich stand auf und schlenderte in die Küche. Fragte Marie-Ann nach dem Käsekuchen, den sie mir dann auf einem Teller reichte, drehte mich um und, … , … , … - zwei dunkle Augen mit leicht gewölbte Augenbrauen, die mit seiner, für mich jetzt, perfekten Frisur harmonisierten, blickten mich arrogant an. Sofort lief es mir eiskalt den Rücken runter, fast hätte ich den Käsekuchen fallen gelassen und ich verfluchte Mario gewaltig.

“Ah Kilrian, da bist du ja. Jetzt habe ich Sam das letzte Stück Käsekuchen gegeben.”

“Das macht nichts Tantchen.”

Kilrian? Tantchen? Der Typ nickte mir kurz zu und schob sich an mir vorbei. Er beugt sich zu Marie-Ann runter, gab ihr einen Kuss und, … - mir lief es nicht nur eiskalt den Rücken runter, nein, mir wurde schlecht. Speiübel wurde mir und die Eiseskälte wandelte sich in Lava.

Verfluchte Scheiße. Jetzt wusste ich auch, wohin ich ihn stecken konnte. Das ist der herablassendste Typ den es auf der Welt gab. Der arrogante fünf Sterne Gastronom. Der Mann, der Einzige im ganzen Universum, gegen den ich überhaupt einmal eine Wette verloren hatte. Und, … diese Erkenntnis rollte auf mich zu wie eine Dampflok, - er ist Marios Cousin.

 

Ich war damals acht Jahre und er zwölf. Schon allein die Tatsache, dass er vier Jahre älter war als ich, war eine Herausforderung gewesen. Damals wetteten wir um meine Zurückversetzung in der Klasse. Natürlich wusste ich schon damals, dass ich anders war als andere Kinder und ging auf diese Wette ein. Ich konnte ja nur gewinnen. Der Wetteinsatz war klar. Der Verlierer geht eine Klasse zurück und der Gewinner, … lebt sein Leben weiter.

Aber ich hatte ihn unterschätzt, nicht damit gerechnet, dass er genauso intelligent war wie ich. ich verlor gegen ihn im Schach. Und der Rest könnt ich euch ja denken. Ich vermasselte eine Prüfung nach der anderen. Brachte nur Fünfer und Sechser nach Hause und musste sogar zu einem Psychiater. Dies alles nahm ich in Kauf, nur um meine Wettschuld bei ihm einzulösen.

Am Ende, als ich ihm mein Zeugnis gezeigt hatte, lachte er los und meinte. “Das ist jetzt nicht dein Ernst. Du bist wirklich sitzen geblieben. Ey Mann, das hätte ich nicht gedacht, dass jemand so blöd sein kann.” - Seit diesem Moment, hatte ich diese Wette und auch ihn aus meinem Gedächtnis gestrichen. Als unreal angesehen, als nie passiert. Diese Wette gab es nie und ich holte alles schulische wieder auf. Übersprang zwei komplette Klassen. Wer war ich denn? Der Arsch? Ne!

 

Ich schlug die Tür hinter mir zu und Mario erschrak.

“Kilrian Ford. Alter 23. Besitzer des Gasthauses “Zum Schwanenteich”. - Dein Cousin? - Das ist wohl nicht dein Ernst. Ich soll deinen Cousin flachlegen, wie peinlich ist denn das?”

Mario wurde im gleichen Moment weiß und rot. Er senkte seinen Blick und widmete sich wieder seinem Spiel. Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete er seinen Mund.

“Aufgabe 2 erfolgreich abgeschlossen. Für die Aufgabe 3 hast du ab jetzt genau sieben Tage. - Ich hätte nicht gedacht, dass er heute extra seine Termine in den Wind schießt für die Familienfeier.”

 

 

Die Wahrheit liegt dahinter

Aufgabe 3:

Private Handynummer und Adresse der besagten Person herausfinden.

 

Nun, diese Aufgabe war leicht. Dachte ich zumindest. Wo Kilrian wohnte konnte ich online, über den Suchbegriff 'Schwanenteich' oder 'Kilrian Ford' leicht herausfinden. Aber egal welchen Link ich in der Ergebnisliste von Google anklickte überall stand zwar die Geschäftsnummer, aber seine private war nirgends zu finden. Ein Anruf im Gasthaus vielleicht? Wohl kaum. Welcher Mitarbeiter, dem etwas an seinem Job lag, würde einem Fremden am Telefon die private Nummer seines Chefs geben? Es war zum Mäusemelken.

Das ganze Wochenende und auch danach die Schulwoche über dachte ich über eine Option nach, ohne Erfolg. Die Tage vergingen und anhand meiner vorherigen Erfahrungen mit Mario war mir klar, dass ich mich nicht auf irgendwelche Joker zu berufen brauchte. Mario hatte, so gesehen, einen Joker auf seiner Seite in die Wette eingebaut. Anders ausgedrückt, er hatte mir die Hände gebunden. Nicht einmal der Las-Vegas Joker half mir dabei. Denn diesen Joker wollte und musste ich mir einfach aufheben, bis wirklich nichts mehr ging. Also blieb mir nichts anderes übrig, als es irgendwie selbst zu bewerkstelligen, aber wie?

Eine Wette musste lösbar sein. Das war eine Grundbedingung. Wenn ein Wettgeber eine Aufgabe stellte, die unmöglich zu lösen war, wurde sie so behandelt als ob die Wette gewonnen worden wäre und der Wettgeber musste seinerseits seine Wettschulden einlösen.

Die Auswahl der Zielperson konnte demnach nicht total zufällig sein. Was wenn Mario rein zufällig einem Mann die Hand gegeben hätte, der überhaupt nichts mit Männern am Hut hatte, dann könnte ich die Wette nicht gewinnen, es wäre einfach unmöglich. Hatte Mario das nicht bedacht? Das konnte ich mir nicht vorstellen, dafür handelte Mario zu überlegt. Das würde aber auf der anderen Seite bedeuten, dass Kilrian schwul, zumindest aber bisexuell, war. Aber half mir diese Feststellung weiter? Nein!

Nun stand ich da und grüblte, wie es weiter gehen sollte. Die Adresse hatte ich schon mal, aber die beknackte Handynummer fehlte noch immer.

Wenn es nach Mario ginge, dann sollte ich wohl meinen Stolz und meine Würde über Bord werfen und bei Kilrian an der Tür klopfen und “Hey, kannst du mir mal deine private Nummer verraten?! Ich wäre dir sehr zu Dank verpflichtet.” sagen. Welche andere Möglichkeit an die verdammte Nummer zu kommen gab es denn noch? Oh Gott, ein No Go. Verdammt diese ganze Wette war ein No Go. Aber ich war mittendrin und aufgeben war absolut nicht mein Ding. Ich würde diese Wette durchziehen und wenn es das Letzte war was ich tat.

Leider, wenn ich mir die Aufgaben ins Gedächtnis rief, wurde diese Wette nicht einfacher. Sie wurde vielmehr immer schwerer und für mich auch immer peinlicher.

Herr Gott im Himmel, wie sollte ich überhaupt so einen arroganten Snob davon überzeugen können, dass er mich liebt? Vorausgesetzt er könnte überhaupt einen Mann lieben. Mario, ich frage mich wirklich, was hattest du dir dabei nur gedacht. Und vor allem. Kilrian Ford, er ist dein Cousin, …

Moment, die Type ist sein Cousin! Da musste was vorgefallen sein. Sonst hätte Mario mich nicht auf ihn gehetzt. Kilrian musste Mario in der Vergangenheit irgendetwas angetan haben, damit mein bester Freund so reagierte. Das ist seine Vergeltung. Und den Hintergrund dieser Rache musste ich herausfinden.

Von wegen er hat nur zufällig jemanden ausgesucht. Nein. Diese Wette hatte Mario von vorne bis hinten deutlich durchdacht. Alle Eventualitäten mit einkalkuliert, damit ich es doppelt so schwer habe.

Oder! Mario will, dass ich diese Wette verliere. Die ganze Wette war darauf ausgelegt, dass sie zum Scheitern verurteilt war. Egal, wie meine Gedanken rumwirbelten ich kam auf keinen Nenner. Keine Erklärung in Sicht. Ich war vollkommen verwirrt.

 

Vielleicht tat etwas frische Luft einfach mal gut, so ging ich aus dem Haus, das mir im Moment viel zu eng war.

Meine Eltern scheuten keine Kosten um das Haus “Kindersicher” zu machen. Was für ein Wahnsinn.

Eigentlich war es mir ja egal was sie machten, denn seit ich meine Mutter so angeschnauzt hatte, ging sie mir aus dem Weg, worüber ich froh war, denn ich kannte und liebte diesen Zustand ihrer Ignoranz. War ich doch von meinen Eltern nichts anderes gewohnt und warum sollte es sich ändern, nur weil ein Kind unterwegs war?

 

Auf halbem Weg in den Park nahm ich mein Handy aus der Hosentasche und wählte Marios Nummer. Er nahm ab und ich fragte, ob er Zeit hätte.

“Eigentlich nicht. Ich sitze immer noch über den Hausaufgaben!” bekam ich zur Antwort und ich schnaufte verdrossen als er auflegte. Herr Gott, was war nur in Mario gefahren. Er war noch sonst nie so abweisend. Mir fiel auf, dass seitdem die Wette lief, er mich auf Abstand hielt. Sonst war er es doch immer gewesen, der anrief, um Hilfe bat oder fragte ob ich Zeit hätte. Es ist mehr als nur kirre. Ich bekomme noch einen tierischen Klatscher. Diese Wette halte ich keine weiteren 9 Wochen durch. - Wenn sie überhaupt noch so lange dauern würde. Ein beängstigendes Gefühl des Verlierens drang in mir hoch. Wie schon gesagt, diese Wette war einfach zum scheitern verurteilt. Was soll’s, dann musste ich es wohl oder übel in Kauf nehmen, dass ich wie ein gackerndes Huhn über den Pausenhof hüpfte. Diese 15 Minuten der Peinlichkeit werden mir auch keinen abbrechen. Und doch, … dieses Gefühl des Versagens, diese Scham, welche ich schon einmal erlebt hatte, wollte und konnte ich nie wieder ertragen.

 

Ich bekam es nicht mit, dass ich den Weg zum Schwanenteich eingeschlagen hatte. Erst als das Wasser des Teiches, dem das 'Gasthaus' seinen Namen zu verdanken hatte, mit seinen gebrochenen Sonnenstrahlen mich blendete, realisierte ich, wo ich mich befand. Das durfte doch wohl wirklich nicht wahr sein! Eigentlich wollte ich doch zu Mario, dessen Haus auf der anderen Seite der Stadt lag. Das Funkeln des Wassers in seinen verschiedenen Farben schien mich zu hypnotisieren. Blau drang unaufhaltsam in den Vordergrund.

Wie lange war es her, dass ich das letzte Mal hier war? Genau! Ich erinnere mich, so als ob es erst gestern gewesen wäre. Der Tag, den ich total aus meinem Gedächtnis gestrichen hatte, er holte mich von einer Sekunde auf die nächste wieder ein. Seit er in der Küche von Marie-Ann auftauchte, verging kein Moment, an dem ich nicht daran dachte. Konnte es sein, dass Mario davon wusste, von der damaligen Wette, von meiner Niederlage? Eigentlich war es ein Vertrauensbruch von meiner Seite dass ich ihm nie davon erzählt hatte, ich prahle immer nur, dass ich noch nie eine Wette verloren hatte. Hatte ich ja eigentlich auch nicht, bis auf diese eine gegen Kilrian. Die Scham, war unerträglich gewesen als er mich als blöd bezeichnete und mich aus vollem Herzen herablassend auslachte. So etwas wollte ich in meinem Leben nie wieder erleben, wollte es verdrängen und deswegen galt die Wette als hätte sie nie existiert. Und doch drang immer wieder sein grinsendes Gesicht in meinem Verstand und ich konnte es nicht mehr abschütteln. Ich wollte so sehr in diese Visage reinschlagen. Immer und immer wieder, bis ihm das Grinsen verging. Selbst dann würde ich noch weiter reinhauen, bis ich endgültig dieses Gefühl los wurde.

Es konnte und durfte einfach nicht sein, dass man Wettschulden so herablassend behandelt, wie er es getan hatte, sich über jemanden lustig macht, der seine Wettschuld einlöst. Kilrian Ford. Diesen Menschen konnte ich nicht leiden und werde ich auch nie leiden können und es wird mir eine Freude sein, ihm seine Arroganz auszutreiben. Ich Samuel A. J. Höllesing, werde diesen Arsch, dazu bringen, dass er sich in mich verliebt. Und wenn die Zeit dazu reif ist, werde ich ihm zeigen, wohin er seine Liebe schieben kann.

 

Ich bahnte mir meinen Weg zurück durch die Stadt und nach etwas mehr als einer halben Stunde stand ich vor dem Haus, zu dem ich ursprünglich wollte. Nur machte mir eine fremde Frau auf, die ich hier noch nie gesehen hatte, ich blickte leicht verdattert auf das Klingelschild mit dem dazugehörigen Namen um mich zu vergewissern, dass es die richtige Tür war.

“Hi, ähm ist Mario da?”, fragte ich endlich, die Frau nickte nur kurz.

Sie trat zur Seite und ließ mich rein. Laut rief sie nach Mario und es dauerte nicht lange bis er im Flur erschien. Er schien überrascht zu sein, mich zu sehen.

Um ehrlich zu sein, kam ich auch eher sehr selten zu ihm. Eigentlich war ich nur bei ihm, wenn seine Familie irgendein Familienfest hatte. Wir trafen uns sonst nur in der Stadt um dort etwas zu unternehmen.

“Sam?”

Ich hob meine Hand zum Gruß und wir gingen in sein Zimmer.

Dort traf mich der Schlag. Überall lagen Zettel am Boden verteilt, erst beim näheren hinsehen erkannte ich, dass Mario für die bevorstehende Abschlussprüfung büffelte.

“Herr Gott Mario. Warum sagst du denn nichts?”, schoss es aus mir heraus worauf er verlegen zur Seite blickte. Hier war er endlich wieder, mein schüchterner Freund. Aber zum aller ersten mal und auf mir unerklärliche Weise, berührte sein scheues Verhalten etwas ganz tief in meinem Inneren. Und das, obwohl sein Gebaren mir doch schon seit langem so vertraut war.

“Ich wollte dich nicht damit behelligen, weil du doch, … mit der Wette, …”

“Du bist ein hirnverbrannter Arsch. Du weißt doch, dass ich dir helfe.”

Er wurde rot und mir wurde plötzlich heiß.

Scheiße was war denn mit mir los? Hatten die letzten Wochen mich total kirre gemacht, so dass ich jetzt so …, so …, auf seine Verlegenheit reagierte. Warum nur? Ich spürte, wie meine Wangen warm wurden, mein Herz unregelmäßig und schneller zu schlagen begann und vor allem spürte ich, den herabströmende Blutfluss, der zwischen meinen Beine zu pulsieren anfing.

Mario, blickte mich mit seinen blauen Augen an und sie schienen mich, wie zuvor das gebrochene Licht auf dem Wasser, zu hypnotisieren. Er hatte seine Brille nicht auf und seine Haare standen ihm auf allen Seiten ab. Er sah umwerfend aus, makellos. Selbst in seinem Jogginganzug der sich an ihm zu schmiegen schien und nichts vor mir verbarg. Ich sah seine zierliche, männliche Statur. Seinen drahtigen Oberkörper und obwohl ich mich immer darüber ausließ, dass er etwas mehr Sport betreiben sollte, weil sonst ein kleiner Luftzug ihm einen Lungenentzündung einbringen würde, sprach mich sein Körper auf eine mir neue und unverständliche Art an.

Mein erster Gedanken war zu flüchten; ich musste hier raus. Doch ich konnte mich nicht bewegen. Meine Beine gehorchten mir nicht mehr und anstatt den Raum zu verlassen gingen sie stattdessen in die Knie. Meine Hände hoben automatisch die am Boden liegenden Zettel auf und sortierten sie nach Datum. Automatisch und ohne zu überlegen.

Diese Handlungen, mein Tun und selbst dass ich mit Mario büffelte, nahm ich nicht bewusst wahr. Ich sah nur ihn und seinen Körper, …

Scheiße Sam reiß dich zusammen, sagte ich mir immer wieder. Was ist nur mit dir los? Immer und immer wieder stellte ich mir diese Frage als ich aus seinem Zimmer ging um den Heimweg anzutreten. Mitten auf dem Weg blieb ich stehen und sah Marie-Ann in der Küche herumwuseln. Auch sah ich die fremde Frau am Küchentisch sitzen und in ihrer Tasse rühren.

Ich schnappte einzelne Wortfetzen auf. “Kilrian arbeitet sich noch zu tote. - Ich kann es nicht mehr von ihm verlangen, dass er sich so aufopfert. Das Hotel ist zu viel für ihn …”, sagte die Frau, mehr vernahm ich nicht mehr, denn Marie-Ann hatte mich erblickt und winkte mich in die Küche.

Kilrian?! Allein dieser Name genügte und Mario mit seinen blauen Augen, seiner strubbeligen Haare und seinem schmächtigen Körper schob ich in eine hintere Ecke meines Gehirns. Ich sah die Möglichkeit und sofort folgte ich dem Geistesblitz.

“Kilrian? Ich müsste ihn anrufen. Nur ich will Mario jetzt nicht mehr stören. Er ist fix und fertig,… nach dem ganzen Lernen. Und ich habe vergessen ihn nach der Telefonnummer von Kilrian zu fragen.”, log ich dreist und setzte meinen Sunnyboyblick auf. Ich wusste, dass da keine Frau widerstehen konnte.

“Gibt es irgendetwas?”, fragte mich die fremde Frau aber ich schüttelte nur leicht mit dem Kopf.

“Nein, nichts ernstes. Ich habe nur etwas, was ihm gehört. Und ich will es ihm zurückgeben.”

“Ach so!”, meinte die Frau und schrieb ein paar Zahlen auf einem Zettel auf. Marie-Ann stellte mir nebenbei die fremde Frau als Kilrians Mutter und ihre Schwägerin vor. Selbstverständlich stellte ich mich auch vor aber im gleichen Atemzug sah ich, dass die Frau mich leicht abgeneigt anblickte. Ok, … diese Frau konnte mich nicht leiden, aber das auch erst nachdem sie meinen Namen gehört hatte.

War mir aber Jacke wie Hose. Mit der Frau musste ich ja nicht warm werden und wenn sie mich nicht leiden konnte, dann konnte ich ihr auch nicht helfen.

Aber diese Reaktion war mir auch nicht gänzlich unbekannt. Entweder fingen die Leute an mich anzuhimmeln oder sie hegen eine strikte Abneigung gegen mich. Ist immer das Gleiche. Dennoch bedankte ich mich höflich für die Telefonnummer und verließ das Haus.

Kurz darauf klingelte mein Handy, Mario war dran. Er polterte sofort los. Von wegen ich hätte die Nummer nicht entsprechend den Regeln der Wette erlangt und er dies als Regelbruch ansehen würde.

“Jetzt mal langsam. Auf dem Zettel steht nicht, wie ich an die Nummer zu kommen habe. Wenn du gewollt hättest, dass ich die Nummer von ihm selbst bekomme, dann hättest du es mit aufschreiben müssen.”

“Das stimmt nicht. Du musst die Handynummer von ihm überreicht bekommen.”

“Warte mal. Ich schaue mal auf den Zettel.”

“Ja tu das, obwohl ich genau weiß, dass du das nicht brauchst, weil du eh alles auswendig kennst.”

“Mario, ich sehe, dass du am Fenster stehst und will, dass du siehst wie ich vom Zettel ablese, sonst heißt es nachher noch, dass ich mir die Aufgaben nach meinem Gutdünken zusammen geschustert habe.”

“Ok.”

Mein Herz raste, warum fühlte ich mich eigentlich so überrumpelt. Eher sollte es für mich eine Herausforderung sein. Je mehr Gegenwehr von meinem Gegner ausging umso aufregender war die ganze Wette. Ich kramte in meiner Hosentasche und zog den inzwischen schon ziemlich angegriffenen Zettel hervor.

“Die Wette:

Sam muss innerhalb von drei Monaten, dem Erstbesten, dem Mario persönlich außerhalb der Schule die Hand gibt, davon überzeugen, dass er ihm “Ich liebe dich“ sagt und zwar aus freiem Stücken. Sam bekommt einen Zettel indem die Aufgaben stehen, die er zum Abschluss bringen muss und zwar in der Reihenfolge, die Mario festgelegt hat. Regeln die Sam zu befolgen hat: Keine Diskussion über das Für und Wider einer Aufgabe, sowie mit dem Wettvorgeber, sprich Mario zu verhandeln ist Sam, während der Wette untersagt. - Bla Bla Bla,… Für eine Aufgabe hat Sam eine Woche Zeit. Er darf sie früher beenden aber nicht später. Verspätet gilt als verloren. Auch gilt die Wette als verloren, wenn Sam vorzeitig abbricht, aus welchen Gründen auch immer. Bla,.. Bla… Ah hier haben wir die Aufgaben.

1 Aufgabe: Die Aufgabe erkennen und annehmen. Oder als ein feiges Huhn am Pausenhof die ganze Pause, gackernd und flatternd verbringen.

2 Aufgabe: Nur nachdem Aufgabe 1 gelöst wurde. - Besagte Person kennenlernen.

3 Aufgabe: Private Handynummer und Adresse herausfinden.

Und so weiter und so fort. Hier steht nichts, dass er mir die Nummer persönlich geben muss.” Er legte auf ohne noch ein Wort zu sagen und ich blickte noch einige Sekunden auf das erloschene Display.

Innerlich schüttelte ich mit dem Kopf und ging, auch wenn ich es nicht wollte, langsam nach Hause.

Keine fünf Minuten später klingelte wieder mein Handy.

“Was gibt’s.”

“Tut mir leid. Ich war nur sauer, weil du an meine Familie gegangen bist. Und, … und …!”

“Schon gut. Mario verrate mir eins. Und ich will eine ehrliche Antwort. Sonst sehe ich diese Wette als ein Fake an, …!”

Sekundenlanges Schweigen herrschte am anderen Ende der Leitung.

“Was willst du wissen?”

"Hat Kilrian, den ich erobern muss, dir irgendetwas angetan? Oder warum hast du gerade deinen eigenen Cousin als Zielperson gewählt.”

“Sam du machst dir zu viele Gedanken. Kilrian war wirklich nur zufällig da. Eigentlich umarmen wir uns zur Begrüßung, aber da es in der Öffentlichkeit war, musste eben das Händeschütteln reichen.” erklärte er mir aber ich konnte nicht glauben, was ich da hörte.

“Eigentlich hatte ich mir einen gänzlich anderen Typen rausgesucht gehabt. Der aber nicht da war. Tja, wie schon gesagt, das Schicksal hat entschieden.”

“Und möchtest du mir verraten, wen du eigentlich für mich rausgesucht hast?”

“Ja kann ich. Malven Benker.”

“WWAAASSS! Der Hund von Kevin. Ich glaube, du bist von allen guten Geistern verlassen. Wieso überhaupt einen Kerl?”

“Beruhige dich. War ein Scherz. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch niemanden in der näheren Auswahl gehabt.”, Mario verstrickte sich in Widersprüche, nur begriff ich es in dem Moment noch nicht.

 

Ich schlenderte nach Hause und sah, dass auf dem Vorhof noch immer die Umbaufirma stand.

Meine Mutter tat geschäftig und rieb sich hin und wieder ihren noch immer flachen Bauch. Wieder sah ich mich, einem Kinderwagen durch den Park schieben. Sofort schüttelte ich diesen erschreckenden Gedanken von mir ab und verzog mich in mein Zimmer. Ein Geschwisterchen. Ne.

Der restliche Tag verlief, wie die Tage immer verliefen, langweilig. Nebenbei bekam ich mit, dass Vater wieder auf eine Geschäftsreise ging und Mutter die Stellung in der Firma hielt.

Also hieß es für mich wieder, den liebe Sohnemann spielen, bis mir das Geheuchel aus den Ohren raushing. Aber diese Abende, zu denen meine Mutter ihre sogenannten Freundinnen einlud, waren auch in einer gewissen Hinsicht, für mich sehr abwechslungsreich. Wenn meine Mutter wüsste, mit wie vielen ihrer “Freundinnen” ich schon im Bett war. Sie würde höchstwahrscheinlich tot umfallen. Ihre armen, ausgetrockneten, von ihren Ehemännern vernachlässigten Freundinnen konnten einem nur leid tun.

Herr Gott im Himmel und zum Teufel damit, das würden wieder ereignisreiche Tage, in denen meine Mutter wieder der „Mittelpunkt“ sein würde. Jetzt hatte sie wieder einmal eine Möglichkeit ihre “Gastfreundschaft” öffentlich zu Schau zu stellen.

War es nicht der kostbare Schmuck, war es ein limitiertes Auto, welches nur begrenzt gebaut worden war. War es kein Auto war es ein Pferd. War es kein Kerzenabend, war es ein Weiberabend und so weiter und so fort. Meine Mutter fand immer irgendwelche Anlässe, die groß gefeiert und ausgetragen werden mussten. Diesmal war es eben ihre Schwangerschaft.

 

Eine Zeitlang starrte ich noch an die Decke, bis selbst mir das überdrüssig wurde und ich mir ein Buch schnappte, es aufschlug und darin zu lesen anfing. Irgendwann schlief ich ein ohne es mitzubekommen.

 

Wellen streifen die Oberfläche eines Sees und blaue gebrochene Strahlen erwärmten mein Herz. Ohne mich vorher umzusehen zog ich mich aus und tat den ersten Schritt in das kühle Nass. Gänsehaut bildete sich auf meiner Haut und meine Härchen stellten sich auf.

Eine ruhige aber leicht verzweifelte Stimme die meinen Namen rief, drang zu mir. Ich schmunzelte. Diese Stimme würde ich immer erkennen. Mario. Ich tauchte unter, um direkt wieder aufzutauchen. Blickte mich um und ich sah ihn, sah wie er mich suchte.

“Sam, Sam … hör auf mit dem blöden Spiel. Ich brauche deine Hilfe, … Sam! Wo bist du?”

Ich bin hier mein Kleiner. Ich bin immer bei dir. Das weißt du doch. Er hörte mich nicht, ich schwamm in seine Richtung. Nur schien sich der Abstand nicht zu verringern. Er vergrößerte sich sogar und Mario wurde meinem Blickfeld entzogen. Nein. Mein Herz rast. Warum konnte ich nicht näher an ihn ran. Er drehte sich um und winkte mir zu. Nur kurz erhasche ich einen erfreuten und erleichterten Ausdruck, … bevor, … bevor er von einem Mann umarmt wurde, an dessen Brust gedrückt wurde. NEIN!

Kilrian drehte sich zu mir um und sein dunkler Blick, mit den wohlgeformten Augenbrauen, starrte mich aus der Finsternis an. Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen und formten Wörter.

“Was willst du hier? Du wirst diese Wette nie gewinnen. Du hast die letzte Wette gegen mich verloren, du wirst auch diese verlieren. Du bist ein Verlierer. Du, der Meister der Wetten, …” Mario wandte seinen Blick von Kilrian ab und starrte mich mit seinem typischen schüchternen Blick an.

 

Ein nerviger Ton weckte mich und ich schlug auf den Wecker ein. Ich war in meinem Bett und nicht im See baden. Dennoch überzog Gänsehaut meinen ganzer Körper. Erst als ich mich halbwegs gesammelt hatte und der unmögliche Traum nur noch ein Hauch von Nichts war stand ich auf.

Frühstück - wie immer. Nur fuhr ich heute mit meinem Auto zur Schule, als ich ausstieg und mich umblickte, ob Mario bereits da war, befiel mich ein ungutes Gefühl. Dieses Gefühl verfolgte mich den ganzen Tag und ich nahm nur am Rande wahr, dass Mario die Aufgabe 3 als erfolgreich abstempelte. Ich konnte mich nicht darüber freuen, denn auch die nächsten Aufgaben waren ein Ding der Unmöglichkeit. Die nächsten Aufgaben bis zum vollenden der Wette, beinhalten einen regen Kontakt mit der “Zielperson”. Ich hasste Kilrian Ford. Das war so klar wie Kloßbrühe.

 

Neun Aufgaben standen mir noch bevor und langsam wünschte ich mir, nie in diese Wette eingeschlagen zu haben.

Moment mal!

Auch wenn ich die Wette bereits nach dem ersten Lesen auswendig kannte, so holte ich dennoch den Zettel wieder hervor. Las die ersten Zeilen und mir wurde es schwarz vor den Augen.

Dem Erstbesten, dem er die Hand gibt.

Scheiße! Ich hätte es erkennen müssen. Es gab sonst niemanden, der die verkorksten und chaotischen Gedankengänge von Mario besser kannte, als ich.

 

Träume offenbaren den innigsten Wunsch

 Aufgabe 4:

Besagte Person zu einem Eis einladen.

 

Nachdem ich mich von dem anfänglichen Schock erholt hatte, fing ich an, einen eigenen Plan zu schmieden. Auf der einen Seite war ich stinksauer auf ihn, dass er es wagte mich so hinters Licht zu führen, aber auf der anderen Seite, fühlte ich mich auch geschmeichelt. Wobei wieder dieses warme Gefühl in mir aufkam und ich mich schütteln musste. Nein! Das konnte nicht sein, das durfte nicht sein. Aber was sagte diese Wettaufgabe über Mario aus? Was über seine Beziehung zu mir? Eigentlich hatte ich doch bereits die erste Aufgabe nicht gelöst, und trotzdem ließ er mich weiter machen? Weshalb nur? Dieser Frage konnte ich mich aber noch nicht stellen, zuviel Angst hatte ich vor der möglichen Erkenntnis.

Aber wenn Mario das so wollte, dann sollte er es auch so bekommen, Punkt aus Schluss. versuchte ich mich zu beruhigen und fokussierte meine Gedanken nur noch auf einen einzigen Punkt. Und zwar meinen Plan zu vervollständigen.

Langsam erkannte ich auch, wo ich ansetzen musste. An Marios eigenem Schwachpunkt. Dem Lernen.

Der Plan hörte sich eigentlich schon gut an, nur an der Ausführung, daran musste ich noch feilen. Ich musste es so geschickt anstellen, dass er rein gar nichts davon mitbekam. Warum ich jetzt so dachte, war mir so klar wie Kloßbrühe. Ich konnte mich nicht damit abfinden, wie er mich hintergangen hatte. Wie in Gottes Namen er mich in so eine Zwickmühle bringen konnte.

Eigentlich hätte es einfach sein können. Ich könnte Mario anrufen und mich als Nachhilfelehrer anbieten. Aber das wäre sinnlos, denn ich war, mehr oder weniger, schon sein Nachhilfelehrer.

Die Tage vergingen und jede Annäherung an Mario scheiterte. Egal, was ich auch vorbrachte, er wimmelte mich immer ab. Ob er ahnte, dass ich es rausgefunden hatte? Ne, dafür war er einfach mit zu viel integriertem Chaos gestrickt.

“Ey Alter, sorry Mann. Ich musste die ganze Zeit im Hotel aushelfen. Mein Cousin hat einen totalen Personalmangel.”, schon wieder der aber das war eigentlich normal. Mario half immer im Schwanenteich aus, nur empfand ich es diesmal ganz anders. Sonst hatte ich darauf mit einem Schulterzucken reagiert, doch in den letzten Tagen schob sich immer wieder dieser Schwanenteichbesitzer dazwischen, und das passte mir überhaupt nicht. Warum eigentlich? Tja da kam ich erst sehr viel später drauf.

“Soll er sich doch selbst darum kümmern. Er ist der Chef.”, meinte ich nur und vernahm am anderen Ende der Leitung ein tiefes und abfälliges Schnauben.

“Er hat auch noch anderweitige Angelegenheiten zu klären. Außerdem mache ich das nicht umsonst. Kilrian bezahlt mich.”

“Ja bestimmt speist er dich mit einem Hungerlohn ab.”

“Sam…!”

“Schon gut!”

“Ich muss weiter machen. Bis dann!”, er legte einfach auf. Nun, wenn Mario arbeitete, dann passierte es öfters, dass er mich einfach abwürgt und doch, dieser Verlust, … den ich dann spürte. Ich starrte mein Handy an. Ohne zu überlegen, tippte ich auf Wahlwiederholung. Ich wusste nicht warum, aber als ich seine Stimme nicht mehr hörte, überzog mich ein Frösteln. Eine blecherne Stimme holte mich aus meinen Gedanken zurück. Mario hatte sein Handy ausgeschaltet. Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Und ich war kurz davor das Handy vor mich hinzuschmeißen. Wieder dieses Gefühl, ich schüttelte mich. Nein! Und erneut musste ich meine Gedanken neu sortieren.

Vor allem, er stand in Mathe auf vier. Für seine Kunstakademie brauchte er mindestens eine drei. Und dann erst mal in Deutsch; mir grauste es wenn ich an seine Noten dachte, die er darin geschrieben hatte. Physik daran durfte ich gar nicht erst denken und seine Fremdsprachen waren tiefer als unter der Gürtellinie. Was das Beste war; die Abschlussprüfungen standen schon in zwei Monaten vor der Tür. Warum dachte er nicht weiter? Warum lebte er nur von heute auf morgen? Was ging in Mario nur vor? Hatte er seinen Traum bereits aufgegeben? Den Traum ein weltberühmter Maler zu werden. Neben Da Vinci und Van Gogh? Verdammt, er hatte das Zeug dazu, aber um Karriere zu machen musste er nun mal auf die Kunstakademie.

Schon immer hatte mich seine Kunst fasziniert, ganz besonders, nachdem er mir zum Dank dafür, dass ich die Schlägertypen, die auf ihn losgegangen waren, vertrieben hatte, auf ein zerrissenes Blatt ein Portrait von mir gezeichnet hatte.

Diese kleine Geste, hatte mich damals sehr tief berührt und dies war der entscheidende Punkt, warum ich nicht mein eigenes Ding durchgezogen hatte, sondern bei ihm blieb.

Noch nie hatte sich jemand so bei mir bedankt. Es war das erste Mal, dass ich überhaupt etwas geschenkt bekam, was von Herzen kam. Gut, Ela mal außen vor gelassen, sie kümmerte sich jeden Tag, Jahr ein Jahr aus um mich und das schon seit ich ein Baby war.

Aber jetzt zu Mario! Warum vertrieb er seine Zeit, die zum Lernen gedacht war, mit Arbeit. Hatte er das Geld so nötig? Sicher wusste ich aus seinen Erzählungen, dass seine Eltern stink normale Otto Normalverbraucher waren und sich ihren Luxus vom Arsch absparen mussten, aber war das der Sinn? Noch in die Schule zu gehen und gleichzeitig nebenbei zu arbeiten? Nur damit man sich irgendwann etwas kaufen konnte? Eltern sind dafür da, ihren Kindern alles zu ermöglichen und sie nicht schon mit 16, wie in Marios Fall, schon in die Ferienarbeit zu schicken. Ich verstand ihr Verhalten nicht, obwohl Mario immer sagte, “dass er es freiwillig tat”. Das konnte ich ihm einfach nicht glauben.

Verdrossen legte ich mein Handy auf mein Nachttischchen, das noch genauso unaufgeräumt aussah, wie vor ein paar Tagen. Ela musste sich wahrscheinlich wieder für meine Mutter zerreißen. Für den bevorstehenden „Einzug“ und für die nächsten Gesellschaftsabende. Es war einfach zum Kotzen.

Was soll’s. Ich stand auf und fing an mein Zimmer selbst aufzuräumen und musste feststellen, dass es wirklich das erste Mal war, das ich dies tat. Vor gar nicht langer Zeit, hatte ich noch Ela dazu genötigt, meine schmutzige Wäsche wegzuräumen. Aber als ich es mir so recht überlegte, überkam mich plötzlich ein Anfall von Scham. Warum hatte ich immer Ela vorgeschickt, vor allem, meine, nun ja, nicht besonders jugendfreie beschmutzte Bettwäsche und Unterhosen zu entsorgen. Wenn ich jetzt im Nachhinein darüber nachdachte, war das mehr als peinlich und ich wünschte mir ein Mäuseloch zum verstecken. Scheiße noch mal, warum schwirrten in letzter Zeit, so viele mir neue Gefühle in meinem Kopf?

Nachdem ich das letzte Stück weggeräumt hatte ging ich ans Fenster und blickte auf die Einfahrt. Dort stand Vater vor seiner Limousine und umarmte meine Mutter. Seine Hand lag wirklich nicht züchtig auf ihren Rücken, sondern viel tiefer. “Man seid ihr nicht aus dem Alter heraus um euch so zu geben,… das ist ja widerlich.” grummelte ich in meinem nichtvorhandenen Bart und drehte mich weg von diesem Anblick.

Vor wenigen Wochen hatte ich es mir noch gewünscht von meinen Eltern etwas mehr Gefühle zu sehen oder zu erleben, aber dies, dies sprengte nun wirklich sämtliche Grenzen. Nur weil Mutter schwanger war. War das denn zu fassen? Für mich total unbegreiflich.

Ich hatte Mario mehr als zwei Stunden Zeit gegeben und ich hoffte, dass er nun mit seiner Arbeit fertig war. Mario schrieb mir per SMS, dass er noch die Nachtschicht übernommen hatte, weil eine Angestellte sich kurzfristig krank gemeldet hatte, also rief ich ihn an.

“Warum muss du dort Nachtschicht einlegen, dass ist doch nur eine Gaststätte, …”

“Sam! Es ist das fünf Sterne Hotel “Zum Schwanenteich”. Und mein Cousin erwartet Gäste, die erst irgendwann zwischen 23 Uhr und 2 Uhr ankommen.” Ja! Ich hatte nicht daran gedacht, dass es nicht nur ein “einfaches Gasthaus” war. “Zum Schwanenteich” war das renommierteste Hotel im Umkreis von mehreren hundert Kilometern. Äußerlich im bäuerlichen Stil gehalten, die Innenarchitektur musste auf dem neuesten Stand sein. Nebenbei beinhaltet es noch eine Sauna und in dem Weiher, der vor ein paar Jahren noch im Privatbesitz von der Schokoladenfrau war, - ihr Name fällt mir nicht mehr ein, ich wusste nur dass sie von vielen Kindern immer nur Omama genannt wurde, konnte man schwimmen. Allerdings nur während der Saison und wenn die Fische nicht anbissen.

“Also musst du jetzt auch noch den Pagen spielen. Warum ist er nicht selbst in seinem “Hotel“ und wartet auf seine Gäste. Erst speist er dich als kleinen Küchenjungen ab und jetzt musst du auch noch brav den Butler spielen. - Falls du es noch nicht mitbekommen hast. In zwei Monaten ist die Abschlussprüfung.”, zischte ich ins Handy und legte auf. Ich wanderte in meinem Zimmer auf und ab, bis ein Klopfen mich aus meiner Lethargie riss.

“Ja!”, schnauzte ich den Störenfried an, woraufhin Ela durch einen Spalt in mein Zimmer blickte. Plötzlich stieß sie die Tür auf und schlug die Hände vors Gesicht.

“Mama Mia, was ist denn hier passiert?”, rief sie aus und ich blickte mich selbst in meinem Zimmer um.

“Was?”, schleuderte ich ihr entgegen. Sie breitete ihre Arme aus als wollte sie alles umschließen und nickte.

“Na, das hier?! - Vorhin herrschte hier noch Chaos und Frau Höllesing meinte ich sollte hier mal aufräumen und jetzt, …!”

“Schon gut Ela. Mutter spannt dich genug mit ihren Klump ein und ich hatte eh nichts zu tun.”, winkte ich ab. Als sie sich umdrehte um mein Zimmer zu verlassen, war mir, als ob sie in sich hinein schmunzelte. Was sie allerdings vor sich hinmurmelte, verstand ich nicht. Ich zuckte nur mit den Schultern und blickte auf die Digitaluhr meines CD-Players. Das Ding war auch schon, seit mehr als drei Jahren veraltet und tat dennoch seine Arbeit.

Tief schnaufend blickte ich aus aus dem Fenster. Wie gerne würde ich jetzt mit Mario durch die Stadt ziehen und mich mit ihm über belanglose Sachen unterhalten. Die Kurven der Frauen betrachten und mir auszumalen, welche Farbe ihre Unterwäsche haben könnte.

Herr Gott, warum schwirrte mir ständig Mario durch den Kopf, dass war langsam nicht mehr auszuhalten. Sicherlich machte ich mir nur Sorgen, weil er wieder nichts für die Schule tat und stattdessen lieber in die Arbeit rannte. Zu seinem Cousin.

Wo ich schon mit meinen Gedanken bei ihm war, wieder einmal, rief ich mir die vierte Aufgabe ins Gedächtnis. “Besagte Person zu einem Eis einladen”.

Allerdings, und das wusste ich, so sicher wie das Amen in der Kirche, war das kein leichtes Unterfangen. Zumal ich wieder weniger als fünf Stunden Zeit hatte. Scheiße, wohin rannte nur die Zeit. Vor ein paar Tagen hatte ich noch sieben Tage Zeit und jetzt waren es nur noch fünf Stunden. Nein viereinhalb.

“Sam! Was für eine Logik!”, ermahnte ich mich selbst. Aber es ist doch so, Mario und seine Wette, machten mich so was von Kirre, dass es überhaupt nicht mehr schön war.

“Ok! Sam, Mario muss lernen. - und er war arbeiten. - Und wenn er arbeitet, hatte er bestimmt irgendwann Pause. - Und, …” noch bevor ich mir weitere Gedanken darüber machte, schnappte ich mir meine Autoschlüssel, Lernmaterial und fuhr kurzentschlossen zum Schwanenteich.

Vor diesem bauernhofähnlichen Gasthof hielt ich an. Ok es war ein Hotel. Ein Hotel der gehobenen Klasse. Ist ja logisch, dass da noch eine Küche dabei war. Ich fragte mich nur, wie sich das Hotel hier halten konnte? Die Einheimischen kamen bestimmt nicht jeden Tag zum Essen und so viele Auswärtige sah man auch nicht rumlaufen. Der musste richtige hohe Preise haben um sich halbwegs über Wasser zu halten.

Als ich der Eingangstür immer näher kam, pochte mein Herz heftig und unregelmäßig in meiner Brust. Es war ein Gefühl, als ob mich etwas von innen heraus auslachte. Noch etwas unschlüssig, ob ich das Richtige tat, streckte ich meine Hand nach dem Türknauf aus. Drehte ihn und die Tür sprang auf. Für ein fünf Sterne Hotel, war diese Art der Türöffnung allerdings sehr unkomfortabel. Als ich in den Eingangsbereich trat, umfing mich das Ambiente auf eine ruhige und anheimelnde Art und Weise und fünf Sterne waren ehrlich gesagt noch zu wenig.

Der Empfang bäuerlich gehalten. Der Boden sowie die Wände vermittelten den Effekt von normalen Ziegelsteinen. Ölgemälde von Landschaften zierten hier und da die Wände und der Leuchter war ein eindeutiges Wow wert.

Kaum war das Windspiel, dass über der Tür hing und wirklich sehr gut in dieses gemütliche bäuerliche Ambiente passte, verstummt, stand eine zierliche junge Dame am Empfang. Freundlich und mit einem natürlichen, nicht aufgesetztem Lächeln begrüßte sie mich. So leid es mir tat, aber hier musste ich Kilrian´s Geschmack, was seine Angestellten betraf, wirklich loben.

“Ja guten Abend. Können Sie mir sagen, wo ich Mario finde?” Kurz nickend verschwand sie durch eine Tür, die sich, leicht verdeckt, hinter dem Empfang befand. Lange dauerte es nicht und, …

“Sam? Was machst du denn hier?”, seine Stimme. Sie ging mir runter wie Öl. Urplötzlich überzog mich Gänsehaut und auch das konnte ich mir nicht erklären. Meine Stimme versagte und ich suchte nach Worten. Ja! Was machte ich hier? Eine gute Frage. Obwohl ich mir vorher alles zurechtgelegt hatte, war alles in dem Moment weg, wie weggefegt, nie vorhanden oder nie da gewesen.

Ich drehte mich zu ihm um und schloss für eine kurze Zeit die Augen. Mario stand vor mir, auch wenn meine Augen geschlossen waren, so sah ich ihn doch vor mir. In einer seiner unmöglichen Badehosen, mit nassen Haaren und diesem wirklich süßen Lächeln. Scheiße, was dachte ich da nur und mahnte mich wieder einmal zur Ordnung an.

“Ähm! Ja ich wollte dir etwas helfen. Die Zeit verrennt und du weißt wie du stehst!”, meine Stimme klang für mich krächzend und ich sah nur wie er die Augen verdrehte.

“Mag schon sein, aber dafür habe ich jetzt wirklich keine Zeit.”

Herr Gott Mario, hör mit deinen bescheuerten Ausreden auf. Dachte ich kurz.

“Kannst du mir dann mal bitte verraten, warum ich all die Jahre ständig an deinem Rockzipfel hänge? Ich könnte schon längst in einem Krankenhaus als Arzt fungieren, aber Nein. Ich vergeude meine Zeit mit dir.”

“Sam! Ich habe dich nie darum gebeten! Es ist dein Ding, was du aus deinem Leben machst, …!” Hoppla! Er schob mich weg? Er war es doch immer gewesen, der nach Hilfe geschrien hatte. Nicht nur wegen dem Lernen auch wegen den Schlägertypen an der Schule, die bis heute noch ihre Augen auf ihn geworfen haben.

“Gut! Weißt du was?! Ich verschwinde. Warum trödle ich ganze fünf Jahre herum? Leb Wohl Mario!”

“Sam?! Was ist mit der Wette?” Hää! Stand der Typ auf der Leitung. “Du hast nur noch vier Stunden!” ich blickte ihn an, schüttelte den Kopf und betete innerlich zu Gott. Sicherlich schwirrte die Wette immer zu in meinem Hinterkopf herum. Nur in diesem Moment war sie mir völlig egal. Ich verstand Mario einfach nicht mehr. Er hatte sich in den letzten Tagen um mehr als nur 180 Grad gedreht. Ich vermisste seine Anrufe zwecks Hausaufgaben und die Zeit die ich mit ihm sonst immer verbracht hatte.

“Die kannst du dir dahin schieben, wo die Sonne niemals hin scheint. Ich bin mit dir fertig.”, schnauzte ich ihm an und seine Augen weiteten sich vor Schreck. Jetzt ging ihm endlich ein Licht auf und er starrte mich betroffen an. Ja Mario, auch wenn Wetten mein Leben sind, so ist es dennoch nicht wichtig und wirklich, gerade jetzt, war mir diese bescheuerte Wette so etwas von egal selbst dann wenn ich sie haushoch verlieren würde. Was dann? Ginge etwa die Welt unter? Nein! Ich will einfach in mein normales Leben zurück und noch etwas mehr. Shit durchzog es mich. Mehr!

“Sam, du meinst das wirklich ernst?”, Wow sehr überraschend. Kaum zu glauben, dass er es bis heute noch nicht bemerkt hatte.

“Ja ich mein es wirklich ernst, wirklich, wirklich ernst damit, dass es in zwei Monaten deine letzte Chance ist. Sonst kannst du dir deinen Traum an den Nagel hängen.”

“Aber ich dachte, du bist nur hergekommen, …!”

“Wegen ihm? Wegen deinem Cousin? Nein, wirklich nicht. Mario, ich mache mir Sorgen um dich, … und das …”, ich holte mit den Armen aus. “… ist doch nicht die Zukunft, die du dir vorgestellt hast?” Noch war sein Ausdruck überrascht, doch schon wenige Sekunden später umschlich seine Mundwinkel wieder dieses typische Lächeln. Scheiße, und wieder strömte alles Blut in die eine Richtung. Und es war aus mit mir. Ich konnte ihm nicht mehr böse sein.

Herrgott Mario, was soll ich nur mit dir machen? Diese Gedanken schossen mir durch den Kopf. Tief schnaufte ich und machte etwas, was ich nie in meinem Leben jemals zuvor getan hätte. Ich ging auf Mario zu, legte meinen Arm um seine Schulter, blickte ihm in die Augen und meinte:

“Wenn ich schon einmal hier bin, dann helfe ich mit aus. Aber nur, wenn du dich bequemst endlich zu lernen.” Er fing an zu grinsen und aus dem Grinsen wurde bald ein herzhaftes Lachen.

“Du bist blöd!”, rutschte es ihm heraus. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass er mir etwas verheimlichte. Ist es der Haken an der Wette? Nicht schon wieder diese Wette und doch, Mario gab sich nicht so wie immer. Er war irgendwie anders.

Kurzerhand zeigte er mir alles in der Küche und ich fing an den Geschirrspüler zu beladen. Er selbst huschte in das Gasthaus und wieder zurück. Gab die Bestellungen weiter und bediente die Gäste. Ich war überrascht, wie viele Leute hier aßen.

Aus den Gesprächen der anderen Angestellten erfuhr ich, dass das halbe Hotel belegt war und ich überlegte, wie viele Zimmer wohl dieses Hotel mit angeschlossener Gaststätte überhaupt hatte.

Die Zeit verflog und als ich auf die Uhr blickte, traute ich kaum meinen Augen. Scheiße ich hatte jetzt nur noch eine Stunde bis zur Vollendung der vierten Aufgabe. Im gleichen Atemzug aber schmunzelte ich, als ich mich als ein gackerndes Huhn vorstellte. Warum eigentlich nicht? Ich hatte schon einmal eine Wette verloren, aber diesmal wettete ich nicht gegen diesen Arsch, der die Schuldeinlösung herablassend behandelt hatte, sondern gegen Mario. Der sah es anders. Sah es ernster, denn er wusste, auch wenn ich meistens nur wettete, da mich sonst die Langeweile verschlungen hätte, ich es trotzdem als wichtig ansah.

Nun so kam ich an dem Punkt an mir zu überlegen ob mir die Wette wirklich und ernsthaft wichtig war. Aus welchem Grund ich eigentlich herkam. Warum ich mein zukünftiges Versagen bei dieser Wette mit einem Schulterzucken abtat. Das Wetten, welches ich immer in den Vordergrund schob, war mir nie wirklich wichtig gewesen. Mir war wichtig, mit wem ich wettete und wer dabei meine rechte Hand war.

Diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Und wenn ein Mauseloch in der Nähe gewesen wäre, hätte ich mich wieder darin verkrochen. Ich wettete, weil Mario stets an meiner Seite stand. Mir immer half und wir uns miteinander die beste und perfekteste Strategie ausdachten. Das war es was ich an dieser Wette vermisste. Ich vermisste seine Hilfe, seine Art wie er mich immer aufmunterte, wie er mich ansah, wie er mit dem Kopf schüttelte, oder wie wir den Sieg abklatschten. Wärme umschlich mich und ich verstand endlich, warum mir das Wetten so wichtig geworden ist. Wegen Mario. Bereits allein diese Feststellung spannte meine Nerven an und verursachte ein Kribbeln in meinem ganzen Körper.

“Welch unbekannter Anblick!”, Schock, die Stimme riss mich aus meinen Gedanken und ich blickte plötzlich in dunkle, arrogante Augen.

“Bilde dir nur nichts darauf ein.”, dachte ich und sah wie Mario auf ihn zuging, die Beiden sich kurz umarmten, was mir einen Stich versetzte und meine innerliche Kälte für diesen Kerl in glühende Lava verwandelte.

“Kil, da du jetzt da bist gehe ich.” Der arrogante Typ nickte nur.

“Scheiße bin ich müde. Bin ich froh, das der Termin nicht zu lange gedauert hat.” Ich sah wie Mario traurig den Kopf schüttelte, tief schnaufte und sich zu seinem Cousin an den Gemeinschaftstisch, der in der Küche stand, setzte.

Ich hörte, wie die Kirchturmglocke die volle Stunde schlug und mich auf den Boden meiner hintersten Gedanken zurück holte. Ich hatte noch fünf Minuten. Ohne weiter zu überlegen, ging ich an die Eistruhe und richtete in Windeseile das heutige Spezial Dessert zu. Welches natürlich aus Eis bestand.

Ich ging an den Tisch, an dem die Beiden in ein Gespräch vertieft waren. Sah wie Mario das Geld von seinem Cousin annahm, welches nicht gerade wenig war. Ich schätzte es auf gute 150,00 € und stellte das Eis vor ihrer Nase ab.

“Geht auf mich. Dieses Eis habe ich mir wirklich verdient, nach der ganzen Schufterei hier.”, setzte mich und deutete den Beiden an zuzuschlagen.Und das eine Minute vor Ablauf der Zeit, ich zwinkerte Mario zu. Erst blickte er mich überraschend an, dann wurde sein Ausdruck leicht verdattert und am Ende, war er blass.

Ich bot mich an, Mario noch nach Hause zu fahren. Er würdigte mich, seit dem Eis, mit keinem Blick mehr und starrte nur aus dem Fenster.

Kurz vor seiner Haustür, wandte er sich zu mir um.

Aufgabe 4 erfolgreich abgeschlossen. Ab jetzt hast du sieben Tage für Aufgabe 5”, stieg aus und schlug die Tür hinter sich zu.

Ich war schon gewillt ihm hinterher zu laufen und zu fragen, welche Laus ihm über die Leber gelaufen war, doch ich blieb sitzen. Ich sah, wie er die Haustür aufschloss, rein ging und die Tür hinter sich zuschmiss.

Viele Fragen keimten in mir auf aber hauptsächlich fragte ich mich, ob er mich durchschaut hatte? Ob er es mitbekommen hatte, dass ich die Wette durchschaut hatte. Hatte ich mich irgendwie verraten?

Vor allem, wollten wir nicht eigentlich zusammen lernen? Immerhin, … ich blickte auf die Uhr. Oh es war schon nach Mitternacht. Also hatte sich das Lernen für heute erledigt. Resigniert starrte ich den Motor meines Wagen.

Diese Nacht war genauso wie die Nächte davor. Nur dass mich diesmal kein arroganter Blick empfingt, sondern blaue Augen, strahlend, fragend, verlangend. Haare durcheinander und nicht sorgfältig, wie die von einem Nerd gekämmt auf dem Schädel liegend. Mario sah verrucht aus, … zum anbeißen. Sein schlaksiger Körper, zum verwöhnen einladend. Seine Lippen, auf die er immer rum biss, zum liebkosen. Seine Nippel, zum ablecken.

Schweißgebadet wachte ich auf aber diese blauen Augen, sie schoben sich weiterhin in den Vordergrund. “Scheiße! Was ist nur hier los?” Ich brauchte es nicht zu ertasten um zu wissen, dass ich härter als hart war.

Ich blickte auf die blaue Neonanzeige meines CD-Players und die Anzeige sagte mir, dass ich gerade mal eine dreiviertel Stunde geschlafen hatte.

Von unten hörte ich, dass Mutters Party noch im vollen Gang war und verdrehte die Augen.

Ich stand auf, zog meine besten Klamotten an. Richtete mich her und ging zur Party. Das obwohl ich absolut keine rechte Ambition hatte mich dem weibischen Unterhaltungen entgegenzustellen. Aber deswegen war ich auch nicht auf dem Weg dorthin.

Lange dauerte es nicht, bis eine “Freundin” angebissen hatte und ich mit ihr in einem Nebenraum verschwand. Ich musste diese blauen Augen loswerden. Besonders dieses Gefühl, welches allein die Art seiner Bewegungen in mir verursachte.

“Scheiße ich werde doch nicht etwa schwul!”, dieser Gedanke ängstigte mich als ich rhythmische Stöße in dem Nass tätigte. Aber dann traf mich die Erkenntnis mit vollem Schlag.

Nicht nur, dass die Wette unmöglich und verkorkst war. Mario hatte sie so gestaltet, dass er selbst nicht mehr rauskam. Er hatte sich selbst eine Falle gestellt.

Ich musste es wissen und zog mich aus dem Nassen raus. Wies die Freundin meiner Mutter, ihren Namen kannte ich nicht einmal, an sich umzudrehen und ohne Vorwarnung schob ich ihr einen Finger in den Hintern. Eng und warm. Ihr Eingang zog mich buchstäblich in ihr Innerstes. Irgendwie anders. Besser.

Wenn es einer Frau schon gefiel, wie würde erst ein Mann darauf reagieren. Ich bearbeitete sie und je weiter ich sie dehnte, um so lauter wurde sie. Noch bevor ich richtig ansetzen konnte hatte sie einen Orgasmus. Außer Atem drehte sie sich zu mir um und blickte mich mit verklärten Augen an.

“Noch nie hatte mich jemand so genommen. Lass mich dich jetzt verwöhnen.”, sie beugte sich zu mir runter, aber ich sah nicht wirklich sie. Ich sah nicht ihre runden Berge. Es war flach, nur kleine Brustwarzen mit einem dunklen Hof drum rum. Auch sah ich nicht ihre rasierte Vulva. Ich stellte mir etwas Hochragendes vor. Je mehr ich mir von ihm vorstellte desto härter und geiler wurde ich. Ich stieß in ihrem Mund, nur waren es keine grell geschminkten Frauenlippen die ich da sah, sondern die leichte Wölbung der Lippen mit dem schüchternen Lächeln.

Ich griff in ihre Haare und betrachtete meine Finger, die ich kurz zuvor in ihrem Anus versenkt hatte. Es war ein geiles Gefühl, anders. Ich wollte mehr. Ihre Bearbeitung war professionell und ich schoss in ihrem Mund.

Ohne weiteres zog ich mir die Hose hoch und trat aus dem Nebenraum. Mir wurde schwindelig aber es war nicht der Orgasmus, der dazu führte. Es war die Erkenntnis, die ich schon lange hatte aber immer wieder verdrängt hatte.

Scheiße, ich hatte mich in Mario verliebt, meine Beine wurden weich. Schwankend trat ich den Weg zurück in mein Zimmer. Fiel auf das Bett und lag die ganze restliche Nacht wach.

Es konnte nicht sein. Es durfte nicht sein.

Ich war doch nicht schwul!

 

Auch ein Geheimnis, welches keines ist, bleibt ein Geheimnis

 Aufgabe 5:

Besagte Person ins Kino begleiten.

 

Was war nur mit mir geschehen? Ich konnte es immer noch nicht fassen, glauben oder gar verstehen. Es war einfach unbegreiflich. Wie gerne hätte ich mit jemanden darüber geredet, aber gerade die Person, die mir als erstes in den Sinn kam, kam überhaupt nicht in Frage. Aber wer konnte mir in dieser Situation sonst noch helfen? In einer Situation die äußerst pikant und völlig neu für mich war.

Meine Eltern? Wohl kaum! Die würden mich beäugen, als ob ich von einem anderen Planeten stammte. Jemand aus meinem engeren Freundeskreis. Welcher Freundeskreis? Schulkameraden? Nein! Die würden allesamt einen Lachflash bekommen und sich von mir abwenden.

Ein Samuel A. J. Höllesing, eventuell schwul und will es mit einem Kerl versuchen? Nein, nicht nur versuchen, sondern vielmehr reale Erfahrung sammeln.

Gott es war soweit. Jetzt war es wirklich soweit, dass ich mir ernsthaft Gedanken darüber machen musste.

Ich musste diese Wette absagen, es ging einfach nicht anders. Sie überstieg einfach meine Kräfte. Diese Wette war ein Ding der Unmöglichkeit und ich war breitbeinig und blauäugig darauf eingegangen.

Ich hätte sie abbrechen müssen, spätestens in dem Moment, als ich erfahren hatte, dass es sich um einen Kerl handelte. Aber die Neugierde und der Wetteinsatz hatten alle Bedenken überwogen.

Ich konnte mich selbst nicht mehr verstehen, daher suchte ich, wenn auch vergeblich, im Internet nach Seiten, die kostenlose Schwulenpornos einstellten und die nicht gerade wie eine Abofalle aussahen oder mit einem Virus behaftet waren in der Hoffnung mehr Klarheit über mich selbst zu bekommen. Frustriert gab ich auf.

Ließ mich auf mein Bett fallen und starrte, wie auch die Tage zuvor die Decke an. Aber auch diese konnte mir keine Hilfe anbieten und daher schloss ich meine Augen.

 

Der nächste Tag verlief genauso mies wie die Nacht. Schleppend. Ich schlurfte Richtung Wohnzimmer. Es war leer, wie üblich. Mutter war bestimmt wieder auf einer ihrer sehr ausgedehnten Shoppingtouren die sich manchmal über Tage hinzogen und Vater? Tja keine Ahnung. Ich hatte ihn seit Tagen nicht mehr zu Gesicht bekommen. Somit machte ich mich auf den Weg in die Küche, die, und das überraschte mich, zu dieser Zeit leer war. Es war so still in dem Haus. Eigentlich nichts neues, nur diesmal kam mir die Stille nicht real vor.

Ein männliches Lachen durchbrach die Stille. Es kam aus Vaters Arbeitszimmer. Neugierig ging ich darauf zu. Und noch einmal war dieses Lachen zu vernehmen, ich erkannte die Stimme nicht. Etwas zu laut stieß ich die Tür auf, darauf vorbereitet irgendjemand den Kopf einzuschlagen, als ich Vater mit einem mir fremden Mann sah.

“Seit wann bist du zurück?” rutschte es mir heraus.

“Seit gestern Nacht, mein Sohn. Darf ich dir meinen Geschäftspartner Peter Stein vorstellen? Peter das ist mein Sohn Samuel.”

Der Mann kam auf mich zu und reichte mir die Hand. Er kam mir nicht gerade “normal” vor. Widerwillig nahm ich sie. Halt warte mal, was dachte ich da nur? Ich kann doch nicht einfach jemanden einfach so, ohne ihn besser zu kennen beurteilen. Aber meine innerliche Alarmanlage schlug an.

Innere Alarmanlage? Seit wann hatte ich denn so etwas? So was nannte man eigentlich weibliche Intuition und davon konnte und durfte ich rein gar nichts haben.

“Nun, Herr Höllesing, melden Sie sich mal bei dem jungen Mann, wenn Sie, … nun ja, … Sie wissen schon.” Peter Stein überreichte meinem Vater eine Visitenkarte und verabschiedete sich.

Mein Vater schnaufte resigniert und legte die Visitenkarte neben sich auf dem Tisch. Er war anscheinend von diesem Ding nicht besonders angetan, was meine Neugierde weckte. Es gab selten etwas, das Vater von sich wegschob oder einfach ignorierte aber diese Karte war so ein “Etwas”.

Er stand auf und nahm mein Gesicht in die Hand und küsste mich auf die Stirn. Eine äußerst seltene und verlogene Geste, diese Geste wurde mir das letzte Mal zuteil, als mein Vater herausgefunden hatte, dass Mutter mit einem seiner Geschäftspartner ins Bett gestiegen war, nur damit das Geschäft zustande kam.

Was es wohl dieses mal war? Ablehnend schüttelte ich den Kopf. Ich hatte mir geschworen, meine Nase nie wieder in die Angelegenheiten meiner Eltern zu stecken. Denn immer wieder wurde ich enttäuscht, einfach weggeschoben und nicht ernst genommen.

Jetzt wuchs meine Neugierde erst recht und ich konnte meinen Blick kaum mehr von dieser Karte nehmen also wartete ich bis Vater aus dem Arbeitszimmer war. Kurz entschlossen stand ich auf, ging an seinem Arbeitstisch und steckte mir die Karte ein.

Danach ging ich zurück auf mein Zimmer. Schaltete den Computer an und loggte mich auf Facebook ein. Ich hatte einfach nichts Besseres zu tun, vor Langeweile klickte ich auf die Spiele App. Marvel: Adventures Alliance. Spielte gut eine halbe Stunde, aber dann war meine Energie aufgebraucht. So ein Shit, dachte ich und ignorierte die Nachrichten, die mir meine Freunde schickten. War eh immer das Gleiche.

So was in der Art wie: “Ey Alter, was machst du am WE? oder, “Ey, Lust einen drauf zu machen. Sag Bescheid, denn ich bin knapp bei Kasse.” usw.

Ich hatte keine Lust am Wochenende fort zu gehen, schon gar nicht wenn, …, mein Atem stockte, wenn Mario nicht dabei war.

Warum kamen schon wieder diese Gedanken über ihn in mir auf?

Ich erinnerte mich an blau schimmernde Wellen, gebrochene Sonnenstrahlen und ein Lachen, das einem das Herz erwärmte. Ein Junge rannte über die Wiese und ließ sich in die Arme seiner Mutter fallen. So hatte ich ihn in Erinnerung. Er war damals schon 14. Zuerst dachte ich, was ist denn das für einer, der sich in diesem Alter noch in die Arme der eigenen Mutter wirft? Aber als ich die riesige Narbe auf seinem Rücken sah, wurde mir etwas bewusst. Dieser Junge musste eine tierisch schwierige Operation hinter sich haben. Ich malte mir sämtliche Diagnosen und Untersuchungen aus, die er über sich gebracht haben musste und auch überlebt hatte.

Genau dieser Junge wollte mit meiner “Gang” und mir Fußball spielen. Wir gewährten es ihm, aber er hielt nicht lange durch.

Irgendwann erfuhr ich dann, was er hatte. So jung und draufgängerisch wie ich war, hatte ich ihn einfach nach seiner Narbe gefragt.

Er tat es ab und meinte nur, dass er an der Wirbelsäule eine Fehlentwicklung hatte, die ihn jahrelang daran hinderte zu laufen. Dass er bis jetzt den größten Teil seines Lebens im Rollstuhl verbracht hatte.

Heute weiß ich, dass er von der Hüfte ab gelähmt war und nur durch einen komplizierten Eingriff wieder richtig laufen konnte. Nun ja, ein paar Wochen später kam er dann auf meine Schule. Den Rest könnt ihr euch wohl denken. Er wurde gejagt und ich hatte ihm beigestanden. Seitdem war er eigentlich immer an meiner Seite oder ich an seiner. Nun, wenn ich es so betrachtete, war ich immer an seiner Seite.

Kirre.

Das Grübeln brachte nichts ein und ich beschloss endlich zu Bett zu gehen.

Als ich mich auszog, erinnerte ich mich wieder an die Visitenkarte und holte sie aus meiner Hosentasche. Hielt sie gegen das Licht der Nachttischlampe, sie sah auf den ersten Blick nicht nach etwas weltbewegendem aus.

Erst beim näheren Hinschauen wurde sie interessant.

Es stand nur ein Name drauf, einer den ich schon des öfteren mal, wenn ich ein Gespräch der Freunde meiner Eltern belauscht hatte, vernommen hatte. Sowie eine Handynummer und auf der Rückseite diverse Regeln.

*Keine Namen - Pseudonym ist gewünscht

*Keine Adressen

*Keine private Ambitionen und Informationen

*Kein SM oder perversen Fetisch

*Taxi für hin und Rückfahrt zahlt der Kunde

*Hotelzimmer nach Wahl zahlt der Kunde

*Sonstige Wünsche nur nach vorhergehender Absprache

*Nur Vorkasse

Na toll! Ich legte die Karte auf mein Nachtkästchen. Ist ja wieder einmal typisch. Ein Geschäftspartner bot meinem Vater an, es mit einem Stricher zu treiben. Weil mein Vater ja so auf Männer stand.

Einfach nur lachhaft. Ich ging endgültig zu Bett.

Zu meiner eigenen Überraschung verlief die Nacht wie sie sollte. Ich brauchte keine Stunden um einzuschlafen und blaue Augen mit einem schlaksigen Körper verfolgten mich auch nicht.

Als er los klingelte schlug ich einfach auf meinem Wecker. Machte mich fertig für die Schule und als ich dann in die Küche ging, hörte ich wieder diesen Namen.

“Zeth, wird für dich da sein, wenn ich es nicht mehr kann.”, das war die Stimme meiner Mutter und sie klang so flehentlich.

“Schatz, meinst du nicht, dass es übertrieben ist? Glaubst du wirklich ich könnte nicht warten?”

“Ich meine es doch nur gut. Lieber so, als …”

“Susan ich liebe dich. Du trägst unser Kind unter dem Herzen und es ist unrealistisch, dass ich in der Zeit, in der du nicht kannst, mich in die Arme einer anderen Frau begebe oder in diesem Fall, sogar einen Callboy engagiere.”

Das durfte doch nicht wahr sein, jetzt verkuppelte meine Mutter meinen Vater noch mit einem Callboy, nur damit sie sich nicht mit einer ernsthaften Konkurrenz auseinandersetzen musste.

“Aber Schatz, …”, mehr konnte ich nicht mehr hören. Mir war nach dem belauschtem Gespräch der Hunger vergangen und ich beschloss heute nicht in zur Schule zu gehen.

Zeth, immer wieder dieser Name. Was hatte es mit ihm auf sich? Ich musste dieser Sache nachgehen und ich hatte irgendwie das vage Gefühl, dass dieser Zeth mich bei der Wette einen gewaltigen Sprung nach vorne bringen könnte. Woher ich das wusste? Sagen wir, meine “weibliche Intuition” hatte zugeschlagen.

Eine lange Zeit, Stunden, betrachtete ich die Visitenkarte, die recht einfach gehalten war. Keine Verschnörkelungen, keine Verzierungen. Alleine schon durch diese Einfachheit war der Typ mir sympathisch.

Ich sprang auf und machte mich auf dem Weg zu meinem Vater. Lange suchen brauchte ich ihn nicht. Er war wie immer in seinem Arbeitszimmer und telefonierte. Als er aufblickte fragte ich ihn nach etwas Taschengeld. Und wie immer verzog er seine Augenbraue bevor er schließlich fragte wie viel ich benötigen würde.

“Ich habe vor mit ein paar Kumpels auszugehen, …!” Mehr Informationen brauchte er nicht um seinen Geldbeutel zu zücken und zwei fünfhundert Euro Scheine hervorzuholen und mir zu überreichen.

Nun, wenn ich an früher dachte, waren 1000 € für mich, eigentlich nur Kleingeld. Doch jetzt, seitdem sie mir den Geldhahn zugedreht hatten, war es mehr als ich eigentlich gerechnet hatte.

Auf meinem Zimmer suchte ich nach meinem alten Handy, für das ich noch eine Prepaid Karte hatte. Da Zeth, laut Visitenkarte, völlig unbekannt bleiben wollte, er genauso wie seine Freier, so wollte auch ich mich nicht direkt zu erkennen geben. Nachdem ich es in der hintersten Ecke auf meinem Schrank gefunden hatte, lud ich es auf.

Bloß ich war unschlüssig, ob ich diesen Weg wirklich gehen wollte. Wollte ist gut gesagt. Ich musste diesen Weg gehen. Zumal ich ein absoluter Noob in dieser Beziehung war. Ich wusste immer noch nicht, ob ich jetzt wirklich auf Männer stand oder ob es nur Neugier wegen dieser unmöglichen Wette war. Eine Phase die meine Neugierde bis zu Äußersten getrieben hatte.

Ich wählte die Nummer obwohl meine Gefühlslage völlig unbeständig und ich mir so unsicher war. Es dauerte nicht lange und er nahm mit einem “Ja” ab. Obwohl es noch relativ früh war, hörte er sich ausgeschlafen an. Was mich kurzzeitig vor Überraschung sprachlos werden ließ.

“Hi, mein Name ist Kleist”, stellte ich mich vor und am anderen Ende hörte ich ein kurzes Glucksen.

“Welch ein wundervoller Name. Eines gebildeten Menschen ebenbürtig.” Nun ob ich gebildet war, war mal hinten an zu stellen. Ich war intelligent. Sogar überdurchschnittlich verglichen mit den meisten Menschen.

“Was kann ich für dich tun, Kleist.”, auch wenn die tiefe Stimme am anderen Ende schmeichelnd und verführerisch klang, so kam sie mir irgendwie doch recht bekannt vor.

“Es gibt da einen Freund, der, …”

“Keine Umschweife Kleist. Sag mir klipp und klar was du möchtest.”, trotz seines unterschwelligen Befehlstons klang er dennoch sehr verführerisch. Allein dieses Timbre trieb alles Blut dorthin wo ich es gar nicht haben wollte.

“Ich weiß nicht ob ich auf Männer stehe, …”, ich stockte und am anderen Ende blieb es genauso still.

“Warum rufst du mich denn dann an? Um solch eine Erkenntnis zu machen bin ich nicht der Richtige.” Hätte ich mir denken können. Jetzt blieb mir nur noch der Weg zum Psychologen. Herrgott.

“Entschuldige, dass ich dir deine Zeit vergeudet habe.”, sagte ich noch und wollte schon auflegen.

"Es ist dir ernst?”

“Schon, sonst würde ich nicht diesen Schritt gehen und einen Callboy, der nur Männer bedient, anrufen.”

“Nun, es tut mir leid. Das ich dich empört habe. 1.200 im Voraus. Nachdem du das Geld überwiesen hast, gib mir per SMS das Hotel und die Zimmernummer durch. Sollte das Hotel außerhalb meiner Stadt sein, so kostet es einen Aufschlag von 150 € extra. Sollte dir bei unserem Treffen das Licht aufgehen, dass du wirklich auf Männer stehst, dann bezahlst du den vollen Betrag von 3.800€.” Ich prustetet. Der hatte aber gesalzene Preise.

“Was ist? Haben wir einen Deal oder nicht?”

Ich überlegte nicht lange und sagte zu.

Mir Gedanken drüber zu machen, ob es sich hierbei um einen notwendigen Teil der Wette handelte, brauchte ich nicht. Es gehörte einfach zu meinem Wesen. Ich tat es für mich und wenn ich für meine private Erfahrung mehr Geld ausgab, als Mario für die Wette vorgegeben hatte, dann war das für mich immer noch im Rahmen. Außerdem, genau genommen gab ich das Geld nicht aus um eine Aufgabe zu lösen sondern um mir selbst Klarheit über meine wahre sexuelle Orientierung zu verschaffen. Scheiße ich dachte schon wieder an diese Wette. Und schon wieder schlich sich Mario in meinen Verstand. Krampfhaft versuchte ich ihn zu verscheuchen.

Jetzt hieß es nur noch meine Eltern irgendwie dazu zu bekommen, dass sie den fehlenden Betrag, den ich für “Zeth” brauchte, locker zu machen. Ok, zweihundert Euro bekam ich irgendwie noch zusammen. Aber sollte es sich wirklich herausstellen, dass ich auf Männer stand, dann hatte ich die Arschkarte gezogen. Wo sollte ich noch die restlichen 2600 € herbekommen?

Nicht nur das. Laut Visitenkarte musste ich auch noch für das Hotel aufkommen. Also suchte ich nach dem billigsten Hotel in der Stadt. Der “Schwanenteich” kam sowieso nicht in Frage. Einmal war der viel zu teuer und zudem war ich doch nicht lebensmüde und ging das Risiko ein Mario über den Weg zu laufen, wenn er dort Dienst schob. Oder Kilrian. Ne. Ein NO GO.

Ein Hotel bei dem der Übernachtungspreis für zwei Personen im Rahmen meiner Möglichkeiten lag, war dann doch schnell gefunden.

Auch konnte ich meinen Vater davon überzeugen, mir wieder mehr Taschengeld zu geben. Seit Mutter schwanger war, war er irgendwie wie ausgewechselt. Vielleicht hatte er sogar wegen mir ein schlechtes Gewissen und wollte mich, wie immer, mit dem Geld beruhigen. Damit ich ja nicht so “eifersüchtig” war. Welch ein Schwachsinn. Ich war nicht eifersüchtig ich bemitleidete das ungeborene Kind. Wenn es genauso aufwachsen würde wie ich, ohne Eltern. Die zwar da waren aber eigentlich auch wieder nicht. 80% meines Lebens hatte ich ohne sie verbracht. Nur Ela war für mich da.

 

Ich ging zur Bank und überwies den angeforderten Betrag. Schrieb eine SMS in welchem Hotel das Treffen stattfinden sollte. Nur die Zimmernummer wusste ich noch nicht. Gab ihm daher einfach den Namen durch, auf den ich das Zimmer gebucht hatte und die Uhrzeit. Kurze Zeit später kam nur ein “Ok”.

Jetzt hieß es Däumchen drehen, denn bis zum Abend waren es noch sehr, sehr viele Stunden, die sich wie Kaugummi hinzogen.

Ich war wohl weg gedöst, als mich ein Anruf weckte. Ich blickte auf das Display meines Handys und sah, dass Mario anrief. Ich ging ran und wie üblich fragte er mich, was los sei und warum ich nicht in der Schule gewesen war. Ich log, und sagte, dass ich mich nicht gut fühlen würde. Hätte ich Mario nicht besser gekannt, so hätte ich vielleicht geglaubt, dass er nur eine einfache Unterhaltung hätte führen wollen. Denn er fragte auch nebenbei, ob ich Zeit hätte mit ihm die Matheaufgaben durchzugehen. Doch das war es nicht. Er wollte nur wissen, wie weit ich mit der Wette war. Außerdem hörte ich raus, dass er heute Abend seinen Cousin wieder vertreten musste.

“Ey Mario! Mir geht’s wirklich nicht gut.”, log ich und es tat mir in der Seele weh, meinen besten Freund anzulügen.

Endlich war es soweit, ich machte mich fertig. Meine Nerven, waren zum zerreißen angespannt. Was, wenn ich ihn vollkotzen würde, wenn er, er, ne ich wollte gar nicht daran denken. War ich etwa doch nicht schwul, weil ich jetzt so reagierte. Mein Magen rumorte und doch, ich brauchte Gewissheit. Wenn er mir nicht helfen konnte Klarheit über mich selbst zu erlangen, dann konnte es keiner.

Mit meinem eigenen Wagen wollte ich nicht fahren. Wie hätte es ausgesehen, wenn wichtige Geschäftspartner meiner Eltern auch in diesem Hotel waren. Eher unwahrscheinlich in so einem billigen Laden, aber man weiß ja nie. Daher bestellte ich mir ein Taxi und ließ mich dorthin fahren.

Bezahlte und hatte alle Hände damit zu tun, meine schlotterten Beine zu beruhigen. Ob er schon da war? Ich blickte auf die Uhr. Nein, noch eine Viertelstunde Zeit. 15 Minuten in denen ich Gefahr lief, dass ich endgültig den Schwanz einzog.

Tief atmete ich ein und stellte es mir als eine Wette vor. Ja, das wars. Es war eine Wette. Eine Wette gegen mich selbst und der musste ich mich stellen. Scheiße ging mir der Hosenboden auf Grundeis. Vor allem, wie würde er aussehen? Ein Blondschopf? Blaue Augen? Schon wieder blaue Augen oder waren es doch eher dunkle, wenn nicht gar grüne. Gott warum hast du nur so eine Vielseitigkeit geschaffen, murmelte ich vor mich hin und schüttelte innerlich mit dem Kopf. Sam! Du musst jetzt da durch. Ob du willst oder nicht.

Ich ging zum Empfang und gab den Namen an, den ich, bei der Reservierung angegeben hatte. Sofort überreichte mir die Dame den Schlüssel und ein Page brachte mich zum Zimmer. Ich drückte ihm einen Zwanziger in die Hand und erklärte, das ich ab jetzt alleine zurecht kommen würde. Er nickte und verschwand.

Scheiße meine Übelkeit wuchs an als ich das Zimmer betrat. Ich hatte keinen Blick mehr für den Raum und setzte mich einfach auf das Bett, denn einen Tisch und Stühle gab es in dem Zimmer nicht.

Ich war wie weggetreten, ich vernahm nicht einmal, wie mein “Date” das Zimmer betrat.

Erst das Wort “Kleist” weckte meine Aufmerksamkeit und ich schreckte hoch. Blickte in dunkle, arrogante Augen. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Grinsen.

“WAS! Wow! Wow! Wow! Was machst du hier?” stotterte ich. “Du bist Zeth?!”

“Was für eine Überraschung dich hier zu sehen!”

Ok. Ich konnte es nicht fassen. Das war wohl ein Scherz der übelsten Art und ein totales NO GO. Ein NO GO das es noch nie so gegeben hatte. Ich stand dem Teufel, meinem persönlichen Alptraum, gegenüber.

“Eine Überraschung in der Tat und ich werde jetzt gehen.”, zischte ich und wollte schon an ihm vorbei, doch er hielt mich fest.

“Hör zu, du hast mich gebucht, weil du etwas herausfinden willst.”

“Schon aber nicht mit dir.”, meine Stimme wurde lauter aber er schnaufte nur tief ein.

“Ich denke, wenn du wissen möchtest, wie deine Gefühle für Mario sind, dann bin ich die richtige Anlaufstelle.”

Ich riss mich los, blickte in seine dunklen Augen und plötzlich sah ich nichts Arrogantes mehr in ihnen.

“Woher ...?”

“Woher ich es weiß? Ich wusste es nicht sicher, nur dass du jetzt da bist, gab mir endgültig die Bestätigung.”

“Witzig! Woher?”

“Dein Gebaren gegenüber Mario! Wie du ihn anblickst. Du müsstest dich selbst sehen wenn du mit Mario sprichst.”

War das so offensichtlich? Ich fragte mich das immer wieder, meine Gedanken schwirrten nur so umher.

“Ähm, … ja!”, das erste Mal in meinem Leben war ich wirklich sprachlos. Ich stand meinem absoluten Alptraum gegenüber. Dem Menschen, der die Herablassung und Arroganz in einer Person für mich darstellte, der zudem auch noch Bestandteil dieser unmöglichen, an meinen Nerven zerrenden Wette war.

Kilrian Ford.

Ich sank zurück auf das Bett und schüttelte immer wieder mit dem Kopf. Die Frage des „warum“ änderte sich in ein „wieso“ und wieder zurück zu einem „warum“. Es war mir unbegreiflich.

“Du bist Zeth?! Das ist einfach nicht zu glauben. Weiß, ... weiß Mario davon?” Er nickte bedächtig und es schien ihn verlegen zu machen.

“Ja leider!”

Mir wurde wieder schlecht aber gleichzeitig wurde ich auch so wütend auf Mario. Warum gerade er, warum Kilrian? Obwohl ich den Hintergrund der eigentliche Wette bereits erkannt hatte, stellte sich mir aber immer noch die Frage des „warum“?

“Dieses kleine Arschloch!”, fluchte ich und Kilrian sah mich fragend an. Dann verdreht er die Augen.

“Die Wette!”, sagte er und ich war überrascht, dies aus seinem Mund zu hören.

“Woher weißt du von der Wette?”

“Weil es mein Vorschlag war!”, sagte er. Ich stand ruckartig auf, blickte mich in dem Raum um und atmete tief ein. Was jetzt in mir vorging, führte entweder zum guten Ausgang der Wette oder zum totalen Reinfall.

“Zeth, der Deal ist geplatzt. Hier ist nicht der richtige Platz um zu reden. Ich schlage vor, wir gehen ins Kino und vergessen diese peinliche Situation. Stimmst du mir da zu, Kilrian? Ach und gebe Mario bitte für heute frei, er soll uns begleiten.”

Er nickte.

Auf dem Weg ins Kino erfuhr ich von ihm, dass er Mario nur vorgeschlagen hatte mit mir zu wetten. Um was es dabei ging wusste Kilrian nicht und ich schwieg selbstverständlich darüber. Er musste ja nicht alles erfahren, insbesondere nicht dass ich ihn ab jetzt als Köder benützten würde.

Mario war sichtlich überrascht mich mit seinem Cousin zu sehen. Den ganzen Abend sprach er kein Wort mit mir und als Kilrian sich verabschiedet hatte, meinte er nur: Aufgabe 5 bestanden.

Am nächsten Tag sah ich, das Kilrian, alias Zeth, die 1200 € zurück überwiesen hatte.

 

In der Schule wollte Mario dann wissen, wie ich Kilrian dazu gebracht hatte ins Kino zu gehen? Ich zuckte nur mit den Schultern und meinte. “Geheimnis, welches keines ist bleibt ein Geheimnis.”

Er gab sich anscheinen damit zufrieden und sagte: „Aufgabe 6 tritt in Kraft, ab jetzt hast du sieben Tage Zeit um sie zu lösen.”

 

Ich bin schon lange dabei, mein kleiner Teufel, schon lange.

 

 

Der Feind meines Feindes ist mein Freund

 Aufgabe 6:

Mit der Zielperson durch die Stadt fahren mit anschließendem Candle Light Dinner.

 

Mir stellte sich die Frage wie ich es diesmal anstellen sollte? Es hinterrücks so zu bewerkstelligen, das Mario davon nichts mitbekam. Fünf Aufgaben hatte ich schon geschafft. Jetzt kam die sechste dran. Wie viele Aufgaben hatte ich noch vor mir, bevor ich ihn selbst in der Hand haben würde?

Ich nahm den Zettel hervor, las alles noch einmal genau durch.

Die Wette kannte ich schon in und auswendig.

Ich überflog die kommenden Aufgaben und las weiter.

Ich wünsche dir ein gutes Gelingen.

Wettvorgeber Mario

Wettender Sam

Eigentlich, wenn man es richtig und genau betrachtet, hatte Mario die Wette bereits verloren. Nämlich als er die Zielperson, die ich glaubte erkannt zu haben, bestätigt hatte. Die erste Aufgabe hatte er durchgehen lassen, obwohl er wusste, dass ich die Wette nicht verstanden hatte. Was bezweckte er nur damit dass er die Wette weiterlaufen ließ.

Ich selbst hätte, wenn ich gewollte hätte, diese Wette annullieren können und wir beide wären ohne Gewinnen oder Verlieren auseinander gegangen. Aber als ich es bemerkt hatte, war es bereits viel zu spät. Ich musste dieses Spiel weiterspielen und zwar so, dass Mario nicht mitbekommt, dass ich den Haken der Wette mittlerweile erkannt hatte.

Ich brauchte einen Verbündeten und zwar Jemand, der Mario genauso gut kannte, wie ich. Jemand der Mario sogar noch besser kannte, als ich. Und diesen Jemand hasste ich wie die Pest. Kilrian Ford. Mein Feind würde mein Verbündeter sein und ich würde einen Schritt gehen, den ich im Normalfall nie in Betracht gezogen hätte.

Ich konnte es nicht glauben, Kilrian war ein Callboy, dieser Kerl ging anschaffen. Weshalb? Wegen dem Geld wohl kaum. Immerhin war er ja Besitzer eines der besten Hotels weit und breit. Und wie ich wusste hatten sie im Hotel auch genug zu tun. Machte er es vielleicht aus sexuellen Gründen? Stand er etwa darauf sich an andere Männer zu verkaufen? Aber auch das konnte ich mir nicht wirklich vorstellen. Er konnte ja nicht davon ausgehen, dass es immer junge und attraktive Kunden waren die er zu bedienen hatte. Alleine die Vorstellung es mit so einem alten fetten Kerl treiben zu müssen, unvorstellbar. Ein NO NO GO. Aber vielleicht würde ich noch dahinter kommen was seine Gründe waren.

Ich schnappte mein Handy und wählte die Nummer des Hotels.

Eine Frau meldete sich und ich wurde nervös. Warum gerade jetzt mein Herz raste, konnte ich mir gut vorstellen.

“Ja, Guten Tag. Hier ist Höllesing. Ist Herr Ford zu sprechen?”

“Der Chef ist in seinem Büro. Kann ich ihm was ausrichten?”

“Nein Danke, es wäre sehr freundlich, wenn Sie mich mit ihm verbinden könnten.”

“Geht es um eine Beschwerde?”

“Nein, es ist privater Natur.” Herr Gott was für eine Schnepfe.

“Einen kleinen Moment ich verbinde Sie.”

“Danke.” Scheiße ich hatte doch seine Handynummer! Nein. Diese Nummer werde ich nie, nie wieder anrufen.

“Hotel Schwanenteich. Kilrian Ford.”

“Kilrian hier ist Sam. Hast du kurz Zeit?”

 

Keine Stunde später trafen wir uns im Café. Er hätte nie zugesagt, wenn ich nicht schon am Telefon mit der halben Wahrheit rausgerückt wäre.

“Also, wie kann ich dir helfen. Wie es aussieht hat es dich doch ziemlich erwischt.”

Ich schüttelte mit dem Kopf aber gleichzeitig nickte ich auch. Nun ja, ich war halt total durcheinander.

“Um dich zu beruhigen. Ich weiß es immer noch nicht. Ich weiß im Moment überhaupt nichts. Ich weiß nur eins, dass es jetzt der größte Fehler wäre, den ich begehen könnte, und wenn Mario davon erfährt, er …!”

“Verstehe! Du hast irgendetwas von einer Wette gesagt und dass ich darin ein Bestandteil sei.” Gedankenverloren nickte ich und wich seinem dunklen Blick aus.

Sekunden vergingen bis endlich meine Hand die Aufforderung bekam den Zettel aus der Hosentasche zu nehmen. Noch bevor ich es mir anders überlegen konnte, legte ich ihn vor ihm hin.

Er nahm den Zettel und las ihn sich durch. Keine Regung war von seinem Gesicht abzulesen. Er faltete den Zettel zusammen und gab ihn mir zurück.

“Und in wie fern bin ich an der Wette beteiligt?”

Ich räusperte mich und blickte ihm in die Augen. Gott war das schwer. Ich musste wirklich über meinen eigenen Schatten springen, direkt in den dunklen, nimmer wiederkehrenden Abgrund.

“Du bist, nein warst die Zielperson!” Ungläubig blickte er mich an und dann lachte er laut los. Ungläubig schüttelte er seinen Kopf.

Leider war mir nicht zum Lachen zumute.

“Und wie weit, bist du schon?”, er gluckste immer noch.

“Aufgabe 6.” Jetzt verschluckte er sich und hustete.

“Was?” Ich nickte nur. “Du weißt schon, dass die Erfüllung der 11ten und 12ten Aufgaben nie erfolgen wird. Bei allen anderen kann ich dir helfen. Es wäre mir sogar eine Ehre. Aber ich werde nie die berühmten drei Worte zu dir sagen.”

Jetzt ging mir ein Licht auf. Selbst Kilrian war nicht dahinter gestiegen. Hinter die eigentliche Wette. Aber wie hätte er auch gekonnt.

“Du bist auch nicht gemeint. Ich hatte es genauso falsch ausgelegt, wie du.” Sein Blick wurde fragend.

“Es stimmt zwar, dass Mario dir die Hand gab. Aber er hatte, bevor er dir die Hand gab. Jemanden anderem bereits die Hände geschüttelt.”

“Und der wäre, wenn nicht ich.”

Ich druckste noch eine Zeitlang rum, doch dann rückte ich endgültig mit der Sprache raus.

“Du meinst wirklich, dass Mario es so umständlich gemacht hat?”

“Jepp.”

“Und du willst den Schein, mich zu erobern, weiter aufrecht halten.”

“Jepp.”

“Und wann willst du ihn darauf hinweisen, dass du ihn durchschaut hast und bereits das wahre Ziel der Wette kennst.”

“Wenn er die 11te Aufgabe frei gibt.”

“Und du bist dir sicher, dass du das schaffst? Immerhin kämpfst du ja selbst noch damit, zu akzeptieren, dass du wahrscheinlich schwul bist.”

“Natürlich schaffe ich das.”

“Glaube ich dir nicht. Komme heute Abend zu dieser Adresse.”, er schob mir eine andere Visitenkarte hin.

“Was?”

“Du kommst heute Abend zu dieser Adresse. Zuerst werden wir den Zweifel ausmerzen.”

“Ich habe kein Geld.”

"Ich habe nichts verlangt. Ich bin schon lange neugierig auf dich.”

Na Toll. Noch bevor er aufstand offenbarte er mir, dass Mario die nächsten beiden Abende im Schwanenteich aushelfen würde. Und ein Abend davon war dem Thema Romantik und Kerzenschein gewidmet.

“Ich kann doch nicht einfach so bei dir reinplatzen und, …”

“Warum ist das so schwer. Überall findest du Flugblätter zum kommenden Event im Schwanenteich. Wie du allerdings die Stadtfahrt arrangierst und erklären willst, bleibt dir überlassen.”

“Du weißt doch, dass ich dich herumkutschieren muss.” Er zuckte nur mit den Schultern und schon hatte er wieder diesen arroganten Blick drauf.

Das wurde ja immer schöner. Ich hatte zwar jetzt die Zusage von Kilrian, das er mir bei den nächsten Aufgaben helfen würde und doch wusste ich, dass es jetzt um einiges schwieriger wurde. Der Schein musste weiterhin bestand haben.

 

Unaufhörlich musste ich über seine Aussage, “Und du bist dir sicher, dass du das schaffst? Immerhin kämpfst du ja immer noch damit, zu akzeptieren, dass du wahrscheinlich schwul bist.”, nachdenken. Verdammt woher sollte ich denn wissen worauf ich stand? Aber wenn ich an die Tussi zurückdachte, die ich während der Party meiner Mutter im Nebenraum flachgelegt hatte, war ich mir langsam nicht mehr so sicher, was meine Zuneigung zu Frauen betraf. Warum hatte mich ihr Hintern so angeturnt? Warum hatte es sich so gut angefühlt als ich mit dem Finger dort eindrang. Und verdammt, warum kribbelte ständig mein Schwanz, wenn blaue, schüchterne Augen mich anblickten. Selbst wenn sie mir nur durch meinen Verstand huschten.

Das künstliche Lachen meiner Mutter riss mich aus meinen Gedanken und ich verdrehte genervt die Augen.

Sie kam ins Wohnzimmer gestürmt und blieb mitten in ihrer Bewegung stehen.

“Sam? Was machst du denn hier? Hast du keine Schule?”

Gott wie mich ihr mütterliches Getue nervte. Ich schaute sie nur an und schaltete den Fernseher aus, ich hatte ihm sowieso keine Beachtung geschenkt und schob mich an ihr vorbei.

Sie schien auch nicht mehr von mir zu erwarten und kramte in ihrer überteuerten Handtasche rum.

“Sieh mal, …” War alles was ich mitbekam. Aber ich hatte andere, wichtigere Dinge um die ich mich kümmern musste, und die beinhalteten nicht einen auf freundlich zu machen, zu einer Person, die all die Jahre mich nur wie ein Ausstellungsstück benutzt hatte.

“Das ist mein Sohn Sammy. Ist er nicht süß? Ach ja das Oberteil habe ich sehr günstig von Wannini. Er hat es buchstäblich rausgeschmissen so günstig war es.“ Oder „Darf ich euch Sam vorstellen. Er ist der Beste in seiner Schule und der Beste beim Fußball in der Landesliga. - Darf ich euch Samuel vorstellen. Er macht demnächst seinen Abschluss und was soll ich euch sagen, was das Beste ist? Die Universität XY hat ihn bereits vor zwei Jahren genommen, …” Ja so oder so ähnlich.

Typisches Vorzeigemodell. Nicht mehr, nicht weniger. Vor wenigen Wochen machte ich noch gute Miene zu ihrem Spiel, mittlerweile wurde es mir aber zu doof und am Ende mit irgendeiner “Freundin” von ihr im Bett zu landen, genauso.

Kurz blickte ich auf die Uhr auf meinem Handy und verfluchte die Zeit. Ich war so etwas von zwiegespalten. Zumal ich absolut nicht wusste, was mich am Abend erwartete. Heute Abend! Die Zeitspanne reichte gerade noch um mich fertig zu machen und zu der angegebene Adresse zu fahren. Vor allem begab ich mich in die Hände meines Feindes. Kilrian Ford. Gott allein der Name, ließ ein imaginäres Schnappmesser in meiner Hosentasche aufgehen. Außerdem wie will er meine Zweifel ausmerzen? Per Handauflegen auf die Stirn oder will er es mir aus der Hand lesen? Kirre.

Wie soll ein Außenstehender nur erkennen ob ich nun wirklich auf Männer stand, oder ob es nur eine Phase war, hervorgerufen durch diese beknackte Wette.

Sicher fiel mir schon in der Vergangenheit auf, dass ich für Mario etwas mehr empfand als üblich war, mehr als für meine anderen Kumpels, aber doch nur, weil ich mir immer einen Bruder gewünscht hatte. Einen Menschen, dem ich alles erzählen konnte, einen Freund, ein Kumpel und Mario war eben alles für mich. Er war immer der beste Freund, der beste Kumpel. Aber fühlte man nicht so, wenn einem ein Mensch wichtig war? Das musste doch nicht gleich Liebe sein, oder?

 

Ich stand vor der Adresse und war immer noch unschlüssig, sollte ich wieder wegfahren oder sollte ich den Motor abstellen? Das Haus vor dem ich stand war ein einfaches Reihenfamilienhaus. Nichts besonderes und nichts umwerfendes. Es machte mir Angst und die Neugierde wuchs nur schleppend.

Doch dann gab ich mir einen Stoß und stellte den Motor ab, stieg aus und ging auf das Haus zu. Zu meiner Überraschung stand auf der Klingel der Name Ford.

Wohnte der arrogante Schnösel in so einem einfachen Reihenhaus, einem Haus das sich selbst Arbeitslose leisten konnten?

Sofort verdrängte ich diese Gedanken wieder und drückte auf die Klingel. Eine Frau, … jetzt war ich baff.

“Oh Samuel Höllesing …”, sagte sie nur und machte mir endgültig die Tür auf. “Kilrian ist oben. Er erwartet dich bereits.” Ihre Stimme war so etwas von abfällig, so arrogant. Sie stand meiner Mutter in nichts nach. Aber wie schon gesagt, entweder die Menschen hoben mich in den Himmel oder wünschten mir den Tod. Bei ihr war es der Tod, obwohl ich ihr doch nichts getan hatte.

“Danke Frau Ford!”, murmelte ich nur und ging die Treppe nach oben.

“Die zweite rechts!”, rief sie mir hinterher.

“Komm rein!”, kam es aus dem Raum als ich an der Tür klopfte.

Ich tat es und blickte in ein noch arroganteres Gesicht als dem, das mir gerade unten begegnet war. Also diese Beiden konnten sich nicht leugnen.

“Also hast du dich doch noch entschieden aus der Sicherheit deines Autos zu steigen!”

“Halts Maul!”

Er grinste mich an und bot mir etwas zu trinken an. Ich lehnte ab.

“Du solltest etwas trinken, denn du wirst nicht mehr geradeaus laufen können, wenn ich mit dir fertig bin.”

Schock, scheiße, was hatte er vor? Er lachte, als er meine entgleisten Gesichtszüge sah.

“Ey Alter - ich habe nicht vor mit dir Tango zu tanzen.”

“Gute Auslegung, darauf bin ich noch nicht gekommen, …!”, er lachte.

“Empfängst du hier deine Kunden?”

“Sam. Ich hätte dich für klüger gehalten. Nein! Ich empfange hier nicht meine Kunden. Dies ist mein persönlicher Rückzugsort.”, er hielt kurz inne. “Und jetzt werden wir uns deinen Bedürfnissen zuwenden, ob es dir passt oder nicht. Du willst herausfinden ob du schwul bist. - ich sage, JA! Du bist schwul.”

Das war doch der größte Schwachsinn den ich je in meinem Leben gehört hatte.

“Und bevor du es leugnest, will ich dir erklären, warum ich davon überzeugt bin.”

Woher wusste er, …?

“Ich hatte diese Erkenntnis schon in meiner Jugend gemacht. Sicherlich hatte ich zuvor auch einige Stelldichein mit Frauen hinter mich gebracht. Die hatten mich aber nicht gerade vom Hocker gerissen. Jetzt meine Frage an dich und sei dabei ehrlich zu dir selbst. Was empfindest du dabei, wenn du mit Frauen Sex hast.”

Gute Frage, ich hatte mir darüber nie wirklich Gedanken gemacht.

“Sicherlich hast du dir darüber noch nie Gedanken gemacht, denn es ist ja das “Normalste” auf der Welt. Mann und Frau, Frau und Mann.”

Woher zum Teufel kannte er mich so gut.

“Ich frage dich noch einmal, was empfindest du dabei, wenn du mit einer Frau ins Bett steigst. Ist es geil? Ist es erregend? Ist es bombastisch? Ist es heiß? Ist es so der Wahnsinn, dass du es gleich darauf noch einmal willst. Ist es dir wichtig, die Frau selbst zum Orgasmus zu bringen oder ist es einfach nur ein Mittel zum Zweck. Und wieder, sei bitte ehrlich zu dir selbst.”

Ich überlegte und er gab mir die Zeit. Die ganze Zeit über ließ er mich aber nicht aus den Augen, ich konnte nicht anders und wandte meinen Blick von ihm ab.

“Es war einfach Mittel zum Zweck! Stimmts? Du hast nichts dabei gefühlt. Nur rammeln, abspritzen und fertig. Eigentlich könntest du dir unter der Dusche selbst besser Befriedigung verschaffen, als es mit einer Frau zu treiben.”

“Es war einfach noch nicht die Richtige dabei!”, argumentierte ich hilflos.

“Lüge Du bist der Sunnyboy der Stadt. Das weiß doch jeder und du nützt dies auch schamlos aus.”

“Ach red' doch keinen Stuss!”

“Das ist kein Stuss. Du stehst hier ganz oben auf der Rangliste der Schönen und Reichen, und das nutzt du auch aus. Ich bin mir absolut sicher, … wenn ich sage, dass du es dir nur nicht eingestehen willst, wenn du behauptest nicht schwul zu sein. Weil es dein Ansehen beschädigen würde, zuzugeben, dass du schwul bist. Das du auf Männer stehst.”

Es war zu viel für mich, einfach nicht auszuhalten, und ich wollte schon gehen. Doch ich sank verdattert in einen Sessel, als er mir plötzlich sehr, sehr nahe kam.

“Ich bin noch nicht fertig mit dir.”

“Doch das bist du. Das ist alles Schwachsinn!”

“So Schwachsinn? Und warum, wolltest du diverse Dienstleistungen von einem Callboy buchen? Doch nur um herauszufinden, ob du schwul bist. Glaube mir, wenn ich es wirklich gewollt hätte, würdest du heute nur noch breitbeinig rumlaufen. Und es hätte dir gefallen, du hättest nicht nur einmal abgespritzt sondern drei- oder viermal.”

Natürlich drei- oder viermal als ob das gehen würde. Lasziv leckte er sich über seine Lippen. Es war unglaublich. Nicht einmal eine Frau, die verführerisch in die Kamera blickte rief so eine starke Reaktion bei mir hervor wie er.

“Du glaubst mir nicht? Ich würde dir aber raten mir zu glauben.”

Woher zum Teufel weiß er immer Antworten auf das was ich gerade dachte? Ich versuchte verzweifelt zu meinem Selbst zurückzufinden.

“Es war ein Fehler hierher zu kommen.” Flucht! Das war der letzte Anker der mir jetzt noch blieb.

“Nimm es wie du willst, das ist mir egal. Aber eins sage ich dir. Mario hat die Schnauze voll von dir. Deshalb hat er diese Wette ins Leben gerufen.”

Von wegen Mario hat die Schnauze voll von mir. Er ist es doch, der ständig um meine Hilfe bittet. Moment mal! Wann hatte Mario das letzte Mal von sich aus angerufen? Wenn ich so darüber nachdachte, kam mir das jetzt wirklich Spanisch vor.

“Das kannst du doch nicht wissen!”, versuchte ich unsicher.

“Ach und du weißt das? Was glaubst du, … wie fühlt sich Mario, wenn du wieder einmal von deinen Eroberung erzählst. Oder wenn du Mädchen herablassend betrachtest und voll der Meinung bist, 'die ist auch nur gut fürs Bett'.” Er blickte mir tief in die Augen. “Was ich sagen will, er liebt dich. Er hat nur nicht den Mut es dir zu sagen.”

“Woher willst du das…!” WAS? Er liebt mich?! Das ist ja, … ja … mich umschlich ein mehr als warmes Gefühl. Es bröckelt etwas in mir. Etwas kam an die Oberfläche, das ich tief in meinen Gedanken, in meiner Gefühlswelt, vergraben hatte. Jetzt machte alles einen Sinn.

“Wissen? Dass Mario dich liebt? Sam, das weiß ich schon seit mehr als zwei Jahren. Und jetzt die entscheidende Frage, was empfindest du wirklich dabei, wenn du mit Frauen schläfst?”

“Nichts!” kam es plötzlich aus mir heraus. “Ich empfinde nichts, rein gar nichts. Immer sehe ich nur diese schüchternen, blauen Augen und, ... und diesen schlaksigen Körper. Eine dicke und riesige Narbe auf dem Rücken, die ich immer und immer wieder mit meinen Finger berühren und entlangfahren möchte. Herr Gott was ist das nur? Warum? Es ist einfach unmöglich und doch schiebt sich immer wieder dieser Kerl in mein Bewusstsein.”

Kilrian sagte nichts mehr. Er nickte nur und ein sanftes Lächeln umspielte seine Mundwinkel.

“War das jetzt so schwer? War es jetzt wirklich so schwer, es dir selbst einzugestehen, dass du Mario liebst.”

“Ja es war schwer, obwohl ich es eigentlich schon ziemlich lange weiß. Schon seit dem Tag an dem ich ihn das erste Mal gesehen habe.”

Scheiße meine verbotenen Gedanken hatten sich den Weg nach außen gebahnt. Diese Gedanken die ich selbst tief in meinem Innersten verschlossen hatte. Welche ich stetig verdrängte. Wie konnte dies alles nur passieren? Es geht nicht, das darf nicht sein. Aber egal wie ich mir darüber Gedanken machte, nur ein Satz verließ meinen Mund.

“Mario liebt mich?”

Und wieder kam Kilrian mir bedenklich nahe, so nah, dass ich seinen Atem an meinem Ohr spürte.

“Siehst du! Dein Eingeständnis ist der beste Anfang um zu dir zu finden.”

Allein der Hauch seines Atems verursachte explosionsartig eine unangenehme Enge. Ich drückte ihn weg von mir und versuchte krampfhaft wieder normal zu atmen zu. Nach einigen Sekunden wandte er sich von mir ab und überreichte mir ein Glas Cola. Dankend nahm ich es ihm ab und leere das Glas in einem Zug. Aber als ich aufstehen wollte, spürte ich, wie er mich sanft, wieder in den Sessel drückte.

Er sagte nichts. Blickte mich nur an. Seine Augen waren dunkler geworden, ein leichtes Schmunzeln umstrichen seine Lippen. Er sah umwerfend aus. Allein dies brachte mich dazu, wieder den Atem anzuhalten und die Enge pochte erneut.

“Es bringt nichts es in meiner Gegenwart zu unterdrücken. Deine Augen verraten dich, die und die leichte Wölbung.”, raunte er. Aber ich schüttelte nur mit dem Kopf. Der will doch jetzt nicht etwa! Ich mein, ich, … Scheiße in der Beziehung bin ich doch noch Jungfrau. Und außerdem Bestimmt nicht er. Doch ich konnte nicht anders. Wie willenlos zog ich alles an ihm in mich ein. Es lag dabei nichts erotisches in der Luft. Dieses Zimmer war ungefähr so eingerichtet wie Mario´s. Ein Bett dessen Decke zerwühlt war. Ein Schreibtisch auf dem ein PC stand. Ein Kleiderschrank. Alles was wichtig fürs Leben war, stand in diesem Raum und doch spürte ich eine neue Atmosphäre, eine Atmosphäre die ich noch nie erlebt hatte.

Langsam und mit bedacht beugte er sich zu mir runter. Seine Wange strich sanft über meine und wieder spürte ich diesen sanften Windhauch aus seinem Mund strömen. Er pustete mir hinters Ohr und ich konnte ein Keuchen nicht unterdrücken. Ich war nicht einmal mehr fähig ihn von mir wegzudrücken. Er hatte mich in seinen Bann gezogen. Ich war ihm hilflos ausgeliefert und musste über meine inzwischen schon trocken gewordene Lippen lecken.

Er berührte mich. Am Hals, auf meinen Oberarmen und umstrich meine Brust mit seinen Fingerspitzen. Er zog mich nicht aus oder öffnete die Hose. Er tat nichts dergleichen. Er streichelt nur über den Stoff meiner Kleidung und für mich wirkte es fast wie eine Penetration. Schloss meine Augen und wieder stieg etwas Blaues in meinem Bewusstsein hoch.

“Ja so ist es gut! Lass dich fallen.”

Das war das Wort das alles auslöste, dass ich mich ergoss.

Als ich nach schier endlosen Minuten meine Augen wieder aufschlug, kniete er vor mir und betrachtete mich intensiv. Er und ich, wir waren noch immer vollständig angezogen und ich konnte nicht verstehen wie ich zum Erguss gekommen war. Ohne Geschlechtsverkehr. Er hatte mich nicht einmal geküsst. Mich nicht am Schwanz angefasst. Er hatte ausschließlich über den Stoff über meinem Körper gestreichelt. Mehr war es nicht und trotzdem bin ich explodiert und das im wahrsten Sinne des Wortes.

Er stand auf und goss mir wieder eine Cola ein. Überreichte sie mir und diesmal war ich ihm wirklich dankbar dafür. Er lächelte mich an.

“Mario ist so eine Dumpfbacke.”, murmelte er und brachte mich schlagartig in der Realität zurück.

“Was, warum Dumpfbacke!”

“Wenn er wüsste wie du sein Namen stöhnst.”

Scheiße.

“Hier hast du deine Bestätigung, Samuel Höllesing. Aber auch du bist eine Dumpfbacke. Geh und erobere dir Mario. Obwohl du das eigentlich gar nicht brauchst.”

Ich stand auf und war schon auf dem Weg zur Tür. Als er mich noch einmal ansprach. Was ich da hörte, ließ mich aus allen Wolken fallen.

Warum hatte ich es jetzt vergessen! Seit fünf Jahren waren wir schon befreundet und gerade jetzt hatte ich sie vergessen. Diese verdammte Wette. Ein Schmunzeln breitete sich in meinem Gesicht aus.

Kilrian nickte nur, er hatte meinen Plan in diesem Moment durchschaut.

 

Die Konversationen mit Mario waren abgekühlt, kalt wie die Antarktis. Wenn ich etwas zu ihm sagte, bekam ich nur ein “Hmm” ein Schulterzucken oder “keine Ahnung” zur Antwort. Er schien mich selbst gar nicht mehr zu bemerken. Einerseits war es gut für mich, so konnte ich meinen Plan wie ich die Wette gewinnen könnte in Ruhe ausarbeiten. Aber auf der anderen Seite, und ich gestand es mir ein, tat es mir in der Seele weh, Mario so abweisend zu sehen. Ich wusste auch, warum er sich mir gegenüber so verhielt. Er war eifersüchtig. Eifersüchtig auf mich oder wohl eher auf Kilrian, aber genau das wollte ich. Es war Bestandteil meines Plans. Auch wenn es sehr gemein war. Aber je weniger er jetzt mitbekam, desto einfacher war es die bescheuerte Wette umzusetzen und zu gewinnen. Obwohl ich sie eigentlich gar nicht mehr gewinnen wollte. Denn, so gesehen, hatte ich sie schon gewonnen.

 

Seit Kilrian mich so berührt hatte, wie ein Hauch von nichts, sehnte ich mich danach es genauso mit Mario zu erleben. Ich wollte herausfinden, ob er genauso reagieren würde wie ich. Ich wollte ihn in diese Höhen katapultieren und sein erhitztes Gesicht sehen. Scheiße diese Gedanken, von denen ich sonst nur nachts geträumt hatte, brachen nunmehr auch tagsüber auf mich ein. Aber diesmal tat ich nichts um sie zu verdrängen. Nein! Ich hieß sie willkommen. Auch wenn ich es nicht wollte, so war ich Kilrian mehr als dankbar. Er hatte es geschafft den letzten Zweifel in mir auszumerzen. Mit nichts mehr, als ein wenig Streicheln.

 

Der Tag des Candle Light war gekommen, ich brach den Unterricht ab und verließ die Schule. Der Stoff langweilte mich und was sollte ich noch hier. Mario behandelte mich wie Luft. An diesem Tag mehr als sonst und ich wusste auch warum.

Bis da tat ich nichts um ihm zu seinem zwanzigsten Geburtstag zu gratulieren. Na da musste er sich noch etwas gedulden.

Selbst als der Unterricht schon längst aus war, bekam ich keinen Anruf von ihm und ich schnaufte enttäuscht ein.

Eigentlich war es ja abzusehen! Daher wählte ich seine Nummer.

“Was ist Sam?”

"Wollte dich fragen, ob du heute mal Lust hast durch die Stadt zu ziehen.”

“Geht nicht. Muss arbeiten.”

Tja Junge musst du eben nicht.

“Bei deinem allerliebsten Cousin!”, Shit ich konnte es mir nicht verkneifen.

“Hör endlich auf damit! Ist das klar?”

Natürlich war das klar. Mehr als klar aber ich musste den Schein bewahren.

“Klar. Mario! Du hast mich doch auf ihn gehetzt. Meinst du etwa ich hänge mich gerne an ihn ran?”

“Tja einige müssen halt arbeiten, damit sie ihre Wettschulden bezahlen können oder denkst du ich schüttle mir die Sachen so aus dem Ärmel?”

“Ach du rechnest also schon damit, dass du verlierst? Vielleicht scheitere ich ja schon bei dieser Aufgabe. Zumal ich die Zielperson, alias Kilrian Ford, durch die Stadt kutschieren muss, mit anschließenden Dinner bei Kerzenschein. Welch bescheuerte Aufgabe. Als ob er gerade auf mich wartet.”, Kilrian stand schon hinter mir und ich spürte wie er die Augen verdrehte.

“Sam, du weißt schon dass du nur noch drei Tag Zeit hast und ich weiß zufällig, dass du diesmal wirklich scheitern wirst. Kilrian hat sich nämlich für die nächsten eineinhalb Wochen abgemeldet.”

“Na dann kannst du ja in drei Tagen dein Handy bereit halten.”, sagte ich nur noch und legte auf.

“Bist du endlich fertig?”, fragte er genervt und blickte noch einmal zu seinem Auto. Streichelte darüber, ich schüttelte innerlich mit dem Kopf. Der Typ war mehr als durchgeknallt.

“Ja fertig. Ich hoffe die Airbags sind alle betriebsbereit.”

 

Ich zücke mein Handy und rief meinen Vater an. Teilte ihm mit, dass ich gerade in einem Unfall verwickelt worden war. Anscheinend machte er sich Sorgen um mich, fragte ob mit mir alles in Ordnung sei. Ich bejahte es, denn ich konnte ihm nicht sagen, dass dieser Unfall beabsichtigt war. Wegen einer Wette. Selbst ich konnte es kaum glauben, nicht fassen, aber das war die einzige Option wie ich diese Aufgabe und auch die nächste zum Abschluss bringen konnte, ohne das Mario misstrauisch wurde. Nun die nächste Aufgabe würde mehr als schwierig sein. Aber darüber machte ich mir noch keine Gedanken.

Jetzt war es wichtig die Aufgabe 6 zum Abschluss zu bringen. Und ich hatte immer noch 6 weitere vor mir. Scheiße ich würde die ganzen Aufgaben lieber jetzt als erst in ein paar Wochen bewältigt haben. Ich wollte ihn endlich in meinen Armen halten und ihm diese, … nein. Nicht jetzt daran denken, ich schüttelte mich, versuchte an etwas anderes zu denken. Dennoch umschlichen mich immer wieder das Bedürfnis die Wette auch offiziell auf die eigentliche Person, die verlangt wurde, zu ändern.

Die wahre Zielperson, die, die Mario gewählt hatte war niemand geringeres als er selbst, oder vielleicht auch ich. Nachdem wir in die Wette eingeschlagen hatten, hatte er seine Hände gerieben. Man kann es auffassen wie man will. Die Wette hatte noch nie jemand anderem gegolten als uns beiden. Der erste Handschlag sah ich als “Wette gilt” an. Dennoch war ich mir da nicht so hundertprozentig sicher, ob er damit nicht vielleicht doch schon die Zielperson bestimmt hatte. Nämlich mich. Aber das war doch Schwachsinn. Es kann doch nicht das Ziel sein dass ich zu mir selbst sage “Ich liebe dich”. Was würde er damit bezwecken wollen, mir zeigen was für ein arrogantes und selbstverliebtes Schwein ich bin? OK, ich war ziemlich arrogant, aber doch nicht so schlimm, oder?

Also schloss ich das schon mal aus. Dieses Schmunzeln, das er damals, an den Tag gelegt hatte, brachte mich zum nachdenken und ich erinnerte mich an seine ganze Körperhaltung. Er hatte seine Hände gefaltet gehabt, dabei so getan, als ob er jemand an der Hand hielt. Also folglich, hatte er sich selbst damit gemeint.

Das Problem war nur, den Schein, meines Irrtums weiter aufrecht zu erhalten, ohne dass es Mario mitbekam. Dennoch keimte in mir die Frage auf, warum hatte er die ersten beiden Aufgaben durchgehen lassen. Aufgaben die ich mit 100% Sicherheit hochkantig verloren hatte.

Ich ließ die letzten Woche noch einmal Revue passieren und brachte mir alles in Erinnerung, was haften geblieben war.

Die erste Aufgabe. Annehmen und erkennen. Ich hatte sie angenommen und am Ende erkannt, dass es sich bei der Zielperson um einen Mann handelte. Leider war es der falsche Mann. Abgeschlossen.

Zweite Aufgabe: Zielperson kennenlernen. Die Zielperson kannte ich, also ebenfalls abgeschlossen

Aufgabe 3: Handynummer und Adresse herausfinden. - Das Familienfest. Ich war bei Mario gewesen, damals hatten wir noch regen Handykontakt, als ich ihm den Namen und Adresse von seinem Cousin gesagt hatte. Er wollte schon damals, dass ich ihn durchschaue, es aber nicht hatte. Ab diesem Augenblick fing er an mir auszuweichen.

Da er sich selbst nicht zu erkennen zu geben gewagt hatte, hatte er die Aufgaben als abgeschlossen abgestempelt. Nach seiner Aussage hatte ich die Aufgabe gemeistert, dennoch eigentlich hatte ich sie so ziemlich verloren.

Scheiße noch mal. Was bezweckte Mario damit? Weiter mit meinen Überlegungen.

Aufgabe 4: ab hier hätte ich den Spieß umdrehen können, tat ich aber nicht. Ich machte weiter und stellte mich bereits auf das Verlieren ein. Dennoch hatte ich Glück und bestand auch diese Aufgabe.

Nummer fünf. Das Kino. Hatte ich auch nur auf Umwegen bestanden.

Jetzt zu dieser Aufgabe und ich müsste lügen, wenn ich sage, ich fühle mich gut dabei. Dem war wirklich nicht so. Ich hinterging Mario. Aber was sollte ich tun?

Je abweisender er wurde desto schlimmer fühlte ich mich. War ich mir seiner Freundschaft so sicher, dass ich es mir leisten konnte seine Zeichen stetig zu verdrängen? War diese Wette wirklich sein letzter Ausweg gewesen mir seine wahren Gefühle zu zeigen? Ja das war sie, denn nur so konnte ich mich selbst kennenlernen. Nein mich selbst akzeptieren und die Grundlage dafür bilden diese Liebe auch anzunehmen.

 

Alles oder Nichts

Aufgabe 6:

Mit der besagten Person durch die Stadt fahren mit anschließendem Candle Light Dinner.

 

und

 

Aufgabe 7: 

Eine komplette Woche, 24 Stunden am Tag, der Chauffeur und Butler für die besagte Person zu sein.

 

Nun stand eine weitere Aufgabe vor mir und die verlangte, einen fahrtüchtigen Ersatz zu organisieren. War nicht leicht im Anbetracht dessen, dass ich gerade mit voller Absicht mein eigenes Auto zu Schrott gefahren hatte. Nicht nur meins, Kilrians seins genauso. Also ging ich zu meinem Vater, der wie üblich in seinem Arbeitszimmer saß und bettelte als ob mein Leben davon abhing.

Er hielt mir eine Standpauke, von wegen mehr Aufmerksamkeit im Verkehr und dass es doch zu früh gewesen war, mir ein eigenes Auto zu kaufen. Ok das Auto, war die letzte große Anschaffung für die meine Eltern aufgekommen waren.

“Ach Papa, komm schon, ich habe mit Freunden ausgemacht …” nach ewigen hin und her und vielen absurden und nicht ernst gemeinten Versprechungen meinerseits überreichte er mir den Schlüssel für seinen BMW.

Ich zückte mein Handy und rief Kilrian an. Wenigstens hatte er mir seine andere Nummer gegeben. Denn die Zeth-Nummer werde ich in meinem Leben nie wieder anrufen. Das hatte ich mir geschworen.

“Ich habe ein Auto und wie sieht es mit Mario aus?”

“Er weiß, dass ich in einem Unfall mit dir verwickelt war. Mehr nicht. Aber ich konnte ihn nicht dazu überreden, heute Abend nicht zu arbeiten. Er wäre sonst misstrauisch geworden.”

“Kann es mir vorstellen.”, ein Schmunzeln zuckte über meine Lippen und ich fing an Mario´s Stimme zu vermissen.

Nachdem ich das Auto von meinem Vater bekommen hatte fing ich an mich für den Abend fertig zu machen. Leichte Nervosität schlich sich in meine Magengegend aber ich wollte verdammt sein, jetzt noch einen Rückzieher zu machen.

So doof wie die Aktion auch war. Insgeheim war ich froh darüber, denn nur so konnte ich meine Aufgabe als Chauffeur aufnehmen.

Ela wuselte wieder in der Küche herum und von der nächtlichen Party meiner Mutter war schon lange nichts mehr zu sehen. Manchmal fragte ich mich wirklich, wie sie das alles schaffte. Wahrscheinlich hatte Ela wieder eine Nachtschicht eingelegt.

“Willst du nicht zum Abendessen bleiben?”, fragte sie mich aber ich schüttelte den Kopf. Plötzlich fingen ihre Augen zu leuchten an.

“Ein Date?! Na da wünsche ich dir viel Glück!”, meinte sie nur. Langsam fragte ich mich wirklich ob die Leute um mich herum, wirklich meine Gedanken lesen konnten? Oder war ich einfach viel zu leicht durchschaubar? Egal!

Meine erste Fahrt führte mich zum Schwanenteich. Es dauerte nicht lange, bis Kilrian aus dem Hintereingang trat und zu mir ins Auto stieg.

Wieder musste ich mit dem Kopf schütteln aber meine anfängliche Abneigung, die natürlich immer noch da war, fing an zu bröckeln. Was hatte dieser Typ nur? Er war arrogant, herablassend und doch schien er irgendwie der Gegenwart entrückt zu sein. Sein Blick, ich würde lügen, wenn dort nicht etwas wie Sehnsucht drin lag.

 

Unser Weg führte uns durch die ganze Stadt, bis hin zu Marios Haus. Er war nicht minder überrascht als Kilrian ihn abholte und die beiden in den Wagen stiegen.

“Was ist denn hier los?”, war das Erste was er fragte. Kein 'Hallo Sam' oder sonst irgendwelche Floskeln, die er sonst immer losgelassen hatte.

“Nun, nachdem Unfall heute Morgen, …”, fing Kilrian eine Erklärung an, aber ich hörte nur mit halbem Ohr zu. Mario, der auf der Rücksitzbank saß, vermied es beständig zu mir nach vorne zu sehen. Er rechnete wohl wirklich damit, oder zumindest war er der Meinung, dass diese Wette der Schlussstrich unter unserer Freundschaft war. Wie richtig er lag. Diese Wette war wirklich der Schlussstrich unter unsere Freundschaft, denn ich wollte mehr. Ich wollte so viel mehr, ich wollte alles von ihm. Seitdem es mir bewusst geworden war, dass ich schon lange auf ihn stand und es nur immer wieder verdrängt hatte, wurde ich immer närrischer.

Kirre, mein ganzer Körper kribbelte. Scheiße ich war schwul. Ich war einer der Typen für die ich bislang nur Mitleid empfunden hatte, die vom Schicksal so gebeutelt wurden. Einer der Typen über die man nur lachte. Ein Arschficker und Schwanzlutscher. Wie oft hatte ich verstohlen auf fremde Männerkörper geblickt, und sie insgeheim mit Mario verglichen. Mario war in jeglicher Hinsicht schmächtig und dürr. Muskeln? Die suchte man bei ihm vergebens und doch zog er mich magisch an, allein schon seine Erscheinung.

Kilrian ließ mich bei einem Bäcker anhalten. Nun ja das hatte man nun davon, wenn man wegen einer Wette den Chauffeur spielen musste und Kilrian nutze dies schamlos aus. Er scheuchte mich durch die ganze Stadt.

Irgendwann nach Stunden hielt ich endlich vor dem Schwanenteich an. Mario und Kilrian verschwanden durch den Hintereingang ins Hotel und ich stand wie ein begossener Pudel da.

Kurz blickte ich mich um, der Parkplatz war wirklich gerammelt voll. Das muss wirklich ein seltenes Event sein. Romantik bei Kerzenschein oder so ähnlich, ich schnaufte verdrossen ein.

Mir fiel auf, das viele Leihautos dastanden und sehr gut gekleidete Personen aus dem Hotel kamen oder rein gingen.

Einer fiel mir besonders auf, ziemlich groß gewachsen mit dunklen strubbeligen Haaren und seine Haltung. Wow. Kurz blickte er zu mir rüber und ich hatte das Gefühl, als ob seine Augen mich förmlich auszogen …

“Sam parke das Auto hier auf meinem Privatparkplatz!”, riss mich Kilrian von diesen Augen weg und ich stieg wieder ein. Fuhr das Auto zu dem Platz den mir Kilrian angewiesen hatte und wie automatisch suchte ich wieder nach diesem Mann.

“Es bringt nichts. Sam …!”

“Was?”

Kilrian schmunzelte mich an und klopfte mir auf die Schulter.

“Behalte deine neu entdeckte Neigung noch etwas für dich. Meine Gäste könnten es falsch auffassen.”

“Was?”

“Dieser Typ den du gerade mit den Augen ausgezogen hast hat einen besonderen Blick dafür.”

“Was?”, ich war jetzt wirklich etwas konfus und verstand gar nichts mehr.

“Er ist verheiratet und sein Ehemann ist mein bester Freund. Also halte dich zurück sonst bekommst du es mit mir zu tun. Fische nicht in fremden Gewässern”

Was, ich konnte es kaum glauben. Diese Typ? Verheiratet? Mit seinem besten Freund? Also wenn ich es genau nahm und etwas davon abziehe und das Ganze wieder multipliziere kommt unterm Strich genau das heraus. Er war schwul!

Es war ein Ding der Unmöglichkeit. Seit dieser Knopf in meinem Innern umgelegt worden war, sah ich überall Männer die andersherum gepolt waren. War das zu fassen?

 

Ich schlenderte durch das Hotel und wartete bis Mario endlich mit seiner “Schicht” fertig war. Kilrian hatte mir versprochen, dass er Mario nur für zwei Stunden einspannen würde. Automatisch brachten mich meine Füße zum Weiher, indem ich als Kind mit Mario so oft geplanscht hatte.

Die ersten Sterne zeugten von der hereinbrechenden Nacht als ich über das Wasser blickte.

Der nächtlich aufkommende Wind war warm und ich schätzte dass es immer noch über 30°C waren. War ja ein kleines Wunder. Es war noch nicht einmal Hochsommer und es fühlte sich an als befänden wir uns in der Wüste. 33°C - 37°C waren an der Tagesordnung. Dieser Sommer galt als der Jahrhundertsommer schlechthin. Aber ich war mir sicher es würde sogar der Jahrtausendsommer, wenn es so weiter ginge.

Ich blickte auf meine Uhr, immer noch musste ich eine dreiviertel Stunde rum bringen. Verdrossen schnaufte ich und setzte mich in das Gras, ließ meine Hand über die Wiese streichen und hing meinen Gedanken nach.

Meine Welt hatte sich von heut auf morgen um 180 Grad gedreht. Äußerlich war ich noch immer Samuel Höllesing, aber innerlich? Wer war ich innerlich?

Im Normalfall würde ich jetzt Ausschau nach Frauen halten, ihnen Avancen machen und am Ende irgendwo mit einer in einem Bett landen. Spaß, Wetten und Sex, das war mein bisheriges Leben. Und Mario. Ja und Mario.

Es gab keine Minute, kein Tag indem wir nicht zusammen waren, etwas unternahmen. Doch jetzt? Wann hatten wir das letzte Mal die Sau rausgelassen? Waren es drei Wochen her oder sogar schon fünf. Ich hatte keine Ahnung. Seit einigen Wochen ging Mario mir aus dem Weg. Auch wenn ich das Gefühl gerne verdrängt hätte, aber es tat mir in der Seele weh. Immer schob er die Arbeit vor, oder er hatte familiär etwas zu erledigen. Selbst seine Anrufe bei denen er wegen den Hausaufgaben eine Frage hatte, vermisste ich. Und wenn ich anrief, ging er nicht mehr ran nur seine Mailbox antwortete mir.

Zur Schule ging ich schon lange nicht mehr regelmäßig, seit der Sache mit dem Eis. Oder kurz drauf.

Showdown und ich fühlte mich elend. Ich wollte diese scheiß Wette endlich hinter mich bringen. Wäre ja eigentlich ganz einfach. Ich musste nur die Hand heben und sagen, ich gebe auf. Doch dann müsste ich in die Schule gehen und eine viertel Stunde den Hahn geben und gackern.

Und das nachdem ich mich tagelang nicht mehr in der Schule hatte blicken lassen. Ich legte mir selbst Steine in den Weg und diese Hürde war schwerer zu überwinden als diese ganze beschissene Wette, die mein ganzes Leben bestimmte. Aber das war nicht der wichtigste Grund. Wenn ich jetzt aufgeben hätte, was wäre aus Mario und mir geworden?

Wenn ich die Wette aufgeben würde, dann würde ich auch ihn aufgeben, und dazu war ich auf keinem Fall bereit.

Langsam schlenderte ich zum Hotel zurück und obwohl es warm war, spürte ich ein leichtes Frösteln. Wie würde Mario es heute auffassen? Ich wusste, dass ich diese Aufgabe bereits gewonnen hatte, aber die Nächste? Die war nicht mehr zu bewältigen.

Nachdem Unfall mit Kilrian hatte ich noch einen Tag Schonfrist, doch ich wusste auch, dass er am nächsten Tag für eine Woche auf Geschäftsreise gehen würde. Und damit verlor ich wohl die siebte Aufgabe. Es sei denn, ich ändere die Wette auf die eigentliche Person. Aber dies wäre noch schwieriger. Mario würde sich kaum darauf einlassen. Eigentlich gar nicht. Schon gar nicht, nachdem er mich immer wieder so eiskalt abservierte.

Nun da blieb dann nur eine einzige Option. Der “Las-Vegas-Joker”. Den müsste ich zum Einsatz bringen, aber selbst mit dem hatte ich nur eine fifty-fifty Chance Aufgabe 7 zu bestehen.

Kirre.

Kurz blickte ich mich um und sah am hinteren Ende der “Gaststätte” einen leerer Platz. Ich setzte mich dorthin und es dauerte keine fünf Minuten bis eine Kellnerin auf mich zukam um meine Bestellung entgegenzunehmen.

Erst nachdem ich mich beruhigt hatte konnte ich das Ambiente, welches wirklich sehr romantisch wirkte genießen. Die Lampen waren gedämmt und die einzige richtige Lichtquelle waren die vielen Kerzen, die aufgestellt worden waren.

Sein Geschmack für eine Raumgestaltung war bemerkenswert. Dies hatte ich von Kilrian, diesem arroganten Schnösel, nun wirklich nicht gedacht. Aber vielleicht hatte er aber auch jemanden damit beauftragt.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Kilrian und Mario sich mit jemand unterhielten und anschließend zu meinem Tisch kamen.

Mario blickte mich leicht verdattert an und Kilrian meinte nur, “Sam will sich nur entschuldigen. Außerdem haben wir uns jetzt eine Pause verdient.”

Marios Augen waren eiskalt, kälter als die Arktis im Winter und ich hätte zu gerne gewusst was in seinem Kopf vorging.

Das Essen war köstlich und nachdem wir fertig waren stand Kilrian auf. “Ich gehe die Rechnung holen!”

Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen und als ich sie wieder öffnete, durchbohrte mich sein Blau.

“Aufgabe 6 bestanden. Ab jetzt hast du …!”

“Ich berufe mich auf den “Las-Vegas-Joker. - Kopf oder Zahl.”

“Du weißt dass du damit die ganze Wette verlieren kannst.”, meinte er recht kühl. Aber was war schon eine verlorene Wette, wenn ich durch mein Handeln ihn verlieren könnte.

“Alles oder nichts!”, sagte ich nur und hoffte auf mein Glück.

“Was wählst du?”

“Kopf!” Er nickte und holte aus seiner Geldbörse einen Euro. Schmiss ihn hoch und fing ihn wieder auf.

“Ist das dein letztes Wort?” Ich nickte.

“Aufgabe 7 tritt ab sofort in Kraft. Eine komplette Woche, 24 Stunden am Tag, der Chauffeur und Butler für die Zielperson sein. Nach der Regel hättest du jetzt genau sieben Tage Zeit,…!”, er hielt inne, ich konnte nicht anders als nur in seine Augen zu schauen als er seine Hand öffnete.

Mein Herz wummerte und ohne es zu wissen hatten sich meine Hände in meine Oberschenkel verkrallt. Wenn ich jetzt verliere, habe ich nicht nur die gesamte Wette verloren, sondern Mario ebenfalls. Oder wohl doch nicht. Ich war mir so unsicher.

Es war ein Geduldsspiel, das ziemlich an meinen Nerven zerrte.

Mario blickte in seine Hand, schloss seine Augen, blickte auf und mich direkt an.

“Aufgabe 7 erfolgreich bestanden. Aufgabe 8 tritt ab jetzt genau in sieben Tagen in Kraft.” ich hatte gar nicht mitbekommen, dass ich die Luft angehalten hatte, doch als ich ausatmete fühlte ich mich erleichtert. Nur sein Blick. Er war nicht mehr eiskalt, sondern forschend, wenn nicht fragend.

“Wie machst du das?” flüsterte er, ich schmunzelte. Ich hatte selbst keine Ahnung, aber ich wusste, dass er wusste, dass ich ihn durchschaut habe. Er wurde rot aber wie würde er dreinschauen, wenn ich jetzt diese Wette verloren hätte, die nächsten Aufgaben ausfallen würden und ich ihn nicht mit der elften oder mit der zwölften festgenagelt könnte.

Mein Herz pochte immer noch heftig in meiner Brust und ich konnte meinen Blick nicht mehr von ihm lösen. Ich spürte, wie mein Blut an Geschwindigkeit zunahm, das aufgebaute Adrenalin abschwächte und alles zusammen in einer Ebene sich versammelte.

Gott wie gerne hätte ich jetzt diese Wette verloren. Dieses Spiel wäre vorbei gewesen und ich müsste mich nicht mehr zurückhalten. Dieser Schalter der betätigt worden war, machte jetzt keinen Halt mehr. Es gab kein Zurück.

 

 

 

My Home is my Castle

Aufgabe 8:

Besagte Person dazu zu bringen, dass du bei ihr die Nacht verbringst.

 

Gut ich hatte die nächsten sieben Tage noch Schonfrist, aber bereits da grübelte ich, wie ich es schaffen könnte. Besonders nachdem Mario mich durchschaut hatte. Er wusste, dass ich hinter die eigentliche Wette gestiegen war und ich war total gewillt, endgültig den richtigen Weg einzuschlagen.

Nur wie sollte ich es anstellen. Selbst nachdem Mario sich nach dem Candle Light Dinner mir gegenüber wieder leicht geöffnet hatte, so war er dennoch nach wie vor abweisend mir gegenüber. Oder war es einfach der Selbsterhaltungstrieb der ihn leitete?

Ich lag auf der Liege am Pool und wie schon so oft war mein Unterfangen etwas Bräune zu erlangen vergebens. Ich hatte nicht einmal Lust in den Pool zu springen. Schon gar nicht, nachdem mir die Umzäunung ins Auge sprang. War das denn zu fassen! Du musstest jetzt sogar einen Code eingeben, damit sich das Tor öffnete, das nunmehr, zusammen mit einer Einzäunung vor dem Pool installiert worden war. Kindersicher, Kindergerecht, ich fragte mich wieder einmal, ob meine Eltern damals auch wegen mir, solch ein Aufhebens veranstaltet hatten. Eher nicht.

Trottel, schimpfte ich mich einfach nicht darüber nachdenken, ich hievte mich aus der Liege, denn meine Haut war schon ziemlich gerötet und brannte. Ich zog mir gerade mein Shirt über, als Ela auf mich zukam.

Sie sagte mir, dass mein Vater mich sprechen wollte. Oh welch wunderbare Neuigkeit. Mein Vater erbat eine Audienz bei mir. Ich konnte darauf scheißen aber trotzdem ging ich in Richtung seines Arbeitszimmers, denn woanders fand man ihn nie vor.

Ich hatte Recht, da saß er und ging rein. Er telefonierte und wies mich an, mich auf den Sessel zu setzen.

Nachdem er fertig telefoniert hatte, zündete er sich eine Zigarre an. Kubanische, versteht sich von selbst und paffte den Rauch aus. Es hieß nichts Gutes, wenn Vater sich in meiner Gegenwart eine Zigarre anzündete also machte ich mich auf das Kommende gefasst. “Also, warum ich dich hergeholt habe ist folgendes …!” Gott wie ich das hasste, wenn er so förmlich sprach. Hey hallo, ich bin dein Sohn. “… ist die zukünftige Übernahme meiner Firma. Du weißt, dass du in das Alter kommst, in dem du dich langsam damit beschäftigen musst.”

Halt Stopp. Glaubte der wirklich ich wollte seine Firma übernehmen? Nie im Leben.

“Vater, ich will Arzt werden und nicht der nächste Chef deiner Firma.”

Sein Blick durchbohrte mich und ich sank tiefer in den Sessel. Ich wusste instinktiv, dass das noch nicht alles war.

“Hör damit auf mein Sohn. Ich konnte deine Fantastereien noch verstehen als du noch jünger warst, aber jetzt, jetzt musst du dir wirklich langsam Gedanken über deine Zukunft machen. - Du bist ein Genie und kein dahergelaufener Teenager, der der Meinung ist Medizin studieren zu müssen.”

Ich zog die Luft ein und ging in die Offensive. Auch wenn es mir nichts brachte.

“Ich bin dein Sohn und kein Punshingball der rum geschmissen wird, nur weil es euch in den Kram passt. Ich habe es jahrelang mitgemacht, euer Vorzeigemodell zu sein. Vater, wenn dir wirklich etwas an der Fortführung deiner Firma liegt, warum hast du meine Meinung über eure “Geschäftspartner” immer in den Wind geschossen. Ach ja, ich weiß, weil du mir nie zugehört hast.”

“So lasse ich nicht mit mir reden.”

“Und ich werde nicht deine Firma übernehmen.”

“Du wirst den Abschluss machen und dann gehst du in die Firma. Außerdem steht dein zwanzigster Geburtstag an. Du weißt was das heißt!”

Mir wurde schlecht. Mein Blut kochte. Mein Mund öffnete sich und schloss sich wieder, Scheiße, das hatte ich total verdrängt.

“Wir haben dich in Ruhe gelassen, so wie du es wolltest, doch jetzt ist es vorbei mit deinem Schluderleben. Wie du bereits bemerkt hast, haben wir dir sämtliche Konten gesperrt. Wir haben dich so leben lassen, wie du es wolltest. Wir haben über deine Sexeskapaden hinweggesehen. Wir haben dir die Zeit gegeben, damit du dir deine Hörner abstoßen kannst. Obwohl du genau gewusst hattest, was für dich auf dem Spiel steht. In vier Monaten ist dein Geburtstag und Herr Gott, hast du überhaupt eine Ahnung, wie viel Geld du uns in den letzten zwei Jahren gekostet hast. Du mit deiner Rumvögelei. Nicht einmal nach diesem Vorfall hast du dich geändert. Du hast einfach weiter gemacht und dir ist nicht einmal klar geworden, was du uns damit antust.“, er legte eine Pause ein bevor er fortfuhr. „Ich konnte ihren Vater beschwichtigen, indem ich seine Forderung akzeptiere. Nur leider, und das ist Pech für dich, gehört er einer anderen Religion an, die besagt, dass die Frau jungfräulich in die Ehe geht und du hattest nichts besseres zu tun als sie zu vögeln. Egal, wie du dich dagegen wehrst, du wirst das Mädchen in vier Monaten heiraten und die Ehre dieser Familie wieder herstellen.”

Er drehte sich um, und dies war die Aufforderung für mich zu gehen. Mir war schlecht. Übelkeit und auch Wut machten sich in meine Magengegend breit und am liebsten hätte ich ihm auf seinen teuren Schreibtisch gekotzt. Dabei spielte es nicht einmal eine Rolle, dass meine Eltern nicht einmal wussten wann ich Geburtstag hatte. In vier Monaten hatte er gesagt, ha, das war doch typisch für sie. Mein Geburtstag war vor gerade mal drei Monaten gewesen. Zeigte das nicht überdeutlich wie kaputt unsere Familie war und wie wenig meinen Eltern an mir lag. Ich war ihnen doch so etwas von egal. Obwohl ich das schon lange wusste, tief in meinem Inneren tat es aber trotzdem weh.

Nein! Ich würde diese Tussi nicht heiraten. Sie war es doch, die mich verführt hatte. Sie war es, die mich entjungfert hatte und sie hatte nichts Besseres zu tun als es ihren ehrenwerten Vater unter die Nase zu reiben.

Es stimmte. Nach diesem Vorfall hatte ich angefangen alles flachzulegen, was nicht bei drei auf einem Baum saß, es war mir völlig egal. Ich wusste, dass mein Leben mit zwanzig vorbei sein würde. Ich die vorbestimmte Schiene meiner Eltern einschlagen und mein Leben als irgendein Chefguru weiterzuführen musste. Manchmal kam bei mir der vage Verdacht auf, dass dies alles, selbst dieser peinliche Vorfall, von meinen Eltern inszeniert worden war. Dennoch war auch dies eins der Dinge, die ich tief in mir vergraben hatte und mit der Zeit geriet selbst das in Vergessenheit.

Aber andererseits war ich so blöd. Es war alles ein Puzzleteil, Teil eines Ganzen. Dieses Ganzen, auf das ich jetzt mein Hauptmerkmal ausrichtete. Mario.

Die Rumvögelei war nur dazu da um ihn zu verdrängen. Eigentlich musste ich der Tussi sogar dafür danken, denn sonst wäre ich heute noch Jungfrau und würde mir nur in der Dusche oder, wie es öfters passierte, im Bett einen runterholen.

Auch wenn es jetzt gerade ein Schock für mich war, so ließ ich mein Vorhaben dadurch nicht trüben. Mir egal, was in vier Monaten sein würde. In vier Wochen wollte ich Mario in meinen Armen liegen sehen. Jetzt mehr als zuvor. Auch wenn es nur für eine kurze Zeit sein würde.

Da Vater die Schlüssel für den BMW zurückverlangt hatte, war ich gezwungen zu Fuß in die Stadt zu laufen. Ich brauchte dringend frische Luft. Ich fühlte mich innerlich eingeengt, es kotzte mich an, ständig den lieben Sohnemann zu spielen.

Was bitteschön mussten die schon für mich ausgeben? Jetzt oder in den letzten zwei Jahren? Ok, wie gesagt, da war das Auto, welches ich zu Schrott gefahren hatte, das war die letzte Anschaffung meiner Eltern gewesen und ab da hatte ich nichts mehr von ihnen bekommen.

Klamotten, dafür sorgte Ela. Essen, dafür sorgte Ela. Schulsachen, dafür sorgte Ela und die Liste war lang …

Taschengeld, ok, dafür kamen meine Eltern noch auf, aber was sind schon 150 € im Monat. Man darf nicht vergessen, meine Eltern waren reich, unvorstellbar reich. Die 150 € langten gerade um etwas Spaß zu haben und dafür die Rechnung meines Handys zu begleichen. Für viel mehr nicht. Ach ja, ich vergaß, fürs Tanken musste ich auch noch selbst aufkommen.

Genug Sam. Genug Trübsal geblasen, genug Selbstmitleid. Blicke nach vorne, sagte ich mir immer wieder. Blicke auf das was du willst, feuerte ich mich selbst an und die Gedanken an meine Eltern verschwanden wieder in einem tiefen Loch.

 

Meine Füße hatten mich wieder einmal zum See geführt und ich blickte über das Wasser. Einige Enten und Schwäne schwammen darauf herum und jeder war mit sich selbst zufrieden. Ich liebte dieses Stückchen Erde und setzte mich ins Gras zog Schuhe und Socken aus und grub meine Zehen in das weiche Erdreich.

“In letzter Zeit sehe ich dich oft hier!” Ich hatte ihn schon kommen gehört und doch wollte ich mich nicht zu ihm umdrehen.

“Mag schon sein. - Ich dachte du wärst auf Geschäftsreise?”

“War ich auch!”, Kilrian setzte sich neben mich. Natürlich hielt er reichlichen Abstand von mindestens einem Meter ein.

“Ich komme auch oft hier her, …!”

“Tzz, wirklich? Du hast es ja nicht weit.”

“Du verstehst mich falsch.”, meinte er und unsere Blicke trafen sich. “Dieser Ort ist die Ruhe und das Gleichgewicht in einem. Trübe Gedanken werden hier fortgeschwemmt und ich tanke Kraft für die nächste Hürde. Ein Plätzchen zum Abschalten.”, er wurde ruhiger und seine Lippen fingen an Worte zu formen.

 

*“Ein Rinnsal entspringt - aus dem Kreissaal der Quelle

Fliest stetig das Nass für den wachsenden Bach.

Der Graben wird weiter, gewinnt an Gefäll,

Vereint sich mit Brüdern, wächst an bis zur Schnelle,

Dann wechselt das Wasser des Schauspielers Fach.

 

Er hebt seine Stimme vom Plätschern zum Toben,

Der zaghafte Alt wird zum Heldentor,

Stürzt drängend, zu silbernen Gischten zerstoben,

Dann wieder in strähnigen Zöpfen verwoben

Ins felsige Bett - und wird leise wie zuvor.”

 

“Ich wusste gar nicht, dass du poetisch veranlagt bist.”

“Oh eine geheime Fähigkeit, neben Stöhnen und Bettknarren.”, er tat es ab, als ob es eine lästige Fliege sei und doch hatte ich das Gefühl, nein die Gewissheit, dass ihn etwas bedrückte.

Noch eine Zeitlang saßen wir schweigend nebeneinander und blickten zum Weiher.

Dass er wegen mir herkam, war absurd, dafür war er zu sehr in sich selbst gekehrt und seine übliche Arroganz war wie weggewischt. Seine dunklen Augen fixierten alles und eigentlich wieder nichts.

“Sag mal Sam,… - wie geht es mit eurer Wette weiter?”

Ich zuckte mit den Schultern. “Keine Ahnung. Diese Wette ist das Dümmste aber auch das Beste, was mir bis jetzt untergekommen ist.”

“So?”

“Ja! Weißt du, dass ich dabei bin Mario zu verlieren. Ich meine damit seine Freundschaft zu verlieren, wenn ich sie nicht bereits verloren habe.”

Er legte sich ins Gras und nahm einen Halm zwischen seine Lippen.

“Tja dazu kann ich dir leider nichts sagen. Ich weiß nur, dass er dich immer wegdrückt, wenn du anrufst.”

“Weggedrückt hat. Ich rufe ihn schon lange nicht mehr an. Unsere Kommunikation verlief in letzter Zeit nur noch über dich und weißt du was. Ich habe seinen Geburtstag übergangen. Das Dinner sollte sein Geschenk sein aber ich habe es total vermasselt. Konnte ihm nicht vermitteln wie viel er mir bedeutet.” Schlagartig richtete er sich auf.

“Nun, man kann nicht alles hinbekommen. Nicht einmal wenn man ein photographisches Gedächtnis hat.”, er zwinkerte mir zu und ging zurück in sein Hotel.

Was hatte er damit gemeint? Langsam wurde er mir sympathisch, aber was sollte jetzt das. Ich verstand die Menschen um mich herum nicht mehr. Aber was soll’s, ich richtete mich auf. Strich meine Jeans glatt und zog die Socken sowie die Schuhe wieder an.

Die nächsten Tagen ging ich meinen Eltern noch mehr aus dem Weg als sonst. Ich fragte mich sowieso warum die jetzt länger als zwei Wochen am Stück daheim waren. Sonst waren die immer unterwegs und ließen mich in der Obhut meiner Amme zurück.

Ela klopfte an meiner Tür und meinte, dass das Essen fertig sei. Ich blickte von meinem Buch hoch und sah sie mit einem bittenden Blick an, sie nickte verdrossen.

“Ich bring dir dein Essen. Sam wie lange soll das noch so weiter gehen? Du bist doch schon aus deiner hormonellen Umstellung heraus.”

“Das hat damit nichts zu tun. Ich habe nur keinen Sinn dafür eine Dreisamkeit zu veranstalten. Außerdem muss ich lernen. Ich habe neben der Abschlussprüfung noch die Aufnahmeprüfung für die Universität.” Sie schloss die Augen, sie kannte mich zu gut, wusste das da viel mehr dahinter war als ich zugab.

“Sam, du tust deinen Eltern unrecht.”

Ich lächelte sie nur an und ich hoffte trotzdem, dass sie meine Lüge nicht hören konnte.

Ich und lernen! Als ob ich das nötig gehabt hätte. Doch so abwegig war das nicht, denn mein Gedächtnis ließ mich in letzter Zeit ziemlich in Stich. Nun ich schloss daraus, dass ich nicht mehr Herr meiner Selbst war. Ich nicht mehr ich war. vom Meister der Wetten brauchte gar nicht mehr zu reden. Mein Gedächtnis, meine Gedanken, nur auf einer Spur unterwegs waren. Mario. Seine Augen mich immer und immer wieder einholten. Sein Lachen mich in meinen Träumen verfolgte. Sein schlanker und schlaksiger Körper eine Anziehungskraft ausübte, hinter der sich selbst die Schwerkraft verstecken musste. Ich musste ihn haben. Augenblicklich wenn nicht schon gestern oder vorgestern.

Ich erschrak als mein Handy klingelte. Seit Wochen wieder mal der mir altbekannte Klingelton, der nur eins bedeutet und mich aus meinen unmöglichen Gedanken riss.

Mario.

Sofort pochte mein Herz heftig los, die Hitze stieg mir ins Gesicht und ich fluchte vor mich hin, weil ich es nicht gleich fand.

“Ja!” keuchte ich und spürte wie das Handy in meiner zittrigen Hand an meinem Ohr vibrierte.

“Hi,… tschuldige das ich dich störe aber Kilrian braucht deine Hilfe.”

Hääää! Mein Zittern hörte schlagartig auf. Wut keimte in mir hoch, die ich unterdrücken musste.

“Ähm, warum braucht er meine Hilfe?”

“Du hast dich das letzte Mal in der Küche gut angestellt,”, meinte er. “und er lässt fragen ob du ihm aushilfst, weil er zwei Mitarbeiter entlassen musste und eine ist krank.”

“Und ist das mein Problem? Warum fragt er mich nicht selbst?”

“Er ist auf einem Termin und er hat deine Nummer nicht, deswegen.”

Warum schnuppere ich eine Lüge. Nicht seitens von Mario sondern von Mr. Totale Arroganz.

“Was springt dabei für mich raus?”

“Er wird dich nach Tarif bezahlen, wenn du es wünscht, wird er dich auch, wenn du nur einen Tag bei ihm arbeitest, dafür anmelden.”

“Warum höre ich einen Haken heraus.”

“Typisch Sam. Lass es sein, wenn du alles hinterfragen musst. Aber es kommt selten vor, dass Kilrian jemanden auf Anhieb vertraut.”

“Schieb deinen Cousin jetzt nicht vor. Ich frage was Sache ist, …!”

Er schnaufte und ich hatte das unbeständige Gefühl, dass er mit dieser Sache gar nicht zufrieden war.

“Du müsstest zwei Doppelschichten schieben. Das heißt 2 x 12 Stunden. Komplette Nachtschicht und einmal Spätschicht und eine halbe Nachtschicht. Dazwischen hast du gerade mal sechs Stunden Ruhe.”

“Scheiße, sag mal, wie viel Personal ist ihm denn weggelaufen?”

“Kilrian steht unter einem enormen Druck, aber ein Außenstehender wie du es bist, kann das eh nicht verstehen.”

“Verstehen vielleicht nicht aber denken.”, … denken das ist gut und ich wusste worauf er hinaus wollte. Jetzt wusste ich auch, was er mit dem photographischen Gedächtnis und sich nicht alles merken gemeint hatte.

“Gut ich helfe aus. Wann geht’s los?”, ging viel zu schnell über meine Lippen und ich schüttelte mit dem Kopf.

“Morgen Abend um acht.”

Dachte ich es mir schon. Morgen sind die sieben Tage Schonfrist vorbei und Aufgabe 8 tritt in Kraft. Ob Mario es auch erkannte? Immerhin musste ich laut der Aufgabe eine komplette Nacht bei der Zielperson verbringen. Wie stand nicht drin. Folglich würde ich auch die nächste Aufgabe gewinnen. 'Kilrian was denkst du dir nur dabei?' fragte ich mich immer wieder. Und überhaupt, woher wollte er wissen, ob ich nicht schon gescheitert war? Immerhin wurde Aufgabe 7 per Las-Vegas-Joker entschieden und nicht komplett von mir absolviert.

Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das Gespräch am Weiher, er hatte mich ausgefragt und er brauchte nur eins und eins zusammenzählen um zu wissen, das die Wette noch lief und auch wie weit ich schon war.

Meine Wut stieg wieder und vor allem fragte ich mich, warum mischte er sich ein? Das war meine Wette und ich wählte seine Nummer.

Eine blecherne Stimme antwortete mit der Ansage, dass der Teilnehmer vorübergehend nicht zu erreichen war. Scheiße er hatte sein Handy ausgeschaltet.

 

Ohne ein Wort zu meinen Eltern stieg ich in ein Taxi und ließ mich zum Hotel fahren. Ging rein, Mario stand an der Anmeldung und schaute auf den Monitor. Er blickte hoch und meinte, dass ich meinen Rucksack in der Küche abstellen konnte. Den Weg kannte ich ja. Mann, war der wieder abweisend, in diesem Moment kam Kilrian aus einen anderem Teil des Hotels. WOW, und auch Scheiße, durchfuhr es mich als ich ihn erblickte. So richtete er sich also her, wenn er zu einem “Termin” ging. Warum war mir das nicht das letzte Mal aufgefallen?

“Sam danke, dass du eingesprungen bist. Mario zeigt dir alles.”, und weg war er. Ich sah nur noch wie er in ein Taxi stieg. Mario schüttelte nur mit dem Kopf und murmelte etwas, was sich so anhörte wie “Idiot”.

Mit einem Handzeichen deutete er mir an, dass ich ihm zu folgen hatte und führte mich in einen Nebenraum, der so aussah wie der Umkleideraum für die Angestellten. Vor einem Spind, der keinen Namen aufwies blieb er stehen und öffnete ihn. Holte die in Folie verpackten Klamotten heraus und sagte, dass ich die anziehen sollte.

Ohne weiteres zog ich mein Shirt aus und machte mich anschließend an meiner Hose zu schaffen. Ich sah, wie Mario mit rötlichen Wangen sich von mir wegdrehte und ich konnte nicht anders und schmunzelte in mich hinein.

Ja, nicht mehr lange, du kannst noch so den Unnahbaren spielen, ich werde gewinnen. Und wieder machte sich Hoffnung in mir breit.

Nachdem ich mich umgezogen hatte führte er mich durch den Gastraum und erklärte mir, dass alles hier heute nicht mehr benötigt wurde. Es sei denn, es kämen Hotelgäste die sich die Mitternachtssuppe einverleiben wollten. Für “normale” Gäste, war heute die Küche zu.

Im Großen und Ganzen hatte ich nur darauf zu achten, dass wenn am nächsten Tag früh um vier oder fünf die Lieferungen kamen, die auch ordnungsgemäß eingeräumt wurden. Toll und dafür sollte ich die ganze Nacht durch das Hotel geistern. Um alles andere würde Mario sich dann kümmern.

“Und das wäre was?” fragte ich nur um überhaupt etwas zu sagen.

“Ich kümmere mich um die nächtlichen Belange, neu reinkommend Buchungen und führe nicht mehr gerade nüchterne Hotelgäste auf ihre Zimmer zurück.” Na Toll! Dachte ich und ließ Mario nicht mehr aus den Augen. Er war noch immer etwas rötlich in seinem Gesicht und ich wollte zu gern wissen, an was er gerade dachte. Ich hoffte an das Gleiche, zu dem ich gerade Lust hatte. Doch ich musste mich noch gedulden, noch war diese Aufgabe nicht an der Reihe. Jetzt hieß es nur die Nacht zu überstehen. Züchtig, auch wenn es noch so schwer war.

Es war gerade kurz nach halb zehn und es war ein reges Kommen und Gehen. Ich fragte mich wie Mario dies alles Überblicken konnte. Noch zu wissen, wie die Gäste alle hießen.

Halb elf und ich hatte inzwischen schon die dreißigste Mitternachtssuppe ausgegeben.

Kurz vor eins und ich spürte, wie mir die Augen langsam zufielen. Bis plötzlich eine lautes Gegröle aufkam und jemand meinen Namen rief.

Mario hatte einen drei Zentner Mann umgriffen und schien sich ziemlich damit abzukämpfen. Ich grinste, nein ich gluckste. Dieses Bild. Es war köstlich. Mario der knappe 55 Kilo Bursche und dieses Monster, der sich überhaupt nicht mehr auf den Beinen halten konnte.

“Komm, hilf mir. Er muss ins Zimmer 2a37. Aufzug, zweiter Stock, links halten, vorletzte Tür, …!”, schnaufte er, ich hätte so gerne dieses Bild länger genossen.

“Wenn du nicht willst, dass du noch eine ziemliche Sauerei wegwischen musst, komm her und hilf mir. Wenn es im Zimmer passiert, macht es die Putzfrau weg. Also beweg deinen Arsch.” Das war mein Zeichen und ich umgriff diesen Kollos von der anderen Seite.

Scheiße war der schwer und es war noch schwerer ihn vorwärts zu bewegen. Kaum dass wir vor dem Aufzug standen und ich damit zu tun hatte diesen Kerl zu halten, drückte irgendjemand den Knopf für den Aufzug.

“Alles klar Jungs!”, drang die Stimme von Kilrian zu uns und ich konnte mir vorstellen dass er sich das Lachen unterdrücken musste. Immerhin kam ich vorhin auch in den Genuss, diesen wunderbaren Anblicks von Mario und diesem Kollos.

War ich froh, dass der Aufzug die richtige Breite und die Länge aufwies um uns vier aufzunehmen.

Und ich betete den Fahrstuhl an sich schneller zu bewegen. Der Typ war echt tierisch schwer und ich begann langsam zu schwitzen.

Endlich nach ewigen ziehen und schieben, umgreifen und stolpern, schafften wir es ihn in sein Bett zu bringen. Deckten ihn zu und verließen das Zimmer.

“Scheiße, Hammer ist der schwer gewesen!”, schnaufte ich und blickte mich in der Runde um. Mario war mehr geschafft als ich, die Lachfalten an Kilrians Augen zuckten. Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten und fing zuerst zu prusten an bis ich dann überhaupt nicht mehr konnte und aus vollem Herzen einen Lachanfall bekam. Es war ansteckend. Kilrian konnte sich eh nicht mehr lange zurückhalten und lachte ebenfalls. Mario der zuerst nur entrüstet dastand stimmte schließlich auch mit ein und dann, irgendwann, hatte ich meinen Arm um seine Schulter gelegt und schlenderte den Gang mit ihm immer noch kichernd entlang.

Zurück in der Küche, dort genehmigte ich mir einen Kaffee und verschluckte mich fast. Noch immer zuckte mein Zwerchfell, sobald ich nur an dieses Bild dachte, das die Beiden abgegeben hatten. Mario schien genervt und verdrehte nur die Augen. Murrte etwas vor sich hin und verschwand zur Anmeldung, weil sein Headset, losging.

Nach wenigen Minuten kam er zurück und wir kamen ins Gespräch. Wir redeten über Gott und die Welt. Über die Sterne und das Universum und am Ende, ich konnte es mir nicht verkneifen, fragte ich ihn was mit seiner Abschlussprüfung sei.

Ich war überrascht als er mir mitteilte, dass er zweimal in der Woche in einen Abendkurs ging.

Bis um zwei passierte nichts mehr und Kilrian verabschiedete sich. Die restlichen zwei Stunden bis die Lieferung kam, zogen sich ellenlang hin und ich war froh, wieder etwas zu tun zu haben.

Kilrian stand hinter mir und half mit. Ich war geschockt. War er nicht erst vor zwei Stunden ins Bett gegangen. Doch die Frage erübrigt sich, als die Frühschicht langsam erschien. Er war wirklich der Chef. Der Erste der da war und der Letzte der ging und nebenbei bedient er reiche Bonzen.

“Mario, Sam. Ihr könnt gehen. Die Frühschicht übernimmt!” Als ich die junge Frau sah, erkannte ich sie wieder, sie war genauso freundlich, wie an dem Tag, als ich Mario hier überrascht hatte. Jetzt erfuhr ich auch ihren Namen, Lisa. Und sie schien etwas mehr für Kilrian übrig zu haben, als nur den Respekt einer Angestellten.

 

Völlig geschafft ließ ich mich auf das Bett fallen und bekam nur vage mit, wie Mario sich neben mir auszog. Ich zog mir nur im liegen die Arbeitsklamotten aus und schmiss sie auf den Boden. Kuschelte mich in die Decke und schloss meine Augen.

 

“Aufgabe 8 erfolgreich absolviert.”

Ich stand fast senkrecht im Bett und blickte Mario sprachlos an. Dieser lag mit dem Rücken zu mir, ich sank in mir zusammen. In der letzten Nacht hatte ich keine einzige Minute an diese Wette gedacht. Ich war nur froh gewesen wieder etwas Zeit mit ihm verbringen zu können auch wenn er immer wieder den Unnahbaren gespielt hatte.

Dennoch stahl sich ein Grinsen auf mein Gesicht, denn es hieß, dass ich meinem Ziel immer näher kam.

“Ha!”, sagte ich nur und musste meine Hände ziemlich unter Kontrolle halten. So ein Doppelbett hat es in sich.

 

 *Gedicht von Ingo Baumgartner

 

Der Familienstammbaum endet bei mir

Aufgabe 9:

Besagte Person dazu bringen, dass sie sich für dich einsetzt oder dir in einer schwierigen Situation hilft.

 

Nach gefühlten fünf Minuten Schlaf, schreckte ich hoch und griff automatisch nach meiner Pobackentasche. Shit, ich war nur in Shorts und meine Jeans hing immer noch im Umkleideraum, in irgendeinem Spinnt. Der Zettel. Der Zettel mit den Aufgaben, den ich unbedingt in meinen Händen halten musste, Denn das beruhigte mich und brachte mich auf neue Ideen.

Neben mir schnarchte Mario leise, ich wollte mich eigentlich aus der Bettdecke schälen. Dennoch blieb ich wo ich war. Sein Gesicht war so zart und, bis da war es mir nie aufgefallen, leichte Bartstoppeln schmückten diese weiche Haut.

Er war absolut kein Milchbubi mehr.

Meine Hand verselbständigte sich und ich strich ihm einige Strähnen aus der Stirn. Führte meinen Finger über seine Augenbraue und prägte mir jede kleine Einzelheit von ihm ein.

Halt! Stopp!

Ich konnte meine Hand nicht mehr kontrollieren. Wie in Trance streichelte ich über seinen Hals. Zog die Bettdecke von seinem Oberkörper und betrachtete seinen schmächtigen Brustkorb. Die Knochen traten hervor und von ausgeprägter Muskulatur fehlte jegliche Spur und dennoch, war es genau das, was mich ansprach. Seine lieblichen Brustwarzen reckten sich mir entgegen und ich folgte einen unbezwingbaren, innerlichen Impuls. Ich beugte mich über ihn und leckte sachte darüber. Gott schmeckte seine Haut gut. Etwas salzig und die kleine Wölbung der Brustwarze, kribbelte unter meiner Zunge.

Kurz regte er sich und ich richtete mich auf um schnell aus dem Bett zu springen. Mein Herz raste, meine Atmung ging stoßweiße.

Doch er schluckte nur und ein leises Schnarchen setzte wieder ein. Meine Augen waren auf seinem Adamsapfel gebannt als sein Kopf sich in meine Richtung drehte. Sekundenlang starrte ich nur in sein Gesicht und als er nicht wach wurde führte meine Hand ihr Tun fort. Automatisch. Ich wollte es so sehr.

Irgendwann war die Decke gänzlich von ihm gerutscht und offenbarte mir eine Sicht, welche mich total aus der Fassung brachte.

Scheiße. Mario war komplett nackt. Und so schlief er die ganze Zeit neben mir. Nicht nur das?! Trotz seines schmächtigen Körpers war sein Ding von einer Größe die ich ihm nicht zugetraut hätte. Selbst im halbschlaffen Zustand, schätzte ich seine Länge auf gute „Jaa“, wenn nicht sogar mehr.

Nie hatte ich geglaubt, dass die Länge des Schwanzes eines anderen Mannes mich noch mehr begeistern könnte als die meines eigenen. Mir lief das Wasser im Mund zusammen und ich wollte ihn weiter schmecken. Jetzt war es raus. Jetzt genau hatte ich meine Bestätigung. Ja ich war schwul. Und ja ich wollte ihn haben. Und mir war das so was von scheißegal, was die anderen sagen würden. Ich wollte ihn schon immer.

Ich war auf dem Weg ihn in meinem Mund willkommen zu heißen als ich mich selbst zwang aufzuhören. Was wäre, wenn er wach würde? Ich schloss die Augen.

Eigentlich wäre es doch gar nicht so schlimm, und doch. Nein! Nicht heute und nicht wenn er schläft.

Meine Hände führten ihr Streicheln fort und ich hatte ihn völlig im Blickfeld. Sein Gesicht, sein Oberkörper, seinen Bauchnabel und ja, auch seinen wundervollen Schwanz mit den dazu passenden Bällchen.

Süß wie er so vor mir lag und nichts mitbekam. Zumindest bewusst nichts mitbekam, denn er atmete schon ziemlich heftig und ich sah, wie er öfters schlucken musste.

“Na mein kleiner Teufel. Läuft dir das Wasser schon im Mund zusammen!”, murmelte ich und ich streichelte ihn weiter. Immer darauf bedacht, seinen Schwanz nicht zu berühren. Ich wollte ihn nur Streicheln und ihn so in die Höhe katapultieren. Genauso wie Kilrian es mit mir getan hatte. Mit nichts, als nur einer zaghaften Berührung. Und es funktionierte. Sein Körper war so sensibel und seine Lippen formten langsam Wörter. Erst leise, doch dann wurden sie immer lauter bis ich sie verstehen konnte.

“Sam!” Sein Körper bäumte sich auf, er hob ab und flog über seine eigene Wolke.

Seine Augenlider zuckten und schlagartig wurde mir die Realität wieder bewusst.

Sofort zog ich meine Decke über mich und drehte mich auf die Seite. Tat so, als ob ich noch schlafen würde und vernahm nur ein zischendes, “Scheiße! Verflucht!” und wie er dann ins Bad ging. Ich selbst hatte damit zu tun, meine eigene Erregung zu beruhigen. Die ich, während meiner Aktion vollkommen ignoriert hatte.

Ich musste wieder eingeschlafen sein, denn ein unsanftes Rütteln weckte mich und ich blickte verschlafen zu dem Störenfried.

“Steh auf! In einer Stunde fängt die Arbeit an!”

Wow, also so hatte mich noch nie jemand geweckt. Als ich in sein Gesicht blicken wollte, wandte er sich ab. Sofort sah ich, dass er sich rasiert hatte und sein After Shave stieg mir in die Nase.

“Ey kauf dir mal ein vernünftiges After Shave, was net so penetrant riecht, das ist ja net zum aushalten.”

“Tzz. Mach weiter. Kilrian kann es nicht leiden, wenn man unausgeschlafen zur Arbeit erscheint.”

“Was interessiert mich der. Gib mir noch zehn Minuten.”

“Mach was du willst. Ich gehe Frühstücken.”

Ich blickte auf mein Handy.

“Sicher um 13 Uhr, …!”

Er würgte mich ab. “Entschuldige, das heute mal keine Ela anwesend ist, die dir dein Drei-Gängemenü ans Bett bringt und dich mit dem Silberbesteck füttert.”, er knallte die Tür hinter sich zu, ich war wach.

Die Schicht ging schnell vorbei, wenn auch in einer etwas zu kalten Atmosphäre. Mario würdigte mich mit keinem Blick mehr und reden tat er auch nicht mehr mit mir. Immer wenn Fragen aufkamen, schickte er mich zu jemand anderem mit der Aussage; “- ich bin hier auch nur zur Aushilfe!”

“Na mit euch läuft es ja bestens!”, sprach Kilrian mich kurz vor Ende der Schicht an, worauf ich nur mit den Schultern zuckte. Die Type nervte und ich drehte mich weg.

“Hole mich nie wieder hierher um zu arbeiten. Denn es könnte dann schlimm enden.”, war alles was ich sagte, ging zu der Umkleide und zog mich um. Dennoch, Kilrian ließ sich nicht beirren und schlenderte mir hinterher.

“Ich wollte nur helfen!”

“Ja, danke - und könntest du etwas, …!”, ich scheuchte ihn mit einer Handbewegung fort. Er machte aber nur einen kleinen Schritt zurück, was mich dazu brachte resigniert mit dem Kopf zu schütteln.

“Keine Sorge, ich berühre jemanden nur, wenn ich auch dafür bezahlt werde, …”

“Ha! Sicher und was war das eine Mal?”

Er grinste nur und gab mir keine Antwort. Er trat auf mich zu und überreichte mir ein Kuvert. Kilrian brauchte nichts zu sagen, mir war klar was darin war. Ich war gewillt es ihm wieder zurückzugeben.

“Hör zu! Beende es endlich!”

“Was?”

“Das mit euch Beiden ist ja nicht auszuhalten. Selbst die anderen reden schon darüber und Mario macht sich nur noch zum Affen. Nicht nur das, er geht selbst mich schon an!”

Ich verdrehte die Augen.

“Das ist nur ein guter Ratschlag von mir. Beende die Sache so schnell es geht und rede mit Mario.”

“Aber du hast doch, …!”

"Ja ich weiß und ich helfe dir auch gerne weiter, aber ich sehe es nicht ein, mich, von meinem eigenen Cousin, der wie ein Bruder für mich ist, als eine verfuckte Hure bezeichnen zu lassen. Ich musste mir ganz schön auf die Zunge beißen, um nicht zu sagen, dass er selbst an der ganzen Misere schuld ist. Vor allem nichts dazu zu sagen, das ich ungewollt in diese total verblödete Wette reingeraten bin. Verflucht man, er liebt dich und ich kann mir denken, dass er sich selbst in den Arsch beißt, dass die Wette so aus den Rudern gelaufen ist. Ich würde sogar wetten, dass er den Tag verflucht, an dem ich euch über den Weg gelaufen bin.”

“Es stimmt, er hatte niemals vorgehabt jemand anderem außer mir die Hand zu schütteln.”, murmelte ich vor mich hin, dennoch laut genug, dass Kilrian es mit einem Kopfnicken bestätigte. Ich blickte zu ihm.

“Aber bei einem hat Mario recht, du bist eine verfuckte Hure …”

“Vielen Dank, ich bevorzuge professioneller Dienstleister beim Austausche diverser Körperflüssigkeiten. Oder wie in deinem Fall “Tango tanzen”. Er grinste und klopfte mir tröstlich auf die Schulter. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich Kilrian Ford so zum Dank verpflichtet sein würde, aber das war ich.

 

Ziemlich angeschlagen und müde stieg ich aus dem Taxi und schloss die Tür zum Haus meiner Eltern auf. Als ich die Treppen zu meinem Zimmer hochgehen wollte rief mich mein Vater zurück. Ich drehte mich um und sah ihn. Nicht nur ihn, sondern auch meine Mutter, sie stand neben ihm.

“Wo warst du?”

"Arbeiten!”

“Natürlich und ich bin der Kaiser von China!”

“Also, wo warst du?”

“Das sagte ich bereits. Ich war arbeiten!”

“Sicher und das zwei Tage lang, …!”

“Wenn du mir nicht glaubst, dann rufe im Hotel “Zum Schwanenteich” an.”

“Ach und das soll ich dir glauben? Der Chef dort lässt doch einen Höllesing nicht in der Küche arbeiten.”

“Glaub was du willst. Ich gehe ins Bett.”

“Nicht so schnell mein Sohn. Ich habe dir vor kurzem 1000 € geliehen. Wo sind die?”

“Auf meinem Konto, dem Konto das du noch nicht gesperrt hast.”, ich kramte in meiner Hosentasche und schmiss ihm die Karte vor die Füße.

“Hier, da kannst du dich selbst überzeugen, das es noch drauf ist, …”

Das war ein großer Fehler aber dazu später. Ich war viel zu müde und der ganze Stress mit Mario und der Wette verhinderte, dass ich richtig denken konnte. Schlussfolgerungen ziehen und den für mich besten Weg ermitteln konnte.

Ich fiel nur noch aufs Bett, mehr bekam ich nicht mehr mit. Ich war so müde, nicht einmal seine blauen Augen verfolgten mich in den Schlaf oder das leise sanfte Stöhnen, welches Mario durch mein Streicheln von sich gegeben hatte. Nichts.

 

Ich erwachte am nächsten Morgen, ok, es war schon später Vormittag. Wie automatisch drehte ich meinen Kopf zur Seite in der Hoffnung wieder in das schlafende Gesicht von Mario zu blicken. Aber ich war allein. Nicht nur im Bett auch sonst. Es war niemand da.

Egal wie oft ich nach Ela rief. Ich bekam keine Antwort. Sicherlich war sie nur einkaufen, um die Köstlichkeiten zu schleppen die sie für Mutters nächste Party brauchte. Ich frage mich langsam, woher sie die ganzen Möchtegernreichen aufgabelte.

Aber nichts desto trotz, dachte ich mir, ich würde wieder einmal in die Schule gehen. Auch wenn ich erst nach der zweiten Pause ankommen würde.

 

Ich setzte mich neben Mario und holte meine Sachen für den Unterricht heraus.

“Was tust du denn hier?”, flüsterte Mario mir zu.

“Zur Schule gehen!”, war meine Antwort. Selbst der Lehrer, der durch die Tür kam, musste wohl gedacht haben, hier sitzt eins der sieben Weltwunder. Er ersparte sich aber danach zu fragen warum ich in den letzten Wochen nicht an dem Unterricht teilgenommen hatte.

Nun ja, das hatte man davon, wenn man mit so einer Gabe wie dem fotografischen Gedächtnis gesegnet war. Scheiße, mir egal.

Eigentlich dachte ich, dass ich etwas Abwechslung erleben würde, aber nichts da. Der Unterricht war ja noch öder, als das leere Haus indem ich wohnte. Ach ich hatte mich geirrt, für die nächste Stunde war ein Test angesagt worden. Welch eine Freude.

Ich überflog die zwei Seiten und schnaufte gelangweilt. Das war ein Test, der schon seit zwei Jahren im Internet kursierte. Nur die Fragestellungen waren umgeschrieben.

Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Mario einige Fragen ohne lange zu überlegen beantworten konnte. Auf einer Seite machte es mich stolz, er konnte den Stoff und ich hatte absolut keinen Teil dazu beigetragen. Es mussten wohl seine Nachhilfestunden am Abend gewesen sein.

“Samuel, … was gibt es da zu schauen, bitte konzentriere dich auf dein Blatt, …!”

“Ich bin schon fertig, …!” Zehn Minuten nach Prüfungsbeginn. Wie immer, auch wenn er es schon kannte, der Lehrer wurde weiß.

“Dann, dann bring die Zettel vor.” Natürlich machte ich das und stand auf, überreichte sie dem Lehrer. Er überflog meine Antworten. Er wurde noch weißer. Aber er wusste auch, dass er bei mir auf Granit beißt, wenn er der Meinung war, mit meinen Eltern über irgendwelche Einrichtungen für Hochbegabte sprechen zu müssen.

War ich froh, als der Unterricht endlich aus war. Wen ich allerdings vermisste war Kevin. Aber ich wollte verdammt sein, wenn ich nach ihm fragen würde.

Ela war daheim und sie sah nicht gerade gut aus.

“Was hast du?”, fragte ich aber sie schüttelte nur mit dem Kopf.

“Mein Schatz!”, murmelte sie und nahm mich in ihre Arme. Nun wurde ich nervös und fragte mich wirklich, was mit ihr los war. Aber dieses mal behielt ich diese Frage, die mich jetzt wirklich brennend interessierte, für mich.

Ein paar Wochen später erfuhr ich dann den Grund. Die Ärzte hatten bei ihr Krebs im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Und zwar soweit fortgeschritten, dass sie nicht einmal mehr Weihnachten erleben würde. Das Beste kam aber noch. Ela, die fast zwanzig Jahre bei meinen Eltern angestellt war, bekam nicht den Respekt der ihr zustand. Das Einzige was die Hinterbliebenen bekamen war eine scheinheilige Beileidskarte, nicht einmal einen Kranz war sie ihnen wert gewesen. Sie kamen nicht einmal persönlich zur Beerdigung. Hatte ich auch nicht anders erwartet.

Nun gut! Zurück zu mir.

Mein Leben verlief wirklich toll, Blödsinn. Mehr noch, es war eine dampfende Katastrophe. Ein Wechselbad der Gefühle. Ein Auf und Ab. Ich konnte weder die blauen, schüchternen Augen noch das ruhige schlafende Gesicht vergessen. Erst recht nicht sein, auf dem Bauch liegenden, halbsteifer Schwanz. Mein Verlangen nach ihm wuchs ins Unermessliche. Kirre.

Ich hielt es nicht mehr aus. Ich wollte zu ihm. Ihm ins Gesicht schauen, sagen, dass er seine verblödete Wette in den Wind schießen kann. Ich mich seit Wochen bereits für ihn zum Huhn machte.

Aber ich konnte nicht. Ich konnte nicht, weil sich mein verdammter Stolz einschaltete. Mein Stolz, zu wissen, dass ich ihn mit seiner eigenen Wette festnageln konnte. Damit er nicht mehr herauskommt. Mario hatte verloren. Er wusste es bereits. Immer wenn ich ihn mal traf und wir aus versehen mal ein paar Worte miteinander wechselten, überzog seine Wangen immer diese herrliche Röte. Biss vermehrt auf seine Unterlippe und sein Tapsen von einen Fuß auf dem anderen war verstärkt zu beobachten.

Oh wie ich es liebte. Ihm einfach zuzuschauen, wie er immer noch versuchte es zu verbergen. Zu verstecken. Zu verheimlichen. Vor mir.

Er war zwar nach wie vor abweisend aber dennoch fühlte ich, dass er selbst ins Schwanken kam. Er es selbst nicht mehr schaffte den Unnahbaren zu spielen, seine Gefühlswelt unter Kontrolle zu bringen.

Mein kleiner Teufel. Nein Luzifer. Ja Luzifer das passte. Mein kleiner gefallener Engel. Mein Licht.

 

Seit Monaten regnete es mal wieder und die Stimmung im Haus, zeugte von der gleichen Anmut wie das Wetter. Ein Frösteln durchzog mich, nur konnte ich mir nicht erklären weshalb. Wie automatisch, als ob das Wetter mir draußen Antwort geben konnte, ging ich ans Fester und blickte auf die Einfahrt runter.

Ein fremder Wagen stand auf dem Parkplatz. Seine Scheiben waren getönt und es hätte mich nicht gewundert, wenn die Fenster zudem noch aus Panzerglas bestanden hätten.

Ein zögerliches Klopfen ließ mich aufblicken und mich zur Tür hin drehen.

“Herein!” sagte ich und die neue Haushälterin, ihr Name war glaubte ich Silvia oder Sabine. Keine Ahnung, stand da.

“Herr Höllesing. Die verehrte Dame möchte Sie sprechen.” Resigniert zog ich hörbar die Luft ein. Ich stammte zwar aus “gutem Hause”, aber es so raushängen zu lassen, musste nun wirklich nicht sein.

“Danke. Sagen Sie meiner Mutter, ich bin gleich bei ihr!” Es fehlte wirklich nur, dass sie sich noch vor mir verbeugte, aber sie nickte nur mit dem Kopf.

Schade, dass Ela sich krankschreiben lassen hatte, sie fehlte mir. Sie war die Liebe und die Wärme hier in diesem Haus. Der Ruhepol, der mich stetig beruhigte und der meinem Leben Beständigkeit gab. Das Wissen dass sie nicht mehr lange hatte, machte mir extrem zu schaffen.

Ich verließ mein Zimmer und schon vom Weitem hörte ich sie schnattern. Gott! Was für eine Tonlage. Es hätte mich jetzt wirklich nicht gewundert, wenn Silvia oder Sabine oder wie auch immer, heulend vor meiner Mutter weggerannt wäre.

Ich hatte Recht. Die Frau lief wirklich, wie ein getretener Hund an mir vorbei.

“So etwas war mir noch nie untergekommen. Dabei hatte sie während des Vorstellungsgespräches gute Nerven gehabt und vor allem einen guten Eindruck gemacht.”

“Du wolltest mich sprechen?!” Sie blickte auf, strich wieder über ihren jetzt leicht gewölbten Bauch und tat so, als ob die ganze Last der Welt auf ihren Schultern lag. Nicht nur das. Vater stand neben ihr, sein Blick war abweisend und kalt. Was mir aber am meisten zu denken gab war, er rauchte wieder seine Kubanische. Alles fing an, sich in mir zusammenzuziehen.

Mutter sagte nichts und Vater räusperte sich nur.

“Samuel. Ich habe eine Prüfung der Konten erhalten.”

Ach du Scheiße…! Wie erwartet, bedeutete es wieder mal nichts Gutes.

“Eigentlich wollte deine Mutter nicht, dass ich mit dir darüber rede, aber diverse Umstände zwingen mich dazu. Auf deinem Konto war eine Bewegung zu verzeichnen, die, wenn es rauskommt, unseren Namen in den Dreck ziehen kann.”

Große Scheiße. Er meinte die Überweisung an Kilrian. Oder Zeth. Aber für mich ist er in erster Linie Kilrian, nachdem wie ich ihn kennengelernt habe.

“Das einzige Gute an der Geschichte ist, dass du anscheinend den Dienst rechtzeitig abgesagt hast. - Du brauchst mich jetzt nicht so anzuschauen als ob du mich nicht verstehst, mein Sohn.”

Blickte ich ihn wirklich so an? Wohl kaum, denn ich wusste haargenau, was er meinte.

“Der Mann, den du gebucht hattest, oder wolltest, anscheinend ist ein Aufeinandertreffen jedoch nicht zustande gekommen …!”

“Ja, … Vater, was ist mit ihm?”

“Mit ihm ist nichts, aber mit dir?”

“Was soll mit mir sein?”

“Das würde ich selbst gerne wissen. Langen dir die Frauen nicht mehr? Musst du jetzt schon eine männliche Hure engagieren?”

Ich musste mich zurückhalten. Ok ich bezeichnete Kilrian selbst als Hure oder Schlampe, aber das auch nur in Gedanken. Aber ich mag es nicht, wenn ein Außenstehender so etwas über Kilrian sagt. Kilrian wird schon wissen, warum er das tut. Ich kann nur darüber spekulieren.

“Wars das?”, fragte ich und es schien mir, als ob die Kinnlatte meiner Eltern auf den Boden fielen.

“Nein das war es noch nicht. Ich möchte den Grund wissen.”

“Es gibt keinen Grund und wie du bereits vorhin schon erwähnt hast, hat das Aufeinandertreffen nie stattgefunden.”

“Also gibst du es zu, dass du ihn gebucht hattest?!” Wow.

“Ja habe ich, …!”

Mutter vergrub ihr Gesicht in den Händen und schniefte los, als ob es jetzt der Weltuntergang wäre.

“Was haben wir nur falsch gemacht?!” Och nö, nicht schon wieder diese Leier, ich verdrehte genervt meine Augen.

“Du findest es also auch noch lustig?”

Ich gab nichts drauf.

“- Du hast absolut keine Ahnung, … wenn die Presse davon erfahren würde.”, heulte sie jetzt. Starr blickte ich zu meinem Vater und ich musste mich jetzt wirklich zusammenreißen.

Ein Klopfen unterbrach diese Konversation und Vater bat die neue Haushälterin rein. Sie teilte mit das irgendein Herr auf meinen Vater warten würde. Das musste der Kerl sein, der mit dem Panzerglasauto.

“Bringen Sie ihn herein. Sonja.!” Ach sie heißt Sonja.

“Kann ich gehen?”

“Nein, du wirst hier gebraucht.”, sagte Vater und legte irgendwelche Unterlagen vor sich auf den Tisch.”

Die Tür öffnete sich und mein Herz blieb stehen, …, …, …, ….

 

Nicht auch das noch. Meine Wut, die sowieso schon tief irgendwo in meinem Bauch brodelte, erhitzte sich zu fliesender Lava. Nur mühsam unterdrückte ich ihren Ausbruch.

Ich blickte von dem Mann zu meinen Eltern und wieder zurück. Dies wiederholte ich bis mein Vater mich aus meiner Starre rausriss.

“Samuel unterschreibe hier!”

Ich schüttelte mit dem Kopf und sprach mit zusammengebissenen Zähnen.

“Nein!”

“Samuel!”, rief Mutter entrüstet. Ich schüttelte wieder mit dem Kopf.

“Ich werde diese Hochzeitsvereinbarung nicht unterschreiben.”, zischte ich.

“Warum? Du weißt wir haben eine Abmachung!”

Ich nickte und doch. Ich konnte nicht mehr. Schon gar nicht konnte ich damit leben, mein restliches Leben in einer arrangierten Ehe zu verbringen.

“Ich kann nicht! -- Ich liebe jemand anderen!”, rutschte es mir über die Lippen und ich schaute meine Eltern an. Schüttelte mit dem Kopf und sprach weiter.

“Es tut mir leid, aber ich kann das nicht tun! Ich kann so nicht leben. Mit diesem Zwang. Hier in diesem Haus oder auf der Straße. Ich höre überall nur den Namen Höllesing, aber niemand sieht mich. Mich.“, meine Stimme wurde immer lauter, „Niemand weiß, wie ich wirklich bin. Ich lebe eine Lüge. Das bin ich nicht! Die sehen alle nur dich, … euch, … und euer Geld, niemand nimmt mich wahr.”

“Was willst du uns damit sagen?”

“Ich will damit sagen, … Ich habe mich in einen Mann verliebt.”

Ihre Gesichtszüge entglitten ihnen.

“Ja, Vater, Mutter, … - ich bin schwul, war es schon immer. Und das mit den Frauen, war nur, damit ich die Lüge weiterleben konnte. Es tut mir leid.” Ich wandte mich von ihnen ab und blickte den Vater der Tussi, die mir das eingebrockt hatte tief in die Augen. Langsam und mit überlegten Worten sprach ich ihn in seiner Sprache an.

“Bitte entschuldigen Sie mich. Ich kann Ihre Tochter nicht heiraten. Damals war ich 17 Jahre und unberührt. Ihre Tochter hingegen hatte ihren 25. Geburtstag bereits hinter sich. Ich weiß nicht, was Ihre Tochter zu Ihnen gesagt hatte, aber es ist eine Lüge, und ich lege dafür meine Hand ins Feuer und verspreche auf meine Ehre, hier und jetzt und vor Ihnen, dass dies der Wahrheit entspricht. Ich habe Ihre Tochter nicht verführt und sie zum Beischlaf überredet. Außerdem bin ich homosexuell und es würde Ihre Tochter entehren, wenn ich sie nach der Zeremonie nicht zu mir rufen würde.”

Der Mann nickte und lächelte.

“Vielen Dank für Ihre Ehrlichkeit. Dies habe ich bereits gewusst. Meine Tochter hat mir vor ein paar Wochen die ganze Geschichte gebeichtet und ich bin auch nur nach Deutschland gekommen um die Hochzeitsvereinbarung zu annullieren. Ich weiß allerdings nicht, in wie weit sie darin mit involviert sind.”

“Wie meinen Sie das?”

“Sie wissen es nicht? Nun dann würde ich es so sagen, wir beide und auch meine Tochter wurden, den Umständen entsprechend, übers Ohr gehauen. So sagen Sie doch hier in Deutschland.”

Da wir uns in seiner Sprache unterhielten und ich wusste, dass meine Eltern es nicht verstanden, reichte mir es vollkommen aus, als er kurz und mit mehr als herablassenden Lächeln zu meinen Eltern blickte.

“Ich hoffe, Sie treten nicht in die Fußstapfen ihres Vater.”

Ich nickte nur und er stand auf.

“Herr Höllesing. Sie haben einen guten Sohn. Sie können stolz auf ihn sein. Nun zu meinem Anliegen, …!” Mehr bekam ich nicht mehr mit. Meine Gedanken kreisten um mein vorherrschendes Gefühl. Ich hatte es gespürt, dass an dieser Hochzeitssache etwas faul war und jetzt hatte ich die Bestätigung.

 

“Samuel! … Samuel! Schrie mein Vater mich an und als er endlich meine Aufmerksamkeit erlangt hatte, sah ich wie zornig seine Augen funkelten. Ich bekam dies aber nur am Rande mit.

Warum machten meine Eltern nur so ein Trara, um mich unter die Haube zu bringen. Noch dazu mit einem Mädchen aus einem anderen Land. Es konnte hier doch nur um Geld gehen. Was wäre die Auslöse gewesen? Welchen Preis war ich ihnen wert. Das hätte mich wirklich interessiert.

“Von wegen und du lebst eine Lüge. Das war eine totale Lüge von dir um nicht dein Heiratsversprechen einlösen zu müssen. Von wegen und du bist schwul. Wers glaubt.”

“Ich bin es.”

“Ist das dein letztes Wort?”

Ich nickte. Auch wenn ich, wie ich es immer tat, am liebsten meinen Schwanz eingezogen hätte und wie immer meinem Vater recht gegeben hätte, so konnte ich es diesmal nicht. Diesmal ging es um mehr. Und ich hatte es endlich begriffen.

Es ist mein Leben und niemand pfuscht darin rum.

“Hiermit enterbe ich dich. Pack deine Sachen und verschwinde von hier. Du bist nicht mehr mein Sohn.”

Zuerst empfand ich so etwas wie Schock, aber es war nicht stark genug. Ich lachte laut los und blickte meinen Eltern in die Augen.

“Das war ich doch nie.”, stand vom Stuhl auf und ging.

Ich konnte es mir nicht verkneifen also sagte ich auf meinem Weg raus ohne mich noch einmal umzudrehen, „Dann pass aber auf, dass niemand mitbekommt wenn Mutter dich zu Zeth schickt, denn das könnte für euch beide noch viel peinlicher werden, als wenn ich seine Dienste in Anspruch nehme.“

 

Für den Rest des Tages ging ich wie üblich meinen Eltern aus dem Weg oder sie mir. War mir egal. Nur jetzt hatte ich ein kleines Problem. Wohin sollte ich gehen? Wer würde mich aufnehmen, bis ich einen Job hatte, um mein Leben selbst finanzieren zu können?

Ich wunderte mich, dass mich die Enterbung überhaupt nicht interessierte. Es war mir egal. Ganz egal. Vor zwei Jahren noch hatte er mich damit immer an der Angel gehabt und deshalb hatte ich in diese Idee, von wegen das Mädchen heiraten, eingewilligt. Er hatte immer damit gedroht mich zu enterben und ich hatte immer, wie ein verschreckter Hund, klein bei gegeben. Aber jetzt? Jetzt fühlte ich mich um viele Pfunde leichter. Als ob eine Last abgefallen wäre. Eine mir unbekannte, mich schon immer bedrückende Last.

Ich hielt mein Handy in der Hand und wählte zum hundertsten Male Mario´s Nummer aber immer wieder ging diese beschissene Mailbox ran. Verfluchte Scheiße.

Wen zum Teufel sollte ich jetzt anrufen. Wer konnte mich aufnehmen? Sicherlich stehen jetzt meine Kumpels Spalier und haben nur darauf gewartet. HaHaHa!

Ha! Welche Kumpel, seit es bekannt geworden war, dass ich kein Geld mehr aus dem Fenster schmeißen konnte, nichts mehr ausgab oder sonst die Leute aushalten konnte, hatte sich einer nach dem anderen verabschiedet. Nun soviel dazu. Geld regiert die Welt.

Es regnete immer noch als ich meine Koffer zum Taxi schleifte und einstieg.

“Wohin solls gehen?”

Eigentlich hatte ich keine Ahnung. Mein Plan war es, mich solange mit dem Taxi rumkutschieren zu lassen, bis mir was “gutes” eingefallen wäre.

“Zum Schwanenteich!”, kam es über meine Lippen. Weshalb gerade dahin, ich verstand es selbst nicht. Warum gerade dort hin? Warum hatte ich dies gesagt? Am Ende war das wohl die einzige Option die ich noch hatte.

Ich hatte noch etwas Geld über. Damit sollte ich eine oder zwei Nächte auskommen.

Ich stieg aus und hievte meine Koffer aus dem Wagen.

 

Das Wetter meinte es nicht gut mit mir denn es goss weiter aus allen Wolken. Bloß ich spürte es nicht. Ich spürte nicht, dass ich bereits bis auf die Haut durchnässt war. Auch spürte ich nicht die Tränen in meinem Gesicht. Ich bemerkte nicht, dass ich fröstelte und ich bemerkte auch nicht wie viele Menschen an mir vorbeiliefen und mich mitleidig anblickten.

Mir war es egal. Ich hatte alles verloren, all das, das ich eh nie besessen hatte. Ich blickte hoch zu den Wolken und obwohl es jetzt eine verkackte Situation war, ich musste lachen. Innerlich lachen. Ich war frei.

Ich wusste nicht, wie lange ich einfach so im Regen dastand, zu den Wolken starrte und einfach an nichts dachte, als mich jemand durch eine Berührung aus meinen Grübeln riss.

Ich blickte in dunkle und blaue Augen. Kilrian musterte mich und Mario war so weiß, wie der billige Mozzarellakäse. Aber dieses blau, allein schon dieses Blau war das Zerwürfnis mit meinen Eltern wert, das und noch viel mehr.

“Was machst du hier?”

Ich zuckte mit den Schultern. “Meine Eltern haben mich rausgeschmissen.”, ich konnte ein Schluchzen nicht verhindern.

Kilrian blickte sich um und meinte, dass ich erst einmal reinkommen sollte. Was mich überraschte war, er führte mich zum Hintereingang.

An einer Tür mit einem Schild “Privat” hielt er an und sperrte sie auf.

Mario hatte sich meinen Koffer geschnappt und kam mit einem Handtuch zurück. Er überreichte es mir und auch wenn er wieder sein Gesicht von mir abwendete, sah ich diese zierliche Röte. Aber auch einen fragenden Blick.

“Warum wurdest du rausgeschmissen!”

Ich blickte ihn nur an, lächelte kurz und zog ihn an mich, umarmte ihn und hielt in fest

“Das ist doch egal.”, flüsterte ich und ließ ihn wieder los. Ich fing an mich abzutrocknen.

Aber Mario ließ nicht locker, immer wieder drang er auf mich ein, bis ich den beiden alles erzählte, nun fast alles. Das ich mich ihnen gegenüber geoutet hatte behielt ich für mich, aber ich erzählte über die Intrige meiner Eltern mich in eine Hochzeit zu zwingen, und dass sie sagten, ich wäre nicht mehr ihr Sohn.

Mario´s weißes Gesicht wurde zornesrot. Bevor ich auch nur ein weiteres Wort hatte sagen können stürmte er zum Telefon und rief meine Eltern an. Er hatte meinen Vater an der Strippe und machte ihm die derbsten Vorwürfe, nannte sie Rabeneltern denen nur ihr Geld und ihr gesellschaftliches Ansehen wichtig wäre. Er drohte ihnen sogar und meinte, dass ihr Ruf ruiniert wäre, wenn publik würde dass sie mich rausgeschmissen hatten und mich zu ihrem eigenen finanziellen Vorteil in eine Ehe zwingen wollten. Er sprach von Zwangsehe, von kriminellem Verhalten und von Unmenschlichkeit. Wütend schmiss er den Höher auf die Gabel und drehte sich zu uns um.

Von einer Sekunde auf die andere verlor sein Gesicht jegliche Farbe. Ihm war schlagartig klar geworden, was er da getan hatte, er hatte sich für mich eingesetzt und ganz ohne mein Zutun dafür gesorgt, dass ich die 9. Aufgabe bestand.

Aber das interessierte mich in dem Moment überhaupt nicht.

Zu Kilrian gewandt fragte ich ob ich mich irgendwo aufwärmen könnte.

Er führte mich ins Bad und deutete auf die Dusche.

“Fürs erste kannst du bleiben, … ich muss wieder los. Mario, wenn du möchtest, kannst du für heute Feierabend machen.”

“Aber ich, …!”

“Aber du kümmerst dich jetzt erst einmal um deinen Freund.”, war alles was ich noch vernahm, bevor die Tür vom Bad zugemacht wurde.

Freund? War er noch mein Freund? Nein, trotz seines Einsatzes für mich! Verdenken konnte ich es ihm nicht. Immerhin hatte ich ihn stetig von mir weggeschoben und jetzt zahlte er es mir mit gleicher Münze heim.

Das warme Wasser war herrlich und ich wollte gar nicht mehr raus. Erst als es langsam kalt wurde stieg ich aus der Dusche, trocknete mich ab und zog meine Jogginghose und ein Shirt an.

So bekleidet ging ich aus dem Bad und nahm mir vor, erst einmal diese “Wohnung” zu besichtigen.

Nun, nach näherer Betrachtung, war ich wahrlich überrascht und ich fragte mich, warum er nur das absolut Notwendigste besaß. Nichts, aber auch absolut gar nichts, zeugte von dem Luxus, den ich von daheim kannte. Keine Designerküche mit integriertem Schnickschnack. Kein Bad mit Marmorfließen und Goldhähnen, wie ich es von daheim kannte. Keine schweren Vorhänge ala von irgendjemand und Einzelanfertigung. Die Lampen waren vom Baumarkt und so weiter. Eigentlich bestand die Wohnung aus dem Billigen des Billigsten. Warum lebte Kilrian so? Wenn ich an seinen Preis dachte den er verlangt hatte, kam mir das surreal vor. Wenn er reiche Bonzen bediente, dann müsste er doch in Geld schwimmen, …

Aber an etwas außergewöhnlichem blieb mein Blick haften. An einem Ölbild. Kilrian lag im Laub. Nackt, versteht sich. Doch dem galt nicht mein eigentliches Interesse.

Die Linien, hervorragend ausgearbeitet. Die Farbenwahl vom feinsten. Ich ging einen Schritt zurück, um das Bild im Ganzen zu sehen und wieder näher heran. Beim genaueren Hinschauen, sah ich dennoch einige kleine Fehler und vor allem die Vorarbeit mit einem Kohlestift. Ich schmunzelte.

“Mario, … - du hast das Bild gemalt.”, murmelte ich eher für mich selbst und trat wieder einen Schritt zurück. Das Bild zeugte nur von Erotik. Kilrians Augen waren in die Ferne gerichtet. Er schaute niemanden an. Eher durch einem hindurch. Seine Lippen leicht geöffnet. Eine Hand lag angewinkelt auf seinem Bauch, die andere ruhte neben seinem Körper. Die Beine leicht aufgestellt, etwas gespreizt, gebettet auf dem rötlich-gelb-goldenen Laub.

“Ja, ich habe es gemalt.”

“Ich weiß!”, gab ich zur Antwort bekam aber nicht mit, wer gerade mit mir sprach. Ich war voll und ganz in dieses Bild vertieft.

“Es ist ein Meisterwerk. Da Vinci und Van Gogh würden aus dem Grab steigen, nur um einen einzigen Blick darauf zu werfen.”

“Du spinnst!”

“Nein! - Schau dir einfach die Gesichtszüge an. Die Wangen und diese sinnlichen Lippen. Einfach perfekt. Man könnte meinen, du hättest ihn selbst einmal so gesehen. Seine Pose unvorstellbar verlangend. Auch wenn sein Geschlechtsteil nicht zur Schau gestellt worden war, weiß man trotzdem wonach es ihm dürstet.”

“Hör auf damit!”

“Mario, das ist das schönste, was ich bis jetzt von dir gesehen habe, …”

“Mag schon sein. Jetzt rück schon mit der Sprache raus. Da war doch noch mehr als das mit der Heirat, oder? Das hätte dich nur wütend gemacht, aber eben das waren keine Wuttränen, sie haben dich noch mit etwas anderem verletzt.“ Er kannte mich zu gut, besser vielleicht als ich mich selbst. „Warum haben dich deine Eltern rausgeschmissen?”

“Ich habe ihnen gesagt, dass ich schwul bin und einen Freund habe.”, murmelte ich abwesend. Wow, was für ein Zeichenstil. Und Mario tut nichts, um seinem Ziel näher zu kommen. Er kann so gut zeichnen. Dieser Idiot, …

Das zuknallen der Tür riss mich aus meiner Betrachtung. Erst jetzt nahm ich wieder wahr, wo ich mich befand und wer die ganze Zeit über bei mir gewesen war.

 

“Ach verfluchte, verfuckte Kacke!”

Auf das Eine kommt das Andere

Aufgabe 10:

Ein Nacktfoto von der besagten Person erlangen.

 

 

Ich stand immer noch in dem Raum, konnte mich nicht rühren, nicht denken. Einmal drehte ich mich suchend um meine Achse, doch Mario war nicht mehr da.

Natürlich war er nicht mehr da. Er war abgehauen. Aber warum? Noch einmal blickte ich zu dem Ölgemälde und da wurde es mir bewusst. Noch einmal bewusst.

“Verfluchte, verfuckte Scheiße. - Ich war so in diesem Bild vertieft, dass ich Mario vollkommen vergessen hatte.” fluchte vor mich hin und bewegte mich in die Richtung in der ich Mario vermutete.

Ohne zu überlegen, wo ich mich befand, trat ich auf dem Flur. Es war ein anderer, als den, den wir zuvor genommen hatten, um in Kilrians Wohnung zu gelangen. Ich brauchte eine Weile um mich zu orientieren, doch am Ende erkannte ich den Flur wieder. Auch kam mir die Tür, an der Privat stand bekannt vor.

Ahh! Ich befand mich im Erdgeschoss. Also musste ich den Weg zur Rezeption nehmen, denn die andere Richtung, bedeutete, dass ich zu den Zimmern für die Gäste kam. Erdgeschoss 1a - 10 - 30. Alles Einzelzimmer. Scheiße, nur einmal hier gearbeitet und schon kannte ich mich mit dem Lageplan aus. Eine 3D Aufzeichnung in meinem Gehirn, um zu wissen, wo die Hauptsäule war. Überhaupt, wo sich wo, was befand.

Kirre. Aber so was von!

Ich schlug die Richtung zur Küche ein. Als ich aber dort ankam, war Mario nirgends zu sehen.

Umkleideraum. Nein!

Zweiter Stock, Außenterrasse, Niente.

Dritter Stock. Fitnessraum. Nix zu machen, ich rannte wieder runter zur Küche. Da war ich schon. Also weiter.

Keller. Ok, da war ich noch nicht aber ich roch Chlor.

Seit wann hat er ein integriertes Schwimmbad. Gut, also als Schwimmbad kannst du diese kleine Pfütze nicht bezeichnen. Da war der Pool meiner Eltern noch um einiges größer. Aber dennoch, reichte es wohl für die Gäste aus, sich dort zu amüsieren und erst jetzt wurde ich darauf aufmerksam, dass ich wie der letzte Penner rumlief. In ausgeleierten Shirt, Jogginghose und ich hatte noch nicht einmal Schuhe an, geschweige denn Socken.

Barfüßig lief ich durch das Hotel, …, … aber es war mir egal.

Ich wusste nicht wie lange ich noch durch das Hotel gewandert war, den Blicken der Gäste ausweichend, bis ich aufgab und in Kilrians Wohnung zurück wollte.

Mein Magen knurrte also schlug ich den Weg in Richtung Küche ein.

“Na fertig mit deiner Wanderung!”, fragte Kilrian der am Tisch saß und aß.

“Hunger?” Er schob mir einen Teller hin und ich setzte mich ihm gegenüber.

Ohne ein Wort beugte ich mich über das Essen und schob mir den ersten Bissen rein. Es war köstlich. War das Essen von Ela schon grandios, dies überstieg alles.

"Jetzt weiß ich auch, warum du wirklich daheim rausgeschmissen worden bist?”

Häää! Woher? Ich hatte nicht alles erzählt. Ich hielt in meiner Bewegung, die Gabel zum Mund zu führen inne und schaute Kilrian an.

“Woher?”

“Nun, ich soll dir von Mario ausrichten. Aufgabe 9 bestanden.” Schlagartig war mir mein Hunger vergangen und ich legte die voll beladene Gabel zurück auf den Teller. Hatte er die Aufgabe 9 als bestanden gewertet, weil er sich für mich eingesetzt hatte, oder weil Kilrian mich bei sich aufgenommen und mir damit geholfen hatte? Egal.

“Wo ist er?”

“Daheim. Aber das ist jetzt irrelevant. Was mich aber brennend interessiert, … ist die Wette so wichtig, dass du damit dein Leben versaust? Hast du überhaupt einmal über die Konsequenzen nachgedacht?”

Ich blickte ihn nur an und schüttelte abwesend den Kopf.

“Mein Leben war und ist eine Katastrophe.”

Kilrian stand auf, verräumte seinen Teller und verließ die Küche. Ich hingegen blieb noch ungelogen eine halbe Stunde sitzen und stocherte in meinem Essen.

Irgendwann teilte mir Kilrian mit, dass er mir Schlafzeug auf die Couch gelegt hatte. Ich ging in seine Privaträume zurück, schlug den Weg ins Wohnzimmer ein und wieder fing ich an, das Ölbild zu betrachten.

“Mario hat es gemalt!” Kilrian stand hinter mir.

“Ich weiß!” murmelte ich und hörte wie sein Handy klingelte. Er sich mit “Ja!” meldete und sich seine Stimme von Null auf Hundert völlig änderte. “Stone?! Welch eine Freude, deine Stimme wieder zu hören, … - ja in der Tat, ist das lange her. - Oh, wirklich? … … - Na was kann ich für dich tun? … hmm, …. Oh ja, ist mir eine Freude. … … Wie immer, vier eins. Ach du hast es schon überwiesen? Heute? Im Grand Two? Na du bist schnell. Um acht. - … ich auch!”, und Er legte auf. Prustete kurz und rieb sich die Augen. Stand auf und ging zu seinem Laptop. Er schien mich total vergessen zu haben.

Innerlich schüttelte ich mit dem Kopf, das war unfassbar. Ich konnte es immer noch nicht begreifen, wie unbefangen er mit fremden Leuten sprach. Er blickte hoch und seine Augenbrauen zogen sich fragend zusammen.

“Was ist?”, wollte er wissen aber ich zuckte nur mit den Schultern.

“Ich, … ich, … ach nichts?”, stammelte ich und er grinste breit.

“Nun gewöhne dich gleich daran.”

Ha, der hatte gut Reden. Ich stand bei ihm im Wohnzimmer, sah die Veränderung in seiner Haltung und lauschte einem Gespräch, das ich nie in meinem Leben hören wollte. Aber dennoch. Die Reizströme, die durch meinen Körper gehuscht waren, weil ich wusste um was es ging, seine raunende Stimme, nicht zu vergleichen mit seinem normalen Tonfall, verursachten ein Kribbeln hinunter bis in meine Zehenspitzen. Gott wo war ich nur hingeraten?

“Glaube ja nicht, dass ich ewig hier bleiben werde, und das, … das, … wie eben immerzu miterleben will.”, stotterte ich und er zuckte nur mit den Schultern. So in der Art, “- Was meinst du, wie mich das interessiert?”. Na Toll.

 

Keine Ahnung, wie lange ich wach lag. Der vergangene Tag schwirrte mir unaufhörlich durch meine Gedanken. Ich hatte es gewusst, dass es kommen würde. Meine Eltern gaben sich doch nicht mit so einem wie mich ab. Aber einen schwulen Callboy buchen, um ihren Stau loszuwerden? Das war akzeptabel. Ja! Ich vergaß. Ihr Ansehen. Es ging immer nur ums Ansehen und den gesellschaftlichen Stand. Irgendwann mitten in der Nacht, es war wohl schon eher in der Früh, hörte ich wie Kilrian heim kam, aber dann auch gleich wieder verschwand.

Ich wälzte mich noch einige Male herum, bis ich einfach nicht mehr den Nerv dazu hatte, auf den Schlaf zu warten.

Ich stand auf und wollte mir einen Kaffee machen. Nur, … nur, … - was ist denn das für eine Maschine? Die stammte wohl noch aus dem letzten Jahrhundert. Ok! Wie bedient man eine normale Haushaltsmaschine? Ich zog die Maschine etwas zu mir und betrachte sie eingehend. War da nicht was mit einem Filter und Kaffeepulver? Ich kratzte mich am Kopf aber mir blieb nur eine Option, ich musste wohl im Internet recherchieren, wie diese Maschine überhaupt funktioniert. Tja, das hatte man davon, wenn man ein Designerstück daheim stehen hatte, bei dem man nur einen einzigen Knopf drücken musste und alles funktionierte von alleine.

Ich nahm Kilrian´s Laptop mit in die Küche und gab den Firmennamen der Maschine ein. Sofort zeigte mir das große G, wo ich dieses Gerät überall erwerben könnte. Ok! War nicht der richtige Weg. Ich klickte zurück auf Google und gab zusätzlich das Wort Bedienungsanleitung in das Suchfeld ein. Und siehe da! Nur fragte mich die Seite jetzt ob ich die PDF-Datei downloaden oder gleich öffnen möchte. Ich ging auf öffnen und drückte auf die ausgewählte Sprache Deutsch.

Ich hatte Recht. Man brauchte nicht nur einen Filter und Kaffeepulver sondern vor allem Wasser. Wie primitiv, aber was soll’s.

Nun, da brauchte ich nur noch diesen Filter und den Kaffee. Durchsuchte die Schränke und als ich das nötige Zeug endlich gefunden hatte, setzte ich den Kaffee gemäß der Beschreibung auf.

Der aufkommende Geruch, war fantastisch und weckte die Lebensgeister. Nach zehn Minuten saß ich am Tisch und trank meinen ersten selbst aufgebrühten Kaffee. Premiere!

In letzter Zeit besteht mein Leben nur noch aus Premieren. Negativen sowie positiven.

Der Kaffee schmeckte einigermaßen gut aber dann machte sich auch mein Magen bemerkbar. Mein hoffnungsvoller Blick in den Kühlschrank wurde enttäuscht denn ich fand nichts Essbares vor. Zumindest nichts, was ich gerne zum Frühstück gehabt hätte.

Wäre ja auch verwunderlich, wenn Kilrian, der eine Fünfsterne Küche besaß, so etwas, wie ein anständiges Frühstück in seinem Kühlschrank aufbewahrt hätte.

Ich zog mich um, denn barfüßig und in Jogginghose sowie einem Schlabbershirt, wollte ich nicht noch einmal durch das Hotel rennen.

Bei der Rezeption blieb ich stehen und eine mir fremde Frau, oder wohl eher Mädchen, blickte in den Computer und war gerade dabei jemanden am Telefon zu verabschieden. Auf ihrem Namensschild stand Marie Bohlsen. Sie blickte hoch und lächelte mich freundlich an.

“Kann ich etwas für Sie tun?” Ich nickte und meinte, dass ich Kilrian gerne sprechen möchte. Sie verzog die Augen.

“Geht es um eine Beschwerde?” Diese Frage hatte ich schon einmal gehört. Ich schüttelte den Kopf und setzte meinen typischen Sunnyblick auf.

“Nein Frau Bohlsen ich möchte ihn nur gerne sprechen.”

“Der Chef ist im Moment unabkömmlich.” So ging es hin und her, bis sie sich endlich entschloss Kilrian doch noch anzurufen.

Sie sagte mir, dass er sich in der dritten Etage befand. Dritte Etage, VIP!

Ich nahm den Aufzug und fuhr hoch. Eine Tür stand offen also ging ich rein. Rief nach ihm, aus der Nasszelle hörte ich ein “hier”. Er lag neben der Toilette in einem Blaumann und schraubte an einem Siphon rum. Welch ein unbekannter Abblick sich mir da bot. Kilrian, der Saubermann, verdingte sich als Handwerker. Überraschung pur, ich grinste vor mich hin.

“Was kann ich für dich tun?”, fragte er ohne seine Arbeit zu unterbrechen.

“Ähm, … ja, … warum holst du dir nicht einen Handwerker?”

“Was ich selbst reparieren kann, kostet mich kein Geld.” Oh geizig ist er, aber musste er es sein? Immerhin wirft das Hotel bestimmt gutes Geld ab und seine Nebentätigkeit eher noch mehr als das Hotel.

“Verfluchte Scheiße.”, Kilrian nahm sein Handy. “- Marie nimm Zimmer 3b20 aus der Buchung raus.”, er legte auf. “Shit - gerade dieses Zimmer.” ich blickte mich um und musste mir eingestehen, die Aussicht war fantastisch. Man konnte bis zu den Bergen blicken und nachts, wenn die Lichter an waren, musste es ein Genuss für die Augen sein. Nicht nur das, auch wenn es im Allgemeinen auf „gemütlich“ gestylt war, so konnte man doch den Preis für eine Nacht deutlich erkennen. Es war eine VIP-Suite. Mit Elektrokamin, Vorlegeteppich und Parkettboden. Allein schon die Ausstattung der Nasszelle, war Verwöhnung pur.

“Wenn du willst, kannst du dieses Zimmer mieten, aber die Toilette läuft aus.”

“Machst du Witze? Ich habe gerade noch 200 €.”, rutschte es aus mir raus und ich sah, wie seine Augen belustigt aufflackerten. Jepp, es war ein Witz, er deutete mir an, dass er fertig war.

In der Küche, in der ich gearbeitet hatte, ging alles drunter und drüber. Ich zählte drei Köche und doppelt so viele Küchenhelfer. Wollte er ein ganzes Kreuzfahrtschiff mit Essen versorgen?

Kilrian beugte sich über einen Topf und probierte von dem Inhalt. Was da gekocht wurde, erkannte ich nicht aber er gab sein Ok.

Da ich wohl im Weg stand, deutete Kilrian mir an, dass ich mich hinsetzen sollte also tat ich dies dann auch. Er setzte ich zu mir hin und stellte mir einen Kaffee vor die Nase. Erst jetzt sah ich, wie müde er aussah und dass dunkle Augenringe ihn zierten.

“Hast du eigentlich schon mal geschlafen?”

Er schüttelte mit dem Kopf.

“Nein!”

“Dann lass doch diese Nebentätigkeit, …”

Zornig funkelte er mich an doch dann nahm sein Ausdruck etwas tief Trauriges an. Er stand noch einmal auf und stellte etwas zum Frühstücken hin.

“Mein Vater wurde heute Nacht wieder ins Krankenhaus eingeliefert, …”

Wieder?

“Ich war die ganze Nacht bei ihm?”, als er sprach war er gar nicht da. Seine Gedanken schweiften ab.

“Weiß dein Vater von, …!”

Er schüttelte mit dem Kopf.

“Es wissen nur du und Mario darüber Bescheid. Und es wäre schön, wenn es so bleiben würde.”

Keine Ahnung wie es dazu kam. Ich führte es auf seine Übermüdung zurück, aber dass, was ich erfuhr, sprengte alles, wovon ich bis jetzt gewusst, geschweige denn geahnt hatte. Er sprach über seine Vergangenheit, über einen gewissen Tom, den er vor ein paar Wochen kennengelernt hatte und über seine ganze Familie. Auch über seine Mutter, diese arrogante Schnepfe, entschuldigte den Ausdruck, aber Kilrian sah sie nicht anders und wie er überhaupt zum Callboy geworden war. Ich fing an ihn in einem anderen Licht zu sehen. Seine Lebenserfahrung, die er bis jetzt gemacht hatte, und er war gerade mal 23, reichte für zwei Leben aus. Ich würde lügen, wenn ich jetzt gerade in diesem Moment mir keinen tiefen Brunnen wünschte und hinein klettern wollte.

 

Minutenlang saß ich in seinem Wohnzimmer auf der Couch und betrachte das Inventar. Auch wenn er im Monat recht gut verdiente, so reichte es unterm Nullstrich nicht aus um vernünftig Leben zu können. Er musste an die zwanzig bis fünfundzwanzig Angestellte bezahlen, wenn nicht mehr. Dann die Kosten des Hotels. Allein die Kosten für Strom, Gas und Wasser. Noch dazu, und dies war der wirkliche Schlag für mich, bezahlte er den Lebensunterhalt seiner Mutter sowie die ganzen medizinischen Behandlungen für seinen Vater.

Dies war im Moment meine Hochrechnung, wie es sich tatsächlich verhielt erfuhr ich schon kurze Zeit später, nachdem ich seinem Laptop in Betrieb nahm.

Zuvor, als ich die Betriebsanleitung für die Kaffeemaschine gesucht hatte, hatte ich die ganzen Ordner nicht gesehen, doch jetzt erlangten sie meine Aufmerksamkeit. Und ich stieß einen Pfiff aus.

“Ach du Scheiße!”, entkam es mir, es dauerte nicht lange bis ich die gesamte Rechnung fertig hatte. Einige Fehler aus seiner Denkweise entfernte und komplett die gesamten Einnahmen und Ausnahmen zusammengestellt hatte.

Im Großen und Ganzen, wenn er es so handhabte, wie ich es gerade ausgerechnet hatte, so blieb ihm im Durchschnitt, je, wie der Monat ausfiel, nicht viel übrig. Natürlich hatte ich den Durchschnitt seines Verdienstes als Callboy mit einbezogen. Nicht gerade viel das da übrig blieb um richtig Leben zu können. Mein monatliches Taschengeld war höher, zumindest bevor die Konten gesperrt worden waren.

Nachdem ich die Rechnung ein paar Mal überflogen habe, zog ich die Datei auf einem Stick und suchte nach einen Drucker. Oh Mann! Hätte ich mir doch denken können, dass, wenn es hier so spartanisch eingerichtet war, auch bestimmt kein Drucker vorhanden wäre. Meine Güte und ich wollte mich schon zur Rezeption begeben als mir ein anderer Ordner ins Auge stach.

Ich klickte darauf und eine Menge Fotos öffneten sich. Ich scrollte sie rauf und runter, es waren langweilige Familienfotos. Aber bei einem blieb ich hängen. Bei einem eingescannten Bild, welches ein kleiner Junge mit etwas drei, vier Jahren zeigte und einem Baby. Bei den dunklen-braunen Augen schloss ich auf Kilrian und das Baby? Ich hoffte inständig dass es Mario war. Ja, es war Mario. Seine blauen Augen würde ich überall erkennen, ich schmunzelte.

“Tja mein kleiner Luzifer. Ich soll ein Nacktfoto von der besagten Person erlangen? Leider sagtest du nicht in welchem Alter die Person auf dem Foto sein muss.”

Marie war immer noch an der Rezeption so fragte ich sie, ob sie mir die Dateien, welche auf dem Stick sei ausdrucken könne. Leicht ungläubig willigte sie ein und tat es.

“Was tust du hier?”

Erschrocken drehte ich mich zu ihm um und lächelte. Mich wunderte es, dass er mich überhaupt angesprochen hatte. Vor allem aber fragte ich mich langsam, wie oft er hier arbeiten musste.

“Wirst du später sehen.”, mehr sagte ich nicht. Und drehte mich zum Drucker, der inzwischen schon mit seiner Arbeit fertig war.

So schnell ich konnte und bevor Mario auch nur einen Blick auf das Bild werfen konnte, faltete ich es zusammen und steckte es in meine Hosentasche.

“Wo ist Kilrian?”, fragte ich ihn und seine wundervollen blauen Augen verdunkelten sich und ich konnte sehen, dass ein wilder Sturm in ihnen herrschte.

“Noch nicht Sam! Du musst dich noch gedulden. Auch wenn es noch so schwer für dich ist. Und Sam, mach dich auf eine Triade von ihm gefasst, so etwas hast du in deinem Leben noch nie erlebt. Dieser Sturm, der in seinen Augen hauste ist nur der Anfang.”, sagte ich zu mir selber und versuchte zu lächeln.

“Im Büro!”, war nur seine Antwort und ich nickte. Ging in Richtung des Büros und hatte dabei alle Hände damit zu tun mich zu beruhigen.

Ich klopfte an und hörte wie Kilrian “Herein” sagte. Ich betrat das Büro und sah, dass er telefonierte und zwar mit seinem Handy, welches er für seine andere Tätigkeit benutzte. Er sprach Englisch. Kurze Zeit später legte er auf und fragte was ich von ihm wollte. Ich überreichte ihm den Zettel mit meiner Rechnung und bevor er einen Blick darauf warf meinte er:

“Es ist aber nicht schon wieder eine Wette?”

“Nein!”

Er las es sich durch und sofort spannte seine Haltung sich an. “Hat man dir nicht beigebracht, dass man nicht in Sachen von anderen Leuten herumschnüffelt.”

Schock und Scheiße. “Tschuldige, ich war auf der Suche nach einer Bedienungsanleitung und da bin ich drauf gestoßen, … und na … ja … mir sind dann einige Fehler aufgefallen, die mich dann die ganze Zeit verfolgt haben. Fotografisches Gedächtnis, … Sorry!”

Er schnaufte nur und überflog noch einmal den Zettel. Er deutete mir nur an, dass ich mich setzen sollte und irgendwann erhellte sich doch sein Gesicht.

“Sag mal, da du ja mehr oder weniger obdachlos bist, … was hältst du von einem Deal?”

“Deal?”

Er nickte und legte den Zettel weg.

“Ja ich könnte so etwas wie einen Sekretär gebrauchen, …!”

“Was willst du damit sagen?”

“Du arbeitest für mich.”

War das ein Scherz? Er beachtete mich gar nicht und sprach weiter. “ - du bekommst den tariflichen Mindestlohn, hast aber Kost und Logie frei. Du wirst zweimal im Monat immer eine solche Rechnung aufstellen. Hast Zugang zu sämtliche Konten. Übernimmst die Kontenbewegung und kontrollierst die Einnahmen und Ausgaben. - Was hältst du davon?”

Ich war sprachlos und er blickte mir nur ruhig in die Augen.

“Was ist? Das ist doch für dich ein Klacks und du kannst in die Schule gehen und später auf die Universität.”

Ok! Da mir im Moment eh nichts anderes blieb, ging ich darauf ein. Wenn auch widerwillig. Na toll, ich arbeitete jetzt für Mr. Arrogant, Mr. Perfekt.

“Ich bekomme aber ein extra Zimmer, …!”

Er grinste und lachte sogleich drauf los.

“Das lässt sich einrichten und wenn du willst, sogar mit einem Doppelbett.“

“Nun, was hältst du davon wenn ich das Zimmer in der dritten Etage bekomme.” Jetzt entgleiten ihm die Gesichtszüge.

“Nein! Das ist das VIP-Zimmer. Das kann ich nicht hergeben, aber ich habe ein ähnliches, dass sollte für deinen ehemaligen Stand ausreichen.”

Ehemaligen Stand, wie sich das anhörte. Aber er hatte ja Recht. Was war ich jetzt schon? Wie er es auf den Tisch gebracht hatte, war ich mehr oder weniger obdachlos. Wenn Kilrian mir nicht erlaubt hätte bei ihm zu übernachten, wo hätte ich die letzte Nacht verbracht? Tja keine Ahnung.

Keine Stunde später bezog ich mein neues “Heim”, war wohl das zweitbeste Zimmer in seinem Hotel. Es war ein Apartment und die Aussicht konnte sich sehen lassen. Er machte mich noch mit einigen Gepflogenheiten bekannt. In etwas wie, Frühstück gibt es nur von 7:00 - 9:30 Uhr. Mittagessen von 11:30 - 13:30 und das Abendessen von 17:30 - 22:00. Sollte ich später Hunger haben, musste und durfte ich sogar mir selbst etwas machen. Denn ich hatte Zugang zu allem. Bier, Wein und den anderen Getränken, die im Keller standen.

“Fühle dich wie zuhause.”

Ich nickte und bevor ich richtig darüber überlegen konnte lud ich ihn und Mario zur “Einweihung” ein. Er grinste, nickte schließlich und verließ das Zimmer.

 

So begann ein neuer Abschnitt meines Lebens und ich fing an meine Koffer auszupacken.

Viel war es ja nicht. Nur ein paar Klamotten, die ich auf die Schnelle eingepackt hatte. Meine anderen Sachen würde ich mir nach und nach herholen. Ich hatte hier in diesem Zimmer sogar noch mehr Platz, als in meinem alten.

Ich wohnte hier, in diesem Fünfsterne Hotel. In einem VIP-Zimmer und das noch umsonst. Nein! Umsonst war es nicht. Ich muss für Kilrian arbeiten. Aber im Moment war mir das egal. Hatte ich vorher nichts mehr, so hatte ich jetzt mehr. Um einiges mehr.

 

Es ging schon auf Abend als die Tür aufgeschlossen wurde.

“Mario du kennst dich aus!”, hörte ich Kilrian.

“Also wegen diesem einem Zimmers, brauchst du mich? Das hättest du auch selbst herrichten können. Außerdem wurde es gestern ges…!”, weiter kam er nicht als er mich sah. Schluckte kräftig und blickte von seinem Cousin zu mir. Kilrian hatte die Tür bereits geschlossen. Er zuckte nur mit den Schultern und meinte:

“Wenn ich gesagt hätte, dass du eine Einweihungsparty veranstalten möchtest, wäre er nie gekommen.”

“Einweihungs… was?”

Ich nickte, wusste aber nicht, wie ich seinen Blick deuten sollte. Mario war so unnahbar geworden, dass selbst mir Angst wurde. Und doch ließ er sich auf die lederbezogenen Sessel nieder und versank in seinen Gedanken.

Irgendwann kam Paul, der uns Essen und drei Flaschen von dem besten Champagner brachte, herein und stellte es auf dem Tisch ab.

Wir stießen an und ich sah, wie Mario den feinen Tropfen einfach hinunter kippte. Dies war genauso schlimm, als ob er von einem Eis abbeißen würde.

Gänsehaut überzog mich. Doch jetzt wusste ich auch warum ich so reagierte. Ich wollte mehr davon sehen. Ich wollte es mir vorstellen, wollte genießen. Mein Blick blieb an seinem Kehlkopf haften, ich leckte mir leicht über die Lippen.

Nachdem er das erste Glas ausgetrunken hatte schenkte er sich ein weiteres ein und dieses goss er sich genauso hinunter. Gott! War ich froh, dass ich ein legeres T-Shirt an hatte, das mir sehr großzügig über die Hüften ging.

Mario saß auf dem Sessel und aus seiner Röte, die sich einstellte, konnte ich nicht schließen, dass er verlegen war, sondern dass der Alkohol daraus sprach. Ich lächelte als er sich erneut ein Glas einschenkte. Sich über die Augen rieb und überall und nirgends mit seinen Gedanken war. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Kilrian leicht lächelte und sich daraufhin verabschiedete. Mir noch einmal auf die Schulter klopfte und aus dem Zimmer verschwand.

Mario war zu angesäuselt als dass er etwas davon mitbekam. Ich selbst hievte mich von meinem Sessel und setzte mich neben ihn. Wartete bis ich seine Aufmerksamkeit hatte und bemerkte wie er unbeholfen etwas von mir wegrutschte.

“Ich trinke noch aus und dann gehe ich heim!”, murmelte er und ich schloss für einen kurzen Moment meine Augen. Auch wenn ich nicht aufhören wollte ihn zu betrachten, so musste ich jetzt wirklich über meinen Schatten springen. Zog das Foto aus meiner Hosentasche, faltete es auseinander und hielt es ihm unter die Nase. Stand im gleichen Atemzug auf und versperrte mit meinem Körper vorsorglich die Tür. Auch wenn ich jetzt nicht richtig einschätzen konnte, wie Mario sich verhielt.

“Woher, … hast, …!”

“Ich hatte heute etwas Zeit!”, meine Stimme war krächzend und ich stellte mich bereits auf die 11te Aufgabe ein.

Jetzt war es soweit. Jetzt gab es kein Zurück mehr und ich stellte mich auf das Kommende ein.

Mario wandte seinen Blick von mir und biss sich wieder auf die Lippe.

“Kilrian, … Sam ich will, … Die Wette ist ungül, …”

“Nein! Sag es. Ich will es hören, …!”, langsam ging ich auf ihn zu. Denn irgendwie wusste ich, dass er nicht flüchten würde. Er schüttelte mit dem Kopf.

“Ich kann nicht mehr. Du, … du, … Kilrian spukt große Töne über dich, …!”

“Sag es!”, ich stand vor ihm und beugte mich zu ihm runter und stützte meine Hände rechts und links neben ihm auf. Blickte ihm in seine blauen Augen.

“Sag es. Jetzt!”

Er blickte zur Seite und seine Lippen waren rot vom rumbeißen. Scheiße, diese Lippen waren zum anbeißen.

“Aufgabe 10 bestanden. - Ab jetzt hast du genau, …” Ich nahm sein Kinn in die Hände, drückte sein Gesicht in meine Richtung und wir blickten uns tief in die Augen.

“… sieben Tage Zeit, um Aufgabe 11 zu bestehen.”

“So lange brauche ich nicht!” raunte ich.

 

 

Kein Zurück

Aufgabe 11:

Einen leidenschaftlichen Kuss von der besagten Person erlangen.

 

Ich wusste nicht, wie es um mich geschah. Alles drehte sich, alles strömte und pochte doppelt so schnell wie normal. Mario saß vor mir. Ich sah, wie seine Brust sich hob und senkte. Mehr noch! Diesen rötlichen Schimmer auf seinen Wangen, zeugte nun nicht mehr vom Alkohol.

Mein Mund war ausgetrocknet. Unbedarft leckte ich über meine Lippen. Mario stockte der Atem. Jetzt oder nie! Ich hatte noch nie geküsst. Zumindest keinen Mann geküsst. Premiere. Wiedermal.

Langsam beugte ich mich weiter zu ihm runter. Sekunden, wenn nicht nur Hundertstel hielten mich vor dem Kommenden ab. Nah. Ich roch seinen Atem. Süßlich. Gekennzeichnet vom Champagner. Näher, …

 

Mario stieß mich weg. Sprang von dem Sessel auf und funkelte mich böse an.

“Nein!”, war alles was er sagte und flüchtete zur Tür.

Die Welt stand still. Ich begriff nichts.

“Samuel ich will mit dir nichts mehr zu tun haben! Lass mich in Ruhe und die Wette ist vorbei, … - Ich hätte die Wette schon lange annullieren sollen!”

Noch einmal, ... ich hatte nicht alles verstanden.

“Mario!” flüsterte ich, doch er war schon weg. Länger als normal starrte ich auf die geschlossene Tür und meine Beine gaben nach. Ich sank zu Boden und der Schmerz den ich in meiner Brust spürte zerriss mich.

Wette? Es war schon lange keine Wette mehr und doch. Mario hatte sie annulliert. Er durfte es, er war der Wettvorgeber.

 

Wie viele Tage schon sperrte ich mich in diesem Zimmer ein? Ich wusste es nicht. Mir war es egal. Der Fernseher gab auch nichts Besonderes her und ich starrte nur aus dem Fenster.

Ich sah die Aussicht nicht und der blaue Himmel fing an mich zu nerven.

Heute wollte ich meine restlichen Sachen holen. Doch mein Elan hatte sich, wie ich selbst, in die hinterste Ecke verkrochen. Nur ein kleines bisschen lugte er hervor aber verschwand sogleich wieder.

Als ich meine Notdurft verrichtet hatte und mir mein Spiegelbild entgegenblickte, war ich geschockt. Mich blickte nicht der Sunnyboy Samuel an. Ein anderes Individuum, das ich war, ich aber nicht erkannte. Die Haare ungepflegt und strähnig. Die Bartstoppeln konnten man schon nicht mehr als Dreitagebart einordnen und meine sonst so weißen Zähne verfärbten sich langsam gelb. Dunkle Augenringe zeugten von vielen durchwachten Nächten.

“Ich habe es verkackt!”, murmelte ich dem Penner im Spiegel zu und dieser nickte.

“Ja das hast du!”, gab er mir zur Antwort. Und doch, in seinen Augen blitzte etwas Leuchtendes auf. “Es ist noch nicht das Ende aller Tage!”, hörte ich ihn flüstern und ich suchte nach dem Einwegrasierer.

 

Nachdem ich einigermaßen wieder ansehnlich war, ging ich zur Rezeption. Diesmal stand Kilrian dort und sein Blick sagte mir, dass er Bescheid wusste.

“Du siehst so was von Scheiße aus!”

Ich zuckte nur mit den Schultern und brachte mein Anliegen vor. Er willigte ein und ich fragte mich, wann er sich ein neues Auto gekauft hatte. Aber das rutschte wieder in die hinterste Ecke meines Verstandes. So musste ich mir kein Taxi bestellen und dies würde bestimmt etwas teuer werden. Weil ich ein paar Mal hin und her fahren musste um meine ganzen Sachen herzubringen.

Die Fahrt verlief schweigend bis er auf dem Parkplatz meines Elternhauses vorfuhr. Wir stiegen aus, zudem hatte sich auch noch dazu bereit erklärt, mir beim Packen zu helfen.

Ich klingelte und die neue Haushälterin, ich war überrascht, … Sonja, Sofie oder Susi, ich wusste immer noch nicht, wie sie hieß, machte uns auf. Meine Eltern finden wohl keinen besseren Ersatz für Ela und mussten sich mit ihr weiter ärgern. Jeder wie er es verdiente.

“Herr Höllesing befindet sich in einem Gespräch.”

Ich schnitt ihr das Wort ab.

“Ich möchte nicht zu meinem Vater!”, und bahnte mir meinen Weg in Richtung meines ehemaligen Zimmers.

“Herr Höllesing. Ihnen ist es nicht gestattet, dieses Haus zu betreten!”

“Es wäre mir eine Freude, wenn Sie sich bequemen würden und uns ein Paar Kartons aus dem Keller hoch schaffen könnten. Da ginge es schneller und wir würden wieder verschwinden.”

“Aber, …”

Ich hörte wie die Tür des Arbeitszimmers sich öffnete. Mein Vater mit einem Mann herauskam und ich erkannte diesen wieder. Es war der Mann, Peter Stein, der meinem Vater die Visitenkarte gegeben hatte. Er stockte in seiner Bewegung und musterte meine Begleitung. Kurz schmunzelte er und als ich Kilrian ansah, konnte ich eins und eins zusammenzählen. Ich verdrehte nur die Augen.

“Samuel! Was machst du hier. Du hast hier nichts mehr verloren!”

“Ich weiß. Ich bin nur hier um meine restlichen Sachen zu holen. Wenn du erlaubst Vater.”

“Ist das dein Lover?”

Also auf diese Frage war ich überhaupt nicht gefasst und kicherte los. Vor allem, weil er es öffentlich, vor einem von seinem Geschäftspartner, bekannt gab, dass ich schwul war.

“Denkst du jetzt bei jeder männlichen Begleitung von mir, dass es mein Liebhaber ist? Und nein Vater. Er ist der Cousin von Mario. Mario kennst du doch noch, oder?”

 

Die Haushälterin kam mit ein paar Kartons wieder und die Unterhaltung war versiegt. Mein Vater deutete mir nur an, dass ich meine Sachen zu holen hätte und wieder verschwinden sollte.

Ich hörte, wie Kilrians Handy losging. Dieses mit den typischen Klingelton, er es aber ignorierte.

“Willst du nicht rangehen?”

Er schüttelte mit dem Kopf und grinste mich an.

“Ich kann mir denken, wer es ist!”

Ich sah, wie der Geschäftspartner von meinem Vater leicht zusammenzuckt. Ich tief einschnaufte und mir jetzt endgültig den Weg zu meinem Zimmer bahnte.

Kilrian blickte sich um und darauf folgte ein Pfiff.

“Du meine Güte!”, murmelte er.

“Was ist?”

Er holte nur mit seinen Armen aus. “Dieser Luxus und jetzt bewohnst du eine einfach Suite.”

“Deine Suite hat mehr Komfort und Luxus, als dieses Zimmer.”

“Na wenn du meinst!”

Die Kartons, die uns die Haushälterin gebracht hatte, waren bald befüllt und ich machte mich daran, den ersten zu Kilrians Wagen zu schaffen. Eigentlich dachte ich, dass Kilrian mit dem nächsten Karton nachkam, aber wahrscheinlich packte er weiter ein. Ich ging wieder zurück.

“Warum bist du so kalt.”, hörte ich Vaters Geschäftspartner aus meinen Zimmer reden.

“Du kennst die Regel. Halte dich daran!”, Scheiße, der Typ musste Kilrian auf den Schlips getreten sein.

“Zeth, …!”

“Du bist dabei die Regeln zu überschreiten. Solange ich privat bin, kennen wir uns nicht.”

… ich atmete tief ein und betrat mein Zimmer.

“Wie schauts aus? Haben wir alles?”

Kilrian erschrak leicht und ich tat so, als ob ich überrascht sei, Peter Stein, in meinem ehemaligen Zimmer zu sehen.

“Herr Stein?!”

Er verabschiedete sich und ging. Lange musterte ich Kilrian und schüttelte anschließend den Kopf. Prustete und machte mich daran, den nächsten Karton hinauszuschleppen. Ja verdammt. Wie er es schon gesagt hatte “- gewöhne dich daran”. ist aber nicht besonders leicht, es zu wissen, seine Kunden kennenzulernen oder schon zu kennen. Mensch Kerl gib mir ne Pause und vor allem Zeit.

 

Kilrian beorderte einige seiner Angestellten, um meine Kartons ins Zimmer zu bringen. Und ich fühlte mich schuldig. Er sah es mir an und klopfte, mir schon, inzwischen irgendwie vertraut, auf die Schulter.

“Danke!”, sagte er nur und sein Blick sprach Bände.

“Keine Ursache!”, meinte ich denn ich wusste, was er meinte. Er wurde schon einmal nicht nach seinen aufgestellten Regeln behandelt. Doch dies behielt ich für mich. Wenn die Zeit kommt, wird Kilrian selbst darüber reden.

Ich selbst zog mich ins Zimmer zurück und fing an, meine persönlichen Sachen auszuräumen. War doch mehr, als anfänglich gedacht.

Nach einigen Stunden war ich fertig und ging in das Gasthaus. Inzwischen kannte mich schon die Hälfte der Angestellten, sie waren mir gegenüber auch nicht mehr so steif. War ich froh. Auch huschte das Persönliche öfters durch und ich bestellte mir etwas zu Essen. Ich hätte auch einfach in die Küche gehen können und mir was nehmen, aber warum sollte ich die Vorzüge nicht genießen. Sicherlich, und das wusste ich, wurde mir nicht so viel Beachtung geschenkt. Der Gast ist König und dies war ich eben nicht. Und das bekam ich auch zu spüren. Paul kam auf mich zu und bat mich in die Küche zu gehen, weil der Dreiertisch gebraucht wurde. Ich nickte und begab mich in die Küche. Dort stand auf dem Tisch bereits mein Teller und der Koch nickte mir freundlich zu. Nur blieb es dabei nicht.

“Wenn du gegessen hast. Kannst du das Geschirr wegmachen?!”

Ich nickte nur, mir war es recht. So verging ich nicht vor Langeweile und meine Gedanken bekamen Ruhe vor den blauen Augen. Die, auch wenn ich es versuchte sie zu verdrängen, stetig in meinem Hinterkopf anklopften. Mir dadurch einen Stich ins Herz jagten und ich mich immer wieder fragte, was hatte ich nur falsch gemacht.

Gott ich vermisste ihn so sehr. Er ging, wie eh und je, nicht an sein Handy und wenn ich bei ihm daheim anrief, sagte seine Mutter nur, Mario wäre nicht da. Und wenn ich nachfragte, wo er sein könnte, bekam ich immer die gleiche Antwort. Er wird bei seinem Cousin sein oder in der Stadt unterwegs, oder ich weiß es nicht. Aber ich hörte an ihrer Stimme, dass sie mich anlog und resigniert legte ich immer wieder auf.

Da blieb mir nur eine einzige Möglichkeit. Ich blickte auf die Uhr. Frühzeitig. Ich könnte es noch schaffen. Ging an meinem Kleiderschrank und zog mich um. Es wurde langsam zur Gewohnheit, wenn ich daheim war, dass ich mich nicht, wie bei meinen Eltern, wie aus dem Ei gepellt anzog, sondern in Schlabberlook war.

Stürmte aus dem Zimmer und klopfte an der Tür von Kilrian an. Ich wusste, dass er sich ein paar Stunden frei genommen hatte und wartete nicht bis er mich reinrief.

Ich schaute mich um und erblickte ihn auf der Couch. Er schlief. Der Fernseher lief und erst jetzt bemerkte ich kalten Zigarettenrauch. Seit wann rauchte er? Ich hatte ihn noch nie mit einer Zigarette gesehen. Aber der benutzte Aschenbecher überzeugte mich eines anderen.

“Kilrian entschuldige, aber könnte ich deine Autoschlüssel haben?”

“Auf der Ablage. Flur!”, murmelte er nur und drehte sich auf die andere Seite. Die Decke rutschte ihm über die Hüfte und offenbarte mir einen Blick. Herr Gott! Muss die ganze Familie nackt schlafen? Ich wendete mich von seinen Rundungen ab. Dennoch blieb es bei mir nicht gerade unbemerkt. Raus oder ich vergesse mich. Ich war immer draufgängerisch, aber ich wollte absolut nicht meine eh schon angeknackste Kontrolle verlieren. Es war kein Spaß mehr. Schon lange nicht mehr und dieser Arsch, hatte mir den restlichen Nebel vor meinen Augen verscheucht. Arsch … Scheiße. Ich hoffte nur noch, dass ich mit ihm reden konnte, ohne über seinen Hintern nachdenken zu müssen. Ich hatte ihm vieles zu verdanken um wegen meiner unzulänglichen Selbstkontrolle alles zu verlieren, das wollte ich auf keinen Fall. Krampfhaft rief ich mir Mario ins Gedächtnis. Brauchte keine Anstrengung dafür, denn sofort waren seine blauen Augen wieder da. Sein stoßweißer Atmen und sein leichter rötlicher Teint. Warum heizte ich mich jetzt selbst auf? Ich wusste es nicht, aber ich brauchte es. Ja ich brauchte diese Gewissheit, dieses Gefühl. Ich wollte ihm vermitteln, dass es für mich auch schon lang keine Wette mehr war. Ich aber selbst zu stolz war, dies zuzugeben. Ich dazu beigetragen habe, ich ihn von mir weggejagt hatte. Gott ich war ein Arsch. Ich wusste das Mario eifersüchtig war und ich spielte damit. Ich förderte es sogar um diese bescheuerte Wette zu gewinnen. Ich war mir zu sicher und am Ende hatte ich mich einfach selbst überschätzt. Hatte nicht an seine Gefühle gedacht, die, wie es sich herausstellte sehr stark für mich waren.

Wie wäre die Wette verlaufen, wenn ich ihm gleich reinen Wein eingeschenkt hätte? Ich wusste es nicht aber ich wusste, dass ich ihn jetzt sehen musste. Mit ihm sprechen, ihm meine Gefühle offenbaren. Ich konnte nicht anders.

Ich parkte das Auto vor der Schule und blickte noch einmal auf die Uhr. Fünf Minuten und es war Schulschluss. Ich stieg aus und lehnte mich an den Wagen. Zog meine Sonnenbrille auf meiner Nase zurecht und sofort sah ich, wie Mario, mehr schnell als recht, die Schule verließ. Lange brauchte ich nicht zu überlegen. Die Schlägertypen waren ihm auf den Fersen. Kevin, Melvin und all die anderen. Was hatte Mario jetzt schon wieder angestellt? Ich stieß mich vom Auto ab und ging ihm entgegen. Er rannte auf mich zu und das Erste was ich sah, war das seine Nase blutete. Wut stieg in mir auf. Mehr! Unsagbarer Zorn. Wer hatte es gewagt diese zierliche Nase zu berühren, ich stellte mich den Typen entgegen.

Kevin grinste mich an und ich nahm meine Sonnenbrille in die Hand und betrachtete sie kurz.

“Was habe ich gesagt, was passiert? Wenn ihr Mario noch einmal anrührt oder ihr ihn auch nur schief anschaut?”

“Oh jetzt habe ich aber Angst?”, entgegnete mir Kevin und ich wusste, er war sich seiner Sache so sicher. Nur leider und dies hatte er vergessen, galt die einstweilige Verfügung nicht mehr. Meine zwei Jahre auf Bewährung, waren vorbei. Ich schmunzelte und sagte zu Mario, dass er sich ins Auto setzen sollte, ließ die Typen aber nicht aus den Augen.

“Solltest du!”, und bevor ich zu Ende gesprochen hatte, setzte meine Faust auf seinem Kinn auf. Es kam so schnell, dass seine Kumpels erschraken.

“Scheiße Samuel, … bist du wahnsinnig!”, schrie Melvin und ich drehte mich grinsend zu ihm um.

“So ich bin wahnsinnig? Aber zu viert auf einem los gehen.”

“Er hat es nicht anders verdient diese Schwuchtel.”

Alles setzte bei mir aus. Ich war nicht mehr ich und gab mir eine Prügelei mit den vier Typen. Erst als ein Lehrer in das Geschehen eingriff, erlangte ich wieder meine Kontrolle. Kevin lag gekrümmt auf dem Boden. Melvin hielt sich seine Nase und die anderen zwei nahmen Reißaus.

“Samuel, was hast du dir dabei gedacht?”, fragte mich mein Klassenlehrer und überreichte mir ein Taschentuch. “Ich muss dass deinen Eltern melden!”

“Brauchen Sie nicht. Ich übernehme die ganze Verantwortung.”

Der Lehrer bat uns in sein Büro und fragte einen nach dem anderen aus.

Am Ende kam unterm Strich gar nichts raus. Kevin und Melvin hielten dicht und wir ebenfalls. Schnaufend und kopfschüttelnd entließ er uns.

Als ich das Auto startete blickte Mario aus dem Fenster. Schon vorher sah ich ein kleines Veilchen, welches sein Auge zierte und wieder quoll diese Wut in meiner Magengegend auf.

“Sag mal, wie lange verfolgen sie dich schon wieder?”

“Misch dich da nicht ein!”, bekam ich zur Antwort und ich biss mir auf die Zunge.

“Mario!”

“Hör auf! Hör einfach auf. Ich schaffe das auch ohne eine Mutter Theresa. Ok!”

Tja wenn das so einfach wäre. “Es sind noch drei Wochen bis zu den Prüfungen. Willst du die restlichen Zeit als Punshingball fungieren?”

“Ich sagte bereits. Halte. Dich. Daraus! Es ist mein Ding.”

“Sicher, wie du meinst. Dann renne ewig vor solchen Hetero gesteuerten Arschlöcher weg,… !”

Er zuckte zusammen und starrte mich fassungslos an. Kurz erwiderte ich seinen Blick, doch ich musste mich auf den Verkehr konzentrieren.

 

Ich bog auf die Auffahrt zum Hotel ein, und verfluchte, dass das Auto keine Klimaanlage besaß. Auf Marios Stirn bildeten sich Schweißperlen und ich schimpfte innerlich, als er sie mit einem Taschentuch abwischte. So rosig, seine Wangen mit diesem Schweißfilm überzogen. Gott!

“Das kannst du doch gar nicht nachvollziehen! Du der nur Hotpants und kurzen Röcken hinterher geschaut hatte. High-Heels und BHs die kaum etwas verdeckten.”

Wa??? Ich war sprachlos. Nein Perplex. Oder noch eine Steigerung dessen.

Das Auto parkte ich auf Kilrians Privatparkplatz und kaum das ich hielt stieg Mario aus. Erst jetzt verstand ich es. Der Hirni hatte nichts begriffen. Er war eifersüchtig, aber von so was hinterm Wald, dass es mir persönlich schon wieder wehtat.

“Scheiße Mario!”, fluchte ich vor mich hin und stieg ebenfalls aus.

Zuerst dachte ich, dass er durch den Hintereingang ins Hotel ging, doch aus dem Augenwinkel sah ich, wie er den Weg zum Weiher einschlug. Ich folgte ihm und rief seinen Namen.

Er reagierte anfänglich nicht und als ich nicht nachließ, drehte er sich zu mir um.

“Geh. Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich mit dir nichts mehr zu tun haben will. Unsere Freundschaft ist beendet.”

Gott der nervt und trotz dieser verkackten Situation musste ich schmunzeln. Er führte sich auf wie eine Tussi, der man auf dem Schwanz getreten hat. Nun ja, irgend etwas an diesem Vergleich stimmte nicht. Tussi - Schwanz?

“Ja! Ich weiß!”

Ruckartig blickte er mich an und ich müsste lügen, wenn dort unter seiner Wimpern nicht so etwas wie eine Träne war.

“Und was machst du dann noch hier? Hast du nichts Besseres mit deiner Zeit anzufangen, als mir hinterher zu laufen.”

“Nun, wenn ich es genau betrachte. Nein!”

“Macht es dir Spaß! Oh ich verstehe. Du läufst mir hinterher, um mir zu berichten, dass du es geschafft hast, der besagten Person einen Kuss abzujagen. Leider kann ich diese Aufgabe nicht als bestanden ansehen, weil Kilrian mir diesbezüglich immer ausweicht.”

Er war zu köstlich und ich musste mich zusammen nehmen um nicht lauthals loszulachen. Außerdem hatte die Wette keinen Bestand mehr und doch, wenn er jetzt damit ankam, … Ich rechnete die Tage aus von meiner Einweihungsparty ab, heute war der letzte Tag um diese Aufgabe zu bestehen. Mario hatte vergessen, dass er die Wette annulliert hatte.

“Mario, Kilrian weicht dir nicht aus. Es gab noch keinen Kuss, …!”, langsam ging ich auf ihn zu. Er stand da, wie ein kleines trotziges Kind. In der Regel würde ich ihn jetzt aufziehen und zwar solange, bis er einen Lachanfall bekam. Doch jetzt war mir die Situation wichtig. Sie war Ernst und ich ging weiter auf ihn zu.

“Na dann los. Du hast nur noch vier Stunden, …!”

Ich schüttelte den Kopf.

“Sei mir nicht böse, aber ich werde wohl bei der vorletzten Aufgabe scheitern.”, jetzt stand ich vor ihm und sah, dass er versuchte die Tränen zu unterdrücken.

“Mario, wie lange willst du es noch weitertreiben. Du weißt doch selbst, dass ich die Wette schon bei der Bewältigung der ersten Aufgabe verloren hatte.”

“Nein hast du nicht.”

Ich nickte mit dem Kopf und bevor er einen Schritt weg machen konnte, zog ich ihn an mich. Drückte seine Armen hinter den Rücken und umgriff seine beiden Handgelenke mit nur einer Hand. Er war so schmal, dass es für mich ein leichtes war. Mit der anderen Hand nahm ich sein Kinn und drückte seinen Kopf zu mir hoch.

“Doch habe ich!”, ich sah, wie er schluckte und blickte tief in seine Augen.

Seine Lippen zogen mich magisch an. Ihre schwungvolle Wölbung lud mich ein. Ich kam ihm zu nahe und er versuchte sich aus meinem Griff zu lösen.

“Habe ich Recht? Ich habe verloren.”

Wieder schluckte er und ich sah auf seinen Hals, wollte zubeißen.

“Sa …!”, weiter kam er nicht. Sanft, gleich einer Feder berührten sich unsere Lippen. Immer und immer wieder stupste ich ihn an. Meine Hand, die unter seinem Kinn harrte, legte ich ihm in seinen Nacken. “lass, …!”

Jetzt drückte ich ihn richtig an mich ran und dennoch war es immer noch nur ein Hauch von Berührung. Er war fassungslos. Ich spürte es und doch bemerkte ich auch eine ganz andere Regung. Langsam wenn gleich zögerlich nahm ich meine Zunge dazu. Fuhr sie langsam über seine Lippen. So lange, bis er von sich aus seinen Mund leicht öffnete. Etwas drang aus seiner Kehle und dieser Ton, nein, es war ein leises Keuchen, bescherte mir ein Hoch, wie noch nie eines gewesen war. Meine Zunge wurde fordernder und drang weiter in seinen Mund ein. Überredete seine Zunge unserem Tanz beizuwohnen und ließ seine Handgelenke los. Ohne Aufforderung umgriff er meine Hüfte. Streichelte über meinen Rücken bis er mich an sich drückte und immer verlangender wurde.

Irgendwann nach Stunden, Tage, oder sogar Wochen ließen wir voneinander los und, er war noch immer überrascht. Ich selbst blickte ihn leicht verlegen mit einem Schmunzeln an. Immer wieder hatte ich es mir ausgemalt, wie es sein könnte.

Immer wieder versuchte ich den Kuss mit den Küssen der 'Freundinnen' meiner Mutter zu vergleichen. Doch die waren nichts im Vergleich zu ihm.

Schlagartig kam mir Kilrian in den Sinn. Wie ist es für dich, wenn du Sex mit Frauen hast. Ist es erregend, ist es anregend ist es so geil, dass du ihr einen Orgasmus bescheren willst. Mit den Frauen wollte ich das nie. Sie waren nur Mittel zum Zweck.

Doch ich wusste, dass es mit Mario anders sein wird. Ich will ihn sehen, wenn er kommt. Ich will seine Lust spüren. Seinen Körper erkunden und wenn ich alles von ihm kannte, ihn damit dann in den Wahnsinn treiben.

“Verstehst du es jetzt? Mario ich danke dir.”

“Aber du und Kil, …!”

Ich würgte ihn ab indem ich ihm wieder seine Lippen mit den meinen verschloss. Und jetzt verstand er es endlich.

Wir brauchten keine Worte um uns zu verständigen. Ich wusste auch so was er sagen wollte.

 

“Aufgabe 11 bestanden.”

Ich zuckte zusammen, schob ihn etwas von mir weg, blickte in seine Augen. Mit dem hatte ich absolut nicht mehr gerechnet und bekam einen krampfartigen Lachanfall.

 

Die berühmten drei Worte

Finale Aufgabe:

Die besagte Person dazu zu bringen, dass sie 'Ich Liebe dich' sagt.

 

Ohne zu überlegen legte ich meinen Arm um seine Hüfte und zog ihn an mich ran. So eng beieinander gingen wir in Richtung des Hotels. Kilrian der aus seinem Dornröschenschlaf erwacht war blickte uns an. Zuerst dachte er wahrscheinlich an jemanden anderen, doch als wir immer näher kamen, konnte er sich ein Schmunzeln nicht unterdrücken.

„Na das hat ja lange gedauert!“, nuschelte er und verschwand wieder in seinem Hotel. Mario blickte mich fragend an und ich zuckte nur mit den Schultern.

„Was hat er damit gemeint?“

„Wahrscheinlich deine zwei Jahre, die du gebraucht hast um mich zu erobern.“

„Woher, …!“, er wurde rot und blickte wieder verlegen zu Seite.

„Egal!“ meinte ich nur und wir folgten Kilrian ins Hotel.

Mario wollte sich etwas von mir lösen, doch ich ließ ihn nicht los. Zweimal war er mir abgehauen und dieses Mal, wusste ich es zu verhindern. Nicht nach diesem Kuss. Ein Kuss, der nicht nur Liebe war, sondern Hingabe und Vertrauen. Der die berühmten drei Worte nur so rausschrie, nur für uns hörbar. Ich zog ihn zum Aufzug und - ich konnte es mir nicht erklären. Es kribbelte. Seine Nähe verursachte einen Blutstau und ich versuchte in dieser Enge etwas mehr Bewegung zu bekommen. Ich musste mich wohl doch etwas doof angestellt haben, denn Mario blickte mich schon wieder fragend an.

„Muss aufs Klo!“, meinte ich lapidar und er gab sich damit zufrieden. Obwohl ich ihm am liebsten hier und jetzt erkunden wollte. Seine Röte, sie versiegte gar nicht mehr und ich fragte mich, ob er wusste, was jetzt auf ihn zukam. Kein Zurück. Jetzt. Wenn nur der Aufzug etwas schneller wäre.

Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten und zog Mario wieder an mich heran. Suchte seine lieblichen Lippen. Forderte Einlass und forschte mit meinen Händen über seinen Rücken. Ein Schaudern durchzog ihn als ich seine Narbe erwischte. Keuchte in meinem Mund und wurde selbst fordernd. Seine Hände wanderten von meiner Brust zu meinem Bauch, weiter zu meiner Hose. Ohne es zu bemerken knöpfte er mir die Hose auf und zog den Reißverschluss auf.

Ein grinsendes Gesicht blickte mich an. Er wusste was mit mir los war. Er wusste auch, dass ich nicht auf die Toilette musste. Seine Berührungen nahmen mich gefangen. Meine Atmung beschleunigt sich und immer wenn ich seinen Mund erwischen wollte entzog er sich mir. „Luzifer“, dachte ich nur und grinste zurück.

„Dieses Spiel, spielen zwei!“, raunte ich und ich erkannte meine Stimme nicht mehr wieder. Sie war rau. Spuke sammelte sich literweise in meinem Mund als der Aufzug hielt. Mario war schneller in der Realität zurück als ich. Er blickte auf die Etagenzahl und stellte sich plötzlich vor mich hin.

Die Tür ging auf und ein älteres Ehepaar stieg ein. Mario begrüßte sie und war sofort in seinem Element als Page. Drückte auf die Etage zu der sie wollten und tapste ungeduldig von einem Fuß auf den anderen.

Das musste jetzt wohl sein. Es gab zwei Aufzüge in diesem Hotel und wir mussten gerade diesen erwischen. Nicht nur das. Mario hatte sich genau vor mich gestellte und trat einen Schritt zurück. Da er in etwa die gleiche Größe hatte wie ich, neckte er mich stetig mit seinem Hintern. „Teufel!“, dachte ich. Ich hingegen hatte alle Hände damit zu tun, meine Hände da zu lassen wo sie gerade waren. Bei mir. Versuchte meine Hose wieder zuzumachen, was unter den Umständen sich als äußerst schwierig herausstellte.

Endlich dritte Etage. Höflich verabschiedeten wir uns und stiegen aus.

Das durfte jetzt wohl wirklich nicht sein! Ist heute der Tag der offenen Türen? Ein reges Gedränge herrschte auf den Gängen oder es kam mir einfach nur so vor. Mir war selbst eine einzige Person die uns entgegen kam zu viel. Ich stand vor meiner Tür und sah, dass Kilrian ein Schild hatte aufhängen lassen auf dem „Privat“ stand.

Mit nervösen Händen, die sowieso keine Ruhe fanden, die etwas berühren mussten, die auf Erkundung gehen wollten, holte ich den Schlüssel und sperrte auf. Mario wurde immer hibbeliger und stieß mich fast in das Apartment. Er schlug die Tür zu. Ich drehte mich zu ihm um. Sein Blick fesselte mich. Pures Verlangen. Ich war überrascht. Diese zierliche Persönlichkeit wurde zum Feuersturm. Dass immer etwas in Mario züngelte war mir bewusst, nur nicht so. Er suchte mich. Seine Hände suchten mich. Nichts ließ er aus. Ich konnte nicht anders und ließ mich in seine Arme fallen. Er war fordernd und zärtlich zugleich. Seine Lippen, seine Zunge züngelte über meinen Körper. Er war erfahren und das gab mir einen Stich.

„Du bist keine Jungfrau mehr!“, stieß ich die Wörter zwischen seinen Lippen raus. Seine Augen blitzten auf.

„Habe ich nie behauptet.“

Gott! Warum sah ich in ihm ein Unschuldslamm. Jemand, der niemals eine Wässerchen trüben konnte, und jetzt das! Inzwischen hatte er mich so weit ins Zimmer geschoben, dass es nur ein kleiner Schubs benötigte und ich saß auf der Couch. Ungläubig blickte ich zu ihm auf. Das war nicht mehr Mario, den ich als schüchternen Jungen gekannt hatte. Er wurde zur Raubkatze. Er hatte seine Beute ins Visier genommen. Die Beute war ich. Geschmeidig zog er sein Shirt aus seine Lippen süffisant verzogen.

„Hast du geglaubt ich lebe in Zölibat? Sam, …?!“, fragend und wissend war seine Haltung.

„Aber du,…!“

Er schüttelte mit dem Kopf.

„Ich bin schwul, Sam. Das hängt man nicht einfach so an die große Glocke. Du magst es jetzt nicht glauben, aber ich war in einigen Beziehungen.“

Beziehungen? Dieser schmerzvolle Gedanke huschte durch mein Innerstes. Einige, ... dieses Wort noch mehr wie Beziehungen.

„Ich hatte mich in sie gestürzt, weil ich denjenigen nicht haben konnte, den ich so sehr wollte. Ich habe gefickt und habe mich ficken lassen, nur um denjenigen aus den Kopf zu bekommen.“ Er beugte sich zu mir runter und sein Geruch schlug über mir ein. Ich inhalierte ihn und wollte ihn nicht mehr freigeben.

„Deswegen hast du die Wette ins Leben gerufen?“

Er schloss die Augen und atmete tief ein.

„Die Wette war dazu gedacht, dich von mir wegzujagen. Ich wollte, dass du mir die Freundschaft kündigst. Dass du nichts mehr mit mir zu tun haben willst. Das du dich von mir abwendest. Ich wollte dich loswerden. Dich vergessen. Ich habe alles daran gesetzt. Oder zumindest versucht. Diese Aufgaben, - weißt du wie lange ich überlegt habe, welche Aufgabe die peinlichste sein könnte. Die Erniedrigendste. Doch du hast dich nicht unterkriegen lassen, du hast weiter gemacht. Ich frage mich immer wieder, wie du das geschafft hast. Sam, … schon allein das Wissen, dass du einen Mann erobern solltest, wäre eigentlich Grund genug gewesen, aber du,… du, …“

Ich schüttelte mit dem Kopf.

„Weiß du warum ich weiter gemacht habe? - wegen dir. Wie ich schon sagte, habe ich diese Wette haushoch verloren. Schon bei der ersten Aufgabe war ich gescheitert.“

Er lächelte.

„So weit hätte es gar nicht kommen sollen. Ich hatte damit gerechnet, dass du schon allein dadurch das du einen Mann erobern solltest, aufgibst oder sie gar nicht erst annimmst. - Der Einsatz war wohl doch etwas zu hoch, als dass du aufgeben würdest.“

Ich nickte

„Ja der Einsatz war hoch. Aber um nichts auf der Welt, würde ich dich aufgeben.“

Seine Mundwinkeln zuckten und ich zog ihn an mich. Sanft und verspielt berührten sich unsere Lippen und es benötigte nur einen Hauch um einen Sturm zu entfachen.

 

Diese Nacht blieb Mario bei mir und am nächsten Tag, als ich aufwachte, überraschten mich seine blaue Augen.

„Es ist ja ein Wunder, dass du überhaupt noch aufwachst!“, murrte er und ich folgte einem innerlichen Impuls. Zog ihn an mich heran und wie ausgehungert küsste ich ihn.

„Sam wir sollten uns beeilen, sonst räumen die das Frühstück weg.“

Mir war nicht nach Frühstück. Schon gar nicht nach aufstehen. Ich stieß die Decke weg und mir bot sich ein Anblick, so, so .... Ich musterte ihn und überlegte kurz. Ich hatte zwar Hunger, das stand fest, aber nicht aufs Frühstück.

„Na dann gehen wir mal frühstücken!“, raunte ich und knabberte an seinem Arm. Er kicherte und wollte sich mir entziehen, doch ich hielt ihn fest. Sein Angebot, das er mir darbot, konnte ich nicht ablehnen und ich rutschte auf ihn rauf. Nahm seine Arme und schob sie ihm über den Kopf.

„Bleib so!“, ich suchte nach seinen Lippen. Strich mit der Zunge über seinen Hals. Küsste mich hinunter zu seinen Nippeln. Sie luden mich zum Knabbern ein. Ich setzte mich auf und betrachte seinen gesamten Körper. Es war das schönste Geschenk. Morgens aufzuwachen und solch ein Prachtexemplar angeboten zu bekommen. Küsste mich runter. Zog seine weiche Haut in meinen Mund und hinterließ leichte Male. Jedes mal wurde seine Atmung schneller und sein Schwanz ragte mir schon in voller Erwartung entgegen. Mario nahm seine Arme runter und als ich seine Hand auf meinem Kopf spürte blickte ich ihn an, schüttelte mit dem Kopf und flüsterte.

„Lege deine Arme wieder hinter den Kopf!“ Seine Augen wurden schmal und doch tat er es.

Er zuckte und ich nahm ihn in meinem Mund. Überrascht keuchte Mario auf und ich verwöhnte ihn mit meiner Zunge. Züngelte in seinem Schlitz und fuhr seinen Schaft auf und ab. Knabberte an seiner blauen Ader und zog die weiche Haut seiner Eier in mich. Mario hatte die Augen geschlossen. Seine Lippen waren leicht geöffnet und er keuchte. Ich blickte ihn an und bearbeite ihn mit der Hand. Seine Beine hatte er schon auseinander gestellt und ich schob mich dazwischen. Er öffnete seine Augen und biss wieder auf seiner Lippe.

Letzte Nacht, hatten wir uns nur geküsst und gestreichelt. Stummes Abkommen.

Ich streichelte ihm über seine Beine. Berührte das Ziel meiner Begierde und drang behutsam mit einem Finger in ihn ein. Warm, eng und - er hieß mich wirklich willkommen. Mein Schwanz pulsierte. In einer Stärke, die ich bis jetzt noch nie kennengelernt hatte. Mario genoss meine Penetration und ich sah, dass er seine Arme nicht mehr lange über seinen Kopf halten konnte. Er wollte mich berühren, es mir gleichtun und so beugte ich mich ihm entgegen. Suchte seine Lippen. Willig ließ er mich ein und ich wurde von seinem Verlangen überrannt.

„Mach schon!“, stöhnte er. „sonst komme ich noch bevor du richtig angefangen hast.“

Ich grinste. „Dann komm halt. Ich baue dich schon wieder auf!“

Er schüttelte mit dem Kopf und ich vernahm so etwas wie 'Idiot'. Aber ich wollte nicht so sein und gab ihn was er wollte.

Erst zwei dann drei Finger bohrte ich in ihn und er schrie auf, sein Keuchen änderte sich und er stöhnte im Rhythmus mit.

Ich schob meine Finger auseinander und jedes Mal schrie er kurz auf.

„Willst du es so?“ Er nickte und seine Lippen formten ein „mehr“. Er war unersättlich.

„Dann bekommst du es so!“ Er schenkte mir ein lustvolles Lächeln und hob seine Beine an. So hatte ich mehr Spielraum und einen viel besseren Blick.

Seine Rosette sah fantastisch aus. Sie ging auf und zu, je nach der Bewegung meiner Finger. Der Hof meiner Begierde öffnete sich für mich und ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. Mit einem Ruck drang ich in ihn ein und er keuchte überrascht auf. Verzog leicht seinen Mund und atmete laut aus.

„Gott! Fuck!“, zischte er nur noch, doch ich sah, dass es ihm gefiel. Er umgriff meine Hüfte und gab mir den Rhythmus vor. Er schaute mich an und bei jedem Stoß den ich tätigte wurde er lauter. Er war so fantastisch eng. Es war ein unbeschreibliches Gefühl und ich wollte ihn nicht nur rammeln. Ich wollte, dass er es genoss. Sich daran aufgeilte. Seine Lust rausschrie. Immer mehr wollte. Er zog mich zu sich runter und wieder trafen sich unsere Lippen. Er biss in meine. Hart küsste er mich. Er schlang seine Beine um mich. Er wollte mich nicht gehen lassen. Er war wie ausgehungert. Seinen Hunger stillte ich und ich werde ihn immer wieder stillen. Ich habe ihn viel zu lange leiden lassen.

Er kratzte über meinen Rücken bis meine Haut brannte. Wir küssten uns nicht mehr, wir verschlangen uns regelrecht. Keine Ahnung, wie oft ich ihn gebissen hatte. Wie viele Male ich mit meinen Mund auf seine Haut gesetzt hatte. Er tat es mir gleich. Er stieß seine Nägel in meine Haut und ich spürte eine heftige Kontraktion um meinen Schwanz. Hart war seine Atmung, warm lief sein Saft der über seinen Bauch und seine Beine erdrückten mich fast.

Es war das erste Mal, dass ich mich zurückhielt. Dies wollte ich sehen. Mit ihm erleben, spüren und ich stützte mich ab. Erst langsam und behutsam und ich sah in Marios Augen, wie es für ihn war. Leichte Angst mit Lust vermischt, ich lächelte. Ich wusste nicht wie es war, aber ich konnte es mir vorstellen. Nach einem Orgasmus empfindet man doppelt so viel. Dies beinhaltet die Lust sowie den Schmerz. Der Körper ist bis auf das Äußerste gereizt.

Meine Bewegung wurde schneller. Mario schloss seine Augen. Eine Träne kullerte zum Ohr und er drückte seinen Kopf in das Kissen. Sein Hals war angespannt und jetzt schrie er. Krallte sich an mich und sagte mir damit, 'auch ich werde dich auffangen'.

 

Völlig erschöpft und außer Atem sank ich auf seine Brust. Eine Zeitlang streichelte er mir über den Rücken und über meinen Kopf.

„Ich habe Hunger!“, meinte er, ich blickte ihn an. Brach daraufhin in schallende Gelächter aus. Er zuckte nur mit den Schultern und grinste mich an. Ich hievte mich von ihm runter, auch wenn ich dadurch seine Wärme vermisste.

Wir zogen uns an und gingen in den Gastraum. Kilrian der hinter dem Tresen stand und wie üblich mit irgendjemanden telefonierte. Er blickte uns leicht fragend an. Doch dann schenkte er uns ein Lächeln.

Nun ja, jetzt konnte wir es wohl nicht mehr geheim halten und ich wollte es auch nicht. Ging auch nicht. Marios und mein Hals zeugten von unserer Zweisamkeit.

Nachdem wir gefrühstückt hatten, offenbarte Kilrian mir, dass er mich fest eingestellt hatte. Mario war leicht verdutzt und ich sagte nur, dass ich arbeiten müsste, weil ich kein offiziellen Mitglied der Familie Höllesing mehr war. Ich jetzt mittellos dastand und eine absolute Null dabei war eine Beziehungen zu führen.

Marios blaue Augen sahen traurig aus und ich wusste, was in ihm vorging. Noch bevor ich etwas dagegen erwidern konnte entschuldigte er sich mit einem Kuss. Ich strich ihm über die Haare. Wie konnte ich bis jetzt ohne ihn leben. Nein! Er war immer an meiner Seite nur richtig verstanden hatte ich es erst sehr viel später

 

Gemeinsam blickten wir über den Weiher. Eng umschlungen und seitdem wir 'offiziell zusammen' waren, gab es für uns nirgends Einhalt. Sanft hatte er seinen Kopf auf meine Schulter gebettet und ich spürte vereinzelte Tropfen. Mario weinte. Er hielt mich fest. Ich hielt ihn.

„Ich liebe dich!“, murmelte er. Mein Herz sprang in eine ganz andere Region und ich hob seinen Kopf. Wischte seine Tränen ab. Küsste seine Stupsnase.

„Ja ich weiß!“, gluckste ich ihm entgegen und erst jetzt wurde es ihm bewusst, was er gesagt hatte.

„Ach du Scheiße!“, böse funkelte er mich an und riss sich von mir los. Doch ich bekam ihn noch zu packen.

Suchte forsch nach seinen Lippen. Er liebte die etwas harte Tour. Drückte ihn fest an mich heran, damit er mich spürte, damit er wusste, wie es für mich war. Knetete seine Backen und rieb mich an ihn.

„Luzifer. Du kleiner Teufel.“, raunte ich und ich wollte ihn sofort wieder für mich beanspruchen.

„Glaubst du wirklich, dass ich dich jetzt noch gehen lasse? Nachdem du „Ich liebe dich“ gesagt hast?“

Er schnaufte und rückte etwas von mir ab. Blaue Augen musterten mich und ich versank in ihnen.

„Ich liebe dich! - Mario, ich liebe dich!“

Jetzt grinste er und seine Lippen gaben mir mehr als nur ein Versprechen.

 

Eigentlich hatte ich die Wette haushoch verloren, aber um so einiges gewonnen. Tief in meinem Herzen, indem nun die Liebe zu Mario herrschte, war ich ihm dankbar, dass er zu seinem letzten Mittel gegriffen hatte. Für sich einen Weg zu finden, mit mir dem arroganten, selbstverliebten Samuel Höllesing einen Schlussstrich zu ziehen. Ihn von sich zu jagen und zu vergessen.

Aber er hatte wohl übersehen, dass ich, es ohne selbst zu wissen, bereits in ihm verliebt war. Und bekanntlich wächst - Da wo die Liebe hinfällt, kein Grass mehr. Dafür Unkraut um so mehr und Unkraut vergeht nicht.

 

Ende!

 

 

Imprint

Text: Conny J. Gross (c)2013
Images: (c) E.R. Thaler. Bearbeitet durch Anna Lena
Editing: Adam Kay
Publication Date: 08-25-2013

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