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Fearchara und die Drachen

Bum. Bum. Bum. Bum. Bum, Bum.
Gedämpfte Schläge?
Bum. Bum. Bum. Bum. Bum, Bum.
Sie sind in meinem Kopf.
Bum. Bum. Bum. Bum. Bum, Bum.
Es ist irgendwie beruhigend. So langsam und besänftigend. So gleichmäßig, stark und konstant.
Bum, Bum. Bum. Bum. Bum, Bum.
Es weckte mich aus der Tiefe meiner Träume.
Bum. Bum. Bum. Bum. Bum, Bum.
Ich hatte geschlafen? Ich erinnere mich nicht. Wann bin ich ins Bett gegangen?
Bum. Bum. Bum. Bum. Bum, Bum.
Immer noch dieses hämmern... Woher kommt das? Wenn ich meine Augen öffne, dann bin ich wieder in der Normalität gefangen. Aber Normalität? Was ist das?
Grüne Augen starrten ihr entgegen als sie die ihren öffnete. „Was ist?“ Die Katze miaute sie an und hinterließ den Geruch von Katzenfutter. „Du nervst!“ Und das meinte sie ehrlich.
Noch einmal ertönte das maunzen einer halb verhungerten Katze. „Verpiss dich!“ Murrte sie, jedoch schwang sie ihre, vom schlafen müden, Beine aus dem Bett und kratzte sich ärgerlich am Kopf. Genervt stapfte sie in die Küche und versuchte dabei nicht über den alten Kater zu stolpern. In der Küche angekommen öffnete sie eine frische Dose und warf willkürlich etwas in die Schüssel. Dann richtete sie sich selbst ein Butterbrot her und wusste, dass der Kater ja doch wieder mehr als die Hälfte davon verputzen würde. Am Küchentisch aß sie genüsslich ihr Brot und trank ihren kalten Kaffee während sie heimlich von grünen Augen angehimmelt wurde. „Da hast...“ Sie zerbröselte das restliche Brot und warf es auf den Boden, wo es der Kater genüsslich aufsaugte.
Gedankenverloren schlenderte sie zurück in ihr Schlafzimmer und erfreute sich einer kalten Dusche, nach dieser sie hellwach war. Als sie zurück ins Schlafzimmer ging, nahm sie kaum wahr das eine kleine Person in ihrem Bett lag und ihr Tagebuch las, dass sie normalerweise immer sehr gut versteckte.
„Nette Gedanken...“ Murmelte die kleine Brünette. „Nettes Loch!“ Gab die angesprochene zurück. Die Brünette mit dem weißen Shirt, das den Aufdruck >Mein Leben Meine Regeln< trug, fuhr auf und begutachtete ihre Strumpfhose. „Erschrecke mich doch nicht so. Ich habe doch gar kein Loch in der Strumpfhose!“ Meckerte sie und richtete ihr welliges Haar.
„Doch gleich schon, wenn du es nicht sofort auf seinen ursprünglichen Platz zurück legst werde ich dir hiermit ein Loch in deinen Kopf blasen.“ Sie zielte mit ihrer Pistole in Richtung der Brünetten, die daraufhin genervt das Buch fallen ließ und aus dem Zimmer schritt. Dabei klackerten ihre Schuhe so laut, dass man gar nicht hörte, wie sie ihre Pistole wieder sicherte.
Warum müssen sie mich jeden Morgen nerven? Das nervt. Ich hasse es.
Mit einem leeren Blick, rauschte sie aus ihrem Zimmer, während sie prüfte ob auch wirklich alle ihre Waffen an ihrem Ort saßen. Ein Dolch an jedem Stiefel, drei in ihrem Mantel verhüllt, ein Hammer am Gürtel, eine Peitsche an ihrer linken Seite des Gürtels. Zufrieden schob sie noch ihre versilberte Haarnadel durch ihr Haar, damit es hoch saß und sie nicht beim Training störte.
„Hast du Ivy schon wieder verärgert?“ Acair saß auf der obersten Stufe von der Treppe die hinab in die Synagoge führte und schnitzte wieder einen seiner Gefährten. „Fear, das war deine letzte Warnung, beim nächsten mal muss ich dir zumindest ein blaues Aug schlagen, sonst bin ich wieder Schuld.“ Fearchara blickte hinab zu dem Jungen, der nur wenige Jahre älter war als sie und rümpfte nicht einmal die Nase. „Fearchara ist mein Name. Mein Rufname Fear, ist nur gestattet zu benutzen, wenn wir gerade Kämpfen. Ansonsten ist er unnötig.“ Acair murmelte etwas von irgendeinem Roboter, jedoch hörte Fearchara gar nicht mehr hin. Es war ihr egal was er sagte, was er dachte oder womit er sie verglich. Sie wusste wer sie ist. Das ist alles was zählte. Fearchara ging die Wendeltreppe nach oben und bog dann nach links ab. Ihr Vater meinte, sobald sie erwachte, solle sie ihn in der Bibliothek treffen. Fearchara öffnete die Türe und genoss den Geruch von Holz, der diesen Raum völlig einnahm. Zärtlich strich sie über die glatte Oberfläche des Tisches, der in der Mitte stand und sämtliche Aufmerksamkeit auf sich zog. Niemand konnte den Tisch nicht bewundern mit seinen fein geschwungenen Zeichnungen und Schwielen freien Oberflächen. Der Kerzenständer leuchtete von selbst auf, als Fearchara den Tisch berührte und legte den Raum in ein dämmriges Licht. Ordnungsgemäß nahm sie in einem der Besuchersesseln Platz und wartete auf ihren Vater.
„Suchst du jemanden?“ Überrascht sprang Fearchara auf und zückte ihren Dolch. „Wer bist du?“ Ein Schatten löste sich aus einem der Bücherregale und glitt in das sanfte Licht des Kerzenständers. „Gleich so unfreundlich. Solche Leute mag ich überhaupt nicht. Steck das weg.“ Mit einem abschätzigen nicken auf den Dolch, machte er klar was mit >das< gemeint war.
Fearchara machte sich jedoch nicht die mühe es wegzustecken.
„Weiß dich aus, oder ich muss dich vernichten Halbling.“ Der junge Mann wirkte etwas gekränkt, jedoch blieb sein Lächeln erhalten. „Aber würde das nicht gegen das Gesetz verstoßen? Immerhin bin ich hoch angesehen.“ Er trat näher heran und man erkannte, das er sehr verführerische Gesichtszüge hatte. Wenn sie jetzt Ivy wäre, dann würde sie schon in seinen Armen liegen, doch sie war die Tochter des obersten Richter. Sie war Fearchara.
Ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren stürzte sie sich auf ihn und rammte ihm ihren Dolch in die Magengrube, jedoch hörte sie nicht das übliche schneiden von Metall durch Fleisch und Gewebe, sondern das schaben von Metall gegen Metall.
Tatsächlich. Als sie hinunter auf ihren Dolch blickte, merkte sie das er ohne das sie es gesehen hatte selbst einen Dolch gezogen hatte und mit diesem ihren abwehrte. Als sie verärgert nach oben blicke, lachte ihr nur ein spöttisches Gesicht entgegen. „Nero ist mein Name. Es freut mich deine Bekanntschaft zu machen Fear. Ich habe schon viel von deinem Vater über dich gehört. Er hält außerordentlich viel von dir.“
Unter anderen Umständen wäre es wohl jedem Mädchen oder jeder Frau unangenehm gewesen, das sie einem Fremden so nah war, das gerade einmal ein Blatt Papier wischen ihnen gepasst hätte, aber Fearchara war es völlig egal, sie wartete nur darauf das er in seiner Verteidigung nachließ.
„Ich heiße Fearchara. Und nächstes mal, sollten Sie sich zuerst Ausweisen, bevor sie jemanden gegenübertreten, der besser kämpft als Sie.“
Graue Augen mit schwarzen Schlitzen folgten jeder ihrer Bewegungen und musterten sie intensiv, so dass sie immer zorniger wurde. „Stehe ich denn jemanden gegenüber, der besser Kämpft als ich?“
Doch sie konnte die Frage nicht mehr beantworten, denn plötzlich wehte ein kühler Luftzug um ihre Beine, die ihr ankündigten, dass ihr Vater sich im Raum befand. Der Grauäugige machte einen kurzen Blick über ihre Schulter, aber da ihr Vater ihnen seinen Rücken zukehrte, schnappte er nach vorne und kniff sie ins Ohr. Erschrocken quiekte sie auf.
Schamröte stieg ihr ins Gesicht und sie stolperte zurück. Lächelnd entwand er ihr den Dolch und steckte ihn selbst ein, da er wollte, das alles reibungslos und wie geplant vonstattenging.
„Sir! Es ist mir eine Ehre sie wiedereinmal zu treffen.“ Nero verbeugte sich und setzte sich dann auf den Gästestuhl. Fearcharas Vater blickte seine entgeisterte Tochter an, als hätte er sie noch nie gesehen. „Ist alles in Ordnung meine Liebe? Du hast so etwas wie Gefühlsregungen im Gesicht wenn ich mich nicht täusche.“ Fearchara warf Nero einen tödlichen Blick zu, bevor sie sich entschuldigte und dann platz neben Nero im zweiten Stuhl nahm.
„Danke das ihr beide gekommen seid. Es geht um eine wichtige kommunikative Angelegenheit. Es geht um den Verband. Er ist kurz vor dem Sturz und die Friedenszeiten neigen sich dem Ende zu. Der Oberste ist nicht mehr das was er einmal war...“
Mit einer Handbewegung brachte er Fearcharas Vater zum Schweigen. „Bitte, wir sind uns allen der momentanen Politischen Unzurechnungsfähigkeit bewusst. Lassen wir die Höflichkeitsformeln und kommen gleich zum springenden Punkt. Ich muss heute noch zu einer Party.“
Fearchara verstand nicht wie Vater ihm das durchgehen lassen konnte und griff nach ihrem Dolch im Stiefel. Mit eisernem Griff umfasste sie den Dolch und ließ ihn zwischen den Fingern kreisen. Ihr Vater hob beschwichtigend die Hände und deutete auf den Dolch. „Bitte Liebes. Steck den Dolch zurück.Er hat recht.“
Missmutig ließ sie den Dolch auf ihren Schoß fallen und legte die Arme seitlich auf die Lehnen. „Also es ist uns zu Ohren gekommen, das sich heute eine kleine Gruppe auf dem Schiff befinden soll, die vorhat sämtliche Mitglieder des gelben Blutes auszulöschen.“ Kichernd lehnte sich Nero nach vorne und fixierte Fearcharas Vater mit einem undurchdringbaren Blick. „Dir ist doch wohl bewusst, das das unmöglich ist. Wir vom gelben Blut sind beinahe unbesiegbar.“

Fearchara schob eine von ihren dunklen Strähnen zur Seite und verschränkte die Beine um besser zu sitzen. „Und Ihnen Mister Nero, ist wohl bekannt, das eure Art doch so einige Schwächen aufweist.“ Bemerkte sei wiff. „Ihr seit alle auf schwarzes Feuer anfällig, so wie jede andere Art und ihr vertragt das Wasser nicht. Es macht Eure Art träge und schwer. Wenn plötzlich das Schiff in Flammen aufgehen würde, und alle Anwesenden ins Wasser springen müssten...“ würdet Ihr sinken wie ein Stein im Wasser. Doch das sagte sie nicht, sondern ließ es im Raum stehen, damit es noch oft in seinem Kopf nachhallte.
Nero kniff die Augen zu schmalen Schlitzen und fixierte die noch nicht volljährige Dame neben sich mit den undurchdringbaren hellbraunen Augen. Sie hatte recht. Es war riskant sich auf einem Schiff auf offener See zu treffen, doch in Friedenszeiten war so etwas nicht ungewöhnlich. „Nun gut. Was schlägst du vor? Du wirst mich nicht aus diesem Grund herbestellt haben.“
Vater verschränkte die Arme am Tisch und sah durch das dämmrige Licht noch älter aus. „Ich will das eine kleine Einheit dich begleitet auf das Fest. Sie werden sich zurückhalten und auf verdächtige Personen...“
Nero hob schon wieder den Arm und unterbrach ihm. „Das ist unmöglich. Die Gästelisten stehen fest. Es kommen nicht mehr Personen auf das Schiff als angegeben, abgesehen von den Begleitern. Das würde lediglich zu einem Kampf jeder gegen jeden führen.“ Vater seufzte und deutete auf seine Tochter. „Nehmt meine Tochter als Begleitung mit. Aus verlässlicher Quelle weiß ich, das sie beinahe immer ohne Begleitung gehen, bis auf ein paar ausnahmen, wo es nötig ist. Sie ist eine sehr erfahrene Kämpferin und kann durchaus mit mehreren deiner Art gleichzeitig fertig werden, wenn es nötig ist.“
Neros Blick fixierte wieder Fearchara, die ruhig ihren Dolch zwischen den Finger drehte. Ein nervöser Tick? Interessant. „Einverstanden. Was verlangst du als Gegenleistung?“
Vater lächelte wissend. Natürlich... Meine Loyalität. „Nun gut, das ist es mir wert. Zieh dir etwas in... Silber an. Das bring deine Haut besser zur Geltung und passt zu meinem Anzug. Ich hole dich um Acht ab.“
Mit einem nicken zu ihrem Vater löste er sich in Rauch auf und war eine Sekunde später verschwunden. Nur ihr Dolch, den er ihr abgenommen hatte, ließ noch vermuten wo er zuletzt gesessen hatte.
„Darf ich sprechen?“ Ihr Vater nickte und erhob sich dabei. „Warum muss ich ihn Begleiten und wie soll ich herausfinden wer die Verdächtigen sind?“
„Weil du eine Kennzeichnung von ihm trägst, weswegen auch immer... und weil ich weiß das du am besten in so einer Situation reagierst. Im Gegensatz zu Invidia. Sie würde sich von seinem Aussehen ablenken lassen.“ Bei der ersten Bemerkung von ihrem Vater fuhr sie zu ihrem Ohr und betastete es Vorsichtig. Tatsächlich spürte sie die Wärme die das Mal ausstrahlte. Warum hatte er sie markiert? Das taten doch Drachen nur, wenn sie jemanden besonders mochten. Und das im Sinne von Lebensgefährtin.
Sorgfältig strich sie einige gelöste Strähnen über ihr Ohr, damit es sonst für niemanden Sichtbar ist. Er musste das von ihr nehmen, ansonsten musste sie ihn für die Überschreitung ihrer Privatsphäre töten.

Nach ihrem harten Training, in dem sie jedes mal alle anderen aus ihrem Alter schlug, beendet hatte, machte sie sich fertig für ihren spätabendlichen Termin. „Ich wünschte ich könnte mit. Er sieht ja wirklich echt heiß aus.“ Ivy kniete sich neben Fearchara und richtete deren Fußbändchen das sich von ihrem Knöchel bis hinauf zu ihrem Oberschenkel zog. Es war eine getarnte Peitsche, die auf den kleinsten Wink von Magie reagierte. „So das sollte so passen. Lass dich anschauen.“ Auch wenn Ivy Fearchara nicht ausstehen konnte, war sie dennoch bereit ihr zu helfen. Immerhin ging es um Geschäftliches.
Fearchara drehte sich vor ihr im Kreis, wobei ihr silbernes Kleid wie eine zweite Haut an ihr saß und mehr enthüllte als ihr lieb war. Sie war von Ivy sogar genötigt worden einen dieser unvorteilhaften Push- Up anzuziehen. Jetzt sahen ihre Brüste viel größer aus und sie hatte mühe dabei über sie hinwegzusehen. Ihre Haare trug sie gewellt und offen, darauf hatte sie aufgrund ihrer unfreiwilligen Markierung bestanden. Ivy hatte daraufhin silberne Fäden durch ihre Haare gefädelt, sodass sie nun etwas glitzern, aber nicht zu auffällig. „Sieht gut aus. Drachen lieben Gold und lassen sich gerne mit Sachen sehen die Glitzern.“
Tatsache. Dennoch fühlte sie sich etwas fehl am Platz und warf einen kurzen Blick zu ihren gewohnten schlichten Sachen. „Denk nicht einmal daran sie mitzuschmuggeln. Sie würden sie dir sowieso nur abnehmen und dich über Board schmeißen.“ Da hat sie leider recht. Seufzend trug sie noch etwas hellbraunen Lipgloss auf und betrachtete zufrieden den Effekt.
„In Ordnung, dann geh mal hinunter zu deinem Lover. Er wartet bestimmt schon unten.“ Fearchara hielt sich davon ab Ivy zu ermahnen, dass das dort unten nicht ihr Lover war und ging einfach rauschend an ihr vorbei. Ihr Kater sprang von der Küchenzeile und schmiegte sich an ihre Beine die in hohen Absätzen balancierten. Sie hob ihn hoch und nahm ihn mit nach unten. Eine graue Limousine stand bereits unten und der Fahrer hielt ihr die Türe auf, als er sie erblickte. Fearchara stieg ein und belegte ihren Kater mit einem einfachen Zauber, der ihn für jeden unsichtbar machte. Wollte er mich den nicht abholen? Ein Kärtchen, das am Sitz lag erregte ihre Aufmerksamkeit.
Verzeih mein Fehlen. Ich warte vor der Jacht.
Unter den beiden Sätzen war lediglich ein Herz und eine Unterschrift. Wenigstens konnte sie die letzten Minuten der Stille genießen.
Lautlos parkte der Wagen vor einem Hafen, der nicht gerade vertrauenerweckend wirkte. Unschlüssig griff sie sich auf die Rippen aus alter Gewohnheit, da dort normalerweise ihre Dolche verborgen waren. Nur jetzt gerade nicht. Vorsichtig und fürchterlich nervös, da sie eine Ahnung hatte, das etwas ungeplantes passierte, straffte sie ihr Kleid und schritt mit lauten geklacker und mit dem wissen das ihr Kater neben ihr jegliche Gefahr vor ihr mitbekommen würde an der Werft vorbei und staunte nicht schlecht.
Vor ihr erhob sich der Traum eines jeden Kreuzschaffahrers. Eine weiße Jacht, die man fast gar nicht mehr Jacht sondern ein richtiges Kreuzfahrtschiff nennen konnte, über und über hell beleuchtet und man vernahm sogar aus der Entfernung lautes Lachen und das Klirren von Gläser. Vorsichtig näherte sie sich einem Mann der aussah als wäre er der Kapitän, doch noch bevor sie ihn ansprechen konnte, spürte sie die Anwesenheit von Nero. Er war kaum übersehbar. Sein blauer Bläser wirkte strahlend und sein breites einladendes Lächeln hätte sie beinahe veranlasst, sämtliche Vorsicht über Board zu werfen. Unsicher machte sie einen Blick durch die Runde und erkannte eine Frau, die sich eher im Hintergrund lümmelte.
„Das ist nur eine Aufseherin. Sie schreibt eine Liste wen sie mit wem gesehen hat und berichtet alle paar Minuten ihrem Hauptquartier.“
Fearchara warf dem Mann vor ihr einen Blick zu, der ihn unter normalen Umständen wahrscheinlich zur Eissäule gefroren hätte. Doch er war ein Drachling. So viel hatte er nicht zu befürchten.
„Um deinen Schein zu wahren, solltest du dich richtig verhalten und nicht so Heimlichtuerei herum flüstern.“ Meckerte sie und hackte sich bei ihm unter. Es schien beinahe als würde er neben ihr schweben, während sie laut über den frischen Asphalt klackerte. Als sie an Board waren stellte er sie einigen Anwesenden vor. Alle von ihnen waren Drachen, bis auf ein paar ausnahmen von den Dienern, die waren nur Homunkulus, die ihre Befehle ausführten und nach einem geringen Zeitraum verstarben. Im Laufe des Abends stellte sich heraus, dass sie die einzige war, die nicht unbedingt zu den Drachen gehörte und genauso wurde sie auch behandelt. Niemand bot ihr etwas zu trinken und niemand schien auch nur wahrzunehmen, dass sie überhaupt da war. Was sie zu ihrem Vorteil nutzte.

Sie blickte sich während der Gespräche um und erkundete auf eigene Faust das Oberdeck. Auf andere Gebiete hatte sie keinen Zutritt, wie ihr schon bald klar wurde. Sie erkannte so etwas wie eine Rangordnung in dem komplizierten System. Je weiter drinnen man sich befand, umso wichtiger war man. Verdammt wie sollte sie dann alle Prüfen? Eine warme Hand berührte sie an der Schulter und drehte sie um.
„Tut mir leid, das sie dich so behandeln, aber wenn du dein Mal, das ich dir heute Morgen aufgetragen habe herzeigen würdest und nicht unter deinem dünnen Haar verstecken würdest, hättest du bestimmt schon eine ganze Schar von Anhänger.“ Er strich ihr die Haare hinters Ohr und sie fühlte sich plötzlich etwas unsicher.
Ungeduldig schob sie seine Hand wieder weg und tadelte ihn dafür. „Ich bin nicht hergekommen um mich wie eine Schaufensterpuppe angaffen zu lassen, sondern um die hier Anwesenden zu beschützen. Außerdem warum hast du mir überhaupt dein Mal aufgedrückt? Das ist so etwas von unpässlich.“
Nero legte einen Arm um ihre Hüfte und mit der anderen nahm er ihre Hand. Langsam bewegte er sie beide über die Tanzfläche, die seit dem Ablegen des Schiffes aufgetaucht und stetig benutzt wurde.
„Ich tat das aus einem Instinkt heraus, was sich ja anscheinend als sehr vorteilhaft erwiesen hat.“ Sie tadelte ihn mit einem wütenden Blick und er sprach ruhig weiter. „Ich meinte damit, das ich eigentlich erstaunt war, wie nah du mir gekommen bist und mir sogar beinahe ohne darüber nachzudenken einen Dolch ins Herz gerammt hättest. In diesem Moment, wo du merktest das du mich nicht einmal berührt hast, hast du so entzückend ausgesehen, dass ich kurz verleitet war dich einfach zu küssen.“
Sie holte tief Luft und wünschte sich ihn einfach erstechen zu können. Hier und jetzt. „Das ist deine Erklärung? Wie lächerlich. Genauso wie diese Aufmachung hier. Am liebsten würde ich einfach durch das ganze Schiff laufen und jeden aufschlitzen, der mich nur schräg anschaut.“
Lachend drosselte er ihr Tempo und sein Lachen bebte durch ihren ganzen Körper. Sie merkte gar nicht, das sie sich für das Lied der Harfe viel zu langsam bewegten. Dass er in seinem eigenen Takt führte.
„Das ist nicht komisch. Es ist eine ernste Angelegenheit.“ Raunte sie ihm zu und bemerkte eine Änderung der Luftzusammensetzung. Nero bemerkte ihr zusammenzucken und beugte sich zu ihrem Ohr mit seinem Mal herab. „Wir haben die geweihten Gewässer verlassen. Hier können wir alle sein wie wir wollen. Du wirst es nicht bereuen einmal richtige Drachen gesehen zu haben.“ Überrascht blickte sie sich um. Machen Leute schienen etwas zu glühen, andere setzten zum Sprung in die Luft an. Ein Mann mit grünschwarzen Haare und dem dazu passenden Anzug schien förmlich in Flammen zu stehen. Sein Blick war gegen den Himmel gerichtet. Plötzlich sah Fearchara etwas aus seinem Rücken ragen. Etwas was immer größer wurde. Er entfaltete seine Flügel und gleichzeitig verformten sich seine Finger in gespenstische Echsen ähnliche Klauen. Er setzte zum Sprung an und katapultierte sich in die Luft. Sie unterdrücke einen Aufschrei und tastete sich vorsichtig zur Reling zurück. Eine kalte Klaue schloss sich um ihr Handgelenk und zog sie über die Reling. Schreiend viel sie dem Meer entgegen und wappnete sich gegen den Aufschlag, als ihr plötzlich etwas Weißes von der Seite entgegen schnellte.
Überrascht schrie sie auf, als schuppen ähnliche Hände um sie legten und mit ihr langsam in die Luft stiegen. Irgendwo über sich hörte sie einen markerschütternden Schrei. Sie blickte nach oben und traute ihren Augen kaum. Einige hatten sich tatsächlich in vollwertige Drachen verwandelt. Rote Schuppen zogen sich über dessen Körper. Hellrote Flügel mit einer Mindestspannweite von sieben Meter, trugen die wuchtige Gestalt über das Meer. Das riesige Reptil öffnete sein Maul und entblößte dabei zwei Reihen von Rasiermesserschafen Zähnen. Gierig schlug er sein um einen zufällig vorbeifliegenden Wasservogel und schluckte ihm im Ganzen.
Endlich von dem Anblick losgerissen, blickte sie in die grauen Augen von Nero, der von einer dünnen Echsenhaut umgeben war. Seine Gesichtszüge verrieten ihr, dass er sich köstlich amüsierte, während sie sich an ihn klammerte, da er das einzige war was sie von den tiefen der Meere trennte. „Was passiert hier?“ Fragte sie gegen den kalten Wind ankämpfend. Er drückte sie fester an sich und kreiste etwas langsamer über das Schiff während es immer kleiner wurde. „Hier können wir sein was wir sein wollen. Wie du siehst brauchen wir keine Aufpasser. Hier kann uns niemand etwas antun.“
Zweifelnd blickte sie nach unten zum Schiff und sah es schon vor sich in Flamen aufgehen.
„Und was ist wenn jetzt jemand da unten euer Schiff sprengt und ihr hier fliegt? Ihr könnt nicht landen und selbst wenn ihr tagelang fliegen könntet, würde euch irgendwann die Puste ausgehen.“ Plötzlich fühlte sie wie er sich anspannte und etwas in einer anderen Sprache nestelte. Es klang wie das Zischen einer Schlange. Einer Schlange mit einer Flammenzunge.
Auf sein Nesteln wurde von anderen eingestimmt und es klang beinahe wie eine Melodie. Sangen sie oder beteten sie?
Als ihre Beine etwas Festes berührten zuckte sie zusammen. Sie hatte gar nicht bemerkt das sie sich dem Schiff genähert hatten.
„Keine Sorge, es wird schon nicht auseinanderbrechen.“ Witzelte er, erst da bemerkte sie, das sie immer noch die Arme um ihn gelegt hatte. Wütend stieß sie ihn von sich und blickte sich um. Ihr Kater hockte mit aufgestellten Schwanz in der Nähe des Mastes und ließ sich genüsslich von einem Drachling kraulen. Die Frau schaute auf als sie merkte das Fearchara näher kam und hielt ihr ein Glas Wein hin, nachdem sie sich vergewissert hatte, das Fearchara ein Mal trug.
„Danke.“ Sie wollte es gerade hinunterstürzen, als ihr auffiel, das diese Blondhaarige gerade tatsächlich ihre Katze gestreichelt hatte.
„Formwandlerin!“ Fearchara sprach es aus als wäre das Wort an sich schon Gift. Plötzlich fiel bei ihr der Groschen. Die wenigen die sich noch am Schiff befanden, starrten sie an, als würde sie eine Bedrohung darstellen.
„Nett dich kennen zu lernen, wie kurz auch diese Begegnung gewesen sein mag.“ Wütend wandte sie sich zu Nero um der sie stumm musterte. „Seit wann arbeiten Drachen wieder mit Wandlern?“ Fauchte sie ihn an. Er verschränkte die Arme und antwortete nicht.
„Chattan! Auf meinen Befehl!“ Schrie sie so laut sie konnte, da über ihr lautes Gebrüll herrschte und der Wind durch die am Himmel fliegenden Drachen unwillkürlich umher wehte der grünäugige Kater biss die Wandlerin in die Hand, die daraufhin wütend aufschrie. Plötzlich hörte Fearchara das gewohnte knistern und in einem Moment stand ihre Katze in Flammen. Das grauweiße Fell dehnte und streckte sich und der Kater reckte sich hoch in die Höhe, bis er gut zwei Meter groß und über von Muskeln bebaut war. Um die Hüfte trug er einen Lendenschutz der Fein verziert war. Nur Fearchara kannte die Inschrift die ihren Kater versiegelt hatte.
Wild fauchend hob er eine Doppelaxt und hackte ganz beiläufig der Wandlerin den Kopf ab. Dann stellte er sich rücken an Rücken mit Fearchara und der Kampf begann. Sämtliche Homunkulus stürzten sich gleichzeitig auf sie, doch Fearchara wehrte sie mit der bloßen Hand ab, wobei sie ihnen einfach das Genick brach. Als der große Ansturm kurz ab starb und sie umzingelt von dreißig Leichen waren, griff sie in ihren BH und zog ihre Bügel hervor, die bei genauerer Betrachtung mehr kleinen Schwertern ähnelten als Bügeln.
„Gebrüder der Flügel, kämpft an meiner Seite. Ich mit meiner reinblütigen Abstammung befehle es euch. Excidio! Internecio!“ Die Minischwerter leuchteten in einer Schwarzen Flamme auf und alle sprangen mehrere Meter zurück. Schwarzes Feuer leckte an Fearcharas beiden Schwertern empor und tauchten das Schiff in ein unheimliches Licht. Sofort zersprangen sämtliche Glühbirnen, selbst die Kerzen erloschen beim Anblick des schwarzen Feuers. Lächelnd warf sie sich nach vorne und spießte den ersten Drachen auf, der sofort von den schwarzen Flammen verzehrt wurde...

Gift im Tee

Beathag

 

Schreiend sprang Beathag aus dem Bett und krachte dabei gegen etwas Hartes das ebenfalls schreiend zu Boden fiel. „Verdammt Bea was soll das?“ Bea blickte sich irritiert um und starrte wieder in zwei grüne Augen, so wie in ihrem Traum. „Es tut mir leid Ivy ich habe... ich weiß nicht... ich habe schon wieder in meine Vergangenheit gesehen. Tut mir leid.“ Ivy rappelte sich hoch und stellte die Tischlampe an ihren ursprünglichen Platz zurück. Ihre braunen kurz gehaltenen Haare fielen ihr wirr ins Gesicht und Bea traute sich nicht aufzustehen, da ihr ganzer Körper zitterte.
„Was hast du gesehen?“ fragte Ivy und half Bea sich aufs Bett zurückzusetzen.
„Ich... weiß es nicht... Ich habe Drachen gesehen. Es war ein Aufstehen. Ich glaube es war vor zweihundert Jahren oder so. Der Vorfall wo so viele Drachen getötet wurden.“ Stotterte sie aus zusammengebissenen Zähnen.
„Komm du bist total durch gefroren. Du musst unter die Dusche.“ Als Beathag sich umblickte bemerkte sie, das ihre drei Fenster weit aufgemacht waren und der Wind eiskalt herein blies. Kleine Schneehügel hatten sich bereits rund um die Fenster gebildet und der sonst tropfende Wasserhahn in der kleinen Küche war auch gefroren. Wie lange war sie schon hier drinnen? „Ivy... Wann hört das auf?“
Ivy drehte im Bad das Wasser auf und wartete bis es lauwarm war bevor sie Bea darunter schob. „Beathag... Du tust mir so leid. Ich würde nicht mit dir tauschen wollen. Immer wieder zu sterben und wiedergeboren zu werden... Meine arme kleine!“ Ivy und Bea standen nun beide voll bekleidet unter der Dusche und Bea genoss das warme Wasser, als es sie bis ins Innerste wärmte.
„Ich habe dich gesehen. Ich habe Acair gesehen und Chattan als Wächter. Ich... Was ist das? Spielt sich mein Leben immer wieder mit den gleichen Personen ab? Warum bin ich so verflucht?“ Ivy streichelte ihren Kopf und zog die schluchzende Beathag in eine Umarmung die ihr Trost spendete. „Nein kleine. Du kennst nur die Namen von deinen damaligen bekannten nicht mehr. Deswegen hat dein Gehirn ihnen einfach die nächsten Namen gegeben die ihm eingefallen sind. Das ist alles. Beruhige dich.“ Ivy saß noch fast drei stunden mit Bea unter der Dusche, bis sie sich einigermaßen zusammengerissen hatte.

„Danke Ivy. Ich wüsste nicht was ich ohne dich machen sollte“ Lächelte Bea nachdem sie trocken und umgezogen war.
Ivy streckte sich genüsslich und wedelte mit ihrem Katzenartigen Schwanz. „Ach keine Sorge. Wahrscheinlich würdest du dich jetzt aus dem siebten Stock werfen. Aber keine Sorge, ich hatte gerade nichts zu tun.“ Mit dieser egoistischen Aussage drehte sie sich um und stolzierte mit so einer Anmut wie es nur Werwesen konnten hinaus auf den Flur. Kopfschüttelnd folgte Bea ihr und schlenderte in die Bibliothek, in der sie die letzten Monaten ihre Zeit verwarf.
„Guten Morgen Chattan!“ Rief sie in die oberen Stockwerke, da sie wusste das der Eulenwerwandler irgendwo dort oben saß und sie genau musterte. Beathag suchte in der Drachenabteilung nach Bücher über Drachen. Sie wusste zwar dass alle ihre Träume auf tatschen beruhten, doch trotzdem konnte sie nichts gegen ihre Neugierde machen.
Chattans ruhigen Flügelschläge ertönten über ihr und sie schaute zu einem Stuhl auf den er sich niederließ und sie genau beobachtete. Sie wandte sich wieder dem Regal zu vor dem sie stand und suchte sämtliche Bücher heraus die, die Geschichte der Drachen vor zweihundert Jahren wiedergab. Davon gab es wie sie traurigerweise feststellte nur eines. Sie zog die Kekse zu sich, die auf jedem Tisch platziert waren, und kaute auf einem herum ohne irgendetwas zu schmecken.
Tatsächlich gab es auch den Bericht den eine Fearchara hinterlassen hatte, in dem Festgehalten wurde, dass die Drachen sich mit bösartigen Wandler zusammengerottet hatten um den Urdrachen wiederauferstehen zu lassen, was sie aber vereitelt hatte. Es ging auch daraus hervor, das sie als Braut von einem Drachen, einige Jahre besessen worden war. „Oh, je. Wo bin ich da nur überall hinein geraten?“ Die Eule flatterte auf den Tisch und beugte sich über das Buch um mitzulesen. „Anscheinend war ich dort über einhundertfünfzig Jahre gefangen, bevor ich diesen komischen Wasserdrachen niedergestreckt habe und die Pläne durchkreuzt habe. Irgendwie gruselig.“ Die Eule gackerte komisch, was sich irrer weise nach einem Lachen anhörte, dann hüpfte sie auf den Boden und verwandelte sich in einen alten Mann mit einer Krähe ähnlichen gebogenen Nase. „Gibt es denn überhaupt irgendwelche Abenteuer bei denen du nicht dabei warst? Selbst bei den Kontinentenwanderer warst du dabei und das liegt schon Jahrtausende zurück.“ Peinlich berührt scharrte sie mit den Schuh über den Boden. „Ist ja nicht so als würde ich es mir aussuchen. Ich bin eben verflucht.“ Sie klappte das Buch zu und stellte es in das Regal zurück.
„Kindchen. Ich weiß das du verflucht wurdest, nur weil du damals an Luzifers Seite standest und ihn noch Jahre danach treu ergeben warst, obwohl sich alle von ihm abwandten, doch jetzt bist du jemand anderes. Du trägst das Wissen von tausenden verschiedenen Menschen in dir, die bereits gelernt haben, was ihr Fehler war. Sie haben geliebt, gelitten und gelebt. Und das macht dich aus. Du hast immer wieder eine andere Erziehung genossen. Du kennst die Welt besser als jeder andere. Du wirst eines Tages etwas mit dem Wissen anzufangen wissen!“ Bea blickte traurig in die blauen Augen von ihrem Mentor und wünschte sich ihm glauben zu können. „Und was ist, wenn ich noch immer nicht gelernt habe? Die ersten >Ich< waren enttäuscht und frustriert das ihnen Luzifer nicht half, oder es erträglicher machte. Irgendwann hat eines meiner >Ich< sich entschlossen darauf zu pfeifen und sie haben angefangen die Welt verstehen zu wollen. Aber was nützt es mir, wenn ich nicht weiß ob diese ganzen Leben mich gelehrt haben, das was ich daraus lernen sollte. Ich kann mich nicht erinnern wie es im Himmel war. Oder wie die Engel waren. Nur hin und wieder bin ich einem über den Weg gelaufen, die meine ganzen >Ich< nicht kannten. Was ist wenn ich einfach vergessen wurde?“
Chattan strich ihr zärtlich über das Haar und tätschelte ihre Wange. „Die Engel vergessen niemals. Und das du dich nicht an den Anfang erinnerst, das verstehe ich. Sie wollten bestimmt nicht das du dich erinnerst. Als Teil deiner Strafe. Und was Luzifer angeht. Er wird wahrscheinlich selbst versuchen eine Lösung zu finden um sich aus den tiefsten Tiefen zu befreien.“ Er hatte wahrscheinlich recht. Alle meine früheren >Ich< wussten das er recht hatte.

Es ist eine Ewigkeit her das ich geboren worden bin. Ich habe Leben durchlebt, die gut und schlecht waren. Dabei war ich in unzähligen Schlachten dabei, habe mehr gesehen als das ich wollte und ich habe viel gelernt, nur mit dem Unterschied, das ich nicht weiß ob ich genau das machen soll. Was nutzte es einem unendlich viele Leben zu haben, wenn man nicht wusste wofür? Was ist der Sinn hinter meiner Strafe?
„Danke. Ich gehe dann wohl besser wieder. Ich muss das Mittagessen kochen, sonst schimpfen sie wieder.“ Lächelnd verwandelte er sich wieder in eine Eule und flog hinauf auf den Dachbalken, wo er sich die Zeit damit vertrieb, sein Gefieder zu putzen. Auf den Weg in die Küche kamen ihr zwei junge Wolfswerwandler entgegen die wild um ihre Beine sprangen. Sie hob die kleinen Wölfe auf den Arm und kraulte sie hinter den Ohren. „Na wo ist den eure Mutter?“ Die kleinen schnappten mit wedelnden Schwanz nach ihrem Gesicht und sie ließ sie wieder hinunter um ihnen zu folgen. Werwandler waren ziemlich komplizierte und vor allem unterschiedliche Wesen. Es gab die Raubtierwerwandler, bei denen sie lebte, die Säugetierwerwandler die sich vegetarisch ernährten und die Vogelwerwandler. Seltener gab es die Raubfischwerwandler, die abgeschottet von den anderen, nach ihren eigenen Regeln lebten. Natürlich gab es abgesehen von den Werwandler noch hunderte von anderen Wesen, die entweder unter den weniger vertretenen Menschen lebten oder ihre eigenen Gebiete beanspruchten. So gab es zum Beispiel Feen, Elfen, Dämonen die aber nur selten in dieser Dimension erschienen und wenn dann nur durch böse Magier, unter den Magier unterschied man auch noch die Fernkampfamgier und die Nahkampfmagier die sich aber noch in unendlich viel Arten und Herkünften unterschieden. Es gab in der Bibliothek ganze Auflistungen von den verschiedenen Typen und Arten, das man fast ein ganzes Leben brauchte um alle auswendig zu kennen.
Im Garten wartete bereits Ealasaid auf sie und drehte das aufgespießte Schwein über der offenen Feuerstelle im Kreis. „He, das riecht lecker.“ Ihr Magen knurrte leise und Beathag überlegte wann sie das letzte Mal gegessen hatte. Vor zwei Tagen habe ich einen Apfel gegessen, zählt das? Wahrscheinlich nicht...
Bea band sich eine Schürzte um die Hüfte und fing an die Beilagen klein zu schneiden. „Wie lange braucht das Schwein noch?“ Ella blickte hinter sich und überlegte kurz. Das Schwein ist gleich durch, dann werde ich das Schaf rauf hängen. Isst Chattan mit?“ Bea bezweifelte das. Sie hatte die vielen Kekse in der Bibliothek gesehen. „Nein, er hat schon gegessen.“
Bea schnitt die Zwiebel und atmete genüsslich den süßlichen Geruch ein.
„Ist mit dir alles in Ordnung?“ Bea dachte darüber nach. Ist den alles in Ordnung mit mir? So viele Fragen und doch keine Antworten.
„Ja... Natürlich was sonst?“ Bea zwang sich zu einem lächeln und warf die in Ringe geschnittenen Zwiebel in den übergroßen Kochtopf.
„Ich dachte nur, weil... Ich wusste nicht das du bei Chattan warst und normalerweise wenn du bei ihm in der Bibliothek warst, dann war wieder irgendetwas.“
Bea lachte über sich selbst. „Ich hatte schon wieder eine Erinnerung. Diesmal über mein letztes Leben vor zweihundert Jahren.“ Ella lachte ebenfalls und hob das Schwein vom Feuer. „Das ist diesmal gar nicht so lange her. Denkst du, das es deine letzte Erinnerung war?“ Bea nickte. „Ja das war sie ganz sicher. Außer du hast noch für einen Kurzbesuch irgendwo gehalten, bevor du zu uns kamst.“
Ella schob dem bereits hergerichteten Schaf einen Spieß durch den Körper und hievte es über die Feuerstelle. Danach wusch sie sich die Hände und half Bea beim Gemüseschneiden weiter.
„Morgen ist wieder Großeinkauf angesagt, da brauche ich deine Hände und Flügel.“
Bea bewarf sie mit Karottenscheiben und kicherte. „Das ist nicht lustig.“ Die Tigerdame bewarf sie mit einer halben Kartoffel und sie begannen eine Essensschlacht.
„He! He! Mädels! Mit dem Essen spielt man nicht!“ Acair kam mit einem weiteren Sack Kartoffel und stellte ihn neben dem restlichen Gemüse ab. „Entschuldigung Vater.“
Ella zog den Kopf ein und schmiegte sich schnurrend an ihn. „Aber sie hat angefangen mit dem werfen!“ Schnurrte sie und zeigte auf Bea. Bea zog beleidigt die Nase kraus. „Ja und wer hat mich als Packesel eingeteilt? Du!“ wehrte sie sich und kam sich etwas kindisch vor.
„Kinder. Ihr seid beide siebzehn Jahre alt. Ihr braucht euch nicht mehr so kindisch verhalten und nun schneidet weiter.“ Er drehte sich am Absatz um und stolzierte davon. Seine kurzen roten Haare leuchteten unter den Sonnenstrahlen auf und selbst wenn man nicht wusste, dass er ein Tigerwerwandler war, so konnte man es spätestens jetzt erahnen. Seine kräftige Statur, ähnelte so gar nicht seiner jüngsten Tochter Ealasaid. Sie war kleingewachsen, hatte lockiges langes rotes Haar, das sie immer zu einem Zopf gebunden trug, doch hinter ihrer zierlichen Figur, lag das können eines der mächtigsten Raubtiere das jemals auf der Erde gewandelt ist.
„Mein Vater ist gemein, er könnte ruhig mithelfen.“ Meinte Ella etwas lauter, sodass Acair es noch hören konnte, der es jedoch einfach ignorierte.
„Ach es ist nur mehr ein Sack Kartoffel. Ich werde sie derweilen Schälen.“ Bea setzte sich auf den Boden und fing an die Kartoffel zu schälen. Der Trubel um sie herum nahm langsam immer mehr zu. Vor einigen Minuten waren nur Ella und sie im Garten gewesen und nun hatten sich schon zwanzig andere Werwandler um die Tische versammelt.

„Kleo drehst du Musik auf?“ Fragte eine Stimme, die Bea nicht kannte. Sie kannte hier fast niemanden. Bisher hatte sie sich immer nur in sich zurückgezogen, da sie wusste das sie keine Werwandlerin war. Zwar ist sie von einer auf die Welt gebracht worden, doch war sie immer noch ein reinrassiger gefallener Engel mit pechschwarzen Flügel, die sie immer vor den anderen verbarg. Sie kam sich auch schon so unnütz genug vor. Erst vor ein paar Monaten, als ihre Erinnerungen anfingen, begann sie sich unter das Volk zu mischen, da sie jetzt wusste was sie war. Sie war keine unnatürliche Kreatur, sie war lediglich verflucht.
Neben ihr begann die Box ein altes langsames Lied zu spielen. Es handelte von irgendeiner Band die von den alten Kreuzfahrern sangen und wie sie sich eine Frau nach der anderen geschnappt haben, während sie Schiffe gekapert und Gold gestohlen hatten.
Lächelnd warf sie auch die letzte Kartoffel in den Kochtopf und überließ es nun Ella den anderen das Essen zu präsentieren. Sie selbst machte sich wieder auf den Weg nach drinnen, wo sie sich etwas Angemesseneres anziehen wollte.
Kurz vor der Glastüre, bemerkte sie die kleinen Wölfe wieder, die sie vorhin aufgehalten hatten. Sie spielten hinter einem Felsen fangen. Lächelnd schlich sie sich an. Auch wenn sie keine Werwandlerin war, konnte sie dennoch so pirschen wie diese und hatte auch einen feineren Geruchssinn als normale Anderwesen. Der grauköpfige Wolf sprang auf den Fels und wolle den braunen dadurch überraschen, doch Bea war schneller und biss ihn liebevoll in den Schwanz. Das junge quiekte erschrocken auf und begann sofort damit Bea zu fangen, die sich eiligst aus den Staub machte. Das braune Junge hatte bereits gemerkt, das Bea mitspielte und schnitt ihr den Weg ab. Bea hüpfte geschmeidig wie ein Werwandler über einen Busch der Kniehoch war und das kleine braune Junge sprang sie von der Seite an.
Lachend ließ sie sich fallen und kitzelte es am Bauch. Das grauköpfige Junge sprang ihr an die Jeanshose und zog daran. Sofort zog Bea es auch zu sich herauf und kitzelte beide, bis sie sich lachend verwandelten. Zwei kleine Burschen lagen nun vor ihr und kicherten immer noch als sie mit ihren nun größeren Gewicht Bea umwarfen und es ihr heimzahlten.
„Das ist aber nicht fair. Ihr seid zu zweit.“ Lachte Bea.
Als die kleinen kichernd wegliefen, folgte ihnen Bea und nun ging es um verstecken spielen. Das war das wichtigste als Werwandler. Man musste leise sein und man durfte nicht gefunden werden. „Na hast du deine Schützlinge verloren?“ Fragte eine Männliche tiefe Stimme. Bea richtete sich auf und blickte sich erschrocken um. Vor ihr stand der Rudelführer und beäugte sie mit starrem Blick.
„Ähm... Wir spielen gerade verstecken. Tut mir leid Sir, wenn wir Sie gestört haben.“ Der Rudelführer steckte sein Handy zurück in die Hosentasche und zeigte auf einen Busch. „Pass gut auf die beiden auf.“ Dann drehte er sich um und verschwand wieder so lautlos wie er erschienen war.
Unruhig kratzte sie sich am Unterarm. Plötzlich zog sie etwas an der Hose. Es war eines der kleinen Jungen. Einer hatte sich zurück in einen Wolf verwandelt und der andere rieb sich ausgiebig die Augen. „Na kommt. Ich bringe euch nach Hause.“ Sie hob die kleinen auf und sie schliefen beinahe augenblicklich ein. Mit einem Fuß klopfte sie ein paar Minuten später an der Zimmertüre von den Carlsen. Die Carlsen waren eine nette Großfamilie. Die Zwillinge waren ihre jüngsten Kinder und die Mutter war schon wieder schwanger. Wie sie das bewältigte wusste Bea nicht.
„Ja?“ Erklang eine müde Stimme an der Eingangstüre „Frau Carlsen, ich bringe Ihnen etwas wieder.“ Die Mutter beäugte ihre schlafenden Kinder mit einem liebevollen Blick, den nur eine Mutter hatte, die ihre Kinder bedingungslos liebte.
„Danke Bea. Bring sie rein. Wo hast du sie gefunden?“ Bea berichtete ihr das2s sie draußen bei den anderen gespielt haben und das sie, sie dann erschöpft hergebracht hat.
„Danke Bea. Das war sehr nett von dir. Du weißt ja schon wo sie hingehören. Es tut mir auch leid, das sie ständig zu dir laufen, aber ich bin immer so müde von den Drillingen...“ Bea legte ihr behutsam eine Hand auf die Schulter. „Du weißt ich mach das gerne. Außerdem spiele ich viel lieber mit den Jungen, als das ich mit den Erwachsenen rede.“
„Ja das weiß ich. Komm ich schenke dir eine Tasse Tee ein.“ Bea folgte ihr in die Küche und schloss leise die Kinderzimmertüre hinter sich. „Und weißt du schon ob du dich den Wächtern anschließt?“ Bea hatte ihr schon einmal erzählt, das sie gerne bei der Verteidigung des Grundstückes mitarbeiten würde, doch bezweifelte sie dass das ginge. Immerhin war sie keine Werwandlerin.
„Eher nicht. Ich... Denke ich würde das nicht schaffen. Ich hatte mir gedacht, da ich ja gut mit den Jungen kann, dass ich mich entweder als Babysitterin oder in der Krippe anmelde.“ Miss Carlsen reichte Bea eine Tasse schwarzen Tee, den sie dankend annahm.
„Aber du bist doch so gut im Kampf, es gibt niemanden der dich schlagen kann.“ Da hat sie leider recht, doch das reicht nicht. Sie kam sich so unnütz vor.
„Ich... Ich glaube nicht das ich geeignet bin. Ich kann noch nicht mal mit dem Rudelführer sprechen. Heute habe ich ihn zufällig getroffen, und... Ich dachte schon... Er sieht mich immer so an als...“ würde er mich jeden Moment töten und nur auf eine günstige Gelegenheit warten. Gänsehaut stieg ihr über den Rücken auf. Sie setzte ihre Tasse an den Lippen an, dann bekam sie ein mulmiges Gefühl.
„Trink das nicht!“ Sie schlug Miss Carlsen die Tasse aus der Hand und schüttete ihre eigene aus. „Aber... Was ist denn?“
„Was hast du da hinein getan?“ Miss Carlsen holte eine Box auf der Schwarztee stand und reichte sie Bea. Diese öffnete die Box und roch an den Gewürzen. „Da ist etwas drinnen...“
Sie wühlte etwas in der Box herum und entdeckte eine kleine lila Blüte. Sie unterschied sich beinahe überhaupt nicht von den anderen, doch strahlte sie etwas aus.
„Das! Was ist das?“ Miss Carlsen nahm ihr die Blüte aus der Hand und roch selbst daran. Stirn runzelnd zog sie die Augenbrauen hoch. „Das ist eine giftige Hornblume. Sie kommt äußerst selten vor, doch vergiftet selbst in geringen Mengen.“ blanke Angst stand in ihrem Gesicht geschrieben. „Komm wir gehen zum Arzt.“ Bea packte die Dose und führte Miss Carlsen zum Arzt.
Die zuständige Kojotin nahm ihr sofort Blut ab und machte einen Ultraschall bis sie die Befunden hatte. Bea suchte währenddessen nach anderen Blüten in der kleinen Gewürzdose. Nach einer halben Stunde und mit Medikamenten vollgepumpt musste Miss Carlsen einige Tage in der Notaufnahme bleiben. Die Kojotenärztin nahm Bea zur Seite.
„Du bist einfach toll. Noch ein paar Tassen mehr und....“ Die Kojotin mit den hochgebundenen braunen Haaren blickte traurig zu Miss Carlsen die bereits eingeschlafen war.
„Wie geht es den Ungeborenen?“
Die Kojotin lächelte. „Denen geht es gut. Sie sind etwas unterernährt, aber das wäre nichts was wir nicht beheben könnten.“ Seufzend ließ sich Bea auf einen der Besucherstühle fallen. „Zum Glück! Ich werde dann einmal nach den kleinen sehen, bis Mister Carlsen von seiner Schicht kommt.“
Die Werwandlerin legte ihr eine Hand auf die Schulter und lächelte zufrieden. „Wie hast gewusst was da drinnen ist?“ Bea dachte an das mulmige Gefühl zurück.
„Ich... Ich hatte so ein komisches Gefühl... Ich … Ich weiß es nicht. Ich wusste nur das etwas an der Mischung seltsam riecht.“ Die Ärztin roch an der Dose und verzog irritiert das Gesicht. „Also ich rieche nichts, aber trotzdem danke! Könntest du vielleicht noch einen Umweg zum Rudelführer machen? Er soll alle dazu veranlassen ihre Gewürze zu kontrollieren.“
Bea versteife sich, doch flüsterte „In Ordnung.“ Bevor sie sich umdrehte und zur Zentrale ging. Sie versuchte immer einen Umweg darum herum zu machen und nicht dort hin. Würde er sie in der Stille des Zimmers töten? Immerhin war sie eine Außenseiterin und jeder wusste, das Werwandler nicht gut auf andersblütige reagieren, solange sie keine Gefährten waren. Zögernd klopfte sie an der Türe zum Büro des Rudelführers.
„Herein!“ Brüllte er von der anderen Seite. Mit zitternden Fingern öffnete sie die Türe und schloss sie leise wieder hinter sich.
„Beathag? Was führt dich hier her? Ich glaube du warst noch nie hier, oder?“ Fragte er schroff. Bea war sich nicht sicher was sie sagen sollte. Natürlich war sie noch nie hier gewesen, zumindest nicht seit seiner Amtszeit.
Sein Gesicht sagte ihr das er ziemlich wütend war, auf wen konnte sie nicht sagen. Er stand am Fenster und blickte sie von oben herab an, als würde er sie auf der Stelle verschlingen.
Anstatt etwas zu sagen, hielt sie ihm nur die vertrocknete Blüte entgegen. Er kniff die Augen zusammen und kam näher. Mit klappernden Beinen blieb sie stehen und versuchte den Drang loszuwerden, der ihr sagte sie solle weglaufen. Er beugte sich zu ihr hinab und schnüffelte an der Blüte. „Woher hast du das?“ Seine dunkelblauen Augen fixierten sie und sie musste erst einmal Schlucken bevor die Wörter nur so aus ihr heraussprudelten.
„Bei Miss Carlsen. Sie war immer so müde die letzten Tage und heute hat sie mir Tee angeboten, als ich ihre Jungen zurück gebracht und ins Bett gelegt habe und dann habe ich bemerkt, dass der Tee seltsam riecht und habe ihn ihr aus der Hand geschlagen, dann habe ich in der Schwarzteebox das gefunden und Miss Carlsen zur Ärztin gebracht und... und... dann hat die Ärztin sie untersucht und hat gesagt sie würde durchkommen und die Jungen auch und alle sollten umgehend ihre Kräuter durchsuchen.“ Als Bea aufhörte zu sprechen, musste sie erst einmal tief Luft holen. Sie hatte gerade in einem Bericht mehr mit ihm geredet als in den letzten siebzehn Jahren.
„Ich werde es veranlassen. Danke Beathag.“ Beathag ließ die Blüte in seine ausgestreckte Hand fallen und drehte sich am Absatz um. Kurz bevor sie die Türe öffnete, redete der Rudelführer sie noch einmal an. „Beathag!“ Bea blieb stehen und drehte sich mit zitternden Händen um.
„Schöne Flügel.“ Bea blickte hinter sich und sog erschrocken die Luft ein. Bei der Aufregung hatte sie ganz vergessen darauf zu achten, dass ihre Flügel nicht sichtbar waren. „Es.. Es... Es tut mir leid, das war die Aufregung... Ich werde sie sofort weg machen.“ Sie konzentrierte sich, doch eine Hand an ihrem Arm ließ sie erschrocken zurückbringen.
„Ich tu dir nichts. Darf ich sie anfassen?“ Bea betrachtete seine starken Arme und dachte an ihre zarten Flügel. Besonders an ihre feinen Knochen sie schon so viele Brüche hinter sich hatten. Ein unangenehmes Ziehen ging durch jede einzelne Vene in ihren Flügeln. Diese Schmerzen wollte sie niemals mehr fühlen!
„Nein... Ich... Das ist mir unangenehm, wenn sie jemand anfasst. Es ist... seltsam...“ Der Rudelführer zog seine Hand zurück und ein Ansatz von einem Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Ich verstehe. Ich werde mich um den Rest kümmern.“
Bea drehte sich rasch um und eilte durch die Türe, damit er sie nicht noch einmal aufhalten konnte. Im Laufschritt bewegte sie sich zur Wohnungstüre der Carlsen zurück, wo sie sofort von lautem Gelächter ins Kinderzimmer geleitet wurde. „Na gut geschlafen Jungs?“ Die Burschen streckten ihr die Hände entgegen und sie hob sie heraus. Den restlichen Nachmittag verbrachte sie damit, mit den kleinen zu spielen und sie zu Baden, was sich als schwieriger herausstellte als das sie ursprünglich annahm. Als sie die kleinen frisch gebadet vor den Fernseher schickte war sie sich nicht mehr so ganz sicher, wer hier wen gebadet hatte.
Am Arbeitsplan der Carlsen stand, dass Mister Carlsen um acht Uhr zuhause sein sollte und fing daher eine Stunde vorher mit dem Kochen an. Als sie gerade servierte ging die Türe auf und eine männliche Stimme kündigte seine Anwesenheit an. Bea stellte die Suppe zurück auf den Tisch und verbeugte sich vor dem zweiten Offizier. „Beathag? Was machst du hier?“
Bea erzählte ihm von dem Vorfall und schickte ihn gleich darauf in die Krankenstation.
Erst spät in der Nacht wurde sie auf dem Sofa von einer Hand geweckt. Sie öffnete verschlafen die Augen und sah in zwei dunkelbraune Augen die sie lächelnd anblickten. „Danke Bea. Wenn du möchtest kannst du auch im Gästezimmer schlafen.“ Bea schüttelte den Kopf und streckte sich ausgiebig. „Danke, aber ich werde mal nach Hause gehen. Wie spät ist es denn?“ Mister Carlsen umarmte sie fest und sie konnte so etwas wie ein Schluchzen vernehmen. „Alles in Ordnung?“ Er nickte und drückte sie noch fester.
„Danke Bea. Danke, danke, danke. Wenn du nicht gewesen wärst dann...“ Ihm brach die Stimme und sie legte ebenfalls ihre Arme um ihn, um ihn am Rücken zu streicheln. Wandler brauchten die Nähe und Bea wollte sie ihm nicht verwehren, da sie wusste wie nötig Wandler so etwas hatten. „Wenn du was brauchst, ich bin immer für euch da. In Ordnung?“ Er nickte wieder und ließ sie dann los. „Danke Bea. Ich weiß nicht wie ich das jemals gut machen könnte. Ich...“ Bea tätschelte ihm die Hand. „Schon gut. Brauchst du morgen Hilfe? Ich kann dir die Kinder abnehmen, wenn du willst.“ Er nickte. „Ich rufe morgen an. In Ordnung?“ Bea nickte und schickte ihn ins Bett. Lächelnd schloss sie die Haustüre hinter sich und schlenderte zurück in ihr Zimmer, das ein Stockwerk unter den von den Carlsen lag.

Was ist ein gefallener Engel

Irgendwo am Weg bemerkte sie, dass sie sich auf die Bibliothek zubewegte, anstatt
wie normalerweise in ihr Zimmer zurückzukehren. Heute würde sie ohnehin kein Auge mehr Zutun. In der Bibliothek holte sie noch einmal das alte Buch heraus über ihr letztes Leben und bewunderte die Zeichnung von den beiden Schwertern. Darunter stand geschrieben: >Zwillingsschwerter Zerstörung und Vernichtung umhüllt vom schwarzen Feuer das alles verschlingt.<
Fast schon zärtlich fuhr sie über die überkreuzten Schwerter und fragte sich, was wohl aus ihnen geworden ist. Hatte sie die im Meer verloren? Hatte ihr der Drache sie gestohlen? Was hatte sie überhaupt hundertfünfzig Jahre im Drachenbau gemacht? War sie alleine gewesen? Wie war sie gestorben? Sie konnte sich an nichts anderes außer dem Kampf noch erinnern. Der Rest war wie ausradiert. Gelöscht? Hatte jemand ihre Erinnerungen manipuliert? Wenn ja, dann warum? Wenn sie zurückdachte, dann waren diese Schwerter immer an ihrer Seite gewesen. Sie hat sie immer gefunden, egal wie weit sie weg waren. Egal wie tief im Ozean versunken, oder einmal waren sie sogar in einen Vulkan gefallen, doch sie hatte sie wieder geholt. „Wo seid ihr?“ Flüsterte sie und wünschte sich so stark und anmutig zu sein, wie sie es in allen ihren früheren Leben gewesen war. Irgendetwas hatte sich verändert, das wusste sie. „Was ist passiert? Warum bin ich so geworden? Das bin doch nicht ich... Ich... Ich bin viel stärker und nun bin ich das geworden. Was hat sich in den hundertfünfzig Jahren verändert wo mein Gedächtnis fehlt?“ Eine Träne tropfte auf das Buch und Bea wischte sie sofort weg. Verärgert über sich selbst, über ihre Unwissenheit, schloss sie das Buch und warf es auf den Boden.
„Das Buch kann aber nichts für deine Erinnerungslücken.“ Hörte sie eine Stimme hinter sich. Mit einem Aufschrei, hüpfte sie auf, blieb am Tischbein hängen und fiel der Länge nach hin. „Autsch...“ Der Rudelführer hob das Buch auf und legte es zurück auf den Tisch während Bea sich aufrappelte und benommen am Boden sitzen blieb. „Habe ich dich erschreckt?“ Bea nickte und griff sich auf das Kinn. Eine kleine Blutspur rann ihre Finger hinunter und sie fluchte leise. Peinlicher könnte sie sich ja überhaupt nicht verhalten.
„Tut es sehr weh?“ Bea schüttelte den Kopf. „Nein... Es geht schon, Sir.“ Sie tupfte etwas an ihrem Kinn herum und hoffte, das sie sich nicht bis auf die Knochen aufgeschürft hatte. So etwas konnte nun wirklich nur ihr passieren. Werwandler hatten niemals solche Probleme. Sie waren die Anmut in Person.
„Warte ich helfe dir.“ Er streckte ihr die Hand hin und sie ließ sich von ihm auf die Beine helfen. Der Rudelführer drückte sie auf den Stuhl zurück und kniete sich vor sie. Dann drehte er ihr Kinn so herum, dass er die Wunde betrachten konnte. „Warte ich hole dir Wasser zum Säubern.“
Gehörig blieb sie sitzen und blickte ihrem Rudelführer hinterher, als er ein Handtuch nass machte. Sie griff dankend nach dem nassen Tuch, doch er wehrte ihre Hand ab. „Ich mache das, immerhin ist es auch meine Schuld.“
Bea riss erschrocken die Augen auf und beobachtete jede noch so kleine Bewegung die er machte. Sanft tupfte er das Blut von ihrer Wunde, bis das Handtuch rosa war und nicht mehr so strahlend weiß wie davor.
„Danke, Sir.“ Murmelte sie und versuchte ihr Kinn nicht zu viel zu bewegen.
„Du hast Schmerzen! Ich werde es heilen.“ So schnell konnte sie ihm mit dem Blick nicht einmal folgen, fühlte sie auch schon seine Zunge an ihrem Kinn, die leicht über die Wunde leckte.
So nah am Hals! Rauschte es ihr durch den Kopf. Eine kleine Bewegung und er reißt mir die Kehle heraus! Als er sich zurückzog, merkte sie dass sie nur mehr ein taubes Gefühl im Kinn hatte, doch der Schmerz war weg. Werwandler besaßen diese erstaunliche Gabe.
„Warum hast du so Angst vor mir?“ Bea war kurz davor zu hyperventilieren, doch rief sich selbst zur Ordnung.
„Sie sind mein Rudelführer, ich muss mich Unterwerfen.“ Das >muss< hatte sie mehr betont als das ihr lieb war. Hoffentlich verstand er dies nicht falsch.
„Was hat der alte Rudelführer gemacht?“ Daran wollte sie gar nicht denken und senkte peinlich berührt den Kopf.
„Nichts...“
Eine Hand in ihrem Genick zwang sie ihm in die Augen zu blicken. „Ich befehle es dir.“
Das löste den Knoten in ihr und die Wörter fielen ihr wieder aus dem Mund so wie heute Mittag. „Er hat mich geschlagen jeden Tag und mich angeschrien, warum sein Rudel von jemanden wie mir verflucht worden sei. Er wollte mich nicht in seinem Rudel. Er sagte ich sei nicht würdig hier zu sein. Ich bin ein gefallener und verfluchter Engel, ich hätte nicht das Recht in einer Familie zu leben, ich sollte meine Ewigkeit eigentlich in einer Höhle fernab von allen anderen sein. Er hat mir ständig die Flügel gebrochen, damit ich immer weiß das ich sie nicht verdiene und wo mein Platz in dieser Welt ist...“ Sie konnte nicht weitersprechen den ihre Tränen ließen es nicht zu.
„Aber du warst doch noch ein Kind!“ Knurrte der Bärenwandler vor ihr.
„Das war ihm egal. Ich wusste ja schon immer, dass ich ein gefallener bin und... Er sagte auch das ich verschwinden sollte, doch ich wusste nie wohin. Erst als Ihr kamt, hatte ich einigermaßen ruhe. Die anderen Rudelmitglieder hatten mich immer schon ausgestoßen und wollten mich nicht. Sie sagten es zwar nie, doch je älter ich werde umso deutlicher zeigen es ihre Gesichter. Aber ich verspreche, das ich gehen werde, sobald Sie es sagen. Ich werde weit weggehen und das Rudel in Ruhe lassen. Das verspreche ich!“ Bea konnte fast nicht mehr aufhören zu reden und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht während sie bettelnd zu ihm hoch blickte.
„Du wurdest von einem Rudelmitglied geboren, daher ist es dein Ahnenrecht hier zu sein. Ich werde dich bestimmt nicht aus dem Rudel werfen. Schon alleine weil dich alle Kinder lieben und du mehreren Familien gestern das Leben gerettet hast.“
Überrascht blickte Bea an ihm vorbei zum Fenster und merkte erst da, dass die Sonne schon aufgegangen war. Wie lange hatte sie hier gesessen?
„Die Sonne ist schon aufgegangen?“ nuschelte Bea. „Ich muss zu den Carlsen, ich muss auf die Kinder schauen!“ Bea sprang auf, doch der Rudelführer hielt sie auf. „Ist schon gut. Ben hat sie schon in den Kindergarten gebracht. Er hat mich gefragt ob ich wüsste wo du bist, da er dich nicht erreichen konnte. Ich habe gesagt ich würde dir ausrichten, dass du sie um zwei abholen sollst, wenn du kannst.“
Bea nickte und fühlte sich unwohl dem Rudelführer so nah zu sein. Seine ganze Erscheinung strahlte schon aus, dass er unendlich viel Kraft hatte.

„Danke, Sir. Ich werde schon einmal alles vorbereiten.“
Als sie an ihm vorbeiwollte hielt er sie noch einmal auf. „Jetzt lauf doch nicht immer fort. Ich wollte dich eigentlich einlade für heute Mittag.“
Überrascht stolperte sie gegen den Tisch.
„Wie bitte? Was? Warum? Ähm... Ich meine. Danke, Sir... aber warum?“ Stammelte sie.
„Als Dankeschön das du mehr als die Hälfte unseres Rudels gerettet hast.“ Konnte sie denn so eine Einladung ausschlagen? Vom Rudelführer?
„Komm um zwölf zu mir ins Büro.“ Bea nickte und schluckte schwer. War sie das essen? Hoffentlich nicht. Wieder mit einem angedeuteten Lächeln schritt er aus der Bibliothek und Bea nahm den anderen Ausgang um nach Hause zu gehen.
Dort nahm sie erst einmal eine heiße Dusche und versuchte einen klaren Kopf zu bekommen. Wann war sie von >Er will mich töten< zu einer Essenseinladung gekommen? Behutsam trocknete sie ihre langen weichen Federn und strich liebevoll darüber.
Sie hatte gelogen, als sie zu ihm sagte, das es unangenehm sei, wenn man ihre Flügel angriff. Eigentlich war es für sie beruhigend. Es entspannte sie und machte ihren Kopf frei. Früher hatten die anderen Jungen immer an ihnen gezogen und ihre Federn gestohlen, die dann als ausgerissener immer in Flammen aufgegangen waren. Damals hatte man ihr die Schuld gegeben, doch sie warnte ja immer alle davor. Sie hatte immer alles getan um die anderen nicht gegen sich aufzubringen.
Als sie sieben war und verstand warum sie so ist wie sie eben ist, hat der alte Rudelführer sie zur Seite genommen und ihr Löcher in den Bauch gefragt. Jedes mal wenn sie etwas nicht beantworten konnte, brach er einen ihrer zarten Knochen in ihren Flügeln. Manchmal ließ er auch einen Hammer darauf niedersausen oder zerfetzte sie mit Krallen. Erst nach Stunden der Qualen ließ er sie dann Ohnmächtig irgendwo liegen, bis sie Blutverschmiert wieder zu sich kam. Schluchzend wusch sie sich dann immer an einem ankreuzenden See, bevor sie zu der kleinen Siedlung zurückkehrte. Erst als sie elf Jahre war, wurde der alte Rudelführer getötet und ihr jetziger Rudelführer nahm dessen Platz ein. Er war damals auch noch relativ jung gewesen. Soviel sie gehört hatte, war er erst achtzehn gewesen. Er hat sie niemals großartig angesehen. Darüber war sie auch glücklich gewesen. Denn die körperlichen Qualen hatten endlich ein Ende, doch dann begannen die Seelischen. Sie verstand immer besser was mit ihr nicht stimmte und wurde mehr und mehr ausgeschlossen. Bis auf ein paar Freunde hatte sie niemanden hier. Chattan hatte ihr alles über sich selbst beigebracht, er war so etwas wie ihr Mentor. Seine Schülerin Ivy war neben ihr aufgewachsen, doch hatte sich immer mehr an sich selbst als an andere gedacht. Dann war dann noch Ella, sie ist die Tochter vom ersten Offizier des Rudels, der der jüngste Bruder von Ben ist. Ella und Ivy sind schon immer beste Freundinnen gewesen und Ella war auch schon immer nett zu ihr selbst gewesen. Als sie sechzehn wurde, zog Ella Bea in die Außenwelt mit und Organisierte mit ihr verschiedene Veranstaltungen. Sie war für Essen oder Verzierung zuständig. Was anderes wollte sie nicht machen, da sie Angst vor den Reaktionen der anderen hatte. Mit den Carlsen hatte sie sich deswegen angefreundet, da ihre kleinen immer ausrissen und Bea sie zufällig einfing. Seitdem war sie auch so etwas wie die Babysitterin der Familie.
Lächelnd zog sich Bea eine rote Jogginghose an und ein dunkelrotes Longshirt darüber. Ihre schwarzen farblosen Haare ließ sie offen über den Rücken fallen und genoss das Gefühl. Sie würde noch eine Runde fliegen, bevor sie sich auf den Weg zum Rudelführer machte. Zuerst marschierte sie in der Eiseskälte des Winters zum halb zugefrorenen See und kletterte auf ihren üblichen Baum. Den hatte sie sich vor Jahre zurechtgeschnitten um gemütlich hinauf gehen zu können. Mit ihrer zierlichen Figur konnte sie problemlos durch die Luft gleiten. Es gab für sie kein schöneres Gefühl. Ihre starken schwarzen Flügel trugen sie ohne Problem bis über die Wolken und dort blieb sie einige Zeit um sich selbst im Wasser zu bewundern. Als ihr das Schweben zu langweilig wurde ließ sie sich senkrecht vom Himmel fallen. Ihre Fallgeschwindigkeit nahm rasend zu und erst kurz vor der Wasseroberfläche riss sie nach oben zurück. Lachend streifte sie mit einer Hand durch das Wasser und genoss die Kälte. Ihre Flügel glitten durch die Luft ohne den geringsten Laut zu erzeugen. Es erfüllte sie mit einem unglaublichen Gefühl. Dem Gefühl der Freiheit.
Hoch auf einer Tanne ließ sie sich nieder und suchte eine gute Stelle zum Landen. Den letzten Meter ließ sie sich rückwärts in den Schnee fallen und hinterließ im hohen Schnee einen Abdruck von sich. Lachend hievte sie sich aus der kleinen Grube und hörte Schritte näher kommen. Als sie die Wache erkannte ließ sie ihre Flügel verschwinden und zog den Kopf ein. Der Wachmann kam auf sie zu und verwandelte sich vom Wolf in einen Menschen.
„Was machst du hier?“ Sie kannte ihn nicht und konnte daher nicht einschätzen ob er wütend war oder nicht. „Ich... Es tut mir leid. Ich hab nur ein bisschen herum geblödelt. Ich gehe schon wieder.“
„Warte. Du bist doch Beathag?“ Bea nickte. „Ich wollte mich bei dir bedanken. Meine Kinder trinken Tee gerne und ohne dich wären sie jetzt bald tot. Vielen Dank!“
Bea lächelte schüchtern und nickte wieder. „Gern gemacht. Ich bin froh das es allen gut geht.“
Der Wächter klopfte ihr auf die Schulter und schickte sie zurück ins Dorf. Sie glitt langsam den Hügel hinunter und erst als sie unten im Tal ankam, verbarg sie wieder ihre Flügel und machte sich auf den Weg zum Büro ihres Rudelführers. Dort angekommen klopfte sie ihre warmen Fellstiefel vom Schnee ab und klopfte an der Bürotüre.
„Komm rein!“ Natürlich wusste er das sie es war, da sie ja einen Termin vereinbart hatten.
„Sir!“ Der Rudelführer winkte sie zu sich und deutete ihr sich zu setzen. „Warte kurz hier, ich habe noch schnell etwas zu erledigen und dann gehen wir.“ Bea nickte und blickte ihm nach, als er hinaus ging.
Seufzend holte sie Luft und war froh wieder alleine zu sein. Das gab ihr aber dafür Zeit sich umzusehen. Sie selbst saß in einem Stuhl aus braunen Leder und vor ihr stand ein wuchtiger brauner Tisch, der die Hälfte des Zimmers einnahm. Hinter dem Tisch war ein Bücherregal das voller Akten und Kisten war. Eine Ordnung konnte sie jedoch nicht erkennen. Es juckte sie sogar im Finger es zu Ordnen. Doch was würde der Rudelführer wohl davon denken?
Ohne es zu merken war sie bereits aufgestanden und hatte ihre Hand nach dem ersten Ordner ausgestreckt. Sie blickte sich unsicher zur Türe um und seufzte ergeben.
„Es geht ohnehin ganz schnell.“ So schnell das ihr nicht einmal ein Werwandler folgen konnte begann sie die Ordner richtig zu Sortieren und die Schachteln in einer Reihe aufzustellen. Dann machte sie sich an den Schreibtisch und innerhalb von zwei Minuten war ein Chaos von mehreren Jahren beseitigt.
Ängstlich dachte sie an den Blick den ihr der Rudelführer bestimmt zuwerfen würde und fluchte innerlich. Ihr Ordnungsdrang war schon immer übermächtig gewesen. Ein Tick aus ihrem Engelsleben.
Wütend über sich selbst ging sie wieder aus dem Büro und lief vor der Türe auf und ab. Zerronnener Schnee machten den Holzboden etwas rutschig, doch sie schritt darüber, als hätte sie nie etwas anderes getan.
Als sich die Eingangstüte öffnete und der Rudelführer mit einem mürrischen Gesicht eintrat, verfluchte sie sich selbst noch mehr.

„Komm, lass uns nach oben gehen. Der Reis ist sicher schon fertig.“ Still folgte sie ihm ins obere Stockwerk und betrachtete unsicher das Chaos. Lächelnd stieg sie über eine Kiste die mitten im Weg lag und versuchte nicht über eine Pfanne zu stolpern.
„Schau nicht so, ich bin eben... leicht Chaotisch.“ Witzelte der Rudelführer und Bea belächelte das Wort >leicht<.
„Ich verstehe...“ Sie räusperte sich um nicht zu lachen und reckte die Nase in die Höhe. „Hühnchen?“ Fragte sie, obwohl sie es bereits wusste.
„Ja. Ich hoffe du magst so etwas. Ich habe auch Reis gekocht, Kartoffelknödel und zwei Salate gemacht.“ Bea betrachtete den voll geräumten Tisch und kicherte.
„Sehe ich so dick aus, dass Sie glauben dass das alles heute weg kommt?“ Er schob sie zu einem Sessel und sie ließ sich darauf sinken. „Nein das nicht, doch ich wusste nicht was du gerne isst. Jetzt habe ich verschiedenes zubereitet.“ Er schöpfte ihr auf den Teller und setzte sich dann neben sie. Erst jetzt bemerkte sie, das er nicht auch für sich selbst gedeckt hatte und bekam ein mulmiges Gefühl.
„Ich... Sie essen nichts?“ Er hob die Schultern und schnitt ihr das Hühnchen klein. „Ich habe doch für dich gekocht und nicht für mich.“ Bea sah unsicher zu den Gerichten und versuchte zu errate in welchem wohl das Gift ist.
„Ich... Ich weiß nicht recht...“ Doch fertig sprechen konnte sie nicht, denn da schob er ihr auch schon eine Gabel mit Hühnchen in den Mund. Der Geschmack explodierte beinahe in ihrem Mund. Es war saftig zart und die Haut war genau richtig knusprig.
„Wahnsinn!“ seufzte sie. „Ich habe glaube ich noch nie etwas Besseres gegessen!“ Mit vor Freude blitzenden Augen schaufelte er etwas Reis auf die Gabel und schob es ihr in den Mund.
Seit wann musste sie denn gefüttert werden?
„Es freut mich das es dir schmeckt!“ Bea betrachtete die ganzen Speisen und bemerkte das neben ihr noch eine Gabel lag. Irgendwie kam ihr sein Verhalten seltsam vor.
„Sie wollen nichts?“
Er rutschte näher, bis sich ihre Knie berührten und lächelte breit. „Wenn du mir etwas abgibst?“
Bea griff nach der Gabel und sprach gut auf sich selbst ein, damit ihre Hand aufhörte zu zittern. Als sie auf die Gabel etwas Hühnchen aufspießte und es ihm in den Mund schob, kam sie sich vor wie auf einem sehr merkwürdigen Date.
War das etwa eines? Essen zu zweit, er hatte gekocht, und niemand der sie beide störte. Plötzlich fühlte sie wie ihre Wangen rot wurden und senkte den Kopf.
„Sir... Weswegen bin ich jetzt eigentlich hier?“ Fragte sie und gabelte etwas von dem Gurkensalat auf um ihn damit zu füttern.
Nachdem er geschluckt hatte fütterte er sie wieder. „Ich wollte dich besser kennenlernen. Ich weiß deine Jahre hier waren nicht gerade die besten, doch du setzt dich trotzdem für dein Rudel ein. Auch, wenn sie dich nicht richtig akzeptieren. Das finde ich bemerkenswert.“ Bea zuckte mit den Schultern.
„Ich... Danke. Aber ich wüsste nicht warum auch diejenigen darunter leiden sollten, die mich einfach in Ruhe lassen. Ich dränge mich nicht auf und werde es auch niemals tun. Irgendwann wenn die Zeit reif ist, dann werde ich gehen. Oder wenn ich hinausgeworfen werde!“ Witzelte sie und der Rudelführer lächelte breit.
„So schnell wirst du nicht verbannt, außer du tötest jemanden mutwillig. Aber erzähl mir etwas über deine Vergangenheit warum wurdest du verflucht?“ Ach deswegen hatte er mich zu sich gerufen. Erleichterung machte sich in ihre breit.
„Es war so. Vor eine Ewigkeit wurden die Engel geboren, diese sind die Kinder Gottes. Gott erschuf irgendwann für ein Experiment die Erde und deren Menschen. Viele Jahre spielten auch die Engel mit den Menschen und genossen den Frieden den sie ausstrahlten. Sie gaben ihnen Visionen und schenkten ihnen Begabungen. Es war einfach eine schöne Zeit. Irgendwann, gab da einen Engel, der war eifersüchtig auf die Menschen, die von Gott seiner Meinung nach mehr geliebt wurden als die Engel, die ihm doch am nächsten waren. Der Morgenstern sammelte Verbündete und wappnete diese für einen Krieg gegen Gott selbst. Der große Engel Gabriel und der Gerechte Michael schlugen den Morgenstern und seine Anhänger aus dem Himmel. Viel Anhänger, bekannten Buße und durften zurückkehren. Nur drei nicht. Der Morgenstern auch unter Luzifer bekannt, war so wütend auf alle, dass er die Güter der Rachsucht, des Hasses und die Lüge auf die Erde streute. Für sein Vergehen und seinen Verrat wurden ihm die Flügel ausgerissen und er wurde mit dicken Ketten tief in der Erde vergraben. Dort musste er nun den Rest seines Lebens Büßen. Doch Luzifer schaffte es sich neue Flügel zu fertigen. Er zog etlichen Jungfrauen die Haut ab und stahl ihnen die Knochen, die er dann zu Flügel zusammen nähte. Die was durch seine Hand starben verloren ihre Seelen und wurden zu den ersten Dämonen. Sie hören ausschließlich auf ihn und verehren ihn wie Priester Gott verehren.

Ich war einer dieser zwei Engel die sich nicht von Luzifer lösten. Er, so viel ich noch weiß, ist der schönste aller Engel, deswegen war auch sein richtiger Name Morgenstern. Er ist so herrlich und unerreichbar wie ein Stern. Ich liebte ihn mehr als mein ewiges Leben, dafür wurde ich mit ewigen Leben und der Unfähigkeit Liebe zu empfinden gestraft. Was aus dem anderen Engel wurde weiß ich nicht. Nicht einmal mehr wer er war, könnte ich sagen. Ich weiß ja noch nicht einmal welcher Engel ich überhaupt war. Ich hatte bis jetzt mehrere Tausend Namen und genauso viele Leben, doch wie ich meine Strafe am besten aus sitze weiß ich immer noch nicht. Auch weiß ich nicht, was der Sinn dahinter ist. Ich habe etliche Male mein Leben riskiert für eine Person oder für hunderte. Ich habe bei Geburten geholfen. Ich habe Länder verteidigt. Ich habe das Böse ausgelöscht immer und immer wieder. Sogar Dämonen verbanne ich zu Luzifer zurück, oder manche kann ich sie sogar zerstören. Aber jetzt... jetzt zweifle ich schon seit mehreren Leben, dass ich überhaupt jemals zurück darf. Ich kann zwar Liebe erklären. Jede Art von Liebe. Die freundschaftliche, die brüderliche, die elterliche, die Nächstenliebe, die Hassliebe, die Liebe zweier Menschen... Ich habe ja verstanden dass ich mein Leben im Himmel verwirkt habe, aber dann sollen sie mir wenigstens sagen, das ich niemals wieder in den Himmel darf so wie Luzifer. Vielleicht haben sie ja auch schon wieder den anderen Engel der mit mir Verbannt wurde wieder aufgenommen? Ich finde es einfach nur zum Verzweifeln.“

Ihr Rudelführer hatte ihr die ganze Zeit über zugehört, während sie ihm mit allem gefüttert hatte, was am Teller geladen war. Sie selbst hob das Glas an ihre trockenen Lippen und holte tief Luft. „Tut mir leid, Sir. Ich neige dazu in einen Redeschwall auszubrechen, wenn ich nervös bin.“
Lächelnd strich er ihr über die Wange. „Ist schon in Ordnung. Es ist schön dir zuzuhören. Es war eine sehr spannende Geschichte. Ich bin mir sicher, das du eines Tages wieder in den Himmel zurück darfst. Sie wären Dumm wenn nicht.“
Bea zuckte mit den Schultern. „Ist ja auch egal. Und danke für das Essen.“ Lachend blickte er auf den leeren Teller. „Ich habe zwar für dich gekocht aber ich habe trotzdem mehr gegessen als du.“ Kichernd schob Bea ihre Haare hinter die Ohren. „Ist schon gut. Ich brauche nicht so viel um am Leben zu bleiben. Ich esse immer nur das nötigste.“
„Dann komm morgen Mittag wieder.“

Bea bickte ihn irritiert an. „Was? Warum?“
Er deutete auf das Essen. „Komm morgen wieder und dann essen wir den Rest auf.“
Bea wehrte ab. „Danke, Sir. Aber das ist schon in Ordnung. Ich sollte sowieso jetzt gehen. Kann ich Ihnen noch helfen beim Aufräumen?“ Der Rudelführer blickte auf sein Chaos und wehrte ab. „Nein, ich räume es später auf. Ich will aber, dass du morgen wieder zum Essen kommst.“
Bea wusste nicht wie sie sich herausreden sollte. „Ich kann nicht, ich... habe einen Termin.“ Der Rudelführer kniff die Augen zusammen. „Ist mir egal. Verschiebe ihn“
„Er ist aber wichtig.“ Sie durfte sich nicht darauf einlassen.
„Du wirst aber kommen.“
Bea holt tief Luft und probierte es anders. „Ich bin Ihnen sehr Dankbar, Sir. Aber ich denke nicht das noch ein Essen nötig ist. Ich weiß das Sie sich damit bei mir bedanken, doch ich ziehe meine... meine Unauffälligkeit vor. Ich denke ich sollte jetzt auch gehen.“ Sie schob den Stuhl zurück und verbeugte sich vor ihrem Rudelführer. Dann kehrte sie ihm den Rücken zu und versuchte beim hinaus gehen alles an seinem ursprünglichen Platz zu lassen. Verdammter Ordnungswahn.
Erst als sie das Haus verlassen hatte, beruhigte sich ihr rasendes Herz endlich wieder.
Kopfschüttelnd ging sie in ihr Zimmer um etwas zu Kochen zu holen für die kleinen. In einer halben Stunde würden sie vor dem Kindergarten auf sie warten.
In ihrer kleinen Küche räumte sie ein paar Lebensmittel in einen Rucksack, doch als sie ins Wohnzimmer kam, kam ihr etwas merkwürdig vor. Normalerweise standen am Esstisch immer sechs auf den Kopf gestellte farbige Gläser und eine Mineralwasserflasche. Jetzt war eines davon halb von Mineralwasser voll und leicht aus gesprudelt. Jemand war hier...
Leise schlich sie in ihr Schlafzimmer und fand auf dem Bett eine einzelne weiße Rose. „Woher...?“ Sie nahm die Rose vom Bett und roch daran. Sie duftete einfach himmlisch. Lächelnd ging sie zurück in die Küche um diese in ein Glas zu stecken, als plötzlich jemand vor ihr stand. Schreiend wollte sie weglaufen, doch wurde sofort am Arm zurück gerissen. „Hallo mein Liebling!“ Graue Augen musterten sie von oben bis unten und zart geschwungene Lippen entblößten ein perfektes weißes Gebiss. „Aber... Du bist tot! Ich... Du hast mich damals entführt und... Es sind bereits zweihundert Jahre vergangen!“ Plötzlich lagen seine Lippen auf ihren und küssten sie. Verzweifelt versuchte sie sich zu wehren, doch er drückte sie einfach gegen die Wand und lächelte sie liebevoll an. „Hast du mich vermisst? Immerhin ist es schon siebzehn Jahre her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.“ Bea versuchte ihn weg zu drücken, doch er war viel stärker als sie. „Ach Liebling, warum drückst du mich weg? Freust du dich nicht?“
Bea schüttelte den Kopf. „Wer bist du? Ich kenne dich aus meinen Erinnerungen, du hast mich entführt.“ Nero blickte sie irritiert an. „Was? Nein, ich habe dich nach Hause geholt, dort wo du hingehörst. Du bist einfach gegangen. Das war unhöflich, da du dich nicht einmal verabschiedet hast.“
Bea zitterte am ganzen Körper. Sie hatte Selbstmord begangen? Dann hatte sie bestimmt gute Gründe. Sie nahm allen Mut zusammen und lächelte ihn an. „Und das fandest du so schlimm?“ Nero lächelte noch breiter und beugte sich mit den Kopf wieder zu ihr hinunter. „Nein, aber ich habe dich vermisst.“ Bea reckte ihm den Kopf entgegen um so zu tun als würde sie ihn küssen wollen, doch als er sich nun zu ihr hinab beugte, biss sie ihn mit aller Kraft in die Lippe.
Mit einem wütenden Aufschrei riss er sie bei die Haare und warf sie gegen die gegenüberliegende Wand.
Ihr Kopf knallte so hart dagegen, dass sie ein leises Knacken und ein Dröhnen vernahm. Doch darauf konnte sie keine Rücksicht nehmen. So schnell sie konnte lief sie zum nächsten Fenster und warf sich dort durch die Glasscheibe. Für den Hauch einer Sekunde hing sie einfach nur in der Luft und sah wie sich etliche entsetzte Gesichter zu ihr hinauf drehten. Es waren mindestens zwölf Werwesen, alle die sie nicht kannte, und hielten sich erschrocken die Hand vor den Mund. Als sie wieder klar denken konnte und bemerkte, das sie nur mehr wenige Meter vom Boden trennte, breitete sie ihre langen schwarzen Flügel aus und trieb sich aus eigener Kraft zurück in die Höhe. Entsetzt blickte sie zu ihrem taub herunterhängenden linken Arm, der Blutüberströmt und zerfetzt aussah. Das Glas muss wohl dicker als gedacht gewesen sein.
Schwungvoll hob sie sich in die Höhe und blickte durch das zerbrochene Fenster in ihre zertrümmerte Wohnung. Darin stand immer noch Nero und hatte ebenfalls seine blauen geschuppten Flügel ausgebreitet. „Komm sofort zurück und ich werde keinen Streit anfangen.“ Brüllte er mit mächtiger Stimme.
Bea blickte hinab zu den sich mittlerweile verwandelnden Werwandler und bemerkte auch, das sich einige von hinten an ihn herrann schlichen.
„Wo sind meine Schwerter?“ Brüllte sie zurück um ihn abzulenken.
„Du trägst sie immer bei dir, du brauchst sie nur zu rufen.“ Er warf theatralisch die Hände in die Luft. „Warum musstest du denn auch unbedingt deinen Geist blockieren, ich habe dir ja gesagt, dass sich das für dich nur negativ auswirkt. Ich finde dich immer. Du bist ein Teil von mir.“ Erschrocken sog sie die Luft ein und flog etwas näher an ihn heran. „Was meinst du damit? Wer bist du überhaupt?“
„Was meinst du damit, wer ich bin? Ich bin dein Mann ich habe mir sorgen um dich gemacht.“
Übelkeit überkam sie. „Was? Du kannst nicht mein Mann sein.“
Nero machte eine wegwerfende Handbewegung. Im selben Moment bemerkte er die Werwandler hinter sich, die sich brüllend auf ihn warfen. Mehr konnte sie dann nicht mehr erkennen, da ihr schwindelig wurde und Punkte vor ihrem geistigen Auge erschienen. Langsam setzte sie sich am Boden ab und spürte sofort etliche Hände auf sich, die sie schützten und behüteten. Das letzte was sie sah bevor alles schwarz wurde, waren zwei tiefblaue Augen die ihr versprachen das alles gut werden würde.

Die Eigenartem eines Werwandlers

Hustend erwachte sie aus einem tiefen und verwirrenden Traum. „Beathag! Du bist wach.“ Chattan strich ihr ein paar Strähnen aus dem Gesicht und lächelte erleichtert. „Thorik! Sie ist wach.“ Seine Stimme überschlug sich beinahe als hätte er nicht damit gerechnet diesen Satz sagen zu können.
Der Rudelführer schob Chattan hastig beiseite und schenkte ihr sein strahlendes Lächeln. Jetzt wirkte er sogar Jünger, da ihm Sorgenfalten auf der Stirn erschienen waren. „Kannst du dich an etwas erinnern?“
Sie nickte und bereute es. „Mein Kopf ist gegen die Wand gedonnert und Nero hat mich verfolgt. Ich bin aus dem Fenster und... dann bin ich abgestürzt, Sir.“ Ihr Rudelführer lachte etwas unbeholfen. „Bitte nenne mich einfach Thorik. Das wollte ich dir schon vorgestern sagen, aber du bist so schnell verschwunden.“
Bea erinnerte sich an die Stunde davor. „Das essen! Es ist bestimmt nicht mehr gut...“ Wie kam sie denn jetzt darauf? Sie musste härter gelandet sein als sie dachte.
Thorik wurde etwas rot auf den Wangen und kratze sich am Kopf. Chattan sah ihn über die Schulter überrascht an und Thorik machte eine Geste, das er verschwinden sollte. Cahttan lächelte wissend und verschwand aus ihrem Blickfeld.
„Ich wusste nicht das du einen Mann hast.“ Bea war verwirrt. Einen Mann?
„Ich habe gehört als ein Fenster zersplitterte und bin sofort hinaus um zu sehen was passiert ist. Als ich hinaus kam hast du mit jemanden geredet, der behauptete dein Mann zu sein.“
„Nero!“ Flüsterte sie und Thorik legte einen Arm um sie, als würde er sie vor diesem Namen beschützen wollen. „Wer ist das?“
Sie bemerkte sein Knurren und lächelte ihn friedlich an. „Er... Ich weiß ehrlich nicht mehr genau wer er ist. Ich weiß nur, dass ich gegen ihn gekämpft habe und er ein Drache war. Er war es auch der mich einhundertfünfzig Jahre gefangen hielt. Aber das >warum< weiß ich nicht mehr.“
Thorik nickte verstehend. „Dann ist er sich bestimmt deiner Identität bewusst und will dich wieder haben.“
Bea zuckte mit den Schultern und schrie vor Schmerz auf. Erst jetzt bemerkte sie die dicken Verbände. „Ist schon gut. Du hast deine linke Hand zertrümmert als du durch das Sicherheitsglas gesprungen bist. Es wundert mich immer noch das du dort durch kamst.“ Bea lächelte und legte ihm eine Hand auf die Wange. „Ist er tot?“
Er schmiegte sich in ihre Hand und etwas veränderte sich in seinem Blick. „Nein, leider nicht. Er ist entwischt und hat uns einige Schwerverletzte zurück gelassen. Keine Sorge die meisten sind bereits entlassen.“ Meinte er schnell als Bea sich erschrocken umsah.
Sie lag in einem Einzelzimmer und darüber war sie auch sehr froh. „Was ist dann passiert?“ Jetzt wirkte er etwas nervös und versteifte sich etwas. „Na, ja. Er ist weggeflogen und hat gemeint, dass du schon selbst zu ihm zurückkommen würdest. Ich habe dich hier her gebracht und das war es dann auch. Deine Wohnung ist übrigens schon wieder aufgeräumt und tu mir bitte den gefallen.... Spring nie wieder durch gepanzerte Fenster.“
Bea musste bei der Bemerkung lachen und husten gleichzeitig. „Ich kann für nichts versprechen. Wenn es die Situation nicht anders bewältigen lässt... dann muss ich wohl oder übel.“
Thorik stimmte auf ihr Lachen ein und wirkte Stolz. „Ruh dich aus. Ich schau später nach dir.“
Ihr Rudelführer erhob sich und beugte sich noch einmal kurz zu ihr hinab um ihr einen Kuss auf die Lippen zu hauchen. Erschrocken über diese vertraute Geste setzte ihr Herz für einen Moment aus und begann danach wie wild zu schlagen. Neben ihr ertönte ein nerviges Piepsen, das ihren unregelmäßigen Herzschlag wiedergab. Es geht doch noch peinlicher. Dachte sie und versuchte ihr rotes Gesicht zu verbergen indem sie zur Seite blickte. Sonst hatte sie doch immer panische Angst vor ihm gehabt, warum reagierte sie auf einmal so?
„Ich finde es gut das du keine Angst mehr vor mir hast.“ Bea blickte ihn nicht an, doch konnte sich eine Frage nicht verwehren.
„Wie kommst du darauf, dass ich keine Angst mehr habe?“
Sie fühlte eine Hand an ihrer Wange, die ihr Gesicht drehte bis sie in die von Thorik blicke. „Beathag... Du hast vor mir nichts zu befürchten, ich würde niemals Hand an dich anlegen. Auf keine Weise, außer du stehst darauf.“ Kicherte er am Schluss und Bea verdrehte die Augen. Sie seufzte genervt.
Als die Türe zu ihrem Zimmer geöffnet wurde nahm er etwas Abstand von ihr. „Bea! Ach du liebes Kind. Wie geht es dir?“ Miss Carlsen eilte auf sie zu und drückte sie etwas unbeholfen, da sie nicht wusste wo sie sie anfassen konnte ohne ihr schmerzen zuzufügen.
„Miss Carlsen! Wie schön dich zu sehen. Ist wieder alles in Ordnung?“ Miss Carlsen lächelte sie an mit Tränen in den Augen. „Ja mein Kind, es ist alles in Ordnung. Dank dir und jetzt sieh dich an. Jetzt liegst du hier in Bandagen festgebunden und völlig zerschunden. Wenn du hier raus kommst, dann bekommst du erst einmal ein ordentliches Essen von mir.“
Bea lachte und bemerkte jetzt erst dass Thorik schon weg war.
Nach einigen Stunden wurde sie zum Verbände wechseln geweckt. Als die Ärztin ging, kam Chattan sie wieder besuchen. „Hallo Onkel!“ Er küsste sie zur Begrüßung auf die Stirn und zog sich einen Sessel heran. „Na wie geht es die mein Engel? Vorhin hatte ich nicht wirklich Zeit mit dir zu plaudern.“ Bea lächelte freundlich und erinnerte sich wie unsanft ihn Thorik hinaus gescheucht hatte. „Danke besser als heute Morgen. Da war ich noch ziemliche niedergeschlagen.“ Chattan lächelte und tätschelte ihr die Hand mit seinen alten Finger. „Hast du gehört. Schon das ganze Rudel redet nur von dir. Du bist so etwas wie die Heldin. Plötzlich kennt jeder deinen Namen und es wird sogar gestritten, wer am besten mit die befreundet ist. Abgesehen von Ella und Ivy die finden das eher nervig.“
Bea lachte laut. Das war doch einmal eine Neuigkeit. „Und sonst? Geht es allen gut?“
Chattan nickte. „Natürlich. Donna ist auch schon entlassen worden mit ihren Drillingen.“ Bea nickte und erzählte ihm, das sie die wieder einmal werdende Mutter bereits besucht hat.
„Na siehst du. Na gut, ich werde wieder in meine Bibliothek gehen. Komm mich besuchen, wenn du entlassen bist.“ Bea nickte.
„Ach, ja. Ich habe dir auch noch etwas mitgebracht. Das wirst du bestimmt gebrauchen können.“ Er hielt ihr ein Buch hin und sie nahm es dankend entgegen. Er wusste wie gerne sie las. Als sie jedoch den Buchtitel las war sie verwirrt. „Werwandler und ihre Eigenarten? Ich wüsste nicht was ich noch über die Spezies lernen sollte, mit der ich aufgewachsen bin.“
Chattan lachte jedoch nur wissend. „Ich habe dir bereits das Kapitel gekennzeichnet, damit du weißt auf was ich hinaus will. Viel vergnügen und versinke nicht durch das Bett in den Boden wenn du fertig bist.“ Bea blickte ihm irritiert nach, als er leise die Türe hinter sich schloss. Als sie das Buch nun genauer betrachtete, sah sie ein gelbes Kärtchen, das im Buch ein gezwickt war. Sie schlug die markierte Seite auf und ihr stockte der Atem. Im siebenten Kapitel ging es um &gt;Eigenarten eines Werwandler bei der Werbung um einen Gefährten<.
„Oh, je. Chattan was tust du mir da an?“ Flüsterte sie mehr zu sich selbst und begann zu lesen.

Kapitel 7
Eigenarten eines Werwandler beider Werbung um einen Gefährten.
&gt;Jede Werwandler Art hat ihre eigenen Verhaltensmuster bei der Werbung um ein Weibchen. Die einen verstecken Sachen von ihren Auserwählten um auf sich Aufmerksam zu machen, manche suchen unerbittlich die Nähe und wieder andere, fangen immer und immer wieder Streit mit der Auserwählten an. Dann gibt es auch noch jene, die ihrer auserwählten Geschenke machen und das meist in übertriebenen Maße, was jedoch eher bei Vogelwerwandler auftritt.<

 

Bea übersprang diesen Teil und kämpfte sich zu den Bärenwerwandlern durch.

>Bärenwerwandler sind in der Werbung um eine Partnerin eher aggressiv, was ihrer tierischen Seite zuzuschreiben ist. Hat ein Männchen einmal ein Weibchen, oder umgekehrt, erwählt, versucht es dieses mit seiner überlegenen Stärke zu beeindrucken, bis es eingeschüchtert ist. Dieses Verhalten kann sich unter Bärenwerwandler oft bis zu Jahren hinziehen, da sie es niemals öffentlich zur Schau stellen. Ist jedoch einmal dieser Teil der Werbung positiv gelungen, so zieht es sich mit seiner Auserwählten zurück um es zu umsorgen. Das sind meist die Wintermonate in denen sich das Paar von den anderen zurückzieht und, oder sich regelmäßig an einem abgeschiedenen Platz treffen. Dort wird meist das Weibchen so lange umgarnt und verwöhnt, bis es sich seinem Partner vollkommen und unwiderruflich hingibt.<

Weiter wollte sie unter gar keinen Umständen lesen. Ich habe bestimmt etwas falsch verstanden. Das kann unmöglich sein, ich gehöre nicht einmal seiner Art an. Ich bin noch nicht einmal ein richtig Mensch. Ich... bin außerdem sieben Jahre jünger als er.... Nein! Ich muss unbedingt mit ihm darüber sprechen.
Beathag nahm sich vor sofort mit ihm zu sprechen, wenn er wieder kam. Sie redete sich ein, dass sie einfach nur die Zeichen falsch gedeutet hatte.
Wie auf Kommando ging die Türe auf und Thorik kam mit einem Picknickkorb herein. Lächelnd hielt er ihn in die Höhe um darauf aufmerksam zu machen. „Ich habe dir etwas mitgebracht!“ Meinte er stolz und stellte den Korb neben ihr auf dem Bett ab. Beas Interesse war geweckt. Sie setzt sich höher um hinein sehen zu können. Als er das Tuch weg nahm, befanden sich darin mehrere belegte Brötchen und eine Flasche mit Orangensaft.
Dankend nahm sie ein Brötchen entgegen und biss herzhaft hinein. „Ist das Lecker!“ Schwärmte sie und bemerkte da erst, das ihr Magen vollkommen leer war. „Wenn ich hier draußen bin, stelle ich dich als meinen persönlichen Koch ein.“ So schnell wie die Wörter aus ihrem Mund waren, so schnell wurde ihr auch bewusst was sie da überhaupt sagte. Verdammte Medikamente! Fluchte sie innerlich und legte das halb gegessene Brötchen auf ihre Beine.
„Das Angebot nehme ich gerne an.“ Kicherte er und küsste sie flüchtig auf die Lippen, bevor er genüsslich seinen Organgensaft trank.
Ihr Herz rast schon wieder als würde es sich aus ihrem Brustkorb arbeiten und Bea freute sich, dass das nervtötende piepsende Geräusch bereits seit Mittag weg war. „Thorik, wir müssen unbedingt reden.“ Thorik setzte sofort seine Rudelführermaske auf und spitzte im übertragenen Sinne die Ohren. „Das klingt nicht gut.“
Bea lächelte schwach und überlegte was sie sagen sollte. „Ich... Ich weiß nicht wirklich was das soll. Ich versteh dich einfach nicht. Du hast mich Jahrelang behandelt als wäre ich nicht da, oder sollte verschwinden und von einem Tag auf den anderen... bist du vollkommen verändert. Kannst du mir nicht einfach klipp klar sagen was das soll?“
Als sie geendet hatte musste sie erst einmal tief Luft holen, da sie am Schluss vergessen hatte zu Atmen.
Thorik räumte das halb angefangene Essen weg und rutschte neben sie. „Du hast das Buch gelesen? Wer hat es dir gebracht?“
Bea blickte neben sich auf den Nachttisch und betrachtete das in rotes Leder gebundene Buch. „Chattan hat es mir vor einer Stunde gebracht und gemeint, darin steht etwas was mich interessieren könnte.“
Thorik blickte das Buch an als könnte er dadurch Chattan eine rein würgen. „Das hätte er nicht tun sollen, aber jetzt ist es schon egal. So wie du mich ansiehst, hast du bereits das Kapitel über Bärenwerwandler gelesen.“
Bea nickte schüchtern. „Was in dem Buch steht, das stimmt und ja ich werbe schon seit einem Jahr um dich. Seit du volljährig bist, kann ich einfach nicht mehr. Du bist zwar kein Werwandler, doch das heißt nicht dass du schlechter als die anderen bist oder besser. Nein du bist einfach Perfekt. Du bist so wunderschön, weißt was du willst und hartnäckig. Ich weiß was du bist und das du versuchst dahinter zu kommen warum du so bist. Aber ich will dir nur dieses eine Leben stehlen. Du hast tausende über tausende und wirst noch Millionen von Jahre nach mir Leben. Hier auf der Erde, oder wieder oben im Himmel bei den anderen. Jedoch bitte ich dich... Seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe, kreisen meine Gedanken um dich. Du bist das schönste und gleichzeitig das verbotenste was es auf dieser Welt gibt. Ich bitte dich verbring ein einziges deiner wertvollen Leben mit mir. Ich werde immer zu dir stehen und dir alles geben was ich habe. Abgesehen von meinem Herzen, denn das hast du mir schon gestohlen als du elf warst und dich schüchtern hinter Chattan versteckt hast. Du bist die einzige die ich jemals wollte und jemals wollen werde. Gib mir bitte Zeit um dir zu beweisen, das ich für dich einfach alles tun würde.“
Thorik hatte ihre freie Hand mit seiner bedeckt und drückte sie mit zitternden Händen. Das muss ihm mehr Mut gekostet haben, als man ihm ansieht überlegte sie und lächelte plötzlich.
„Ich weiß das überrascht dich jetzt etwas, doch ich will nicht das jetzt ein anderer auf dich aufmerksam wird. Sie haben dich nicht verdient. Ich habe dich schon vor langer Zeit gesehen, als dich niemand gesehen hat und nun habe ich wirklich Angst, das dich mir jemand wegnehmen könnte."
Bea schluckte schwer, bevor sie etwas sagte. „Bitte küss mich einmal richtig. Ich möchte wissen wie sich das anfühlt was du für mich empfindest.“
Thorik stand auf und beugte sich so weit über sie, dass sie nichts anderes mehr wahrnahm. Mit einer Hand streichelte er ihre Wange während er sich mit der anderen in die Bettdecke krallte. Dann senkte er seine Lippen auf ihre und küsste sie eine Ewigkeit. Jedoch nicht mehr so flüchtig wie vorhin sondern besitzergreifend und leidenschaftlich um ihr sein Zeichen aufzudrücken. Sie sollte von jetzt an nur mehr seine sein. Niemand anderes sollte sie jemals wieder anfassen. Er griff in ihr Haar und vertiefte den Kuss. Beathag ließ sich sofort mitreißen und legte ihren rechten freien Arm in sein seidiges weiches Haar um ihn näher an sich zu ziehen. Als sie ihren Griff verstärkte knurrte er aus tiefster Kehle, was sie kurz erschreckte.

Irritiert blickte sie ihn an, während sein Gesicht nur wenige Millimeter von ihrem entfernt war. Seine Augen strahlten sie voller Zuneigung an und versicherten ihr, das er es ernst meinte, was er gerade gesagt hatte.
Mit neuer Entschlossenheit zog sie ihn wieder an sich und bemerkte erst da, dass er bereits neben ihr im Bett lag. Sie berührten sich von Kopf bis Fuß und jeder Zentimeter ihres Körpers schien zu brennen. Vorsichtig fuhr sie über seinen Nacken über seine muskulöse Schulter hinunter zu seinem Rücken und griff dort unter sein halb geknöpftes Hemd. Das entlockte ihm ein leises Stöhnen als sie aus Versehen mit ihren Nägeln über seine Haut schabte. Stolz auf sich selbst und das er so stark auf sie reagierte lächelte sie und bog sich ihm entgegen, als er ihre Beine anhob. Zärtlich strich er über ihre Wade, zu ihrer empfindlichen Haut an der Kniekehle bis hinauf zu ihrem Oberschenkel, wo er knapp unter ihrem Hintern seine Hand besitzergreifend liegen ließ. Leise knurrte er „Meins!“ So bestimmend und sich seiner sicher, das Bea unter ihm Kicherte. Zur Strafe das sie über ihn lachte, biss er sie in die Schulter. „Autsch.“ Beschwerte sie sich obwohl es überhaupt nicht richtig schmerzte. Er hatte nicht fest zugebissen, doch wusste sie dass er ihr sein Zeichen aufgedrückt hatte. Und dieses Zeichen würde nun ihr restliches Leben sagen, das sie bereits mit jemanden zusammen war und das kein andere sich an sie ran machen durfte.
Thorik betrachtete ganz stolz ihre Schulter und Bea betrachtete währenddessen ihn. Ihr war nie aufgefallen wie attraktiv er doch ist. All die Jahre hatte sie die Werwandler nur unter >Nett zu ihr<, >Höflich abweisend< und >Vollkommen abweisend< unterteilt, aber nie über ihr aussehen nachgedacht. Als sie jetzt über seine stark ausgeprägten Wangenknochen fuhr und die kleinen Grübchen an seinen Wangen bewunderte kam sie sich richtig dumm vor. Saft küsste sie ihn auf die Wange und riss ihn damit aus seinen Gedanken.
„Tut mir leid. Ich wollte dich nicht bedrängen.“ Bea sah an sich hinunter und lachte. Ihr Nachthemd war bis zu ihren Hüften hinauf geschoben und man sah ihre weiße Unterhose. Einer ihrer Träger hing ebenfalls lose herunter während sein Hemd hochgerutscht und ihre Beine miteinander verkeilt waren. „Ich kann mich nicht beschweren.“
Thorik küsste sie auf die Nase und grinste breit. „Wir sollten jetzt wohl besser aufhören. Aber ich verspreche dir, wir machen genau da weiter wo wir aufgehört haben, sobald du wieder gesund bist und dich bereit dazu fühlst. Aber dann in einem viel größeren...“ Ein zögerliches Klopfen unterbrach ihn und er knurrte ärgerlich. „Was!?“ Die Kojotenärztin öffnete die Türe und blieb erstarrt in der halb geöffneten Türe stehen. „Ups... Ich störe offensichtlich. Normalerweise würde ich ja sagen, macht ruhig weiter, aber die Besucherzeit ist vorbei und Beathag braucht dringend ihre Ruhe.“
Mit einer vielsagenden Gäste deutete sie hinter sich. Thorik seufzte ärgerlich und wandte sich wieder an Bea. „Ich komme morgen früh wieder sobald ich kann. Schlaf gut mein Engel.“ Er küsste sie ein letztes mal voller Sehnsucht und schwang sich aus dem Bett. Bea beobachtete das Spiel seiner Muskeln, die er so selbstverständlich nutzte und nicht einmal merkte wie anmutig ihn das machte. Traurig blickte sie ihm hinterher als er durch die Türe verschwand. Konnte denn tatsächlich, jemand wie er, ihr gehören...
Die Kojotin schloss hinter sich die Türe und stellte das Licht heller. „So. Wir werden jetzt noch einmal deine Verbände wechseln und dann kannst du in Ruhe schlafen.“ Kicherte sie und schnitt die dicken Verbände auf. „Puh, das müssen wir waschen, das stinkt schon fürchterlich.“ Die Kojotenärztin rümpfte die Nase und holte einen silbernen Behälter den sie mit Wasser füllte und griff nach einem Schwamm. „Aber Mädchen, mal ehrlich. Wie bist du auf die Idee gekommen durch Panzerglas zu hüpfen? Oder sagen wir mal so... Warum hast du das geschafft?“ Bea lächelte höflich während sie das kalte Wasser auf ihrer aufgeheizten empfindlichen Haut ertrug.
„Ich kann nicht wirklich sagen, dass ich eine Wahl hatte. Außerdem wusste ich nicht das es Panzerglas ist. Ich bin einfach durch in der Hoffnung das er mir nicht folgt hinausgesprungen.“ Bea dachte daran zurück wie viel Angst sie gehabt hatte. Sie erinnerte sich ebenfalls daran, dass sie in ihrem vorherigen Leben keine Angst vor ihm gehabt hatte. Sie hätte ihm einfach den Kopf abgehackt und den Hühnern vorgeworfen. Was war passiert?
„Woher kennst du diesen komischen Kerl überhaupt?“
„Ich kenne ihn von meinem vorherigen Leben. Wir haben gekämpft, da er mich in einen Hinterhalt gelockt hat. Doch seine Anhänger waren viele hunderte Drachen und ich konnte sie nicht alle besiegen. Er nahm mich gefangen und... ab da weiß ich nichts mehr. Ich hoffe nur dass diese Erinnerung auch noch kommen wird, doch er sagte irgendetwas davon dass ich meine Erinnerungen blockiert hätte. Kann so etwas sein?“
Die Kojotin zog die Verbände herunter und zuckte die Schultern. „Es gibt Magier und es gibt Hexenmeister. Diese könnten das ohne Probleme für eine Person mit einem Leben. Aber da du unendlich viele hast... weiß ich es nicht. Überhaupt weiß ich nicht viel von Engeln. Gerade einmal genug um mich um körperliche Verletzungen und so etwas zu kümmern:“ Bea klopfte sich auf den Kopf. „Tut mir Leid...“
„Bea! Deine Hand... spürst du sie?“ Bea bewegte die Finger und nickte. „Deine Nerven waren aber so weit beschädigt, dass es bestimmt noch eine Woche gedauert hätte bevor du deine Hand wieder spürst.“ Bea schob selbst die Verbände zur Seite um auf ihre zerfetzte Hand zu sehen, auch wenn sie Angst davor hatte. Jedoch stockte ihr der Atem als sie ihre Haut makellos erblickte. Kein Kratzer, keine Schwellung nur etwas getrocknetes Blut. „Wie ist das...?“
Die Kojotin wickelte den Verband vollkommen herunter und lächelte breit. „Engel haben tatsächlich erstaunliche Heilungskräfte.“
Bea blickte sie entgeistert und kreidebleich an. „Ich hatte immer nur ein menschliches Leben und deren Heilkräfte. Vielleicht hin und wieder die Fähigkeiten von der Spezies von der ich in dem jeweiligen Leben abstammte, aber nicht einmal Werwandler heilen so schnell. Was passiert hier?“
Die Kojotin blickte sie verständnislos an und plötzlich sog sie erschrocken die Luft ein.
„Deine Haare... Sie verändern sich...“ Bea griff nach ein paar Strähnen und beobachtete wie sie langsam ausblichen. „Was... Hol bitte Chattan!“
Die Kojotin lief los und kam mehrere Minuten mit einem Mann im Schlafanzug zurück, der schon mehrere Hundert Jahre hinter sich hatte, doch kaum älter als vierzig aussah.
„Ach du Heiliger...“ Murmelte dieser mit entsetzen sowie Verwunderung aufgerissenen Augen. „Chattan! Was passiert mit mir?“ Chattan stolperte auf sie zu was ungewöhnlich für ihn war und griff nach ein paar ihrer Haare. „So wunderschön... Das Haar eines Engels. Was ist passiert?“
Bea wusste es nicht. Woher denn auch. „Schau! Sogar meine Verletzungen sind weg.“
Chattan runzelte die Stirn wie er es immer machte wenn er versuchte etwas aus seinen Erinnerungen zu finden, das ihm eine Antwort geben kann. „Keine Ahnung. Ich würde sagen, dass du vielleicht auf dem Weg bist wieder ein Engel zu werden, doch ich möchte dich nicht ermutigen oder dir eine Dummheit einreden.“
Bea zuckte zusammen als hätte er sie geschlagen. „Das wäre keine Ermutigung, das wäre fürchterlich. Ich will nicht dorthin zurück. Ich weiß ja noch nicht einmal was mich erwartet.“ Chattan strich beruhigend ihre Hand.
„Na gut. Weißt du was. Ich werde recherchieren und du schläfst dich erst einmal aus. Kaytea gibst du ihr eine Spritze?“ Die Kojotin nickte und verließ den Raum um etwas zu holen.

Lieben und Lieben lassen

Am nächsten Morgen stand Bea zitternd in der Bibliothek und hoffte auf ein Wunder. „Tut mir Leid. Ich habe nichts gefunden. Du weißt du bist einzigartig und deswegen gibt es lediglich ein paar Aufzeichnungen von dir, aber auch nicht gerade in den größten Mengen. Aber dafür habe ich ein paar Zeichnungen von Engeln gefunden, die dich vielleicht interessieren.“ Er legte ihr fünf Bücher auf den Tisch mit den jeweiligen Bildern.
„In einem der Bücher geht es darum, wie der Erzengel Gabriel ein Urteil über dich spricht. Alle anderen sind von Gläubiger oder irgendwelchen zusammentreffen mit Engeln. Jedoch werden sie alle genau gleich dargestellt. Goldene Haut mit seltsamen Runen darauf die aussehen wie Male, weißsilbernes Haar, weiße Augen mit Pupillen die so Gold aussehen, dass man glaubt es wären Sterne. Außerdem tragen sie weiße riesige Flügel die sich alle voneinander unterscheiden. Man sagt außerdem, dass sie keinerlei Gefühle haben abgesehen von Gerechtigkeit und Logik, aber das ist Unfug und nichts weiter.“
Er schlug die gezeigten Bücher wieder zu und räumte sie weg. Bea folgte ihm währenddessen still schweigend. Als sie am Fenster vorüber kam, musste sie sich einfach selbst betrachten. Ihre Haare waren zwar noch nicht vollständig weiß, doch ihre ehemalige tiefschwarze Haarpracht wurde nun überwiegend von weißen und silbernen gelockten Strähnen durchzogen, was ihre Frisur einerseits grotesk aber dennoch wunderschön aussehen ließ. Peinlich berührt wandte sie sich ab und tadelte sich selbst. Sie durfte sich jetzt nicht durch ihre Selbstzweifel aufhalten lassen.
Sie konzentrierte sich auf ihre ehemaligen >Ich< und nahm sich an denen ein Beispiel. „Ich muss zu diesem Nero. Er hat bestimmt die Antworten die ich brauche.“
Chattan hüstelte überrascht. „Wie bitte? Hast du vergessen das er dich in deinem früheren Leben entführt hat? Du hast dich sogar selbst getötet und vor drei Tagen hat er schon wieder versucht dich zu entführen. Wer weiß was er dir angetan hat.“
Bea spielte schüchtern mit ihrem Haar und ärgerte sich dann darüber. Verärgert band sie es zurück und setzte ein Zielbewusstes Gesicht auf. „Egal warum ich es tat. Egal warum ich mich getötet habe... Nun kommt er an die Reihe. Ich denke nicht das man sich einfach so an einem Engel vergreifen darf. Selbst wenn ich nur ein gefallener bin und in ihren Augen wahrscheinlich so viel Wert bin wie ein frisch verdauter Haufen eines Pferdes, werde ich mich an ihm rächen. Ich weiß das ich nicht mehr die selbe bin wie in meinen früheren Leben. Aber das warum verstehe ich nicht. Jedoch weiß ich wer die Schuld daran trägt.“
Entschieden schlug sie mit ihrer Faust in ihre geöffnete Hand und nahm sich vor ihn genauso leiden zu lassen wie sie gerade litt.
„Aber du wirst auf keinen Fall alleine gehen.“ Ertönte eine Stimme hinter ihr. Ein warmer Atem streifte ihre Schulter und sie schrie erschrocken auf. Thorik stand hinter ihr und blickte zähneknirschend zu ihr hinunter. „Ich habe gehört was du vorhast, aber du bist wahnsinnig wenn du denkst dass du dich allein in den Bau eines Drachen wagen kannst.“
Sie rückte etwas von ihm ab und griff auf ihre rechte Schulter wo das Mal zu sehen war, was er ihr aufgedrückt hatte. „Nein, das kann ich nicht zulassen. Wenn ich alleine zu ihm gehe, wird er euch bestimmt in Ruhe lassen. Aber wenn du dich mit deinem Rudel einmischt dann wird er euch ausradieren.“
Mit vor Wut blitzenden Augen packte er ihr Kinn und zwang ihn genau in die Augen zu sehen. „Es ist nicht mein Rudel!“ Knurrte er wütend. „Es ist unser Rudel. Deine Familie und eine Familie hält zusammen. Wohin einer geht, gehen auch alle anderen. Ich würde dir bis ans Ende der Welt folgen, ob du das nun willst, oder nicht.“ Seine Züge wurden etwas weicher und er griff nach einer ihrer silbernen Strähnen. „Mein kleiner Engel...“ Flüsterte er voller Zuneigung und küsste sie. Sofort begann ihr Herz wieder zu rasen und sie legte beide Arme um ihn. Er zog sie an sich und hob sie von den Füßen. Überrascht schrie sie auf und lachte dann als er sie herumwirbelte. Als er sie wieder absetzte, gab es für sie nichts anderes außer sie beide. Sie war sich kurz nicht einmal sicher wo sie sich überhaupt befand, bis hinter ihr ein Räuspern erklang.
„Thorik. Ich denke nicht das es klug wäre sie gehen zu lassen. Egal ob mit starken ehrenvollen Kriegern oder alleine. Wir wissen nicht was dieser Kerl von ihr will. Es ist riskant sich Hals über Kopf in eine Schlacht zu stürzen ohne den Gegner zu kennen. Besonders wenn es sich tatsächlich um einen verbliebenen Drachen handelt. “
Thorik hatte einen Arm um Bea gelegt und war wieder ganz der Rudelführer, den sie kannte. „Ja ich weiß. Dafür bist du zuständig. Finde alles bis heute Abend über den Kerl heraus, ich werde derweilen meine Krieger zusammenrufen und sie wappnen. Dann besprechen wir den Rest. Wenn Beathag erlöst werden kann, dann setze ich alles daran. Auch wenn es heißt das ich sie an den Himmel verliere. Lieber weiß ich sie an ihrem rechtmäßigen Platz, als das ich sie leiden sehe.“ Mit diesen Worten gab er ihr noch einen Kuss auf die Stirn und verschwand dann aus der Bibliothek, wo er sie mit verwirrten Gefühlen stehen ließ.
„Du hast recht Onkel Chattan. Wenn er das durchzieht wird er sterben. Ich weiß wie viele Krieger er damals an seiner Seite hatte. Jetzt nach siebzehn Jahren werden es bestimmt nicht weniger sein. Ich werde alleine gehen.“
Beathag machte am Absatz kehrt und folgte Thorik nach draußen. „Bea! Nein du kannst nicht einfach gehen. Du hast noch nicht einmal eine Kampferfahrung errungen!“
Bea blieb stehen und lächelte ihn an. „Ich habe tausende von Leben vor mir und habe in meinem letzten Leben hundert von Drachen niedergestreckt, bevor sie mich gefangen nehmen konnten. Ich weiß was ich tue.“ Sie streckte ihre Flügel aus, die immer noch tiefschwarz waren und beförderte sich mit kräftigen Flügelschlägen nach oben. Am obersten Fenster angekommen, öffnete sie es um sich dort hinaus zu schlängeln und ließ sich aus hundert Meter in die Tiefe fallen, bevor sie ihre Flügel ausbreitete und gemütlich dahin trieb. Die Werwandler unter ihr schrien erschrocken auf, doch Bea beachtete sie nicht. Mit kräftigen Schlägen verdoppelte sie ihre Geschwindigkeit und flog aus dem Gebiet ihrer Familie. Sie wurde zwar nie richtig akzeptiert, doch das war ihr egal. Sie hatten sie aufgezogen, ihr Respekt und Verantwortung beigebracht. Sie hatte Freundschaften geknüpft, was sie noch niemals getan hatte in ihren hunderten von vorherigen Leben. Selbst Liebe durfte sie erfahren, sei es auch nur für ein Paar äußerst verwirrende Stunden gewesen. Darum lächelte sie jetzt als hinter ihr ein lautes Gebrüll ertönte, von einem sehr wütenden Grizzlybären.

Einblick in das Leben eines gereizten Bären

Thorik

 

Wütend schlug er auf den Tisch ein, der in seinem viel zu kleinen Büro stand und hielt eine Verwandlung zurück. Schmerzhaft zog er seine Krallen wieder ein und knurrte seinen Ersten an. „Es ist mir egal! Wir werden eine Spur finde, egal wie lange es dauert!“
Der rothaarige Werwandler hob entschuldigend die Arme, während er die Augen verdrehte. „Ja, ich verstehe schon. Aber trotzdem! Die Wölfe konnten ihre Spur nicht aufnehmen, da sie zu hoch geflogen ist, die Adler habe sie auch nicht einholen oder erblicken können. Seit Tagen erweitern wir den Radius um sie zu finden. Vielleicht ist sie ja schon längst tot und wird gerade von irgendeiner Jungfrau ausgetragen, die dank ihr sterben muss.“ Sagte er abschätzig, nur um Sekunden später gegen einen Kasten zu prallen, der unter seinem Gewicht zersplitterte. Plötzlich stand ein halb verwandelter Bärenwerwandler über ihn und knurrte ihn wütend an. „Erster! Pass auf wie du über Beathag redest. Sie ist ein Rudelmitglied und du verdankst ihr das Leben deiner Frau.“
Sedrik verwandelte sich ebenfalls halb in einen Tiger und knurrte seinen Rudelführer zurück an. „Halt die Klappe du verliebter Narr!“
Thorik musste auf einmal laut lachen und half Sedrik auf die Beine. Tiger waren von Natur aus Einzelgänger und sein bester Freund musste sich ausgerechnet in eine Wölfin verlieben, für die Treue die oberste Priorität war. Vor einigen Monaten hatte er seine Wolfsfrau mit Donna betrogen, die sich ihm betrunken an den Hals geworfen hatte. Natürlich hatte Sedrik damals nicht nein gesagt. Welcher Tigerwandler würde das schon? Thorik selbst verstand nicht recht wie man jemanden betrügen kann, den man Liebt.
Mit einem Lächeln auf den Lippen zog sich Sedrik Splitter aus der Lederrüstung und klopfte die Späne ab. „Ich sage ja nur. Du bist auch nur mein Erster, weil deine, ja ach so heiß geliebte Frau sich vorgestern in den Mutterschutz begeben musste, während eine ganz andere Frau auf ihre Pumadrillinge wartet und in ein paar Wochen jedoch Tigerwerwandler in der Hand halten wird.“
Sedrik verschränkte abweisend die Arme vor dem Oberkörper. „Das geht dich nichts an.“ Sagte er lediglich und warf schnaubend einen Blick auf das kaputte Regal und den verteilten Zetteln.
„Zurück zum Thema. Mir Persönlich ist es ja egal ob deinem kleinen Engel irgendetwas passiert. Ich konnte sie noch nie leiden, sie hat meine jüngste Schwester getötet. Aber, da du es bist und ich ohnehin keine andere Wahl habe, und auch noch so weit weg von Donna und Samy komme, helfe ich dir. Wenn du möchtest übernehme ich die Aufgabe von Chattan. Er macht sowieso nichts anderes als wie eine Glucke über seinen Büchern sitzen und sie rauf und runter auswendig zu lernen.“
Knurrend setzte sich Thorik wieder und funkelte den Tiger ärgerlich an. „Du weißt ganz genau, dass Chattan den Aufenthaltsort von dem Spinner sucht. Aber ich denke es wäre besser, wenn ich jemand anderen schicke. Du wirkst nicht wirklich... Ansprechend auf andere, wenn du ständig deine Zähne fletschst.“
Sedirk lachte hustend. „Wie du meinst. Also, was darf ich machen?“ Thorik überlegte und winkte dann ab. „Geh zu deiner Samy und genieße ein paar Stunden mit ihr. Oder genieße überhaupt deine letzten paar Tage die du noch hast. Wenn dich die Conors nicht zuerst erwischen, dann wird es spätestens sie übernehmen. Und jetzt verschwinde.“
Sedrik verbeugte sich vor seinem Rudelführer und verließ den Raum.
Frustriert rieb sich Thorik die Stirn und bettete erschöpft seinen Kopf auf die kalte Tischplatte, bevor er sich wie jedes mal in seinen freien Minuten, auf den Weg zur Bibliothek zu machen. Am Weg durch das Dorf kam immer wieder andere Rudelmitglieder vorbei um ihn nach Fortschritten zu erkundigen. Die meisten mochten nun Beathag, da sie viele Familien durch Zufall gerettet hatte.
Als er endlich alle lästigen und sich wiederholenden Fragen abgewehrt hatte, öffnete er die Türe nur um Sekunden später wieder hinaus zu fliegen. Kühles Stahl drängte an seinem Hals und er schluckte schwer. Vor ihm stand das in seinen Augen schönste Geschöpf Gottes und funkelte ihn wütend an. Selbst jetzt voller Blut in den Haaren und hässlichen Schnittwunden am ganzen Körper, konnte er nichts anderes tun als sie freudig anzulächeln und ihre Wange zu berühren. „Beathag!“
Sie warf ihm achtlos zur Seite und ging zu einer am Boden liegenden Leiche zurück. Sie stieß ihn mit dem Fuß an und lächelte höhnisch, bevor sie ihre schwarzen Flügel ausbreitete.
Thorik besann sich wieder und ergriff sie an der Hand bevor sie sich in die Luft stoßen konnte. „Beathag! Du bist zurück!“ Er konnte es gar nicht fassen. Sie stand leibhaftig vor ihm. Lebendig! Seufzend ließ sie sich in seine Arme sinken und er drückte sie so fest wie er konnte an sich. Weiche Feder berührten ihn an der Schulter und im Nacken, ließen ihn erschaudern. Er merkte wie sie sich in seinen Armen bewegte und fühlte ihre weichen Lippen an seinem Hals. Sie küsste eine Spur von seinem Schlüsselbein über seine Wange zu seinem Mund wo er sie freudig erwartete. Er hatte sie die letzten Wochen so unglaublich vermisst. Immer wieder flüsterte er zwischen den küssen wie sehr er sie liebte und das er sie gesucht hatte. Jetzt bebte er vor Freude und sein Herz schlug im Einklang mit ihrem Rasenden Herz. Leidenschaftlich hob er sie am Hintern hoch und drückte sie gegen die Wand, wo er sie kurz festhielt um sie zu bewundern. Sie hatte sich kaum verändert, nur die halb verheilte Wunde an ihrer Wange war neu. Seine Hände wanderten über ihren Körper und ertasteten wie vor ein paar Wochen im Krankenhaus jede Kurve, spürte wie weich und eben ihre Haut war und drückte ihr abermals sein Mal auf ihrer rechten Schulter auf. Stöhnend drückte sie sich an ihn und er wollte sie einfach hier und jetzt nehmen. Auf einmal spürte er einen brennenden Schmerz und holte röchelnd nach Atem. Langsam stolperte er nach hinten und blickte erschrocken zu seiner punktierten Lunge hinab. Lächelnd hielt sie einen silbernen Dolch in der Hand und sein Blick verschwamm.
Schreiend riss es ihm von der Tischplatte hoch. Die Sonne war bereits untergegangen und er war allein im Büro. Vor ihm stand eine Tasse mit kaltem Kaffee, sowie ein Platte mit Fleisch und Beeren. Sein immer noch rasendes Herz beruhigte sich langsam während sein Magen langsam aktiv wurde und laut knurrte. Ärgerlich schnappte er sich die kalten Rippchen und nagte sie gedankenverloren ab. Den Kaffee schüttete er weg und legte die Beine auf den Tisch. Ständig wenn er die Augen schloss, sah er Beathag. Ihre weichen schwarzen Haare, ihre dunklen großen Augen, die ihn ängstlich anstarrten. Ihre rötlich verfärbten Wangen, wenn ihr wieder etwas Peinliches passierte. Der Geschmack von ihrem Blut auf seiner Zunge. Ihre weiche Haut zwischen seinen Zähnen während er ihr sein Mal aufdrückte. Aber wenn er träumte, dann war es immer so schrecklich. Ein diabolisches und machtvolles Lachen ragte in ihrem Gesicht während sie ihre Schwerter schwang oder ihm einen Dolch ins Herz rammte.
Er hatte bereits mit Chattan darüber gesprochen, doch der meinte, das diese Träume nur von Stress und der Sorge kämen.
Doch für ihn selbst waren sie viel zu real. Er konnte ihren Duft riechen, sie schmecken, den Schmerz des Dolches spüren, wenn sie ihn ihm in den Körper rammt. So etwas konnte doch kein Traum sein, oder?
Angewidert warf er die Knochen zurück auf die silberne Platte und marschierte an die frische Luft. Auf einmal war ihm nach laufen zumute und er begann zu laufen. Er umrundete mehrere male das Dorf, bis er keine Lust mehr hatte und auf den Wald zusteuerte. Thorik bemerkte nicht einmal das er keine Schuhe an hatte, bemerkte nicht wie ihm kleine Äste ins Gesicht peitschten und blutige Schriemen zurück ließen. Als er langsam erschöpft wurde, verwandelte er sich und ließ sich auf alle viere fallen um schneller laufen zu können. Brüllend stellte er sich an einen Baum und kletterte daran hinauf bis sich die alte Tanne unter seinem Gewicht bog und schaukelte. Völlig verschwitzt viel er mitsamt der Tanne in den eiskalten See.
Dort unter Wasser beruhigte er sich langsam wieder und ließ sich von den Wellen an den Schneebedeckten Strand treiben. Wild schnaubend und laut lachend ließ er sich in den Schnee fallen und betrachtete sein Werk. Die Tanne war voller Kratzer und hatte mehrere schwächerere Bäume mitgenommen. Die Erde war bei den Wurzeln vollkommen aufgewühlt und Würmer suchten den Schutz vor der Kälte.
„Geht es dir jetzt besser?“ Chattan stand einige Meter entfernen und blickte von einer Bank in der Nähe zu ihm hinab. Thorik hatte ihn nicht bemerkt. Völlig durchnässt setzte er sich neben Chattan und wand sein frierende Gewand aus. „Ja! Wesentlich.“ Witzelte er und nahm das Handtuch entgegen, das ihm Chattan anbot. „Hast du mich verfolgt?“ fragte Thorik.

Chattan deutete auf die entwurzelte Tanne. „Eigentlich war ich nur auf einem Routineflug und habe dich mit der Tanne kämpfen sehen. Ich dachte du könntest ein Handtuch gebrauchen nach deinem Winter nächtlichem Bad.“
Thorik dankte ihm. Früher hatte er nicht viel mit der seltsamen Eule gesprochen, doch seit Beathag verschwunden ist, war er jede freie Minute bei ihm. „Und? Etwas Neues?“
Chattan nickte sogar einmal ausnahmsweise. „Tatsächlich, Sir. Ich habe eine alte Ruine gefunden, die damals als Drachenburg bekannt war. Heute ist sie verwittert und alt. Ich habe einen Magier bezahlt einmal vorbei zu sehen.“
Thorik nickte dankend. „Gut gemacht, Chattan. Ich hoffe wir finden sie bald.“
Chattan zog ein Buch aus der Tasche und fing an zu lesen. Thorik entschied, das wohl damit das Gespräch beendet sei, darum stand er auf und ging zurück zum Dorf. Seine nasse Kleidung war zwar zerrissen, dreckverschmiert und gefroren, doch keiner, an dem er vorbei kam, schien es zu bemerken oder seltsam zu finden. Natürlich... Sie haben mich schon seltsamere Sachen machen sehen. Überlegte er und lächelte innerlich. Als Rudelführer kann man sich viel herausnehmen und niemand hinterfragte was, warum oder wie. Doch wie weit reicht diese Grenze?
Als er in sein Chaotisch Zimmer trat, tat er das was er nun schon seit ein paar Wochen tat. Er musste breit lächeln. Thorik dachte an den Moment an dem Beathag zum ersten Mal seine privaten Räume betreten hat. Zuerst stand staunen in ihrem überaus anbetungswürdigen Gesicht, das jedoch schnell zu einem ungläubigen und dann zu einem nervösen Gesicht wurde. Er hatte es an ihren Händen bemerkt, dass es sie in den Fingern gejuckt hatte in das Chaos hier oben Ordnung hineinzubringen. So wie sie in seinem Büro Ordnung hinein gebracht hatte. An dem Tag war er staunend im Eingang gestanden und hatte sich gefragt, wie lange er weg gewesen war. Das Chaos hätte bestimmt für zwei Tage gereicht.
Seufzend duschte er sich ab und genoss die Wärme. Bären machte es zum Glück nichts aus, wenn sie abkühlten. Besonders Eisbären wie ihm. Sein Vater hatte ihn damals immer getadelt, wenn er im Winter schwimmen ging, doch das hatte ihm nie gestört. Er liebte es sogar. Seine Mutter war schon gestorben als er fünf war, also wusste er nicht einmal was sie darüber gedacht hätte. Wäre sie wütend oder stolz wenn er sie hier so sehen würde? Weder sein Vater noch seine Mutter waren geborene Alphatiere. Er schon, aber warum? Er ist aus dem alten Rudel gegangen, da dort bereits fünf waren und er die Streiterei satt hatte.
Hier im Norden hatte er dann den WhiteForest Clan gefunden. Der Name hatte ihn fast schon magisch angezogen, was sich zum Schluss auch als perfekt herausgestellt hatte. Es gab nur einen Rudelführer und das schon seit fast fünfzig Jahren. Seine einzige Tochter wäre ebenfalls eine Alpha geworden, doch wie er gehört hatte war sie vor Jahren gestorben, doch keiner wusste oder sagte warum. Die Leute waren zufrieden mit ihrem Rudelführer, was er nicht verstehen konnte. Im System waren lauter Lücken und die Rudelmitglieder lebten nebeneinander her und nicht gemeinsam als Familie. Es war einfach nur ein Dorf mitten im Wald in dem zufällig Werwandler lebten und keine Einheit so wie er es kannte. Nach drei Wochen traute er sich den Rudelführer einmal darauf anzusprechen, denn auf den Mundgefallen war er noch nie. Der hatte ihn lediglich ausgelacht und gemeint er wüsste nicht was Familie bedeutet. Thorik hatte am selben Tag noch einen Streit mit dem Werwolf herausgefordert und hatte ihn getötet. Seitdem war er selbst Rudelführer. Er hatte sich um Kämpfe gekümmert und so herausgefunden wo die  Stärken und Schwächen des einzelnen lagen. Als sich das Rudel langsam aus seiner Trance bewegte, hatte er auch begonnen jeden Sonntag eine Veranstaltung planen zu lassen. Dort sah er die Augen der Werwandler langsam aufgehen. Plötzlich kamen in den letzten sieben Jahren doppelt so viele Kinder als in den letzten zehn Jahren zuvor. Er lernte jeden kennen und auf seine eigene Art und weiße lieben. Doch das kleine Mädchen mit den schwarzen Zöpfen hatte er nie vergessen können. Auf jeder Feier hatte er sie im Auge gehabt. Gesehen wie andere sie abschätzig musterten und über sie tratschten. Die meisten hatte sogar erwartet das der Rudelführer das Mädchen mit ihrer Volljährigkeit aus dem Rudel warf, doch er hatte ihr Zeit gegeben, auf andere eingesprochen, dass sie sie beteiligen sollten. Und nach einem Jahr hatte sich seine Mühe bezahlt gemacht. Sie war beinahe in ihn hinein gelaufen. Eigentlich hatte er nur die Zwillinge beobachtet, doch als er die Angst in ihren Augen sah und nicht verstehen konnte warum sie so viel Angst hatte, da er ihr ja lediglich half, wurde ihm Bewusst das sie es vielleicht gar nicht wusste. Daraufhin hatte er sie am nächsten Tag getroffen und sie war bei seinem Anblick über das Tischbein gefallen. Am liebsten hätte er sie in ein Zimmer aus Schaumgummi gesteckt um sie vor der Außenwelt zu beschützen. Ab da wusste er, dass sie ihn brauchte und das er ihr helfen würde. Sie trug zwar ihre Haare nicht mehr als Zöpfe und ihr kleiner lieblicher Mund war nicht mehr der eines Kindes, doch war sie immer noch so verletzbar. Plötzlich schmeckte er wieder ihr Blut auf seiner Zunge und knurrte wütend. Er würde diesen Mistkerl umbringen der ihm Bea weggenommen hatte.

Der gelangweilte Magier

„Der Magier meinte, dass sie uns einen Magier schicken der helfen könnte und dieser sollte auch bald hier sein. Er kennt solche Walle die um die alte Drachenfestung gebaut wurde und kann uns ein Loch erschaffen um hineinzukommen.“ Chattan saß wie eine Eule, die er auch war, auf dem Stuhl im Büro des Rudelführer und blickte ihn achtsam an. Thorik war diesen Blick mittlerweile gewohnt und sein Bedürfnis ihm die Augen herauszureißen war auch schon verschwunden. Ein Klopfen an der Türe erregte seine Aufmerksamkeit und er hieß ihn herein. Eine mehr in die Höhe gebaute Frau trat ein und verbeugte sich mit sichtlicher Abscheu in den Augen. „Guten Tag. Ich bin Mirana,  die Abgesandte des Magierzirkels der Festung. In den nächsten Stunden stehe ich in Euren Diensten. Bedenkt ich werde nach Stunden bezahlt.“ Die blonde Frau mit den harten Gesichtszügen hatte beinahe überhaupt nichts Weibliches, abgesehen von ihren zarten Rundungen. Chattan betrachtete sie so aufmerksam, dass Thorik Angst hatte er könnte sie sofort anspringen. Hoffentlich tat Chattan nichts Unüberlegtes. Thorik dachte kurz daran was er über Magier wusste. Sie lebten sehr abgeschieden und konnten keine der anderen Wesen leiden. Sie redeten selbst untereinander das nötigste. Sogar Magielehrer waren eine Rarität. Meistens leben sie abgeschieden auf einer kleinen Insel oder hoch in den Bergen unter tausenden von Schutzwallen und um einen Magier zu bekommen musste man schon ordentlich Tief in die Tasche greifen. Thorik hoffte das Chattan wusste was er tat. Das Rudel war zwar nicht gerade arm, aber vom goldenen Löffel lebten sie auch nicht gerade.
„Hallo! Ich bin der Rudelführer und das ist mein Bibliothekar und Berater Chattan von der Familie der Eulensternen. Es Freut mich Eure Bekanntschaft zu machen.“ Mariana blickte zwischen Chattan und ihm hin und her und zog die Nase angewidert kraus.
„Also? Was muss ich machen?“
Chattan erhob sich geschmeidig und fixierte die Frau immer noch mit beiden Augen, als müsse er sich davon überzeugen dass sie echt ist und nicht gleich wieder verschwindet.
Thorik ging um den Tisch herum und setzte sich mit verschränkten Armen auf den Schreibtisch. „Eines unserer Rudelmitglieder wurde entführt von einem sehr mächtigen... Was auch immer. Wir konnten sie in der alten Ruine der Drachenburg Orten, doch ist sie von sehr mächtigen Schutzwallen geschützt.“ Es entstammte zwar nicht alles der Wahrheit, doch das hatte sie nicht zu interessieren.
Die Magierin mit ihren tiefschwarzen Augen lehnte sich an das Bücherregal und betrachtete ihre Nägel. „Das ist alles?“
Chattan und Thorik wechselten einen Blick. „Fürs Erste? Ja! Mehr brauchst du noch nicht zu wissen.“
Die Magierin verdrehte genervt die Augen. „Ja dann gehen wir, ich will wieder heim und zwar heute noch!“ Sie öffnete die Türe und ging ohne auf sie zu warten hinaus. Thorik und Chattan eilten ihr hinterher. Vor seinem Büro im Innenhof hatten sich schon einige Schaulustige versammelt und betrachteten die Magierin argwöhnisch. Mirana jedoch blickte sie alle mit solcher Abscheu an, sodass manche sogar erschrocken Luft holten. Thorik verstand das. Normalerweise war sein Rudel sehr friedfertig und offenherzig. So ein Anblick voller Abscheu schien sie alle zu verunsichern.
„Kämpfer! Versammelt euch.“ Sofort erschienen dutzende von Männer wie aus dem nichts und bildeten einen Kreis um ihren Rudelführer. Alles waren gut trainierte Männer und Frauen, die dazu ausgebildet waren jemanden in zwei Hälften zu zerreißen, oder sich auf Schusswaffen und Wurfwaffen spezialisiert hatten wie die Vogelwerwandler.
Mirana blickte sich erstaunt um und pfiff einmal. „Sexy auftritt. Können wir jetzt los? Ich bekomme Hunger.“
Chattan neben ihm blickte betreten zu Boden und Thorik zog dabei die Augenbrauen hoch. Konnte es denn sein, dass der Bibliothekar sie anziehend fand? Wenn ja, dann beruhte es eindeutig >nicht< auf Gegenseitigkeit.
„Ihr wisst alle was zu tun ist?“ Ein einstimmiges "Ja" ging durch die Gruppe von fünfundzwanzig Werwandler. „Sie ist zwar nicht wie wir, jedoch ist sie ein Teil unseres Rudels. Sie ist als ein Familienmitglied geboren und aufgewachsen. Außerdem ist sie meine Verlobte“ Auch wenn sie noch nichts davon wusste „und ich will dass ihr meiner zukünftigen Frau soviel Respekt entgegenbringt wie ihr gebührt, wenn wir sie zurück haben. Wir ziehen in fünfzehn Minuten los.“
Chattan wandte sich an Thorik. „Ist das dein Ernst?“ Thorik wusste das er sich auf den Teil mit der Verlobung bezog.
„Ja. Ich habe sie noch nicht gefragt, jedoch weiß ich das sie zu mir gehört.“ Meinte Thorik so selbstbewusst als würde er ihm erklären das er ein Eisbär ist. Chattan blickte kurz zu Mirana, die gelangweilt in der Luft schwebte und grünes Feuer mit ihren Fingern erzeugte um sich zu beschäftigen.
„Aber Bea ist nicht wie wir. Wir können unmöglich wissen, ob für sie die selben Gesetze wie für uns gelten.“ Chattan konnte nicht laut sagen, dass Beathag ein gefallener Engel ist, da man nicht wissen konnte wie gut die Magierin hörte. Thorik jedoch wusste auf was er hinaus wollte. „Chattan... Mach dir deswegen keine Sorgen, alter Freund. Sie ist einzigartig und wunderschön. Ich konnte sie schon sehen, als sie dachte das man sie überhaupt nicht wahrnimmt. Sie hat sich sogar auf die Paarwerbung eingelassen. Außerdem haben wir uns geküsst und sie hört langsam auf über ihre eigenen Füße zu fallen, wenn sie mich sieht. Ich finde das ist ein sehr guter Fortschritt und ein eindeutiges Zeichen.“ Thorik musste etwas lächeln, wenn er an ihre Tollpatschigkeit dachte. Selbst Chattan musste jetzt lächeln.
„Du hast recht. Aber sei vorsichtig und dränge sie zu nichts. Sonst muss ich dich töten, da sie für mich wie eine Tochter ist. Ich habe sie siebzehn Jahre lang aufgezogen und gesehen, als sie sonst niemand gesehen hat. Sehe ich sie nur ein einziges mal weinen deinetwegen, dann verlierst du einen Arm.“ Chattan blickte seinen Rudelführer so ernst an, das Thorik doch tatsächlich die väterliche Zuneigung darin sehen konnte. Ob sich Chattan überhaupt bewusst war wie wenig Kind Bea eigentlich ist? Vielleicht war er sich ihrer Herkunft mehr sicher als Chattan selbst. Sie ist ein Engel und er eine Bärenwerwandler. War es ein Bärenwandler überhaupt wert von einem Engel geliebt zu werden?
„Können wir jetzt die Holde Maid holen?“ Chattan kreischte erschrocken auf wie eine Eule und Thorik knurrte ärgerlich. Mirana war mit verschränkten Beinen herbei geschwebt und wirkte fürchterlich gelangweilt. „Ruhig brauner! Ich bin´s nur.“ Sagte sie beschwichtigend und zog die Brauen hoch.
„Stör nicht unsere Gespräche Magierin!“ Knurrte Thorik überrascht wütend. Sofort verwandelte sich Chattan in eine Eule und flog flatternd weg. Jetzt hatte sie ihn verschreckt. Eigentlich war Chattan ein ruhiger Geselle, der sich damit zufrieden gab in der Bibliothek zu sitzen und zu lesen. Jetzt jedoch wirkte er wie ausgewechselt.
Kopfschüttelnd ging Thorik zum Sammelplatz, wo ihn schon alle seine Männer in Tiergestalt erwarteten. Ein Tiger, sieben Wölfe, drei Kojoten, zwei Pumas, und sieben menschliche Vogelwerwandler warteten auf ihn und blickten ihn entschlossen an. Die restlichen Vogelerwandler warteten in ihrer Adler oder Falkengestalt auf den Bäumen. Thorik blickte von Mann zu Tier und von Tier zu Mann. Sie waren alle eine Einheit. Egal ob Mensch oder Tier. Ob Vogelwerwandler, Katzenwerwandler oder Wolfswerwandler. Eine Einheit, Brüder, eine Familie. Brüllend ließ sich Thorik auf seine Arme und Beine fallen und hieß seinen inneren Bären willkommen. Sofort stürmten die Gefühle und die Entschlossenheit auf seinen Kopf ein. Alle würden ihm bis in den Tod folgen. Die Magierin war einige Meter von ihm abgerückt und schluckte unsicher.
Knurrend lief Thorik los und sofort schlossen sich seine Krieger ihm an. Sie alle bewegten sich so leise durch das Unterholz, als wären sie ein Teil davon was sie ja auch waren. Über ihm Flogen Harpyien gewandt durch das Unterholz, obwohl sie viel zu groß dafür waren. Seine kleine Gruppe von Kriegern lief bis zur Grenze ihres Reviers, wo sie alle ein letztes mal zurück blickten und laut schrien. Sofort erklang von der kleinen Siedlung unten, die mehrere Kilometer unter ihnen lag ein lautes Gebrüll zurück. Ein Versprechen, dass sie alle wiederkommen würden und ein Versprechen, dass sie alle freudig erwartet wurden. Der schönste Laut vor einem Krieg. Lächelnd lief er weiter und führte seine Familie an.

Die verlasse Steppe der Drachen

Einen halben Tagesmarsch später kamen sie an die Zerklüfteten Felsen. Das war ein
Gebiet, das damals nur Drachen betreten durfte. Hier herrschte die völlig wilde Natur.
Starke Windböen zischten über das Land, das rein aus Felsen bestand und wechselten ihre Richtungen je nach Laune. Die Sonne kam hin und wieder zum Vorschein, da riesige Gewitterschwere Wolken über das Land regierten. Über das große Land gingen tiefe Risse, die durch ein Beben vor tausenden von Jahren hier gewütet hatten. Jetzt wusste man, dass diese Beben von den Drachen erzeugt worden waren um ungebetene Gäste fernzuhalten.

Als Thorik sich nun verwandelte und einen Blick in eine der schwarzen Tiefen warf, nahm er den Geruch von Hitze wahr. „Dort unten muss einmal Lava gewütet haben.“ Sein Erster war an seine Seite getreten und warf einen Stein hinunter. Alle lauschten gespannt dem Nichts. Die Magierin schwebte ohne Sorge über den Abgrund und verzog das Gesicht. „Klingt tief.“ Thorik mochte ihre Neunmalkluge Art überhaupt nicht, doch nahm er an dass sie  diese deshalb benutzte, um andere von sich zu stoßen. „Ja... klingt so. Wir suchen uns eine schmale Stelle und überqueren sie dort.“ Beschloss Thorik und blickte sich um. Auf ein Handzeichen hin überflogen drei Harpyien die Kluft und suchten alles ab.
„Dürfte ich darauf hinweisen, dass ihr eine weiße Magierin angeworben habt?“ Thorik wusste nicht was das hieß, seufzte und gab ihr ein Zeichen weiter zu sprechen. „Ich beherrsche die Magie der Levitation und der Psychokinese, sowie noch einige andere Fähigkeiten, die gerade nichts zu Sache tun. Also entweder bringe ich euch alle zum Schweben und ihr genießt die Aussicht... Was ich, da ihr Tiere seit bezweifle, oder ich benutze meine Psychokinetischen Fähigkeiten um zum Beispiel diesen Baum zu entwurzeln, damit ihr darüber gehen könnt. Außerdem würde ich empfehlen nicht unbedingt zu fliegen, da das Gebiet einen magischen Schleier enthält. Sobald er aktiviert wird, wird sich kein einziger Vogel hier mehr in der Luft halten können und auf die Zerklüfteten Felsen dort unten knallen.“ Mirana machte eine kleine Handbewegung und leuchtete mit ihrer Hand in den Abgrund hinein. Ihr Licht war so hell, dass es bis zum Boden alles erhellte. Kleine Lebewesen, die man vorhin noch nicht sehen konnte, da sie perfekt an die Dunkelheit angepasst waren, schrien erschrocken auf und versteckten sich in den Schatten. Im Abgrund konnte man spitze Felsen erkennen die sich wie Nadeln erhoben. Ansonsten sah man nur Knochen. Wie viele mussten hier schon ihr Leben gelassen haben?
Entsetzt und mitfühlend sogen alle die Luft ein und murmeln ging durch die Gruppe. Niemand wollte unbedingt als Skelett dort unten landen und deswegen gingen sie alle einen Schritt zurück.
„Dann eben die Übergänge. Es ist besser, wenn wir später auch wieder einen Weg zurück haben, sollte etwas passieren.“ Die Magierin lächelte und setzte sich am Boden ab. Konzentriert blickte sie zu einem großen sehr breiten Baum und alle warteten gespannt. Selbst Thorik versuchte etwas zu erkennen. Die Magierin blickte immer wütender drein, bis sie kurz vor Frust aufschrie. „Verdammte Hexenmeister! Euch werde ich es noch lehren!“ Sie nahm eine Kampfposition ein, sofort gingen alle in Angriffsposition, falls etwas sie angreifen würde. „Emne betra Kamne!“ Plötzlich zischte ein kleiner Blitz von der Magierin zum Baum und er schien sich von selbst zu bewegen. Träge schälten sich die Wurzeln aus dem Boden und der Baum erhob sich von alleine aus seiner schlafenden Position. Sachte schwebte er auf sie zu und über deren Köpfe hinüber, während noch Erde von seinen Wurzeln bröselte. Plötzlich gab es ein ächzendes Geräusch und der Baum fiel achtlos über die Kluft, sodass ein Übergang entstand. Die Magierin murmelte irgendwelche für Thorik unverständlichen Worte. Plötzlich schien sich der Baum selbst zu schälen und es entstand ein kleine Grube in seiner Rinde. „So Abmarsch, das hat sicher jemand gesehen.“ Mirana ging vor und Thorik folgte ihr in einigen Abstand, damit der Baum nicht zu sehr belastet wurde. Werwandler hatten zwar einen außergewöhnlich guten Gleichgewichtssinn, doch diese wahnsinnige Höhe jagte sogar ihm einen Schauer über den Rücken.
Als alle sicher darüber waren konnten sie sich einige Kilometer weit im ruhigem Trab weiterbewegen. Bis jetzt war nichts weiter passiert und ihnen war bisher jetzt auch kein einziges Lebewesen über den Weg gelaufen. Ob das gut so war, wird sich noch herausstellen. Thorik war an der Spitze der Gruppe, die nun halb Mensch, halb Tier unterwegs war. „Wie sieht es aus mit der Magie hier?“ Fragte er die dösende Magierin. Sie riss es aus dem Schlaf und sie blickte sich gelangweilt um. „Unverändert. Solange niemand die Magie von außen Aktiviert, sind wir sicher. Wir sind schon über etliche Fallen gelaufen, doch keine hat vorher angeschlagen. Es scheint außerdem ein verblassender Zauber über dem Gebiet zu liegen. Anscheinend betreibt hier keiner außer ich Magie.“ Thorik nickte verstehend und schaute sich auf der Steppe um. Überall war der Boden von trockenem Gras und Erde bewohnt. „Warum sind hier keine Tiere?“ Sie zuckte die Achseln. „Sehe ich aus wie ein Biologe? Aber ich denke es liegt an der abweisenden Art die das Land hat. Außerdem kann kein Tier die Krater überqueren, es sei denn es kann fliegen. Jedoch sind die Winde so unkontrolliert hier, dass sich auch das nicht so gut bewerkstelligen lässt.“ Thorik verstand. Pflanzenfresser konnten nicht über die Kluft hinter ihnen, deswegen hatten auch Fleischfresser hier nichts zu suchen. Die Vögel nisten lieber an den Küsten oder an Insektenreichen Plätzen. Da nicht einmal Insekten dieses Land bewohnten, da es nur trockenes Gras gab, nutzte es niemanden etwas. Das machte seinen Bären traurig. Er selbst war auch ein Raubtier und lebte für die Jagd, doch so ein trockenes Ödland...
Etwas sauste über sie hinweg und alle brachten sich in Position. Erschöpft fiel etwas kleines braunes vom Himmel und lag mehrere Meter vor ihnen am Boden. Thorik war als Erstes dort und stupste die kleine Eule an. Es war Chattan. Müde blickte er alle an und Thorik konnte seine Gefühle wahrnehmen, da er selbst in der Zwischenform von Mensch und Bär war. „Etwas stimmt nicht im Dorf. Magierin kannst du auch Teleportieren?“ Sie blickte ihn genervt an. „Aber dann muss ich ja dorthin zurück! Bitte sag mir das nur einer gehen muss. Teleportieren ist nervig.“ Wütend knurrte er sie an.
Erschrocken sprang sie zurück, bevor sie ihre grüne Kutte richtete. „Ja, ja. Schon gut Boss. Was muss ich tun?“ Thorik schickte sie mit einer Wölfin zurück ins Dorf und hoffte darauf, dass nichts passiert war. Währendessen versuchten sie Chattan wieder aus der Ohnmacht zurückzubekommen. „Chattan! Wach auf! Komm schon alter Mann bewege dich endlich.“ Ein kleines krächzten kam aus der kleinen Schleiereule und er öffnete blinzelnd die Augen. „Chattan! Verwandele dich.“ Thorik sagte es in seinem Alphaton, den er nur selten benutze und egal ob Chattan konnte oder nicht, er musste sich verwandeln. Die Züge der Eule veränderten sich und streckten sich bis ein Mann vor ihm lag, den er schon seit Jahren kannte. „Ein Drache hat das Dorf attackiert. So viele sind gefallen. Es war ein Hinterhalt!“
Besorgt wechselte die Gruppen einen Blick der sagte dass alle sofort zurück wollten. Nickend stand Thorik auf. „Seirin! Corin und Barkars! Fliegt auf der Stelle los und untersucht das Gelände.“ Sie flogen sofort auf und davon. „Wölfe und Erster ab nach Hause und das so schnell ihr könnt!“ Puma und Kojoten sucht das Gebiet nach Gerüchen ab und ihr anderen tragt ihn zurück. Er zeigte auf Chattan der wieder in die Bewusstlosigkeit zurückgefallen war.

Im nächsten Moment tauchte die Magierin wieder auf mit einem gehetzten Gesichtsausdruck. „Es tut mir so unendlich Leid!“ Sagte sie beschwichtigend. Thorik knurrte wütend. „Nicht wieder knurren. Die Wölfin ist dort geblieben und hilft den Verletzten. Soll ich euch alle Teleportieren?“ Thorik nickte. „Chattan zuerst und dann alle anderen, die meisten sind schon vor gelaufen. Du wirst sie einsammeln müssen.“ Mirana nickte. „Ja, gerne.“ Sie schob eine Hand unter den Kopf von Chattan und legte ihn sich auf den Schoß bevor sie im Nichts verschwand. Thorik stand nun alleine mit den restlichen Falkenwerwandler da. „Los fliegt schon vor. Sie findet euch auch so.“ Und sie waren auf und davon. Thorik wusste nicht recht was er nun machen sollte, also wartete er auf den Bericht seiner drei Adlerwerwandler.
Nach für ihn unendlichen Minuten landete der erste. „Der Wall ist verschwunden, anscheinend war es tatsächlich nur ein Ablenkungsmanöver. Was sollen wir tun, Sir?“ Thorik setzte sich auf den Boden und kam sich unendlich dumm vor. Wie konnte ihm so etwas passieren. Normalerweise ließ er immer ein paar Krieger zurück, die das Dorf im Notfall schützten.
„Sir, wir alle machen dir keine Vorwürfe. Niemand von uns hätte an deiner Stelle anders gehandelt.“ Thorik nickte und versuchte ein lächeln doch er schaffte es nicht. Wie konnte Liebe einen so blind machen?
Der Wandler sagte noch einige aufbauende Worte zu ihm, doch Thorik hörte schon nicht mehr zu. Wäre er jetzt in einem Wald würde mehr als ein Baum dafür büßen müssen. Knurrend hockte er auf dem Boden und überlegte angestrengt was ihn nur dazu veranlasst hatte sich so zu benehmen. Ständig hatte er alles richtig gemacht. Ständig hatte er versucht das Dorf neu aufzubauen und die Werwandler wieder zusammen zu führen. Jetzt hatte er sich einmal seinem Herzen hin gegeben und sein ganzes Rudel musste dafür zahlen. Das war doch nicht fair. Nichts und niemand konnte so etwas rechtfertigen.

Wer ist Bea?

„Boss? Alles in Ordnung?“ Überrascht blickte er auf und betrachtete die Magierin die anscheinend schon öfter versucht hatte ihn aus seinen Gedanken zu reißen. „Wir Teleportieren uns jetzt.“ Sagte sie noch bevor sich die weite Steppe vor ihm verzerrte und von einem Moment auf den anderen saß er vor einem abgebrannten Haus. Entsetzt riss er die Augen auf. Sämtliche Häuser waren verwüstet oder herunter gebrannt. Nicht einmal sein Zweistöckiges Haus war verschont geblieben. Es wurde sogar am schlimmsten getroffen. Um ihm herum rannen Werwandler in Mensch und in Tierform herum. Die einen Trugen etwas oder jemanden die anderen liefen um etwas zu bergen.
Knurrend riss er sich aus seiner Starre und suchte die Dorfärztin auf. Sie besaß eines der größten Gebäude nur mit dem Unterschied, dass sich ihr Haus mehr in die Tiefe bewegte als in die Höhe. Wie sich vor Ort herausstellte hatte er gut geraten, denn fast alle waren dort versammelt. Entweder brachten sie Verletzte oder standen im Weg. Knurrend bahnte sich Thorik einen Weg bis zur Kojotenärztin. Als diese ihn erblickte wirkte sie sichtlich erfreut. „Na endlich! Bitte schmeiße sofort alle raus die hier nichts verloren haben. Tatsächlich waren viele Familienmitglieder der jeweiligen Patienten anwesend und blockierten damit Gänge oder Durchgänge.
„Alle Mann Raus!“ Brüllte er durch das Erdgeschoss. „Aber auf der Stelle. Jeder der Ersthilfekenntnisse hat bleibt, der Rest steht hier nicht im Weg herum, sondern bewegt seinen Arsch hinaus! Sonst regnet es Köpfe!“ Sofort sprangen viele auf und machten sich stumm auf den Weg hinaus. Als sich fünf Freiwillige gefunden hatten wies ihnen die Ärztin an wie sie die Patienten aufteilen sollte, als plötzlich ein lauter Schrei durch die Halle ging. Alle blickten erschrocken zu Miss Carlsen, die auf ihrem Mann gestützt hereingetragen wurde. „Sie kommen!“ Knurrte sie und fiel mitten in der Verwandlung auf die Knie. Ihr Mann nahm die jaulende Pumadame hoch die seine Frau nun war und legte sie auf ein freies Bett.
„In Ordnung. Ich gehe mit ihr in den Geburtsraum. Ihr beide kommt mit und ihr drei kümmert euch um die anderen. Keine näht auch nur irgendetwas, bevor ich wiederkomme. Nur Druckverbände!“ Damit war sie auch schon mit dem Bett verschwunden und die Freiwilligen gingen an ihre Arbeit.
Zufrieden hier wenigstens Ordnung hinein gebracht zu haben, soweit es möglich war, ging er hinaus zu den übriggebliebenen.
„Was steht ihr hier noch so herum? Durchkämmt die Trümmer, sorgt für Ordnung ich will niemanden Tatenlos herumstehen sehen!“ Alle sprangen knurrend auf und fingen an sich zu verwandeln. Als Tiere waren sie wesentlich gewandter und ihr Geruchssinn besser.
Thorik selbst begab sich zur Bibliothek, die wie durch ein Wunder nur äußerlich beschädigt worden war.
Zuerst sicherte er das Gebiet, dann machte er sich auf den Weg den anderen zu helfen wo er noch konnte. Alle arbeiteten sie bis tief in die Nacht, bis zur endgültigen Erschöpfung.
Sammelpunkt war die Bibliothek, da sie am sichersten war. Davor hatten ein paar Frauen eine Fischsuppe hergerichtet und die welche den ganzen Tag gearbeitet hatten machten sich darüber her. Auf der Krankenstadtion gab es nun Besucherzeiten und es durften nie mehr als zehn gleichzeitig darin sein.
Doch Thorik hatte kein Interesse jemanden zu sehen oder mitfühlende Blicke zu kassieren. Lieber machte er sich auf den Weg in den tiefschwarzen gefrorenen Wald, den er bereits wie seine Westentasche kannte um etwas Dampf abzulassen. Morgen würden sie Holz brauchen um die Löcher zu verschließen und neue Möbel herzustellen. Es würde noch Wochen dauern bis alles wieder wie früher war. Sie konnten zwar die Löcher stopfen und die Gegenstände ersetzen, doch die Narben die in die Herzen gerissen wurden, würden noch jahrelang in der Gruppe zu finden sein.
Seufzend verwandelte er sich und riss den ersten Baum aus reiner Willenskraft um. Genauso den nächsten und den nächsten. Kiefern, Eschen und Tannen. Alles was er so fand, dass stabil aussah, fällte er ohne die geringste Mühe. Als fünfzehn Bäume um ihn herum lagen, riss er ihnen die Ästchen ab, aber ließ die stabilen dickeren Äste daran. Knurrend riss er am Zipfel der Tanne und warf sie wütend gegen den nächstbesten Baum, der krachend und knirschend umkippte. Verdammt er musste besser aufpassen was er tat. Erst als seine Hände in den frühen Morgenstunden taub wurden hörte er auf und setzte sich am Rand des Sees um sie etwas zu kühlen. Seine Unterarme waren voller Harz und Blut. Es brannte fürchterlich als die Wunden vom reinen Wasser umspült wurden, doch das war ihm egal. Er war nun müde und sogar innerlich erschöpft, jetzt wusste er, er würde Schlaf finden, auch wenn er sich nicht darauf freute. Thorik wusste das er wieder von Beathag träumen würde. Ihr lächeln verfolgte ihn bis in den Schlaf, ohne das er etwas dagegen tun konnte. Das Werk eines Engels.
„Du hast ja ganz schön gewütet kleiner Rudelführer! Ich sehe dir nun schon seit über drei Stunden zu und bin ehrlich beeindruckt!“
Erschrocken fuhr er herum und knurrte die kleine magere Magierin an. „Verschwinde wieder.“
Sie lehnte sich locker an einen Baum und kratzte etwas Harz von der Rinde. „Nö, es ist echt lustig euch zuzusehen. Ihr seid ehrlich bemerkenswert. Anstatt dass ihr euch ein neues Versteck sucht und die Sache aus sitzt, baut ihr einfach wieder darauf los ohne fragen zu stellen.“
Thorik streckte die Beine ins Wasser und genoss das eisige Stechen. „Kann dir doch egal sein. Du bekommst dein Geld, sobald meine Verlobte zurück ist.“
„Ja von mir aus. Wenn nicht dann würde ich es mir einfach mit Provision nehmen. Keine Sorge. Aber jetzt im ernst einmal. Was ist so besonders an der Wandlerin? Es gibt genug heiße Schnecken dort unten.“
Sie setzte sich neben ihn, aber ohne den Boden zu berühren. Ein Zauber? Überlegte Thorik kurz, bevor es ihm auch schon wieder egal war. „Was weißt du schon von uns Werwandler? Ihr Magier sitzt auf euren Inseln und studiert Gott und die Welt, anstatt, das ihr etwas erlebt.“
Die Magierin rümpfte angewidert die Nase. „Na und? Dafür Leben wir beinahe ewig.“
Thorik musste lachen. „Dann kennst du meine Verlobte nicht. Sie lebt wesentlich länger auf dieser beschissenen Welt als wir alle zusammen. Sie hat schon lange davor existiert und wird lange nach uns immer noch hier sein. Das ist ihr Fluch und ihr Geschenk.“ Jetzt war die Magierin eindeutig neugierig. „Redest du vom gefallenen Engel?“
Thorik fixierte sie mit seinem Blick als wollte er die Informationen aus ihrem Kopf saugen. „Was weißt du darüber?“
Sie kniff ärgerlich die Augen zusammen. „Was weißt Du darüber?“
So blickten sie sich noch einige Zeit an, bevor Thorik nachgab. „Ja sie ist der gefallene Engel. Wenn du es herum posaunst, dann werde ich dich töten!“
Mirana blickte ehrlich erstaunt drein. „Du meinst ehrlich >Den< gefallenen Engel? Weiblich, gut gebaut, tiefschwarze Haare, endlos leere schwarze Augen die einem Anstarren als würden sie alles über dich wissen und es nicht gutheißen?“
Thorik würde es zwar nicht genauso ausdrücken, doch es klang nach ihr. „Ja... Mehr oder weniger. Sie hat sich selbst etwas verändert in ihrem letzten Leben, weiß aber nicht warum. Woher kennst du sie?“
Mirana zog die Augenbrauen hoch und lächelte breit. „Weil ich es war die sie verändert hat. Sie kam vor einigen Jahren zu mir um sich bei einem Zauber zu bedienen, der sie eigentlich in den ewigen Tartarus stecken sollte, doch das ist ja gründlich schief gegangen. Sie war gerade einmal einen Monat unten, bevor man merkte, dass sie dort nicht sein durfte, dafür war ihr Herz zu rein. Danach wurde sie wieder ausgespuckt und ihr Zyklus ging weiter. War recht lustig.“ Mirana sprach davon, als wäre es das normalste der Welt, was Thorik umso wütender machte. Knurrend sprang er auf und umfasste ihre zarte Kehle. „Was sagst du da?“ Ein plötzlicher Schmerz ließ ihn zurückschrecken. Etwas hatte seine Hand verbrannt. Als er genauer hinsah, bemerkte er die kleinen Flammen die auf ihrer Haut tanzten. „Fass mich nicht an. Das ist ein Schutzzauber, der wenn mich jemand körperlich bedroht, einfach verbrennt. Und ich sagte genau das was du gehört hast. Fearchara hieß sie damals. Nereos hatte sie in seinem privaten Anwesen fest gehalten um sie sich zu unterwerfen, damit er wieder zurück in den Himmel kann. Erst, wenn sie ihm ihren Körper freiwillig gibt kann er zurück. Hat sie dir das nicht erzählt? Ich habe damals für ihn gearbeitet um sie festzuhalten.“
Thorik setzte sich wieder und spitzte die Ohren. „Nein, sie weiß es nicht mehr. Vielleicht eine Nachwirkung von Tartarus?“ Die Magierin nickte. „Ganz bestimmt sogar. Es war wahrscheinlich ihre Strafe, dass sie sich nicht mehr an ihre Erlösung erinnern kann.“
„Ihre Erlösung?“ Fragte Thorik irritiert.
„Ja. Wenn sie ihren Geliebten tötet, darf sie wieder zurück in den Himmel. Doch das würde sie niemals machen, dafür ist sie zu sehr Engel. Andererseits kann sie ihm auch nicht ihren Körper geben, da er sonst in den Himmel zurück dürfte aber sie würde hier als Mensch mit Behinderung ewig weiterleben müssen.“
Das alles klang in Thoriks Ohren so unwahrscheinlich, dass er befürchtete er träume schon wieder. „Aber... Ich versteh das nicht... Wer ist ihr Geliebter?“
Die Magierin lächelte traurig. „Befasse dich mehr mit ihrer Geschichte, dann findest du es selbst heraus. Ich stehe unter Eid und darf keine Namen nennen.“
Thorik nickte geistesabwesend. Sie hatte also schon einen Mann, doch erinnert sich nicht daran. Ob er wohl auch ewig lebt?
Plötzlich spürte er einen brennenden Schmerz in seinem Brustkorb. Als würde sich irgendetwas in ihm zusammenziehen und brechen. Fühlte man sich so wenn einem das Herz gebrochen wird?
Mit Tränen in den Augen stand er auf und ging zurück, tiefer in den Wald hinein. Blind für seine Umgebung stolperte er durch das Unterholz und riss sich seine verdreckte Kleidung noch weiter auf. Als er wenig später auf Geröll stieß, kletterte er die Steile Felswand bis zum Gipfel hinauf. Dort oben angekommen genoss er die Aussicht und schlief beinahe sofort ein. Diesmal in einen Traumlosen Schlaf.

Chattan

Als Chattan diesen Morgen erwachte, spürte er kalte kleine Hände auf seinem Brustkorb. Die Sonne fiel von draußen auf sein Gesicht und er musste blinzeln. „Guten Morgen Schlafmütze. Wie geht es dir?“ Er blickte hinauf in das freundliche Gesicht der Ärztin und lächelte zurück. „Besser, danke.“ Die Ärztin nickte zufrieden.
„Dann kannst du ja anfangen, den anderen draußen zu helfen. Sie brauchen dringend Hilfe. Und wenn du schon dabei bist, misch mir ein paar Tränke. Hier die Liste.“ Sie drückte dem schläfrigen Chattan eine Liste in die Hand und verschwand hinter einem Vorhang.
Kopfschüttelnd schwang er die Beine aus dem Bett und las sich die Liste durch. Das meiste davon waren Heilkräuter oder Kräuter mit betäubender Wirkung. Natürlich! Die Verletzten. Chattan erinnerte sich an einen dunklen Schatten, der über das Dorf geflogen ist, bevor alles in Flammen aufgegangen war. Eine der Frauen hatte geschrien und war dann plötzlich als lebende Fackel in den Fluss gesprungen. Der Geruch von verbrannten Fleisch klebte immer noch in seiner Nase. Auch wenn er nicht so einen guten Geruchssinn wie die vierbeinigen Werwandler hatte, so waren manche Gerüche einfach nicht zu übertünchen.
Als er vorsichtig seine Beine auf den Boden abstellte, kamen sie ihm robust genug vor um vorwärts zu kommen. Er schnappte sein Hemd, dass über einem Sessel lag und hängte es sich über den Arm, da es vollkommen hinüber war. Es war sein Lieblingshemd gewesen. Jetzt war es Schrott.
Seufzend knüllte er das Papier zusammen und steckte es in die Hosentasche, bevor er hinaus unter dem verführerischen blauen Himmel trat. Der Himmel straft uns mit einem wunderschönen Himmel über einem so hässlichem Tag wie diesen und den von gestern. Wie charmant. Dachte er und machte sich auf den Weg in den Wald. Währenddessen zerriss er sein Hemd so, dass daraus eine kleine Tasche entstand in die er die Kräuter geben würde. Überall um die kleine Siedlung herum im Wald, waren kleine Verstecke an denen Heilkräuter wuchsen, damit man sie später schneller finden konnte und ihre Wirkung nicht eingeschränkt wurde.

Genüsslich rekelte er sich am Waldrand und erhob sich in die Luft. Seine Kräftigen Flügel hoben ihn weit bis über die Wipfel der Bäume, die sich wie Nadeln aus dem Wald erhoben. Neben ihm flog ein Schwarm von Singvögel, der sofort abdrehte, als sie ihn bemerkten. Einen spitzen Eulenschrei ausstoßend beschleunigte er sein Tempo und ließ sich in die Baumkronen fallen. Gewandt wie er war, schoss er einfach zwischen den Ästen hindurch und landete sachte auf einem niedrigen Ast, von dem er sich dann zurückverwandelt und als Mensch hinunter sprang. Bei der Landung hörte er sein Knie knacken und fluchte Laut. Er war auch nicht mehr der Jüngste. Chattan massierte es kurz, bevor er anfing die Kräuter einzusammeln. Eine Stunde später und noch einmal einen prüfenden Blick zurück auf die Kräuter werfend, flog er wieder zurück zu seiner Bibliothek, in der er die Tränke und Salben herstellte, die sich auf der Rückseite der Liste für die Kräuter befand. Als könne er sie nicht ohnehin auswendig.
Chattan landete lautlos auf dem Dachstuhl und blickte ungläubig auf noch ein paar schlafende Werwandler am Boden. Die, die heil davon gekommen waren, hatten anscheinend alle in der Bibliothek geschlafen. Das war eine gute Idee, musste er sich eingestehen. Kreischend kreiste er über die müden Arbeiter und weckte sie damit. Manche schossen halbherzig einen Polster nach ihm, doch denen wich er einfach aus.
„Chattan du bist ein Arsch! Lass uns noch etwas schlafen!“ Knurrte einer der Wölfe und Chattan lachte.
„Faulpelz wach auf und hilf den anderen draußen. Die Sonne steht schon hoch am Horizont, manche können eine Ablöse gebrauchen.“ Nickend ließ sich der Wolf aufhelfen und folgte den anderen sieben, die freiwillig aufgestanden waren aus der Bibliothek.
Kopfschüttelnd lächelte Chattan und bereitete seine Instrumente her.
„Chattan?“ Als er die Stimme erkannte fingen seine Finger an zu zittern und eine der Phiolen landete mit einem splitternden Geräusch vor seinen Beinen. Fluchend winkte er einmal und hob dann die Scherben auf. „Na, so schreckhaft?“ Witzelte sie und schwebte zu ihm.

„Nein, ich bin nur angestoßen, als ich mich gedreht habe um zu sehen, wer mich ruft.“ Die Magierin lachte mit einer melodiösen Stimme, die so gar nicht zu ihrem sonst so kantigen Aussehen passte und er ertappte sich dabei wie er lächelte. „Was brauchst du, Magierin?“

Sie rümpfte die Nase und blickte über seine Schulter die Kräuter an. „Was willst du den mit dem Mist?“
Chattan blickte sie Augen verdrehend an. „Ich stelle Tränke und Salben her, was sonst?“
„Wenn du meinst.“ Sie hob die Schultern und stützte sich dann mit dem Kinn am Tisch ab, während sie ihm dabei beobachtete wie er die Kräuter im schnell verfahren trocknete. Dabei versuchte er sie so gut wie nur möglich auszublenden, doch ihre Präsenz schien förmlich zu schreien, das sie da stand.
Chattan hielt es nicht mehr länger aus und seufzte schwer. „Also noch einmal... Was brauchst du?“ Sie deutete hinter sich und gähnte schwer. „Da draußen laufen viel zu viele halbnackte, einfach zu gut aussehende Werwandler herum. Ich bin zwar eine Magierin und nicht sonderlich an anderen menschlichen Lebewesen interessiert, doch ich bin auch eine Frau und das ganze Testosteron da draußen macht mich wahnsinnig.“
Für Chattan war es wie ein hieb in die Magengegend. Irritiert fragte er sich warum und erinnerte sich unweigerlich an seine Flucht, als sie einmal viel zu nahe bei ihm gestanden hatte. „Und deswegen dachtest du, du kommst zu mir?“ Fragte er auf einmal fürchterlich zornig.
Sie kicherte und plötzlich fühlte er zarte Fingerspitzen auf seinen Rücken. „Du brauchst nicht gleich zu knurren. Ich meine das nicht böse. Ich hatte nur gehofft wir könnten über etwas Sachliches quatschen, damit ich wieder auf normale Gedanken komme.“ Zähneknirschend verkrampfte sich sein ganzer Körper. Alles was sie sagte, zerschnitt seinen Kopf wie Rasierklingen. Er lebte zwar zurückgezogen und hatte nicht besonders viel Interesse daran mit anderen Konversationen zu führen, doch nicht einmal von einer Fremden als Mann angesehen zu werden nagte ganz schön an seinem Ego.
Abschätzig zischend kam er mit seinem Gesicht bedrohlich nahe an ihres. „Pass auf wie du mit mir sprichst, Mäuschen, sonst zerfetze ich dich Nachts in der Luft, ohne dass du mich überhaupt bemerkst.“
Erschrocken wich sie von ihm zurück. Jetzt war sie unsicher geworden, das sah er an ihrem Blick. Als er an sich hinab sah, bemerkte er erst dass er die Kontrolle über seine Verwandlung verloren hatte und als Harpyie vor ihr stand. Zischend erhob er sich in die Luft und tat so als würde er eines seiner Bücher suchen. Doch Chattan musste nie ein Buch suchen, er wusste wo sich jedes einzelne befand.
Grimmig fuhr er über die Buchrücken und versuchte keine Kratzer mit seinen Krallen zu hinterlassen. Seine mächtigen Flügel breiteten sich währenddessen wie ein Schutzvorhang um ihm herum aus und verbargen sein trauriges Gesicht. Konnte man sich den überhaupt Hals über Kopf verlieben? War so etwas gesund? Wahrscheinlich eher nicht. Er hatte tausende von Bücher über die letzten dreihundert Jahre gelesen. So wie seine Mutter und sei Vater vor ihm, hatte er sein Leben den Büchern und der nächtlichen Jagd verschrieben. Niemals hatten ihn Gefühle oder Verantwortung interessiert. Nur seine Aufgaben und seine Ordnung. Das war doch sein Lebensinhalt. Die einzige Frau die jemals sein Herz erobert hatte, war Beathang gewesen. Schon in ihrem kleinen Gitterbettchen hatten ihn mehr sein Interesse und Wissbegierde zu ihr gezogen. Er hatte gesehen wie sie von ihrem Großvater misshandelt wurde und hat sie in seine schützende Obhut genommen. Trotzdem war er weiterhin auf dem armen kleinen zerbrechlichen Wesen herumgetrampelt, ohne auf die Konsequenzen zu achten. Dann kam Thorik und rettete das kleine Mädchen unwissentlich. Erst von da an, hatte er begonnen etwas wie väterliche Zuneigung für die kleine Bea zu empfinden. Sie würde immer seine kleine Bea bleiben, egal wie alt und mächtig sie in Wirklichkeit war. Egal was auch immer mit ihr passieren würde.
Traurig und wütend über sich selbst und die Welt, lehnte er sich mit den Kopf vorsichtig gegen das Bücherregal und ließ den beruhigenden Geruch von altem Papier und Leder auf sich wirken. Seine Atmung wurde ruhiger und er fühlte wie seine Flügel wieder in seinem Körper verschwanden. Anders als die Transformation in einen Vogel, wo seine Hände seine Flügel waren, kamen seine Flügel aus seinen Schulterblätter wenn er sich in eine Harpyie verwandelte.
„Ich... Ich weiß dass ich dich verärgert habe, aber ich weiß nicht mit was.“ Seufzend wandte er sich an die klapprige Magierin, die vor ihm stand und betrachtete sie eingehend. Er durfte ihre Worte nicht zu ernst nehmen. Sie war nicht in so einer Gemeinschaft wie er selbst aufgewachsen. „War das deine Harpyienverwandlung?“
Chattan nickte. „Ja, sie unterscheidet sich ziemlich von denen der Adlerwerwandler.“ Das zauberte ihr ein unwiderstehliches Lächeln auf die Lippen.
„Ich finde es sieht sehr schön und imposant aus.“ Wie gern hätte er ihr dieses Lächeln von den Lippen geküsst die so zart geschwungen mitten in ihrem Gesicht saßen.
„Danke.“ Presste er mühselig heraus und schnappte sich einfach irgendein Buch um wieder von der Plattform hinunter gehen zu können. Sie folgte ihm auf den Fuß, was ihm noch einen Seufzer entlockte.
„Du bist nicht sehr gesellig oder?“
„Ich bin ein Eulenwerwandler, ich bin Einzelgänger.“ Meinte er schlicht und das stimmte sogar.
„Aber Eulen leben oft auch als Pärchen, wo ist dann deine Partnerin?“ Fragte sie sichtlich neugierig geworden. Chattan schnalzte abschätzig mit der Zunge. „Ich habe keine gewählt, dafür hatte ich nie Zeit.“
Sie kicherte hinter ihm und er blieb stehen um sie fragend anzusehen. „Tut mir Leid. Ich sollte nicht über die Gefühle von anderen lachen, doch ihr Werwandler denkt so irrational im Gegensatz zu uns Magier. Es ist einfach zu lustig.“
Chattan blieb am Treppenabsatz stehen und lehnte sich lässig gegen das Geländer, somit waren sie beinahe gleichgroß. „Ich verstehe den Witz daran nicht. Was soll an meinem denken irrational sein, wenn ihr Magier einsam und verlassen irgendwo auf einer fernen Insel hockt und eure Nasen so wie eure Bücher verstauben, während ihr hin und wieder, je nach Lust und Laune ein paar Aufträge erledigt? Wie könnt ihr von euch behaupten, dass das euer Leben großartig bereichert? Ohne Familie die einem Liebt und behütet, ohne Freunde die einem im hoch und Tief beistehen und ohne jemals die wahre Liebe zu finden.“ Chattan wollte überhaupt nicht beleidigend klingen, doch es interessierte ihn tatsächlich brennend.
Sie lächelte sanft und sein Bauch begann zu kribbeln. Ohne das er verstand was eben vor sicht ging, lehnte sich die Magierin vor und küsste ihn einfach auf den Mund. Überrascht blieb er wie erstarrt stehen und blickte sie verwirrt an. Gerade eben hatte er sie noch beleidigt und im nächsten Moment küsste sie ihn einfach? Das war einfach zu viel für seinen Verstand. Kopfschüttelnd machte er den Mund auf um etwas zu sagen, doch sie legte ihm ihren Finger auf den Mund und sagte ihm das er ruhig sein solle. „Gönne mir einfach diesen einen Moment.“ Sie lehnte sich noch einmal vor und biss ihm einfach in die Unterlippe. Als er erschrocken die Luft einsog verfärbten sich ihre Augen und so etwas wie ein grüner Ring erschien um ihre Pupillen. Irritiert leckte er über die Stelle an der er gebissen wurde und genoss das pulsierende Gefühl. Als sie an ihm kichernd vorbei schwebte, griff er nach ihrem Unterarm und zog sie an sich. Sein ganzer Kopf war das erste Mal seit Jahrhunderten leer und er sah nur ein Bild in seinem Kopf. „Du nervst mich fürchterlich Magierin!“ Murmelte er und dann küsste er sie. Die dünne Magierin ging beinahe in seinem Körper unter, schmiegte sich aber zugleich wie ein passendes Puzzleteil an ihn. Er fühlte ihre schlanken langen Finger an seinem Oberkörper hinauf und hinab wandern. Dann streckte sie sich und schlang die Arme um ihn, während sie sich gegen ein Bücherregal fallen ließ und ihn mit sich zog.

Die verbotene Magierin

Als er ein paar Stunden später seine Medizin ins Haus der Medizinerin brachte, fühlte er immer noch ihren Körper an seinem und hatte noch immer ihren süßen holzigen Geruch in der Nase. Er hätte sich nicht einmal in tausend Jahren vorstellen können, dass er es einmal mit einer Magierin in seiner Bibliothek tun würde. Eigentlich sollte er zu solcher Zeit betroffen sein und anderen Trost spenden, doch er konnte nicht anders als freudig zu lächeln. Zwar hatten ihm die Worte der Magierin getroffen, als sie sich rasch anzog und etwas davon murmelte, dass das ja niemals jemand erfahren durfte, doch er konnte einfach nicht aufhören daran zu denken, wie gut sie sich angefühlt hatte und wie glücklich sie beide gewesen waren, auch wenn es nur kurze Stunden waren. Er würde sie zwar jetzt mit ganz anderen Augen sehen, doch wollte er auch nicht dass sie sich von ihm entfernte. Natürlich machte er sich keine Hoffnungen, das jemals mehr zwischen ihnen sein würde, als bereits passiert war, doch der Gedanke sie niemals wieder zu sehen jagte ihm einen Schauer über den Rücken.
Am liebsten wäre er sofort zu Thorik gegangen um ihm nach Rat zu fragen, doch dieser war seit Stunden nicht auffindbar gewesen, daher lenkte er sich mit Arbeit ab. „Na endlich! Ich dachte schon sie hätten dich beauftragt Massen von Kleber herzustellen.“ Kam ihm die Kojotenärztin tadelnd entgegen.
„Tut mir leid, ich wurde aufgehalten.“ Er streckte ihr das Päckchen entgegen und versuchte sein breites lächeln zu kaschieren.
„Ausnahmsweise vergebe ich dir noch einmal. Aber nächstes mal beeile dich, wäre ja nicht so als hätte dich zumindest eine hübsche Frau aufgehalten.“ Kichernd folgte er ihr mit dem Gedanken spielend ihr zu sagen, dass es doch tatsächlich so passiert war. Doch er hielt den Mund und folgte ihren Anweisungen. Sie schickte ihn zu denen mit gebrochenen Knochen um Verbände zu wechseln und tiefe Fleischwunden mit einer dicken Schicht von der Betäubungssalbe zu beschmieren. Als er fertig war und alle Patienten schliefen, durfte auch er gehen. Suchend machte er sich auf den Weg um Thorik irgendwo aufzuspüren, doch konnte ihn nirgends finden. Er fragte ein paar von den Arbeitenden, doch auch die suchten ihn schon den ganzen Tag. Wo konnte er sich nur verkrochen haben? Nicht einmal am Friedhof war er zu finden, doch das wunderte ihn etwas weniger.
„Chattan!“ Von der anderen Seite des großen Platzes, an dem sich normalerweise alle versammelten, wenn nicht gerade der Schutt von den alten Häusern dort gelagert wurde, winkte ihn Mirana zu sich. Lächelnd überquerte er den Platz mit langen schritten und fragte sich was sie wohl wollte.
„Chattan können wir reden?“ Er ahnte schon worum es ging. Er folgte ihr zu einer Hausecke und verschränkte abweisend seine Arme vor dem Brustkorb um sie nicht zu berühren, obwohl er sich so sehr danach sehnte. Sie wirkte irgendwie unsicher auf ihn und trat von einem Fuß auf den anderen.
„Um was geht es?“ Fragte er ganz sachlich.
„Um... vorhin in der Bibliothek. Das hätte wirklich nicht passieren dürfen und ich wollte nur die Verhältnisse klarstellen. Ich empfinde absolut nichts für dich und... möchte auch nicht unbedingt einen gewissen Ruf hinter mir herziehen... Ich... Können wir nicht einfach so tun, als wäre nie etwas passiert?“
Viele unterschiedliche Gefühle regten sich in ihm, während er sie von oben herab betrachtete. Einerseits fühlte er sich gekränk, doch andererseits verstand er einfach zu gut ihre Situation. Jedoch eines ließ ihm keine Ruhe. Er zog sie etwas weiter in den Hausschatten und drückte sie dort gegen die Wand. „Jetzt hör mir genau zu! Ich habe niemals vor gehabt dir zu Schaden und was du von diesem kleinen Ausflug hier mit nach Hause nimmst, ist mir völlig egal. Ich will nur klarstellen, das du etwas für mich empfindest, ob du es nun willst oder nicht. Natürlich respektiere ich deine Spezies so wie du eigentlich meine respektieren solltest. Das was passiert ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden, finde dich einfach damit ab. Und wage es nicht dir einreden zu wollen, dass du es nicht wolltest und noch weniger gebraucht hast.“
Sie funkelte ihm bei diesen Worten wütend entgegen und er fühlte wieder ihre kleinen grünen Flammen seinen Arm hinauf lecken und beißen. Sein Arm würde später zwar rot sein, doch das war es ihm jetzt wert.
„Du kannst nicht einfach so behaupten, dass ich für ein halbes Tier wie dich irgendetwas empfinde. Das ist nicht...“ Er unterbrach sie bevor sie noch etwas sagte, was sie später bereuen würde und küsste sie so intensiv, dass ihre Beine nachgaben und er sie auffangen musste. Er spürte wieder wie sie seinem Kuss nachgab und erwiderte. Genüsslich sog er ihren Duft ein letztes mal ein bevor er sie wieder auf ihre Beine stellte und einen Schritt von ihr zurückwich. Sie hatte wieder diesen hellen Ring um ihre Pupille, was ihm bestätigte dass sie etwas fühlte. „Lassen wir es einfach so stehen wie es ist. In Ordnung?“ Fragte er keuchend. Sie konnte nur mehr nicken. Lächelnd drehte er sich um und tat das einzige Sinnvolle in dem Moment, er ging bevor sie ihre Stimme wiederfand.
Es zerriss ihn, doch er war ein Mensch der logisch dachte und nicht einfach irrational handelte. Verdammt, er hatte heute schon einmal irrational gehandelt und es waren die schönsten Stunden seines Lebens gewesen. Damit sollte er sich eigentlich zufrieden geben. Aufgebracht verwandelte er sich in eine Schleiereule und erhob sich in die Luft, bevor er noch etwas Dummes anstellte. Die eisige Luft die um seine Federn schwirrten, kühlte seinen Kopf etwas ab. Diese Frau würde ihn noch einmal aus allen Wolken werfen und auf Klippen fallen lassen, wenn er dieser Sache weiter nachging.
Kreischend ließ er sich ins Unterholz gleiten und landete auf einem hohen Ast um Ausschau nach Beute zu halten. Währenddessen putzte er gemächlich sein Gefieder und sträubte danach sein Gefieder, damit ihm nicht so schnell kalt wurde. Es war schon angenehm eine dichte Schicht von Federn und Flaum zu besitzen. Irgendwann dämmerte er weg, ohne es überhaupt zu bemerken.

Geschichten der Gefallenen Engel

Thorik

 

Thorik war den ganzen Tag auf dem Berg gewesen und hatte in Selbstmitleid gebadet. Egal wie oft er darüber nachdachte, konnte er einfach keinen Grund finden was dafür sprach das er sie nicht befreite. Ja sie gehörte nicht in seine Welt und hatte es verdient wieder zurück in ihre Welt zu kommen. Aber dafür konnte sie sich doch nicht von einem anderen Engel versklaven lassen. Schluss endlich hatte ihm seine Wissensgier dazu getrieben den Berg wieder zu verlassen und dem Drang nachzugeben um aus Mirana die restlichen Informationen zu holen. Zwar waren Magier stur, doch würde sie ihm doch bestimmt verstehen können. Andernfalls würde er niemals aufgeben können.
Durch Zufall fand er sie am See, wo er sie in der vorherigen Nacht zurückgelassen hatte. Mittlerweile stand der Mond so weit am Himmel, dass er ihre Gesichtsmuskeln schon von weitem sehen konnte. Anscheinend rang sie innerlich mit sich selbst. Mit Absicht stampfte er etwas lauter durch den Schnee, der bereits Knöchel hoch lag und machte sie damit auf sich aufmerksam. Sie wischte sich ihre Tränen aus dem Gesicht und blickte von oben herab auf seinen Bären. Als er näher kam, wich sie unsicher etwas zurück und blickte ihn ängstlich an. „Bitte sag dass du das bist Thorik! Ansonsten muss ich dich mit etwas Feuer davon jagen kleiner lieber Bär!“ Sagte sie mit zitternder Stimme. Lachend verwandelte er sich wieder in einen Menschen und sie stieß erleichtert die Luft aus. „>Lieber kleiner Bär<? So hat mich auch noch nie jemand genannt.“ Witzelte er und sie warf etwas Schnee von einem Baum in seine Richtung, der ihm am Hinterkopf traf. „Woher sollte ich denn einen Werwandler von einem Tier unterscheiden können?“
Thorik hob beschwichtigend die Hände. „Erstens sind wir viel stärker und größer und zweitens... Themenwächsel, ich bin wegen etwas anderem hier.“
Mirana nickte und wirkte sofort ganz geschäftsmäßig. „Ich schätze es geht um Fearchara, oder wie ihr sie nennt Beathag. Du weißt ich kann dir nicht nähere Informationen anvertrauen, das würde meinen Ruf ruinieren.“
Thorik seufzte enttäuscht. „Ja ich weiß. Jedoch... Ich will es einfach verstehen. Warum hat sie einen Geliebten und ist niemals bei ihm und tötet sich sogar selbst?“
Mirana legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ich verstehe deine Fragen und ich wünschte ich könnte dir helfen. Ich verstehe wie du dich fühlst. Es ist... frustrierend etwas zu wollen und zu wissen es gehört nicht in deine Welt. Es ist so surreal etwas zu fühlen und doch... ist es so echt und falsch und...“ Thorik bemerkte ziemlich schnell, dass sie jetzt nicht mehr von Bea sprach und überlegte wen sie meinen könnte. Sich selbst doch eher nicht, oder? Immerhin ist sie eine Magierin und ihre Pflichten liegen doch wo ganz anders. Trotzdem wagte er es zu raten. „Das Herz erlaubt einem nicht sich auszusuchen wem es darin einschließt. Unsere Herzen wissen was sie tun, obwohl es unser Verstand nicht versteht.“
Mirana schüttelte penetrant den Kopf und schniefte. „Nein! Es ist unser Körper! Wir gebieten über unseren Körper und er tut was wir sagen. Das sind alles rein nur chemische Reaktionen, nur Neutronen die... die... Verdammt.“
Thorik wartete bis sie mit sich selbst gerungen hatte und überlegte dabei, ob er nicht vielleicht ein anderes mal wiederkommen sollte, doch andererseits wenn in der Zwischenzeit etwas passieren sollte, dann würde er es niemals erfahren. Außerdem wenn nicht jetzt wann, wäre dann der beste Zeitpunkt wenn sie gerade nicht wusste was richtig und was falsch ist.
„Machen wir einen Deal, du erzählst mir was du am Herzen hast und ich sage dir was dir hilft und als Gegenleistung wirst du mir mit Bea etwas helfen.“
Mirana blickte sich unsicher um und nickte dann. Mit einer kleinen Handbewegung schuf sie einen dünnen Schleier um sie beide und setzte sich knapp über den Schnee. Wie sehr beneidete er sie gerade um ihre Fähigkeit, denn er selbst musste sich in den kalten Schnee setzen.
„Also es ist so. Ich habe etwas für meine Rasse unverzeihliches getan. Ich weiß nicht wie ist das mit eurer Rasse, wenn ihr es mit, zum Beispiel, einer Elfe machen würdet.“ Thorik runzelte die Stirn und wunderte sich einfach nur, ohne ein Urteil zu fällen. „Nun ja.. .Elfen, sind so ein Thema. Alle wissen, dass Elfen sich nur auf uns Werwandler einlassen um unsere Magie zu stehlen. Aber wenn sie es nicht täten, wäre es vollkommen in Ordnung. Wir sind ein Teil der Natur und jeder wird von der Natur vorwärts getrieben. Das können wir genau so wenig verhindern wie den Jahreswechsel. Es ist da und wir müssen uns darauf einstellen. Wieso? Wie ist das bei euch Magiern?“
Mirana kritzelte etwas in den Schnee, das er nicht erkennen konnte und überlegte an was sie gerade dachte.
„Es ist uns nicht erlaubt etwas zu empfinden. Wir werden schon im Kindesalter auf Abstand gehalten. Wir müssen lernen und lernen und lernen und wenn wir dann alt genug sind, dürfen wir uns aussuchen wo wir hin wollen. Natürlich haben wir während dieser einhundertjährigen Lehrzeit genug Zeit um alle Bereiche der Magie kennen zu lernen und uns auszupendeln. Danach wählen wir den Weg als Angriffs- oder Passivmagier. Ich bin zwar als Angriffsmagierin geboren, doch habe ich mich niemals mit dem Kampf identifizieren können. Meine Lehrer meinten zwar immer, es wäre >verschwendetes Talent<, doch ich wollte lieber weiterlernen und Schutzschilde entwickeln und ähnliche nützliche Sachen. Ich bin eben vom Charakter eher neugierig als angriffslustig.“ Während sie gesprochen hatte, hatte er angefangen Steinchen in den See zu werfen, als ihm die Erkenntnis traf. „Du hast dich in jemanden aus meinem Rudel verliebt und weißt nicht damit umzugehen, weil du es nie gelernt hast!“ Er flüsterte es zwar, doch konnte sie verstehen und warf ihm einen funkelnden Blick zu. „Verurteile mich nicht für eine Erziehung, für die ich nichts kann. Wäre ja nicht so als hätte ich es mir ausgesucht.“
Er lächelte sie offen an. „Das haben wir nie meine Liebe unwissende Magierin. Ich würde vorschlagen, du schaust was sich entwickelt. Ich kann deinen Vertrag verlängern und du siehst, ob diese Anziehung auf Gegenseitigkeit beruht.“ Als er ihren Blick bemerkte musste er hüsteln. „Okay... Was habe ich verpasst?“
Und sie plapperte darauf los. „Es war so schwierig! Es waren meine Hormone, sie waren außer Kontrolle, da so viele halbnackte gut aussehende Männer den ganzen Tag herumgelaufen sind. Ich habe dann in der Bibliothek Schutz gesucht, da dort fast nie jemand war und wollte wieder klare Gedanken in den Büchern finden, doch dann war er da und ich hatte einfach nicht mehr die Kontrolle über das was ich sagte oder tat. Ich habe ihn aus Versehen beleidigt und er war so wütend auf mich, das hat mich auch wütend auf mich gemacht, da ich ja eigentlich herausfinden wollte, was dieses Gefühl ist. Dieses kribbeln, wenn ich in seiner Nähe bin und diese nervöse Magie die ich benutze in seiner Gegenwart. Selbst meine Flammen scheinen wie... wie Magneten bei ihm zu sein. Ich wollte mich entschuldigen und wir haben dann auch normal geredet und plötzlich habe ich mich einfach so vorgebeugt und konnte es nicht verhindern. Ich habe ihn einfach geküsst ohne darüber nachzudenken. Er hat nicht reagiert und plötzlich hatte ich einfach nur mehr fürchterliche Schmerzen. Dann wollte ich weg und... es hat sich irgendwie... eines zum anderen Entwickelt. Ist das normal?“
In Wahrheit hatte er nicht damit gerechnet, dass sie sich ihm so öffnen würde. Sie kannte ihn nicht und er konnte all diese Informationen gegen sie verwenden, andererseits war ihre Macht groß genug ihn hier und jetzt in Flammen aufgehen zu lassen.
„Die meisten Werwandler reagieren sehr... angetan auf eine Annäherung einer Frau und nicht jeder Werwandler hier ist... fair genug um solche Situationen nicht auszunutzen. Bitte sag mir dass es kein Tiger war, sonst muss ich ihn jetzt töten.“
„Nein es ist ein Vogelwerwandler.“ Thorik seufzte erleichtert.
„Das ist gut. Vogelwerwandler sind in solchen Dingen eher prüde. Nicht alle natürlich, aber die, die hier leben schon.“ Nun gab auch sie ihrerseits einen Seufzer von sich und man sah ihr an, dass eine gewaltige Last von ihren Schultern genommen worden war. Thorik hörte auf Steine in den See zu werfen und begann stattdessen einen kleinen Ast zwischen den Fingern zu drehen.
So schwiegen sie mehrere Minuten und gingen in ihren Gedanken das durch, was sie gerade geredet hatten. Thorik dachte daran welcher Werwandler es wohl gewesen war, doch konnte es sich nicht richtig erklären. Es hatten eigentlich alle Werwandlermänner die fliegen konnten einen Partner, außer die, die noch zu jung dazu waren. „Wie kann man sich sicher sein, dass man sich auf eine Person einlassen kann, die einem das ganze Leben zerstören würde.“

Thorik warf ihr das Ästchen in die Haare und lachte. „Das kannst du nicht. Entweder du lässt dich darauf ein oder du zerbrichst daran. So einfach ist das.“

Sie lachte und rollte nun ihrerseits das Ästchen zwischen ihren Finger. „Ja, so einfach ist das. Dann werde ich eben zerbrechen müssen.“ Jetzt war Thorik überrascht.

„Aber das musst du doch nicht. Warum versteifst du dich darauf das tun zu müssen, was alte verbitterte Magier von dir erwarten? Du bist nicht sie und sie brauchen es nicht verstehen. Was zählt ist das was dich glücklich macht. Macht es dich etwa glücklich in einer Burg eingesperrt zu leben? Erfüllt es all deine Wünsche, wenn du nur das tust was dir angeschafft wird? Mädchen steh auf und geh zu ihm. Habt ihr schon geredet über das was passiert ist?“
Sie lachte und wurde wieder traurig. „Nein es erfüllt mich nicht und ja wir haben bereits darüber gesprochen. Ich wollte eigentlich klarstellen, dass niemals etwas mehr als das was bereits passiert ist passieren wird, doch er glaubt mir nicht. Er meinte, das ich mich nicht selbst belügen soll und lieber darüber glücklich sein sollte. Und ich soll mir nicht selbst einreden, dass ich das nicht wollte, sonst würde es nur mehr wehtun. Oder so ähnlich. Ich konnte nicht wirklich klar denken, da er mich geküsst hat.“
Thorik kam durch den Sinn das es irgendwie nach Chattan klang, doch sie konnte doch nicht ihn meinen, oder? „Da muss ich ihm zustimmen. Du verletzt dich und ihn nur mehr, wenn du ein glühendes Eisen in die oberflächliche Wunde rammst, als wenn du sie einfach von selbst heilen lässt.“
Sie lächelte schwach über den kläglichen Vergleich. „So wie du bei Beathag? Warum lässt du es nicht einfach auf sich beruhen? Sie kennt ihre Bestimmung und irgendwann wird sie sich dessen auch beugen. Sie ist eine sehr, sehr starke Person, die weiß was sie will und es auch durchsetzt. Nicht einmal ich komme gegen ihren Sturkopf an.“
Bingo, da war das Thema auch schon. Er hatte es ehrlich gesagt sogar fast vergessen gehabt, so war er in das Gespräch vertieft gewesen. „Nun, ja. Ich will einfach nur das sie glücklich ist. Wie gesagt man kann nicht glücklich sein immer nur eingesperrt zu sein und sich dem Willen anderer beugen zu müssen. Irgendwann wird sie daran zerbrechen. Wenn auch nicht in diesem, oder im nächsten Leben. In irgendeinem wird sie etwas tun, was sie zerstören wird. Ich will aber nicht das sie zerstört wird. Sie ist vielleicht robust, aber nicht unzerstörbar. Ein Felsen in der Brandung hält auch dem Druck und den Schlägen stand, doch auch diese Wand wird langsam aber sicher abgetragen und vom Meer fortgespült. Das Wasser bahnt sich seinen weg.“ Woher hatte er auf einmal alle diese guten Sprüche? Sollte er sie sich für die Zukunft notieren?
„Damit triffst du den Nagel auf den Kopf! Nereos ist der Wasserdrache. Darum kann er überall verschwinden und erscheinen. Zumindest körperlich ist er das. In Wirklichkeit ist er ein gefallener Engel. Er hatte nur Glück als ein Wasserelement geboren zu werden, somit kann er nicht wieder gebannt werden. Kennst du die große Schlacht der Engel?“ Thorik musste verneinen.
„Dann hör jetzt gut zu. Du hast all diese Informationen, die ich dir jetzt gebe aus Büchern und Geschichten die sich herumgesprochen haben. Erwähne auf keinen Fall meinen Namen. Beim Rest hast du einfach eins und eins zusammengezählt. Es gab einmal die Engel und Gott. Sie waren seine Kinder, geschaffen aus seinen Tränen. Er erzog sie rechtschaffen und großzügig. Irgendwann bekam er Lust, eine ganz einfache Rasse zu erschaffen und durch ihren Glauben Kraft zu schöpfen, die ihn und seine Engel erhielten. Er schuf sie aus seinem Blut und gab ihnen den Namen Menschen. Er erzog seine Menschen genauso wie seine Engel. Sie kannten nur Nächstenliebe und ihren Glauben nachdem sie lebten. Sie wuchsen und gediehen rasend schnell. Hin und wieder schenkte einer der Engel den Menschen eine Idee oder leitete sie auf den richtigen Weg, wenn sie davon abkamen. Es war so etwas wie ein Spiel für sie. Einer der Engel, auch genannt der Morgenstern, war eifersüchtig auf die Menschen und schenkte diesen etwas von seiner Eifersucht. Aus diesem kleinen Tropfen au Eifersucht, entstanden Gier, Wut und Hass mit dessen Unterkategorien. Als Gott dies bemerkte, wurde er wütend und wollte den großen Morgenstern dafür bestrafen. Viele Engel verstanden nicht was daran Schlimm war und verteidigten den großen Morgenstern. Er war der schönste und mächtigste Engel und jeder liebte und beneidete ihn. Gott stellte ihnen das Ultimatum, dass sie entweder freiwillig ihren Fehler einsahen oder verbannt wurden, woraufhin ein Krieg ausgebrochen ist. Natürlich siegte die Mehrheit, die zu Gott stand und warfen ihre Brüder und Schwestern aus dem Himmeln. Alle bis auf drei sahen ihren Irrtum sofort ein, da der Morgenstern vorhatte alle Menschen auszulöschen.
Einer der mächtigen Engel hatte im Morgenstern seine wahre Liebe gefunden. Der Tod fühlte sich schon immer sehr zum Licht hingezogen... Und er tat schon immer so als würde er dessen Liebe erwidern, doch nutze er es lediglich zu seinem Vorteil. Der Tod hat nämlich einen Zwillingsbruder den Abgrund. Das zweitmächtigste Geschwisterpaar der Engel. Der Tod und der Abgrund. Ein schaurig schönes Paar, wenn man es versteht. Doch der Tod hatte es satt immer nur als schlecht angesehen zu werden und wandte sich mit dem hellen Morgenstern ab. Natürlich folgte dem Tod der Abgrund, denn sie waren ja eins. Niemals würde der Abgrund aufgeben und seine Schwester im Stich lassen. Gott befahl dem Abgrund den Morgenstern zu bannen, nachdem der große gerechte Michael ihm die Flügel gezogen hatte. Der Abgrund tat wie gewünscht und bannte ihn auf tausend Jahre in eine kleine Höhle tief unter der Erde. Doch irgendwie schaffte es der Morgenstern verbündete um sich zu scharren. Die Dämonen. Sie stammen aus seinem aus Zorn und Hass bestehenden Blut geformt und diese brachten ihm die frommsten menschlichen Anhänger von Gott aus dessen Haut und Knochen er sich neue Flügel erschuf. Sie waren abstrakt und entstellt doch weckten sie in jedem den Reiz sie anzufassen und sie wunderschön zu finden, genauso wie der Tod. Er hatte tausend Jahre auf ihn gewartet. Als der Abgrund einen neuen Bann über den Morgenstern legen wollte, schlug dieser ihm nieder und schickte ihn zurück. Seitdem ist er frei und hat sich in eine Wassergottheit eingenistet in dessen der Abgrund der an das Element Erde gebunden ist keine Macht verüben konnte. Seit dem Sturz der Engel, sagt man dass Gott nicht mehr zu ihnen spricht. Erst wenn die Zwietracht zwischen seinen Kinder genommen worden ist soll er zurück kommen. Einerseits eine traurige, andererseits eine wunderschöne Geschichte.“
Thorik fühlte Tränen in sich aufsteigen, denn er verstand. „Der große Erzengel Michael der Gerechte hatte Luzifer den Morgenstern, Azriel den Tod und dessen Zwilling Abaddon den Abgrund verbannt. Abaddon hat sich gegen Luzifer gestellt und ist daher zurückgenommen worden, doch warum hat Azriel es niemals eingesehen? Hängt dieser Engel immer noch an Luzifer?“
Mirana lächelte schwach. „Gabriel, Michael, Luzifer, Azriel und Abaddon... Die Namen die ihnen die Menschen gegeben haben. So falsch und doch so nah an der Wahrheit. Ihre richtigen Namen könnten wir niemals aussprechen, darum erlaubten sie uns entweder nach ihrer Aufgabe zu nennen oder nach dem einfachsten Namen, der nach ihnen klang. Um deine Frage zu beantworten... Weil es die Aufgabe des Todes ist Erlösung denen zu geben die Sterben. Der Tod selbst hat nichts mit dem Sterben zu tun. Es ist ein heiliger Akt der Erlösung. Der Engel ist dafür zuständig die gläubigen Seelen in das himmlische Reich danach zu bringen, indem es die Seele aus dem menschlichen Körper über einen Kuss zieht und einatmet. Azriel ist so etwas wie ein Übergang. Solange es ihn gibt solange können auch die Menschen übertreten und Erlösung in den Armen unseres Schöpfers finden. Darum ist sie auch so wunderschön und rein. Der Tod ist mit vielen Strafen belegt. Ihre einzige Liebe wird niemals erwidert werden, sie kann niemals wieder ihren Bruder sehen, den sie jedoch wie ihren Herzschlag braucht, sie muss töten um zu leben obwohl sie es nicht erträgt und ihre Last damit immer schwerer wird. Und das unfairste... Derjenige der an all dem Leid zuständig ist, macht was er will. Er nutzt seine Kraft um sie zu quälen, um andere zu quälen und mehr macht zu schüren.“
„Warum halten ihn die anderen Engel dann nicht einfach auf?“
Mirana lachte als hätte sie noch nie etwas Lustigeres gehört. „Die Engel haben ihre eigenen Gesetze mein Lieber. Sie dürfen zuschauen und Visionen schicken, aber niemals in Berührung mit einem Menschen kommen. Da aber Luzifer kein richtiger Engel ist, gelten für ihn diese Regel nicht. Er hat Besitz von einem Halbgöttischen Wesen genommen und ist somit vor den Angriffen der Engel geschützt und das schon seit tausenden von Jahren.“

Thorik dachte darüber nach, doch fand irgendwie den Zusammenhang nicht. Er verstand ja dass Engel seltsame Geschöpfe sind, aber so sehr konnten sie sich auch nicht von den Menschen unterscheiden, oder?
„Und wenn man seine menschliche Hülle zerstören würde?“
Mirana zwinkerte ihm zu als wäre das der schlagende Punkt. „Dann wäre er der Rache der Engel schutzlos ausgeliefert, sofern sie zur rechten Zeit am richtigen Ort sind. Wenn nicht, dann geht das selbe Spiel wieder von vorne los. Sobald der letzte Atemzug aus dem Körper ist, weicht auch Luzifer in einem Hellen Licht das alles um sich herum verschlingt, das ist der einzige Moment wo sich die göttliche Heerschar auf ihn werfen könnte. Zumindest wird es so überliefert, da es noch nie passiert ist, ist dies reine Theorie. Jedoch gibt es einen Haken. Stirbt der Morgenstern, bevor er durch den Tod Erlösung gefunden hat, muss der Tod ihm folgen und die selben Strafen erfahren.“ Thorik nickte verstehend. „Das heißt wenn sie ihn küsst und damit erlöst, ist auch sie frei?“
Mirana verzog das Gesicht. „Nicht so ganz. Es ist komplizierter, sie hat ihre Macht als der Todesengel nicht mehr direkt. Man kann einem Engel seine Fähigkeiten nicht nehmen, es sei denn sie zögen ihm die Flügel so wie Luzifer. Das Sinnvollste wäre, wenn man beide Zwillingsschwerter, denn in denen liegt die Macht des Engels Azriel, ins Herz von Luzifer bohrt. Erst dann kann er auffahren und dort dann genauso bestraft werden. Mir wäre es außerdem viel lieber, wenn sie ihn dort oben brennen lassen anstatt hier unten wo auch wir sind.“ Sie kicherte etwas und wirkte müde.

Thorik beschloss das Thema selbst in der Bibliothek zu verfolgen. Jetzt hatte er genug Informationen um zu wissen wie er den Wasserdrachen zerstören konnte. „Wir Werwesen, zu welchem Element gehören wir?“
Mirana gähnte und streckte sich, da sie bemerkte dass er alles wusste was er wollte. „Das kommt darauf an. Ein Adler gehört dem Element der Luft an, ein Wolf der Erde und ein Wal oder Hai gehört dem Element Wasser an. Jedoch kannst du dir sicher sein, dass es keinen Haiwerwandler gibt, der es mit einem Drachen aufnehmen würde, besonders da dieser Jahrtausende Alt ist.“ Thorik wirkte enttäuscht. Er als Bär gehörte genauso der Mutter Erde an, da er weder Schwimmhäute noch Flügel besaß. Gemächlich traten sie aus dem Wald heraus und verabschiedeten sich. Thorik ging auf dem Weg in die Bibliothek alles noch einmal durch. Der Engelskrieg, die Verbannung, die Erlösung und der springende Punkt. Wo konnte er Azriel finden? Und würde er den Tod überreden können den Morgenstern zu töten? Wenn nicht, dann würde er selbst die beiden Zwillingsschwerter führen und sie Tief in den Körper von diesem Drachen rammen. Selbst wenn er sich dadurch auch tötete. Irgendwie musste er doch Beathag erlösen.
Da kam ihm die Erkenntnis. War tatsächlich Beathag auch ein Engel? Sie war die Geliebte von Nereos, dem Wasserdrachen, hatte aber keine Schwingen und Reißzähne, sondern Flügel und Engelsgleiches äußeres. War etwas sie Azriel? Azriel der Todesengel?
Thorik legte einen Zahn zu und eilte zur Bibliothek. Sie war verlassen, das hieß er war auf sich selbst gestellt. Knurrend zog er ein Buch nach dem anderen aus den Regalen und blätterte sie schnell durch sobald es darin um Engel ging. Irgendwann verschwamm die Schrift vor ihm und er sah einfach nur mehr verschwommene Schemen über die Bücher flitzen. Als er das letzte Buch zornig an seinen Platz zurückschob, fiel sein Blick auf einen der leerstehenden Tische auf dessen Platte ein rotes Buch lag. Fluchend sprang er aus drei Meter Höhe auf den Boden und stampfte verärgert zu dem Buch. Er schlug sofort die Seite auf, die zuletzt Bea gelesen hatte und betrachtete die zwei überkreuzten Schwerter. Er fuhr zärtlich mit den Fingerspitzen über die Zeichnung und las flüsternd die Inschrift, die darunter noch einmal angeführt war. „Excidio und Internecio. Die Geschwisterschwerter des Gefallenen Engels.“ plötzlich fühlte er ein Glühen unter seiner Handfläche und zog sie zischend zurück. Er hatte sich verbrannt. Warum und an was? Ärgerlich fuhr er über die immer noch qualmende Stelle auf seiner Handfläche und betrachtete die dünne Schnittwunde. Nein es war eine Brandwunde, als hätte sich etwas in seiner Handfalte eingebrannt. Als er darauf blies und den kalten Schmerz dabei ignorierte erkannte er ein kleines eingebranntes Schwert zwischen seinen Lebenslinien und zog scharf die Luft ein. Darunter war das Zeichen für Internecio.

Plötzlich fühlte er den selben kalten Schmerz auch in seiner anderen Handfläche und knurrte ärgerlich, als sich das andere Zwillingsschwert ebenfalls in seine diesmal linke Handfläche einbrannte. Was war gerade passiert? Er machte einen kurzen Blick auf das Buch, dass sich zugeschlagen hatte und suchte die Seite erneut heraus um seine Brandwunde und die Zeichnung zu vergleichen, doch sie war leer. Mit erschütterten Nerven betrachtete er die Male an seinen Handflächen und ihm wurde plötzlich schwindlig. Verdammt was ist da nur passiert? Er musste sofort Chattan finden.

Genau als er die Türklinge berührte, ging die Türe auf und ein müde aussehender Chattan stand vor ihm. „Da bist du ja!“ Rief er laut aus und klopfte seinem Freund glücklich auf die Schulter. „Wo warst du denn den ganzen Tag? Alle haben dich gesucht und du kannst dir nicht vorstellen was ich durchgemacht habe!“ Hinter Chattan erschien eine zierliche Frau die Chattan bis zur Schulter reichte und räusperte sich. Dieser sprang erschrocken zur Seite und setzte plötzlich eine undurchdringbare Maske auf. So etwas wie dreihundert Meter schienen plötzlich zwischen Mirana und Chattan zu entstehen, während sie ihn abschätzig musterte. „Es tut mir leid dass ich euch unterbreche, doch ich habe hier Magie aufflackern gespürt und das sehr starke. Ich wollte nachsehen was passiert ist.“ Chattan blickte überrascht von Mirana zu Thorik der plötzlich das Gefühl hatte, seine Hände verstecken zu müssen. „Magie? Wie das?“
Thorik hob die Schultern. „Ich habe nichts Ungewöhnliches bemerkt. Was wolltest du sagen Chattan?“
Der angesprochene blickte kurz unsicher zu Mirana und räusperte sich dann. „Ich wollte wissen wo du bist und dir die Tagesereignisse berichten.“ Thorik nickte ihm zu, damit er fortfuhr während Mirana prüfend durch die Bibliothek schlich als würde sie die Quelle der Magie suchen, doch Thorik wusste, dass diese Magie nicht noch einmal aufflackern würde. Sie saß sicher in seinem Innersten und wartete. Auf was diese wartete, das wusste er nicht, doch konnte er eindeutig so etwas wie Nervosität und Ungeduld wahrnehmen, die nicht von ihm auszugehen schien.
„...deswegen wurden sie schon früher entlassen und konnten eigentlich wieder in ihre Häuser zurückziehen.“ Thorik wurde sich bewusst, dass er das meiste was Chattan gerade gesagt hatte, gar nicht gehört hatte und rieb sich die pochende Stirn. „Ich verstehe. Das ist gut. Wie geht es den Drillingen?“
Chattan hob die Brauen, wie er es immer tat, wenn er etwas wiederholen musste, das er gerade gesagt hatte. „Ich sagte doch bereits, sie sind alle Wohlauf und dein Erster ist zur Zeit untergetaucht, als er das maunzen von den kleinen Tigern gehört hatte. Er wird bestimmt erst in ein paar Wochen wiederkommen, wenn sich die Lage beruhigt hat. Außerdem ist die kleine Familie wieder in ihre Wohnung zurückgezogen, wir haben sie noch fertig Renoviert, gleich als erstes, damit die Kinder etwas haben wo sie schlafen können. Mister Carlsen geht zur Zeit die Wände hoch und hört überhaupt nicht mehr auf zu schreien, während seine Frau herauszufinden versuch, wann sie etwas mit dem Ersten gehabt hatte. Ihr Mann versucht sie außerdem die ganze Zeit zu beruhigen, weil sie sich solche Vorwürfe macht. Du kennst ja Katzenwerwandler nach einer Geburt, diese sind zu ziemlich allem Fähig.“
Das entlockte Thorik ein kleines lächeln und Chattan blickte ihn tadelnd an. „Er wusste es und hat es dir erzählt, oder?“
„Er musste es. Du weißt ja, dass es von allen die Pflicht ist mir vor drohenden Konflikten zu berichten und ich bin dazu verpflichtet sie zu klären und zu einer Lösung zu verhelfen. Das gilt für alle die bei meinem Rudel leben, selbst wenn es nur von kurzer Dauer ist.“ Er hörte hinter sich Mirana erschrocken die Luft einziehen und spürte die beklemmende Spannung aufkeimen. Chattan tat als würde er gerade die Bücher betrachten. Thorik schüttelte lächelnd den Kopf.
„Na gut, dann zu eurer beiden Problemen. Setzt euch!“ Mit dem wissen, das die beiden auf ihn hören würden, setzte er sich zu einem Tisch und betrachtete die beiden eingehend. Mirana trug immer noch ihre grüne Kutte, die von einem dicken roten Band um die Hüfte gehalten wurde und Chattan trug wie üblich eines seiner seidenen Hemden und eine leichte schwarze Samthose. Sein oberster Knopf stand offen und zwei Knöpfe waren nicht richtige geknöpft, als hätte er es in aller Eile geschlossen. Thorik räusperte sich abermals und blickte zwischen den beiden hin und her, während er wartete, das jemand etwas sagte.
„Du hast mit ihm darüber geredet?“ Fragte Chattan mit so viel Abscheu, dass Thorik bedrohlich knurrte und Mirana ihn mit Hass in den Augen anblickte. „Natürlich. Er ist dein Rudelführer und ich musste ihm berichten, was du getan hast.“ Sie sagte es so als wäre sie unschuldig und Chattan ließ seine Faust auf die Tischplatte niederfahren, was sie beide zusammenzucken ließ.

„Tu nicht so, als hätte ich dich zu etwas gezwungen.“
Mirana zuckte mit den Schultern und verschränkte abweisend die Arme. „Ich denke ich habe dir bereits klar und deutlich gesagt, dass es ein Fehler war.“ Chattan schwieg und blickte ärgerlich über sie hinweg.
Jetzt konnte Thorik sprechen und versuchte dabei ein Lachen zu unterdrücken. Wie oft war er bei solchen Diskussionen schon dabei gesessen und hatte sich über die Lächerlichkeiten der Lappalien geärgert und nun betraf es seinen mittlerweile engsten Freund, von dem er es am wenigsten erwartet hätte. „Mirana mir ist bewusst, dass du mit den Eigenheiten der Werwandler vertraut bist. Mit ihrer Art zu denken und ihren Fähigkeiten zu handeln. Normalerweise, würde ich euch das noch ein bis zwei Wochen selbst klären lassen, doch da wir jetzt einen Plan haben, bin ich in Eile und brauche eure vollkommene Aufmerksamkeit und keine Dispute.“ Chattan schien etwas fragen zu wollen, doch Thorik hob ermahnend die Hand, wobei er sein Brandmal gekonnt vertuschte. „ Nicht jetzt Chattan. Du kennst die Gesetze der Magier und du bist der Loyalste Mensch den ich überhaupt kenne. Du hältst dich noch strenger an Regel als sonst jemand, deswegen verstehst du ihr Dilemma. Andererseits drängt dich dein Tier zum Handeln, was ich vollkommen verstehe, denn mir ist es nicht anders ergangen. Nach einem Jahr konnte ich dem Drängen meines Tieres nicht mehr nachgeben und bei dir denke ich, da ihr Vogelwerwandler noch enger mit eurem Tier in Verbindung steht als alle anderen Werwandler, kannst dem Ruf nicht widerstehen. Was mich zu dir führt Mirana. Du bist eine Loyale und bewundernswerte Frau, die nur leider auf einer sehr strenggläubigen Seite der Welt aufgewachsen ist. Du kennst Gefühle und die Wesen der anderen nur aus Büchern, aber nicht aus eigener Erfahrung. Wir haben bereits gesprochen und du kennst meine Meinung darüber und ich deine Sichtweise. Dich kenne ich auch Chattan, schon seit ich hier bin, bist du mein engster Vertrauter und ich bitte dich... Höre sie an und versuche über dein Tier hinweg zu sprechen. Denn es wird euch beide zerstören.“ Mirana hatte angefangen wieder unsicher mit ihrem Feuer zu spielen und Chattan fand die Tischplatte anscheinend sehr interessant. Als keiner der beiden etwas sagte, schlug Thorik einfach einmal fest auf den Tisch und beide blickten ihn erschrocken an. Er warf ihnen einen auffordernden Blick zu und die beiden blickten einander unsicher an.

Im nächsten Moment wurde Chattans blick weicher und er lächelte. „Mirana, es tut mir leid. Ich habe mich nicht richtig verhalten und ich sollte deine Ansichten respektieren. Ich sagte dir ja bereits, dass ich es besser fände, wenn wir es einfach so stehen lassen, wie es noch schön war. Einfach wie zwei Fremde die das einfach gebraucht haben. Ich werde niemals wieder ein Wort darüber verlieren, wenn du dich besser fühlst, jedoch verspreche ich dir auch, dass ich immer an deiner Seite sein werde. Solange ich noch lebe... Bitte rufe mich, wenn du wieder in der Außenwelt bist und etwas brauchst. Du weißt wo du mich finden kannst.“
Das hatte Thorik eigentlich überhaupt nicht erwartete. Diese Worte waren so nahe an einem Liebesgeständnis dran, wie es nur möglich war. Chattans Tier sah sie anscheinend als seine Partnerin an und so etwas konnte gefährlich werden. Vogelwerwandler neigten in solchen Situation dazu dumme dinge zu tun, die Nichtwissende ängstigen konnte. Thorik sah Chattan nach, als er sich verwandelte und auf den Dachstuhl flog, wohin ihm nur andere mit seinen Fähigkeiten und Geschick folgen konnten. Von unten konnte man ihn kaum erkennen, jedoch sah er damit die ganze Bibliothek und war vor Angriffen geschützt.
Mirana hatte ihm auch mit offenen Mund nach gestarrt und blickte nun unsicher Thorik an. Er sah das große Fragezeichen in ihrem Gesicht und drückte ihre Hand. „Es ist schon in Ordnung. Chattan wird sich nun von selbst beruhigen. Er hatte solche Gefühle auch noch nie und sie verwirren ihn, das ist ganz normal. Versuche einfach zu akzeptieren, das er immer an dich denken wird und egal was du sagst, er wird es tun. Vogelwerwandler sind sehr treue Tiere, wenn sie einmal jemanden ins Herz geschlossen haben.“

Mirana blickte beschämt auf den Boden und wurde rot. „Er ist dumm. Dieses Irrationale denken, ist doch nicht gesund. Wie könnt ihr den überleben, wenn ihr einfach so dumme und unnütze Dinge entscheidet? Du führst dein Rudel in einen Krieg, den du unmöglich gewinnen kannst um jemanden zu retten, der Verdammt ist. Sie kann sich nicht für dich und dein Rudel entscheiden. Chattan folgt seinem Herzen, das ihm sagt sich zu jemanden hingezogen zu fühlen, die seine Gefühle unmöglich erwidern kann. Das zerstört einem doch. So kann man unmöglich überleben.“
Thorik zog seine Hände zurück und betrachtete seine Handflächen, sodass Mirana die verheilenden Male nicht sehen konnte. Sie hatte ja recht. „Doch für was soll man sterben, wenn nicht für das was man liebt? Ich bin nicht hinter Anerkennung und Loblieder her. Ich will sie retten, weil sie es verdient hat gerettet zu werden. Genauso will dich Chattan retten. Du denkst doch nicht, das du wieder in dein Schloss zurückkehren kannst und so tun kannst, als wäre alles wie früher?“

Sie schüttelte den Kopf und seufzte. „Nein, das kann ich tatsächlich nicht. Aber ich kann es auch nicht verhindern verurteilt zu werden. Wenn meine Aufgabe hier erfüllt ist, werde ich niemals mehr Magie verwenden können. Ich habe schon gegen zu viele Vorschriften verstoßen. Bitte sag es nicht weiter.“
Thorik riss erschrocken die Augen auf. Übersetzt für ihn klang es so, als würden sie die Magierin hinrichten, dafür das sie sich auf einen Werwandler eingelassen hatte und ihre Weltansichten ein Stückchen verändert worden waren. Sie schenkte ihm ein zaghaftes lächeln und bedankte sich, bevor sie lautlos aus der Bibliothek verschwand. Das würde Chattan ebenfalls zerstören, das wusste Thorik nur zu gut.
Nach einigen Minuten Bedenkzeit fasste sich Thorik Mut und ließ sein ganzes Rudel versammeln. Schon in wenigen Minuten waren am Rande des Dorfes alle Werwandler aus seiner Gruppe versammelt und tuschelten aufgeregt. Thorik stellte sich auf ein improvisiertes Podest mit dem Aussehen einer Schubkarre, auf der normalerweise Obst gelagert wurde und hob die Hand um den anderen zu deuten, dass sie sich beruhigen sollten.
Langsam ebbte das Toben ab, bis es ganz still wurde und man nur mehr den Atem der Masse hörte. Als Werwandler, musste er kein Mikrofon benutzen, da alle ein sehr gutes Gehör hatten und er selbst eine kräftige Stimme.
Nun würde sich offenbaren, ob er alleine gehen musste, oder ob sich sein Rudel ihm anschließt. Plötzlich erfasste ihn Nervosität und eine Unsicherheit die er nicht kannte.

Aus Liebe in den Krieg

Chattan

 

Chattan hatte es sich hoch in den tiefen Balken der Bibliothek bequem gemacht und dachte über das nach was er gesagt hat. Er hatte ihr sein Leben angeboten, ohne zu wissen auf was er sich da einließ, doch bereuen tat er es nicht. Diese Frau hatte seine Welt auf den Kopf gestellt indem sie ihn einfach nur angelächelt hatte. Nun gut, bei ihrer ersten Begegnung, hatte sie nicht einmal gelacht, sondern einfach nur angewidert die Nase hochgezogen. Trotzdem, diese kleine abfällige Bewegung hatte sein Herz so schnell zum Schlagen gebracht, bis er dachte, das es gleich explodieren würde. Dann in der Bibliothek, hatte ihn nur eine kleine Bemerkung zum Ausrasten gebracht, doch nur wenige Minuten später war sie unter ihm gelegen. Ständig spielte sich die ganze Szene immer und immer wieder in seinem Kopf ab und ließ ihn niemals zu ruhe kommen. Wenn er die Augen schloss, sah er ihr zartes Gesicht, das andere wohl als kantig und spröde bezeichnet hätten, doch unter seinen Händen war ihre Haut so weich wie Seide gewesen und ihre Augen so unglaublich leuchtend. Kopfschüttelnd hüpfte er von den Dachbalken hinab und glitt durch ein immer offen stehendes Fenster. Dort setzte er sich auf das äußere Fensterbrett und genoss den eisigen Windzug.
Mirana hatte weder angedeutet ob sie genauso wie er empfand, jedoch bestätigt das zwischen ihnen etwas existierte, das nicht normal war. Ob sie sich jemals zugestehen würde das sie ihn verliebt ist? War sie es den überhaupt? Kann man schon nach so kurzer Zeit sagen, dass man in jemanden Verliebt ist?
Verärgert, das nicht einmal der eiskalte Wind seine Gedanken ablenken konnten, beschloss er sich nach Arbeit umzusehen. Doch als er losflog, sah er das sich das ganze Dorf, abgesehen von den Patienten die ans Bett gefesselt waren, am Rande des Dorfes versammelt hatten. Er landete in der Nähe und bahnte sich als Mensch einen Weg durch die Menge. Er erblickte Mirana inmitten von Wolfwerwandler, die sie unauffällig an schnüffelten. Anscheinend wollten sie wissen, ob sie noch zu haben ist. Das ärgerte ihn, denn er merkte das sie es witzig fand. Chattan bahnte sich mit einem funkelnden Blick einen Weg durch die Menge und positionierte sich neben sie. Sachte legte er eine Hand auf ihren Rücken, was den anderen Wölfen symbolisierte, dass sie jemanden gehörte und zwar ihm und beugte sich zu ihr hinunter um leise mit ihr zu sprechen. „Um was geht es?“
Mirana, die sich wie ein Stock versteift hatte, blickte zu seinem Arm und dann in sein Gesicht, bevor sie antwortet. „Dein Rudelführer hat sich entschieden, dass er seine Braut retten möchte. Er erklärt gerade was passiert ist und warum. Weiter ist er noch nicht. Anscheinend will er, dass das ganze Rudel weiß was los ist und auf was sie sich einlassen.“
Chattan lauschte einen Moment der Stimme von Thorik, der auf einem Obstkarren stand knirschte mit den Zähnen. „Warum macht er das? Was verspricht er sich daraus? Denkt er wirklich, das ihm irgendjemand folgt? Niemand hier kann sie leiden, außer die, die sie besser kennen.“ Mirana senkte ihre Stimme und beugte sich enger zu ihm hinüber. Chattan freute sich ungemein, denn dadurch lag sie beinahe in seinen Armen. Ihre Haare kitzelten ihn am Kinn und ihre Schulter berührte seinen Arm.
„Ich weiß es nicht. Ich werde ihm auf alle Fälle folgen, das bin ich ihr Schuldig.“ Das verblüffte ihn jetzt.

„Magierin... Ist das etwa auf deinem Mist gewachsen? Was hast du ihm erzählt?“
Mirana lächelte mit erhobenem Kopf und trotzigem Gesicht zu ihm hoch. „Nichts, was er, wenn er klar denken hätte können, auch selbst herausgefunden hätte. Ich habe ihn lediglich den nötigen Schubs in die richtige Richtung gegeben. Sein Rudel muss ihm freiwillig folgen.“ Chattan war verärgert, dass sie seinen Rudelführer einfach ausnutzte. Er fuhr mit seiner rechten Hand ihren Rücken hinauf, schob sie durch ihr langes Haar und umfasste ihr Genick gerade fest genug, das sie den Druck spürte, aber noch keine Schmerzen hatte.
„Was hast du vor?“ Knurrte er nur wenige Zentimeter von ihrem Ohr entfernt. Er spürte an seiner Hand, dass sie ein Schauer überlief und freute sich darüber. Sie hatte Angst vor ihm, das sollte sie auch haben. Jedoch als sie sich ihm nun ganz zu wandte und dadurch gefährlich in Kussnähe geriet, stand in ihrem Gesicht nur sture Entschlossenheit. „Du hast nicht das gesehen, was ich sehen musste. Du hast nicht das gefühlt was ich einhundertfünfzig Jahre durchmachen musste. Ich werde diejenigen Rächen, die durch eine dumme Liebe getötet wurden. Ich werde dieses verdammte Arschloch denjenigen ausliefern, die ihn bestrafen wollen und dabei die einzige Freundin retten, die ich jemals hatte. Ich weiß wie sie denkt. Sie ist so unglaublich einsam und ihr fehlt etwas. Ich werde ihr beides zurückbringen, das ist meine einzige Aufgabe. Egal wer dafür stirbt.“
Sie würde Thorik in eine Selbstmordmission schicken ohne mit der Wimper zu zucken. Seltsamerweise beunruhigte es ihn nicht, denn es würde sowieso nichts ändern. Thorik würde gehen, egal was man ihm auch sagte. So war nun mal ein Rudelführer. Nein! So war nun mal >sein< Rudelführer. Verdammt sei diese Magierin. „Ich sollte dich hassen für das was du tust mit mir.“ Er fühlte ihre Hand auf seiner Wange und erschauderte. Die Wölfe um sie beide herum tuschelten aufgeregt, doch es war ihm völlig egal. Er genoss ihre offene Berührung, denn es bewies ihm, dass sie etwas für ihn empfand. Sie zog ihn zu sich herunter und flüsterte leise. „Und ich sollte dich töten, dafür das du meinen ganzen Glauben auf den Kopf stellst. Einfach alles das ich kenne ist innerhalb eines Tages... weg.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn mitten in der Menge. Das Tuscheln um ihn herum wurde lauter, doch er verstand überhaupt nichts. Er fühlte nur die weichen Lippen der Magierin auf seinen. Seiner Magierin. Er zog sie fester an sich und übernahm den Kuss, wie beim letzten Mal. Und sie ließ es geschehen...
Ein wohliger Schauer überlief ihn und er fühlte zum ersten Mal so etwas wie Frieden. Sein Kopf war endlich nach Stunden und Tagen vollkommen leer, das einzige an das er dachte, war wo sie ungestörter sein konnten, doch das war jetzt nicht möglich.
Langsam löste er sich wieder von ihr und sie lächelte mit geröteten Lippen. Unsicher biss sie sich in die Unterlippe, ließ aber ihre Hände auf seinen Schultern liegen. Er gab ihn noch einen bestätigenden Kuss und zog sie dann in eine Umarmung. Nun war es ihm egal wer sah, das sie sich umarmten. Er würde sie nicht mehr gehen lassen.
Irgendwo in der Ferne hörte er Thoriks Stimme, die über die Menge hinweg sprach und blickte sich um. Die Wölfe warfen ihm lächelnd blickte zu und er musste plötzlich auch lächeln. „Wir werden beobachtet.“ Flüsterte er in Miranas Haare und sie blickte sich ebenfalls lächelnd zu den Wölfen um. Einer der kleinen Gruppe hob bestätigend den Daumen und alle fingen sie zu lachen an. Chattan selbst war es etwas peinlich, doch Mirana überhaupt nicht, das machte ihn nur noch glücklicher.
„Darum werde ich gehen. Die Engel haben Fehler gemacht und es sollte unsere Pflicht, als jüngere Geschwister sein, sie darauf hinzuweisen. Wir stammen alle von ein und dem selben ab. Unser Glauben und unsere Taten haben sich geändert, doch trotzdem ändert sich unsere Herkunft dadurch nicht. Jahrhunderte und Jahrtausende, haben wir sie einfach nach ihren Gesetzen handeln lassen. Wie viele von uns sind durch die Tat eines einzelnen gestorben? Wie viele müssen noch sterben, bevor die Engel endlich akzeptieren, das sie nicht allmächtig sind? Wir waren ein Experiment! Ein Spiel! Doch wir haben einen Willen. Wir alle haben unseren Willen. Ich werde mich darüber hinwegsetzen und meinen Willen in Taten umändern. Diese kleine Ratte von Morgenstern, hat ein lebendes Wesen besetzt, nur um seinem Schicksal zu entgehen. Für jeden kommt der Tag, an dem er gehen muss. Erlösung findet. Doch das kann niemand selbst entscheiden. Nutzen wir die Stunden die wir haben sinnvoll. Ich werde morgen bei Sonnenaufgang aufbrechen. Wer mir folgen möchte um dem Universum eine zu verpassen, der soll hier wieder in voller Montur erscheinen. Den Rest von euch verstehe ich. Es ist kein Befehl von eurem Rudelführer, den möglicherweise, werden wir sterben...“ Chattan blickte zu Mirana hinunter, die sich aus seinen Armen wandte und in die Höhe schwebte. Alle Blicke waren auf sie gerichtet und selbst Thorik brach mitten im Satz ab. „Eine Woche sage ich. Eine Woche und dir wird eine Armee folgen. Ich weiß den Aufenthaltsort des Morgensterns und ich kann fast alle Magier dazu bewegen mitzumachen. Sie wiederum können andere dazu bewegen sich uns anzuschließen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Familien bereits verletzt worden sind. Sie alle wollen Rache am Morgenstern. Erdwesen, Windwanderer, Wasserlebewesen und selbst wir Feuer kontrollierende Wesen wollen ihn. Sie hatten alle immer nur Angst, niemand wagte sich jemals gegen die Engel aufzusagen. Doch sie würden sofort folgen, sobald jemand das Kriegshorn bläst. Darum sage ich, gib mir eine Woche, und ich verspreche dir eine Armee zu bringen, wenn du einen Krieg wünscht.“ Totenstille breitete sich aus. Würde sein Rudelführer einen Krieg anfangen? Chattan lachte und schrie auf vor Freude. „Auf in den Krieg Leute! Es war schon viel zu lange friedlich!“ Alle stimmte seinem Ruf ein, denn sie waren geborene Krieger. Niemand würde sie davon abhalten können.

 

- - Ende 1. Teil - -

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Publication Date: 08-05-2014

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