Dandelion
Es war nicht schwer Bilder zu malen, die schöner waren, als die Realität. Er jedoch vermochte es, Bilder auf Papier zu zaubern, die tausendmal schöner waren, als jeder Traum, den ich jemals geträumt habe. Seine Bilder waren anders als alle, die ich in meinem ganzen Leben sah. Sie schienen wie Spiegel, in die man blickt und einem anderen Wesen oder gar einer anderen Welt ins Auge sah.
Doch was war es, das seine Bilder so besonders machte? Nun, seine Bilder schienen zu leben.
Ja, er war ein wahrer Meister seines Faches, der beste Maler den es je auf dieser Welt gab und geben wird.
Es waren seine Bilder, die Menschen zu Tränen rührten, seine Kunst und deren Wert, die aus ehrbaren Männern Mördern machte und Liebende in Feinde verwandelte. Viele töteten, um eines seiner Werke in ihren Besitz zu bringen, nur um festzustellen, dass alles, was man über sie erzählte, eine Lüge war. Lebendige Bilder… dies klang auch viel zu schön, um wahr zu sein, oder?
Nun, es war eben keine Lüge, zumindest nicht ganz. Seine Bilder lebten, sie lebten jedoch nur für den, für den sie geschaffen worden waren. Man munkelte, er sei ein Hexer, ein Magier oder aber ein böser Geist. Gar schrecklichste Geschichten sponnen einen schwarzen Mantel um den Mann, der lebendige Bilder malte. Einige wünschten ihn weit fort, in die Hölle, verfluchten ihn und fürchteten seine Werke ebenso sehr wie ihn selbst. Andere aber verehrten, ja vergötterten ihn, nicht für das was er war, sonder für das, was er zu tun vermochte.
Was er war, das wussten die wenigsten.
Ich aber weis, was er war und ich liebte ihn dafür. Verliebt hatte ich mich damals nicht in den berühmten Maler, den Mann mit dem magischen Fingern, nicht in den wohlhabenden Herrn mit den edlen Kleidern nein, ich liebte den Mann hinter den Bildern, lange bevor er zu dem wurde was er war.
Ich liebte nicht seine Bilder sondern einzig und allein ihn selbst.
Ich liebte den Mann, der mit seinen Bildern unsterblich wurde.
Sein Name war Dandelion.
Da war es wieder, dieses Kribbeln, dieses Gefühl, als ob eine Kolonie brennender Ameisen durch seine Adern wuseln würde. Er fuhr sich mit der Zunge über die wohlgeformten Lippen, während er die weiße Fläche vor sich musterte. Seine langen, dünnen Finger trommelten auf seine verschränkten Arme und seine Augen starrten auf das Weiß vor ihm, als wollten sie es in Brand stecken. Er hatte vermutlich die dunkelsten Augen dieser Welt, Augen wie aus Ebenholz geschnitzt. Nachdenklich strick er sich das leicht gelockte, rabenschwarze Haar aus der schokoladenbraunen Stirn. Endlich, in seinem Kopf ertönte ein Geräusch, das sich anhörte als würde eine nagelneue Silbermünze auf den Pflasterboden der Stadt fallen. Eilig griff er nach dem Pinsel, tunkte ihn in die Farbe und begann, das zu tun, was er am besten konnte –Er begann zu malen. Klirrende Kälte kroch nun durch seine Adern, dort wo zuvor brennende Ameisen waren, schien nun ein Strom aus eiskaltem Silber zu fließen. Nach und nach wuchs auf dem Weiß eine saftig grüne Landschaft. Hügel erhoben sich aus dem flachen Grün, aus dunklen und hellen Blautönen und einer Prise Indigo entstand ein Himmel, von zwei Monde herab schienen. Der eine war sichelförmig und ähnlich beschaffen wie funkelndes Glas, wie die Knochen einer Fee. Der Andere aber war pechschwarz, wie eine Kugel aus Marmor. Abertausende Sterne sprenkelten den Himmel wie diamantene tränen und das Gras war von einem so saftigem Grün, das selbst das Gras draußen, auf den Hügeln vor seinem Haus vor aussehen ließ, als würde es schon als Stroh aus dem Boden wachsen. Er betrachtete das Bild, doch etwas störte ich, etwas schien zu fehlen. Kurzerhand schwang er den Pinsel und zauberte eine kleine, gelbe Blume auf einen der Hügel. Wunderbar… Zufrieden mit sich selbst legte er den Pinsel beiseite und betrachtete sein Werk. Er setzte sich auf den Boden um zu warten, bis die Farbe trocken war, dann deckte er es mit einem Tuch zu und trug es in die Stadt.
So wollte er sein Geld verdienen, mit den Bildern, die er malte. Schließlich war es das Einzige, was er wirklich gut konnte, malen.
Als er einen geeigneten Platz am Markt gefunden hatte, fernab von den Fischhändlern und Metzgern, wo es nach Blut und verwesendem –natürlich immer frischem-Fleisch stank , stellte er sein Bild ab und zog das Tuch fort. Da ihm nichts anderes zu tun blieb, setzte er sich hin und schickte seine Ebenholzaugen auf die Reise. Sie folgten Menschen, bis es ihnen zu langweilig wurden, dann schweiften sie umher und begutachteten die Stände, bis sie etwas Interessanteres fanden, das es sich anzuschauen lohnte. Einige Leute hatten sich um ihn versammelt und musterten sein Bild. Aufgeregt musterte auch er die Leute. Es waren eher einfache Leute, wie man gut an den abgetragenen, ausgewaschenen Kleidern der Frauen mit ihren abgewetzten Schürzen und den löchrigen Strümpfen der Männer erkannte. Von ihnen konnte er sich kaum genug Kupfermünzen für ein halbes Essen erwarten. Kritisch beäugten sie sein Werk. Einige fanden es recht hübsch, sehr gut gemalt, jedoch einfallslos. Andere hielten es schlichtweg für Gekritzel. Dies aber ließ ihn kalt, er fand es sehr gelungen, das allein war es, was zählte. Plötzlich wurde es totenstill in der kleinen Menge. Verwundert suchte er nach Anzeichen für diese Stille, doch er konnte nichts als Erstaunen, Unglauben und sogar Entsetzen auf ihren Gesichtern lesen. Herrje, so schlimm war sein Bild doch nun wirklich nicht. Er wollte sie schon fortscheuchen, als eine Dame in einem Kleid, das trotz des Korsetts aussah als wäre es für ihre doppelte Menge bestimmt gewesen, das Schweigen brach:“Um Himmels Willen! Sie rührt sich! Die Blume tanzt!“, rief sie mit schriller Stimme. Urplötzlich wandelte sich das Schweigen zu einem Gewirr aus tobenden Stimmen. Was wunderten sie sich denn? Die Blume bewegte sich, ja und? Das taten sie doch immer. Jedes seiner Bilder bewegte sich, das war ihm nicht neu. Natürlich war er sich im Klaren darüber, dass Bilder sich nicht bewegten, sie taten es einfach nicht, das hatte schon seine Mutter immer wieder betont. Sie war es auch, die ihm verboten hatte, einen Pinsel in die Hand zu nehmen, er hatte ihr versprechen müssen, sein Teufelswerk, wie sie es nannte, zu lassen, solange sie lebte. Nun, seine Mutter, eine furchtbare Frau, wie er fand, war schon längst tot und begraben, seinen Vater kannte er nicht. Er wollte ihn auch nicht kennen, er war glücklich, mit dem was er hatte. So saß er inmitten der schnatternden Meute und versuchte nachzudenken, als ihn jemand grob mit einem Stock anstieß. „He, du da, junger Mann!“ Erbost folgte er der vergoldeten Spitze des Gehstocks, mit dem er gestoßen wurde bis er in ein faltiges, pergamenthäutiges Gesicht blickte, aus dessen Mitte ihm eine lange, krumme Nase entgegen ragte, die dem Stock, zumindest der Länge nach zu urteilen, Konkurrenz machte. „Hörst du denn schlecht? Der Sir spricht mit dir, Bursche!“, kam es von einem kleinen Mann, der neben dem Stocknasenmann stand. Betont langsam erhob er sich von seinem Sitzplatz und richtete sich zu voller Größe auf. Man konnte über ihn sagen, was man wollte, doch er sah, obwohl er die Kleider eines gewöhnlichen Bürgers trug, aus wie ein Prinz aus einem fernen Land. Der Stocknasenmann verstummte als er sein diebischstes Lächeln aufsetzte und ihn nach seinem begehr fragte. Der Mann plusterte sich auf und verkündete, dass er ihm einen Gefallen tun wolle und ihm das Farbgewirr mit der Blume für drei halbe Kupfermünzen und einen viertel Silbertaler abnehmen wolle. Stirnrunzeln blickte er den Mann an. Drei halbe Kupfermünzen und einen viertel Silbertaler? Himmel, selbst von den Marktschreiern, Mägden und Bordsteinschwalben hätte er mehr bekommen als von einem Mann, der mit mehr Geld in den Taschen herumlief, als der Rest der Leute um ihn herum in einer Woche verdiente. Das Angebot des feinen Herrn entlockte ihm nicht mehr als ein halbherziges Kichern.
In diesem Moment traf er eine Entscheidung. Er wollte nicht nur für Geld malen, schon gar nicht weil Geld etwas war, von dem reiche Leute mehr hatten, als sie brauchten und der Rest der Gesellschaft brauchte mehr als sie hatten. Nein, der Stocknasenmann würde sein Bild nicht bekommen, nicht für alles Geld, das er hatte. Nun besaß er auch noch die Frechheit, ihn nach dem Preis seines Werkes zu fragen. Was war der Preis für ein lebendiges Bild? „Ich fürchte, es ist unbezahlbar, vor allem für einen Mann wie Euch, guter Sir.“ antwortete er schlicht, wandte sich um und warf das Tuch, auf dem er gesessen hatte, mit einer eleganten Bewegung über das Bild, klemmte sich dieses unter den Arm, lüftete den Hut zum Abschied und ging. Die Menge hinter ihm lachte lauthals während sich der Stocknasenmann über diese Blamage grün und blau ärgerte. Allein die Vorstellung zauberte ihm ein Lächeln aufs Gesicht, das dort blieb, selbst als er die Pforte zu seinem kleinen Häuschen öffnete und eintrat. Die Wände seines Zuhauses schienen fast vollends aus Bildern zu bestehen, so auch die Decken und in manchen Räumen war selbst der Boden ein Gemälde. Andere Räume aber waren ein Gemälde an sich, wie das Wohnzimmer. Statt des kleinen Raumes, der es einmal gewesen war, erstreckten sich nun grüne Hügel und weite Wiesen dort, wo einmal die Wände gewesen waren. Natürlich waren es immer noch Wände, nun schien der Raum aber eine endlose Hügellandschaft zu sein. Das Gras wogte im Wind, änderte seine Farbe mit den Jahreszeiten, wie auch der Himmel und die beiden Monde sich veränderten, wenn es Tag oder Nacht wurde. Er liebte die Nacht und zog die zwei Monde den drei Sonnen vor, was sich in seinen Bildern zeigte. Da der Himmel nun schon blutrot war und die beiden Monde am Horizont auftauchten, beschloss er, sich hinzulegen und auf den nächsten Tag zu warten.
Am nächsten Morgen ging er erneut in die Stadt, um sein Löwenzahnbild zur Schau zur stellen. So machte er es nun Tag ein, Tag aus und schon bald warteten die Menschen schon auf ihn, um sein Bild zu sehen. Sie begannen auch, mit ihm zu sprechen, einige von ihnen zumindest, andere hielten es offenbar für besser, genügend Abstand zu wahren. Diese Menschen taten ihm irgendwie Leid, denn er malte seine Bilder, um die Freude, die er an ihnen hatte, mit allen zu teilen. Er wollte sie ihn die Welten mitnehmen, die er sah. Dennoch zeigte er vorerst nur das Bild mit dem Löwenzahn und es war ebendieses Bild, welches das Mädchen schon aus der Ferne erblickte, als sie durch die Straßen wanderte. Es war ein Anlass von größter Seltenheit, dass sie sich unbemerkt davon stehlen konnte, um allein ihrer Wege zu gehen. Ihr Vater hielt sie wie einen Vogel im Käfig, behandelte sie wie die Bilder, die er sammelte. Hinter dicken, fensterlosen Wänden, denn sie sind am schönsten, wenn man sie nicht sieht, wie er zu sagen pflegte. Ihr Vater war ein eitler Mann, nie ohne Stock und Diener unterwegs. Er weigerte sich sogar, Augengläser zu tragen, obwohl er diese gar dringendst benötigte. Ja, diesen Morgen hatte er sogar seine Orangenmarmelade auf seine Zeitung geschmiert. Schmunzelnd ging sie auf die Menge zu, die sich vor einem Bild versammelt hatte. Neugierig beäugte auch sie das Wer und musste staunend feststellen, dass die Blume und das Gras bewegte, wenn der Wind durch das Gemälde strich. Tatsächlich, ihr Vater hatte also Recht behalten, es gab ein Gemälde, das lebte! Sie konnte es nicht fassen, voller Staunen trat sie näher an das Bild heran, immer näher, bis eine Stimme sie aus ihrer Trance riss. „Seht Euch vor, dass Ihr nicht hineinfallt, junge Lady“. Vor lauter Überraschung stolperte sie, verlor das Gleichgewicht und wäre beinahe tatsächlich in das Bild gefallen, wenn zwei starke Arme sie nicht aufgefangen hätten. Verwundert blickte sie in die zwei dunkelsten Augen, die sie je gesehen hatte, die aus dem wohl hübschesten Gesicht leuchteten. Der Eigentümer des Gesichtes grinste sie verschmitzt an. „Ist denn das möglich?“ ,stammelte sie. Der junge Mann aber lachte nur, doch sein Lachen verstummte, als ihr die Kapuze ihres samtenen Umhangs vom Kopf rutschte. Ihr Haar war wie gesponnenes Silber, fast schon so durchscheinend wie der Sichelmond und ihre Haut war von einem samtig zarten Bernsteinton. Doch das wohl schönste an ihrem Gesicht waren ihre Augen, sie sahen aus, wie der Nachthimmel selbst. Fasziniert starrte er sie an und sie starrte zurück, bis sie schließlich fragte, wie er hieße. Er blickte sie fassungslos an. „Ich habe keinen Namen.“, antwortete er. Sie suchte in seinem Gesicht nach einem Anzeichen dafür, dass er log, doch er schien die Wahrheit zu sagen. Ein Mann ohne Namen, der lebendige Bilder malte, sie konnte es nicht fassen. Erneut fiel ihr Blick auf das Bild und sie fragte ihn, ob er es gemalt hätte. Er bejahte und erneut kehrte Schweigen ein. Lange standen sie da, sie betrachtete das Bild es zeigte einen Löwenzahn, ihre Lieblingsblume., Währenddessen betrachtete er sie.. Die drei Sonnen am Himmel schwanden und bald würden die zwei Monde am Gestirn thronen. Der Markt war schon fast leer, als sie sich endlich vom Bild abwandte, sich zu ihm umdrehe und ihn ansah. Es war an der Zeit, zu gehen und sie verabschiedete sich. Doch sie würde wiederkommen, ganz bestimmt.
So stahl sie sich Tag für Tag davon, um zu dem namenlosen Mann auf den Markt zu gehen und das Löwenzahnbild zu betrachten. Doch sie kam nicht nur wegen dem Bild, sondern wegen ihm. Die Tage vergingen, der Mann wuchs ihr immer mehr ans Herz und eines Tages musste sie verwundert feststellen, dass die der Löwenzahn auf dem Bild nicht mehr gelb war, sondern schon eine Krone aus weißen, sternartigen Gebilden trug. Schon am nächsten Tag jagte ein Windstoß durch das Bild und riss dem Sternkönig seine Krone vom Kopf. Nun war er kahl, ein Stöhnen und Raunen ging durch die Menge, einige Leute warfen noch mehr Münzen auf das Tuch, auf dem der junge Mann sah. Als der Mann sein Bild einpackte, wie er es jeden Abend tat, und die Münzen auflas fragte die junge Frau ihn, ob sie ihn begleiten könne. Er willigte ein und so folgte sie ihm quer über den Marktplatz, durch verwinkelte Gassen, bis sie schließlich am Stadtrand waren und er auf die grünen Hügel zuschritt. Zuvor aber warf er die Münzen in den Hut eines Landstreichers, der vor dem Tor saß und bettelte.
Das Haus, das auf einem der Hügel auftauchte war schief, als hätte sich ein Riese dagegen gelehnt, das Dach war mit bunten Ziegeln gedeckt und auch die Wände des Häuschens waren mit bunten Bildern bemalen. Es bot einen Anblick gar wunderlichster Art, doch als sie eintrat, raubte es ihr den Atem. Der Flur war gesäumt von hunderten Bilder verschiedenster Arten, es war, als blickte man in Scherben von Spiegeln, die jeder einer anderen Welt entstammten. Tiere, die sie noch nie zuvor gesehen hatte, tummelten sich in Wäldern aus Pilzen, so groß wie Bäume und so bunt wie Feuerwerke. Sie erblickte Pferde, mit gezwirbelten Hörnern, grinsende Katzen in Anzügen und Fliegende Fische. Sie kam aus dem Staunen nicht mehr heraus und ihr drohten die Augen aus dem Kopf zu fallen, als sie einen Raum betrat, der einzig aus Hügeln, Wiesen und Bäumen zu bestehen schien. In dessen Mitte stand ein buntes Sofa, davor ein kleiner Ofen, dessen Rohr sich in den Himmel bohrte. Am Horizont tauchten bereits die beiden Monde auf und an den Wänden tummelten sich Glühwürmchen. Behutsam versuchte sie, das Gras zu berühren, doch ihre Hand fühlte nur kalten Stein. Schnell zog sie die Hand zurück, sie hatte Angst, das Bild und die Welt hinter ihm zu verwischen und somit zu vernichten. Der junge Mann setzte Tee auf und sie saßen lange auf dem Sofa zwischen den Hügeln. Zeit schien hier nicht zu existieren, die mechanische Uhr auf dem kleinen Tischen erschien ihr wie ein Artefakt aus einer anderen Welt. Erst, als der Morgen graute und der junge Mann sich erhob, um sein Bild auf den Markt zu tragen, fiel auch ihm auf, dass die Blume verdorrt war. Er drehte das Bild um und stellte es in eine Ecke. Als er jedoch die traurige Mine der Frau bemerkte, nahm er ihre Hand und zog sie mit sich in ein leeres, weißes Zimmer. Einzig eine Leinwand und ein Hocker befanden dich dort. Er bot ihr an Platz zu nehmen und begann zu malen. Gebannt starrte sie auf das weiße Bild, auf dem nach und nach Hügel wuchsen, doch anstatt von Gras, waren sie von tausenden und abertausenden Blumen bedeckt. Der junge Mann lächelte sie an und sie strahlte zurück als sie die Art der Blumen erkannte. Löwenzahn.
Er schenkte ihr das Bild, doch sie bestand darauf, dass er es am Markt zur Schau stellte. Am liebsten wollte sie es mit sich nehmen, doch es würde ohnehin nur hinter den Mauern des Hauses ihres Vaters versauern, niemand würde es jemals sehen und dies könnte sie sich nie verzeihen. Schweren Herzens ließ sie das Bild und den namenlosen Mann zurück, um sich schnell in ihren Gemächern zu verstecken, ehe ihr Vater nach ihr suchen würde.
Kaum war sie durch das Fenster geklettert, begann sie, sich umzuziehen als es plötzlich an der Tür klopfte. Wenige Augenblicke später kam ihr Vater herein stolziert, er hatte sogar ein Monokel vor dem Auge klemmen. Stirnrunzelnd musterte sie ihren Vater, er trug sonst nur sein Augenglas, wenn er auf Bildersuche war. Er hieß sie ohne große Umschweife, sich augenblicklich anzukleiden und scheuchte sogleich drei Zofen zu ihr, die ihr in ihre Kleider helfen sollten. Ihr Silberhaar wurde wie immer unter einer kunstvoll gestickten Haube verborgen, ihr Vater mochte es nicht. Dann wurde sie von seinem Lieblingsdiener an der Hand gepackt und mit zum Markt gezerrt, wie ein räudiger Hund.
Voller Entsetzen wurde ihr klar, was das Ziel ihres Vaters und seiner Gefolgschaft war. Sie wollten zu ihm, den Mann, der lebendige Bilder malte! Ihr war klar, was ihr Vater von ihm wollte, er würde mit Sicherheit das Bild kaufen wollen. Doch er verkaufte seine Bilder nicht. Ehe sie sich versah stand sie schon vor ihm, die Diener ihres Vaters scheuchten das Gesindel, wie er die Menschen, die nicht reich waren, nannte, fort und stellte sich breitbeinig vor den Mann und sein Bild.
Der Mann aber grinste nur verschmitzt, zog den farbbefleckten Hut mit der Feder von Kopf und verbeugte sich betont tief. „Wenn das nicht mein hochverehrter Stocknasenmann ist!“ höhnte er. Nur mit Mühe konnte sie ein Kichern unterdrücken als sie sah, wie die Schamesröte sich mit dem Zorn und der Fassung einen erbitterten Kampf um die Vorherrschaft auf dem Gesicht ihres Vaters lieferte. Er grinste schelmisch und zwinkerte ihr kaum merklich zu. Schnell verdeckte sie ihr errötendes Gesicht mit dem Fächer. Der junge Mann fragte nach dem Begehr des Stocknasenmannes und dieser verlangte von ihm, dass er ihn malte. Der Mann aber erwiderte, dass er noch nie einen Menschen gemalt hatte. „Nun, wenn du den Wind malen kannst, dann wirst du wohl auch mich malen können!“, fauchte der Mann. Zeitweilen hatten sich die lebendigen Bilder herumgesprochen und man munkelte, dass sie dem jenigen, den die zeigten Unsterblichkeit brachten. Darum also wollte der Stocknasenmann ein Portrait. Was war er doch für ein Narr.
Der Stocknasenmann räusperte sich und fuhr fort. „Was verlangst du für solch ein Bild? Wie viel Geld willst du?“
Der junge Mann schnaubte verächtlich. „Ein lebendiges Bild ist, wie ich schon sagte, nicht mit so etwas banalem wie Geld zu bezahlen. Silbermünzen gibt es wie Sterne am Himmel und jeden Tag werden neue davon geprägt. Ein lebendiges Bild aber ist einzigartig, es ist ein Schatz und nur mit selbigem bezahlbar. Ich will euren größten Schatz, dann male ich euch euer Bild.“ Mit diesen Worten verschränkte er die Arme vor der Brust und blickte den Stocknasenmann herausfordernd an. Dieser schien kurz nachzudenken, seine Stirn legte sich in Falten. Was war sein wertvollster Besitz? Er hatte hunderte Bilder, allesamt ein Vermögen wert, er lebte in einem Haus, das so groß war, dass nicht einmal er selbst alle seine Räume je betreten hatte und er hatte unzählige Truhen voller Gold und Silbermünzen, Juwelen und Rubine. Ja, von alledem hatte er reichlich. Doch er hatte nur eine Tochter! Dies war, sie war sein einzigartigster und somit wertvollster Besitz. Doch was wollte man mit einem Leben, wenn man Unsterblichkeit haben konnte? Selbst wenn es das Leben der eigenen Tochter war, er würde es dem Maler geben.
So willigte er ein und der Maler erklärte sich tatsächlich bereit, ihn zu malen.
Es dauerte nicht lange, und der Stocknasenmann starrte seinem Antlitz entgegen, welches mit gleicher Mine zurückstarrte. Der Maler legte seinen Pinsel aus der Hand und begutachtete sein Werk. Er hatte noch nie einen Menschen gemalt, doch das Bild war wie ein Spiegel. Vergnügt und hocherfreut klatschte der Mann in die Hände und verließ das Haus des Malers mit seinem Abbild. Seine Tochter aber ließ er bei dem Maler zurück und fortan lebten sie gemeinsam in dem Bilderhaus. Der Mann malte, Tag aus Tag ein und der Stocknasenmann betrachtete jeden Tag sein Bild, bis er eines Tages schockiert feststellen musste, dass der Maler ihm eine graues Haar gemalt hatte. So eine Frechheit! Dies war absolut inakzeptabel! Er hatte kein einziges graues Haar, und seine Haut hatte auch nicht so viele Falten! Grimmig begab er sich in sein Spiegelzimmer, doch dort bot sich ihm ein gar fürchterlicher Anblick. Er fand etliche graue Haare und seine Haut war faltiger als sein Nachthemd, nachdem er sonntagmorgens aufgestanden war. Schockiert stolperte er zu seinem Bild, riss es von der Wand und musste feststellen, dass es mit jedem Haar, das bei ihm ergraute, immer jünger zu werden schien. Verzweifelt musste der Stocknasenmann feststellen, dass er in rasanter Geschwindigkeit alterte. Dies war Hexerei, ein furchtbarer Betrug!
Doch er hatte zu spät gemerkt, dass das Bild ihm seine Jahre stahl.
Noch bevor seine letzen Flüche und Rufe nach seiner Dienerschaft verklungen waren, hatte er sein Leben ausgehaucht. Als man ihn schließlich fand, war von ihm kaum mehr übrig, als eine verrottete, leblose Hülle und ein Bild. Doch der Mann auf dem Bild war jung und schön, wie es der Stocknasenmann einmal gewesen war.
Nie zuvor hatte der Maler etwas schöneres gesehen als die Tochter des Stocknasenmannes, der sie gegen ein Bild eingetauscht hatte. Was war er doch für ein Narr gewesen, kein lebendiges Bild war so schön wie sie. Darum entschloss er sich, sie zu malen.
Das Bild, das er schuf war ihr in Schönheit absolut ebenbürtig und übertraf alles, was er jemals gemalt hatte. Auch ihr gefiel das Bild und sie verlangte, dass er seinen Namen darunter setzte. Nun fiel ihr ein, dass er gar keinen Namen hatte und darum gab sie ihm den Namen, den sie ihm insgeheim schon vor langer Zeit gegeben hatte und er setzte ihn lächelnd und voller Stolz unter das Bild seiner Geliebten.
Dandelion.
Niemand hatte sie je besser behandelt, niemand hatte sie jemals mehr geliebt.
Wahrlich, er liebte sie mehr als all seine Bilder und einmal sagte er ihr sogar, dass er sich jeden Finger einzeln abschneiden lassen würde, wenn sie es nur wollte.
Er war nicht nur der beste Maler der Welt, nein, zu dieser Zeit war er schlicht und einfach der glücklichste Mann auf der ganzen Welt.
Doch dieses Glück währte kaum länger als die Monde am Himmel am Nachthimmel. Die Tage vergingen und wie eine Blume, die vor sich welkte, verlor auch seine Geliebte Tag für Tag, kaum merklich, aber stetig an Schönheit. Sie war wie ein Stein, gegen den die Brandung schlug, mit jedem Tag der verging, wurde sie älter und schwächer. Dandelion aber schien in ihren Augen alterslos und auch er merkte, von seinem Glück geblendet, kaum, was vor sich ging, bis zu jenem schicksalhaften Tag, an dem seine kleine, glückliche Bilderwelt sich auflöste, wie die Farbe eines Pinsels, den man in Wasser Taucht.
Schon die ersten Strahlen der drei goldenen Sonnen offenbarte ihm einen grauenvollen Anblick. Von der Schönheit seiner Liebsten war kaum etwas geblieben, sie selbst war kaum mehr, als ein Schatten ihrer selbst. Es schein, als würde sie unter dem Licht der Sonnen schmelzen wie Wachs im Feuer.
Sie krümmte und wand sich, versuchte sich zu erheben, doch sie war zu schwach. Verzweiflung legte ihre dürren Klauen um das Herz Dandelions als er durch das Haus irrte, auf der Suche nach etwas, das seiner Liebsten helfen konnte. Doch alles war er fand waren Bilder, unzählige Bilder. So irrte er durch seine kleine, gemalte Welt, bis er vor dem mannsgroßen Abbild seiner großen Liebe stand. Es stimmte, es war von Tag zu Tag schöner und lebendiger geworden. Noch keines seiner Bilder war jemals so schön gewesen. Der Wind strich sanft durch die Haare der Frau auf dem Bild, sie wehten ihr in die Stirn und ein Lächeln stahl sich auf ihre vollen Lippen. Sie warf den Kopf zurück um die lästigen Strähnen aus ihrem Antlitz zu vertreiben und winkte ihm zu. Das Licht fing sich in ihren Augen und lies sieheller strahlen als die drei Sonnen am Himmel.
Plötzlich erinnerte er sich wieder, warum er überhaupt hier war. Seine Frau, sie brauchte Hilfe! Er eilte zurück ins Wohnzimmer und zu seiner Erleichterung lag sie noch dort auf dem Sofa. Er musste geträumt haben. Behutsam strich er ihr das fast durchsichtige Silberhaar aus dem Gesicht und erschrak, als er in ihr sterbendes Antlitz blickte. All die Wärme schien aus ihr gewichen zu sein, ihre Haut war kalt und rau, die Augen trüb und leer. Sie schien unter seinen Händen zu zerfallen. Er wollte etwas tun, wollte ihr helfen, doch er konnte nicht. Sie war wie Sand, der ihm durch die Finger rann. Er kniete sich neben sie, weinte, betete und flehte. Vergebens.
Die einzige Stimme die auf sein Flehen antwortete, war die des Todes der, die Sichel geschultert aus dem Nichts getreten war.
Fassungslos starrte Dandelion ihn an, dann begann er, auch den Tod anzuflehen, seine Frau zu retten. Der Tod aber schnaubte nur verächtlich und schüttelte den Kopf. Sein Rabenfederumhang raschelte, als er näher trat und die Hand nach Dandelions Frau ausstreckte.
„Nein!“, flehte er, „Nicht sie, warum sie?!“
„Warum sie? Das wagst du noch zu fragen?! Törichter Narr! Der, der du glaubst, Unsterblichkeit zu schaffen, indem du lebendige Bilder malst! Ich habe von dir gehört und muss sagen, ich bewundere deine Kunst. Doch ihr Menschen, wie närrisch ihr doch seid, zu glauben, mit dem Leben spielen zu können! Unsterblichkeit? Das ich nicht lache! Um ein Leben zu geben, muss man eines nehmen. So lautet das Gesetz der Welt! Will man Unsterblichkeit, muss man sein Leben dafür lassen!
Überdies trägst einzig du allein die Schuld an dem, was ihr widerfährt.“, donnerte der Tod.
„Ich? Aber was habe ich ihr denn getan? Ich liebe sie über alles, sie ist mir das Liebste auf der ganzen Welt! Alles würde ich für sie geben! Selbst mein Leben!“, schluchzte Dandelion.
Die Stimme des Todes klang wie das Tosen eines Sturmes.
„Alles auf dieser Welt hat seinen Preis. DU, mein törichter Freund hast die einzigartige Gabe, lebendige Bilder zu schaffen, etwas, das niemand sonst kann, etwas das keinen Preis vorgegeben hatte. DU allen bestimmtest den Preis für deine Arbeit.“
Verwirrt blickte er in die silbernen Augen des Todes, sie glichen Münzen in denen sich Dandelions leidverzerrtes Gesicht spiegelte.
„Dir ist klar, wovon ich spreche? Nein?“ Der Tod schnippte mit den Klauen, ein leises „kling“ erklang und plötzlich hörte Dandelion seine eigene Stimme. Ein lebendiges Bild ist, wie ich schon sagte, nicht mit so etwas banalem wie Geld zu bezahlen. Silbermünzen gibt es wie Sterne am Himmel und jeden Tag werden neue davon geprägt. Ein lebendiges Bild aber ist einzigartig, es ist ein Schatz und nur mit selbigem bezahlbar. Ich will euren größten Schatz, dann male ich euch euer Bild.“
Plötzlich erinnerte er sich wieder an den Stocknasenmann, der ihm seine Tochter für ein Bild verkauft hatte, von dem er glaubte, unsterblich zu werden.
„Es wird dich überraschen, aber sie war nicht das Wertvollste, das er jemals besaß. Sein größer Schatz war er selbst gewesen.“ Schnurrte der Tod und schnippte erneut mit den Fingern. Dieses Mal erschien ein großer, silberner Spiegel, der das Bild eines jungen Mannes zeigte. Der junge Mann saß auf einem Thron und trommelte unruhig mit den Fingern auf die samtenen Armlehnen. Unter dem Bild lag etwas, das einmal ein Mensch gewesen war. Voller Endsetzen erkannte Dandelion den Stocknasenmann auf dem Bild. Doch was lag darunter? Ihm graute, als es ihm bewusst wurde.
„Es hat ihm die Jahre gestohlen. Es hat sie alle aufgesaugt, alle die er zu dem Zeitpunkt hatte, als du ihn maltest. Nun wird er jünger und jünger, bis er keine Jahre mehr hat, dann altert er wieder und es beginnt von vorne. Sterben kann er jedoch nicht mehr, lebendige Bilder sterben nicht.“
Dandelion konnte des Todes Worte nicht glauben. Man bezahlt jedes Bild mit dem, was man meisten liebt. Darum starb seine Frau! Er hätte sie niemals malen dürfen! Schluchzend flehte er den Tod erneut an, ihn an ihrer statt zu nehmen.
Doch plötzlich ertönte eine andere Stimme, sie war kaum hörbar, dünn wie zerschlissenes Papier.
„Nein“, wisperte sie „Ich könnte es nicht ertragen, zu leben und dich meinetwegen tot zu wissen!“
„Ich kann dich nicht fortlassen, ich kann nicht ohne dich leben! Du warst das Letze, was ich gemalt habe und damit habe ich dein Leben vertan!“
Er stürzte sich zu seiner Geliebten, strich ihr zärtlich über das zerfallende Gesicht.
Sie flüsterte seinen Namen. „Dandelion.“
Nun trat auch der Tod an sie heran, es war an der Zeit zu gehen. „Der Preis muss bezahlt werden.“ zischte er.
„NEIN!“. Er konnte es nicht glauben.
Erneut erklang die Stimme seiner Geliebten.
„Dandelion… Jeden Tag sagtest du mir, wie sehr du mich liebst. Jeden Tag zähltest du tausend Dinge auf, die du tun würdest, um mich nur bei dir zu behalten. Auch ich liebe dich, so sehr. Ich liebe dich für das, was du bist, ganz gleich was aufgrund dessen geschah. Ich habe dich immer geliebt, vom ersten Augenblick an. Ich liebte den namenlosen Maler, der lebendige Bilder malt und ich liebte dich, Dandelion, der mir den Tod brachte.
Mein überalles geliebter Dandelion, wahre Liebe zeichnet sich nicht dadurch aus, was man zu tun bereit ist, um jemanden bei sich zu behalten, nein. Wahre Liebe liegt im bereitsein, jemanden gehen zu lassen, selbst wenn dies noch so schmerzlich sein mag.“
Mit diesen Worten kullerte eine Träne aus ihren Augen, sie drückte seine Hand und er drückte ihre. „Liebst du mich wirklich Dandelion?“
„Ja“, antwortete er und seine Stimme brach. Alsbald dieses letzte Wort über seine Lippen geronnen war, berührte der Tod sie mit seinen Klauen und Dandelions Geliebte zerfiel in seinen eigenen Händen zu Staub. Der Tod breitete seine Arme aus, sein Rabenfederumhang flatterte und plötzlich war der ganze Raum erfüllt von Wind, der den Staub seiner Geliebten forttrug. Schwarzer Rauch kroch aus dem Umhang des Todes und umschlang ihn und zog ihn fort ins Nichts. Dandelion aber blieb allein zurück mit sich und seiner Trauer. Selbst als der schwarze Rauch verschwunden und man die Hügel und Wiesen an den Wänden wieder sah, saß er noch dort und weinte, bis seine Tränen versiegten.
Die Trauer legte sich wie ein schwarzer Schleier um ihn, er sah nicht einen Funken Schönheit mehr in seiner Welt. Von nun an brachte er seine Tage damit zu, seine Geliebte zu malen, doch alsbald er den letzen Pinselstrich getan und sein Werkzeug beiseitegelegt hatte, zerfielen sie zu Staub. Mit jedem Bild, das ihm zerfiel starb ein Stück seines Herzens und so kam es, dass er sich eines Tages, nachdem ihm erneut ein Bild, das er von seiner Geliebten gemalt hatte zerfallen war, seinen Pinsel nahm und ihn in sein gebrochenes Herz rammte.
Er vermisste sie so sehr, er wollte lediglich wieder bei ihr sein.
Doch Dandelion starb nicht, warum konnte er nicht sterben?
Erneut vernahm er die Stimme des Todes hinter sich. „ Was bist du nur für ein Narr. Sterben lassen werde ich dich, um dich zu ihr zu bringen. Hörtest du nicht, was ich sagte? Es ist dein eigener Preis, den du bezahlen musst! Ein lebendiges Bild, bezahlt mit deinem wertvollstem Schatz.
Sie ließ ihr Leben für dich, ließ nicht zu, dass du deines gegen ihres tauschst. Du kannst nicht sterben Dandelion, das ist der Preis, mit dem für deine Gabe zahlst. Du malst lebendige Bilder, die, die du in Bilder bannst sterben um in ihnen auf Ewig zu leben. Du hast den Preis für das Bild deiner Geliebten bezahlt, jedoch nicht den für deine Gabe. Sieh mich an, nur der Tod bringt Unsterblichkeit, und selbst dafür muss man sein Leben lassen, Dandelion. „
„Warum kann ich dann nicht sterben?“,schluchze er.
„Wer in dieser Welt hat denn je behauptet, dass du am Leben bist?“, antwortete der Tod und lachte.“ Du, der du lebendige Bilder malst, musst sein, damit sie sein können! Sie sind nichts ohne dich, ebenso wie du nichts ohne sie bist. Jedes Werk, dass du jemals erdachtest und schufst bist du. Ihr seid zwei Seiten ein und derselben Medaille. Tod oder Leben, lebendig oder Tod? Du Narr! Wen kümmert es, was du bist?“ Er blickte Dandelion aus seinen leeren, silbernen Augen an ehe er sich kopfschüttelnd umwand und verschwand.
Dandelion blickte sich um. War er tot oder am Leben? War denn beides, ja, war dies möglich?
Erneut schwappte die Verzweiflung über ihn wie eine eiskalte Welle. Er konnte nicht sterben, warum?
Weil der Tod es nicht will.
Schluchzend setzte er sich auf das Sofa im Wohnzimmer und blickte das Bild seiner Geliebten an. Das schönte Bild, das er jemals gemalt hatte. Das Bild, das ihr das Leben kostete und ihn dazu verdammte, ohne sie zu sein, für immer. Sie war sogar noch schöner geworden und es stimmte, sie wurde mit jedem Tag jünger. Wenn sie nicht mehr jünger werden konnte, würde sie wieder altern, wie es der Tod gesagt hatte. Und so geschah es auch.
Dandelion blieb, wo er war, an der Seite seiner Geliebten, um sie erstreckten sich die endlosen Weiten der gemalten Hügel und Wiesen an den Wänden, über ihm lag der Himmel und von ihm schienen die zwei Monde auf ihn herab.
So saß er nun da, inmitten der unendlichen Hügel und betrachtete das Bild seiner Geliebten.
Alles, was mir blieb, ist hier zu sitzen, und zurück zu starren. Nichts wünsche ich mir sehnlicher, als ihn zu berühren, mit ihm zu sprechen, ihn zu umarmen. Doch ich kann nicht, ich bin hier, gefangen um vor mich hin zu altern, nur um dann erneut jünger zu werden und dann wieder zu altern. Ich war schön, unbeschreiblich schön sogar, doch dies war aber auch alles und dies war nicht was ich wollte. Er hatte mich unsterblich gemacht, auch dafür liebte ich ihn. Auch wenn ich mir nichts sehnlicher wünschte, als mit ihm zusammen zu sein. Viel lieber wäre ich mit ihm gestorben, als schön und unsterblich zu sein. Doch auch er war unsterblich, auch wenn sein Wunsch nach dem Tod mit jedem Tag, den er vor mir saß großer wurde, er würde nie in Erfüllung gehen und alles was ich tun konnte, war zuzusehen wie er litt, wie er allein vor meinem Bild saß und bitterlichste Tränen um mich weinte. Auch ich weinte um ihn, meinen geliebten, den Mann, der lebendige Bilder malen konnte, der Mann der Menschen in Bildern unterblich machen konnte. Ich weinte um ebendiesen Mann, dem all dies nichts als Kummer und Gram bereitet hat. Ich beweinte den Mann, der bereit war für mich zu sterben, um ihn, der mich so sehr liebte, dass er mich gehen ließ, weil ich es nicht ertragen hätte, an seiner statt zu leben, ungeachtet dessen, wie viel Schmerz dies über ihn brachte. Selbst heute noch weine ich um den Mann, der mich so sehr liebte, dass er mich unsterblich gemacht hatte, selbst wenn dies ihn den Tod und das Leben auf einmal gekostet hatten.
Manchmal weint er mit mir zusammen, der Mann, der lebendige Bilder malte, der Mann, der einst der glücklichste Mann dieser Welt gewesen war.
Dandelion.
Text: C. P.P
Publication Date: 02-16-2013
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