© 2014 Celeste Ealain
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Korrektorat/Lektorat: Petra Czernitzki, Petra.Czernitzki@gmx.de Portrait: © Peter Berger, www.peterberger.at
ISBN:
Printed in Germany
Dieser Roman enthält Passagen, die für Jugendliche unter 16 Jahre nicht geeignet sind.
Alle Personen und Namen innerhalb dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Dieses Dokument ist doppelt urheberrechtlich geschützt!
Es muss einmal Danke gesagt werden, an alle Menschen, die an mich glauben, mich fördern und unterstützen – und zwar in allen Lebenslagen.
An meine Eltern, die mir die Möglichkeit gegeben haben, zu werden, wer ich heute bin.
Meinem Mann, der mir Freiraum gibt meine Flügel zu nutzen.
Danke an Stephi und Dariusz, den Autorinnen Anne Reef und Anya Omah, meinen Bookrix-Lesern, meinen Beta- und Testlesern sowie
Blog-/Facebook-/Twitterfans.
Das Buch ist für euch alle!
Mit diesem Beitrag möchte ich einem meiner Leser eine Stimme geben.
Ge“DANKE” an die Sterne
Ein jeder sie kennt und oft daran denkt.
Der Blick hinauf ans Firmament.
Für alle leuchten diese Sterne,
für persönlich nimmt man sie gerne.
In der traurigsten Niedergeschlagenheit
der Stern als Trost steht stets bereit.
Für Verstorbene, die man sehr geliebt,
ein Plätzchen in den Sternen gibt.
Sterne, die einem so viel geben,
sie verschönern unglaublich jedes Leben.
Inspiriert von Liebe, Treue, Hoffnung und Frieden,
ein Blick in die Sterne und wir sind zufrieden.
Das besondere Leuchten auf all dieser Welt,
so etwas Schönes und das ohne Geld.
Jetzt teile ich meine Gedanken mit all den schönen Sternen,
will mich heute bedanken!
Gewidmet meiner lieben Oma
Marianne Wiener
By Melitta Wiener
Die zierlichen, langen Finger des Wesens strichen wehmütig über den Geist des Raumschiffes. Das Bedienpult – das Gehirn – das alle Ereignisse der letzten dreihundertacht Jahre auf fremden Gefilden aufgezeichnet hatte, würde als einziger Zeuge ihrer Rasse auf diesem Planeten bleiben. Die Entscheidung, die verbleibende Energie der Wächter für immer aufzugeben, resultierte bereits aus der neuen Besinnung der Völker auf Perlon 2. ISAY wusste, dass ihre Aufgabe, sterbende Rassen auf neuen Planeten anzusiedeln, auf diesem Grund und Boden wegen ihrer Bruchlandung nicht nach Wunsch verlaufen war. Apo.LYps, ihr genetischer Hybrid und zugleich ihre biogene Waffe, war eigene Wege gegangen und bis zum jetzigen Zeitpunkt konnte noch nicht vorhergesehen werden, ob nun Einigkeit bei den Spezies einkehren würde. Denn der Weg zum Frieden war lang und steinig und ISAY wusste das. Er konnte nur darauf vertrauen, dass die Samen des friedvollen Miteinanders zwischen Vampiren und Menschen gediehen und eine neue Ära eingeläutet werden würde – auch ohne die Wächter. Ihm blieb nur noch seine Existenz aufzugeben, um damit die Aufrechterhaltung dieser gestrandeten Arche auf diesem Planeten für die nächsten hundert Jahre sicherzustellen.
Plötzlich lief eine unergründliche, laute Erschütterung durch das Gerüst des Schiffs, die ISAYs blaue Nebelhülle, die seinen Körper umschmeichelte, in Unruhe versetzte. Wenig später streifte ein zarter Luftzug über seine empfindliche Statur. Er wusste, dass die Außenhülle gewaltsam aufgebrochen worden war und die feindliche Umgebung ihm nicht viel Zeit ließ. Das eindringende Sauerstoffgemisch war nicht für seinen Organismus gedacht und im Dunklen des Steuerraumes wog er seine Optionen ab. Seine glühenden goldenen Augen glitten die Glaskabinen entlang, die ihm gegenüber lagen und eine furchtbare Vorahnung überkam den Wächter. Mit erhobenem Haupt sammelte er seine Kräfte, denn hinter diesen transparenten Gefängnissen hauste die größte Gefahr, die diese Welt je gesehen hatte und deren Austritt es um jeden Preis zu verhindern galt. Und wenn es das Letzte war, was er vollbringen sollte.
Magnus konnte durch die beißenden Rauchschwaden, die die Explosion hinterlassen hatte, noch immer nichts sehen. Den Geruch des teilweise glimmenden Gesteins konnte er mit keinem ihm bekannten in Verbindung setzen und vermied daher die direkte Inhalation, indem er die Luft anhielt. Remo hatte nicht zu viel versprochen, als er prophezeite, dass er die Gemäuer, aus was auch immer sie bestanden, beseitigen könne. Gemäuer aus unbestimmtem Material, welches eingemeißelte Symbole trug, die Magnus leider mehr als geläufig waren. Die Signa verfolgten ihn in seinen Träumen, obwohl er sie bisher nur einmal zuvor gesehen hatte und zwar auf dem Rücken dieser Frau, die letztendlich sein Leben für immer verändert hatte. Eine Frau, die Schuld daran trug, dass er sich wie Getier durch den Dschungel hinter den Gebirgszügen von Goritha kämpfte, die ursprüngliche Farbe seiner edel gefertigten Kleidung nicht mehr erkannte und sein Körper ihn anekelte.
„Stopp Magnus, ich würde da nicht so einfach reingehen! Wir wissen nicht, was da drinnen auf uns lauert“, drang ihm eine vertraute Stimme ins Ohr, doch Magnus wollte nicht warten. Er hatte eindeutig schon zu lange gewartet. „Ich lasse es darauf ankommen, denn was auch immer sich hier verschanzt, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ursache für „Objekt Silena 2“ und somit die Wurzel allen Übels. Ich möchte endlich Gewissheit, was oder wer sie ist! Du etwa nicht?“ Magnus wandte sich Remo zu, der dicht hinter ihm verharrte und dessen Antlitz keinen Zweifel aufkommen ließ: Er konnte diese Frage nicht verneinen. Schräg hinter ihm stand seine Schwester Litta, die auf Grund ihrer Größe hinter seinem Rücken hin und her blickte, um mehr von dem Inneren der merkwürdigen Höhle zu erhaschen. Zumindest sie schien nicht uninteressiert zu sein, was dieses Gebilde mitten im Dschungel darstellen sollte.
Sein ehemaliger Sicherheitschef der Blutfarm prustete lautstark, strich sich über sein sehr kurz geschorenes schwarzes Haar und gab sich Magnus’ Neugier geschlagen. Immerhin war dieser der Kopf ihrer kleinen Widerstandstruppe und duldete keine mühseligen Diskussionen.
Magnus spürte das nervöse Zucken seiner rechten Augenbraue. Er maßregelte sie rasch mit einer punktuellen Massage seiner geübten Finger, derweil er sich nun tiefer in den Bauch der dunklen Höhle begab. Dicht gefolgt von Remo und Litta, die wie zwei Schatten an seinen Fersen hingen. Insgeheim hasste Magnus diese aufdringliche Angewohnheit. Doch während er ihre Präsenz im Nacken spürte, wurde das Hallen ihrer Schritte von den verzweigten, engen Gängen verschluckt, was Magnus ein ungutes Gefühl in der Magengegend verursachte. Oder war es nur der ungenießbare Rückstand des verkohlten Säugetiers, das er vor kurzem heruntergewürgt hatte? Magnus versuchte sich zu orientieren und war verwundert, dass die Höhle nicht so kühl war wie erwartet; nur die Luft roch abgestanden und hinterließ einen muffigen Geschmack auf der Zunge. Nachdem das Tageslicht immer weniger Einlass in die Verzweigungen fand, mussten sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnen. Viel zu sehr hatten sich seine mutierten Augen an Licht gewöhnt. Magnus erkannte eine Art Tunnelsystem mit dunklen, spiegelglatten Mauern. Kurz schwenkte er seine Sicht auf Wärmefelder, doch diese schienen kein verborgenes Leben preiszugeben. Die Höhe der Decke konnte er nicht erkennen, da sie entweder zu hoch oder es dafür zu dunkel war. Nur vor ihm fand seine Netzhaut einen interessanten Anhaltspunkt. Ein zart pulsierendes Licht, das blau schimmerte, strömte durch einen Flur zu seiner Rechten und zog ihn magisch an. Er folgte der Abnormität, obwohl jede Faser seines Körpers aufschrie, dies zu unterlassen. Erst als Magnus einen festen Griff um sein linkes Handgelenk wahrnahm, wurde ihm bewusst, dass er bereits in Laufschritt verfallen war. Dennoch platze ihm der Kragen bei dieser Unverfrorenheit: „Wenn du deine Finger noch weiter nutzen willst, Remo, dann lass los – ich werde es kein zweites Mal sagen.“ Es war mehr ein drohendes Fauchen als Worte. Was ist nur aus meinem gepflegten Umgangston geworden?, ärgerte er sich im Stillen. Doch er hasste es von diesem Pack angefasst zu werden, selbst … wenn er eigentlich nun zu ihnen gehörte. Magnus spürte, wie seiner Drohung Folge geleistet wurde, und schritt weiter in jene Richtung, in die ihn sein Instinkt trieb. Zu diesem verheißungsvollen, punktuellen Blau, das als einziger Reiz seine Sinne gefangen hielt.
„Warte, Magnus, das musst du dir ansehen!“, hörte er Remo plötzlich rufen und wandte seine Aufmerksamkeit auf eine transparente Abtrennung, die einen blauen Nebel beherbergte. Sie löste mit einem Mal die dunklen Mauern zu seiner Linken ab und setzte sich den Gang entlang fort. Es war mit freiem Auge bei dieser Dunkelheit nur vage zu erkennen, wo das Glas sein Ende fand.
Magnus beobachtete Remos Finger, mit denen er vor sich unlesbare Symbole nachzeichnete, die an der Oberfläche aufgetragen waren. Durch seine Berührung fingen diese an blau zu pulsieren und beleuchteten sein Antlitz auf eine befremdliche Weise. Eine jähe Gänsehaut überzog Magnus’ Rücken. Noch nie zuvor hatte er solch eine Technologie gesehen. Bei näherer Betrachtung konnte er tiefe Risse in dem Material wahrnehmen, die sich der Länge nach immer mehr dem Boden beziehungsweise der Decke näherten, bis sie dort anstießen. Hat unsere Explosion sie ausgelöst?, musste er sich unweigerlich fragen. Nur Litta schien Herr der Lage zu bleiben und erkannte die Funktion der Trennwand: „Scheinbar wird jemand oder etwas darin gefangen gehalten. Ich kann genau das Gesicht sehen. Ich glaube … es ist ein Mann.“
Magnus beugte sich näher zu der transparenten Scheibe und versuchte zwischen dem absurden blauen Rauch Strukturen und Umrisse zu erkennen, die er als Körper identifizieren könnte und … die Vampirin hatte recht, da war jemand. Zwei Augenpaare neben sich starrten ihn nun fragend an, als würde er die Antwort zu diesem Rätsel kennen. Warum wird dieses Ding gefangen gehalten? Könnte es uns nützlich sein?
Ihr braucht mich … und du weißt das!
Magnus riss die Augen ungläubig auf: „Habt ihr das gehört?“ Angespannt legte er seine Hände auf das Glas, als wäre er so näher am Geschehen und könnte die nächsten Schritte erfühlen.
„Ich würde mich nicht so an die Wand lehnen, sie wirkt meiner Meinung nach instabil.“
Magnus musste sich nicht umdrehen, um den selbstgefälligen Blick auf Littas Antlitz ablesen zu können. Ihre für eine Frau sehr tiefe Tonlage reichte vollkommen aus, um es zu bestätigen. Er ertrug ihre Gesellschaft nur, weil sie durch ihren Dienst im 11-jährigen Kolonialkrieg eine unbarmherzige Kämpferin war und nicht zögerte, wenn es um unangenehme Aufgaben ging. Das war aber auch schon alles.
Remo räusperte sich kurz. „Ich habe die Stimme ebenfalls gehört, vielleicht sollten wir ihn befreien. Er scheint ein Gefangener zu sein und womöglich könnte er uns als Gegenleistung im Kampf gegen die Vertreter der Wandlung behilflich sein“, gab Remo seine Meinung kund und schlug mit seinen Fäusten gegen das Glas, das bedrohlich zu schwingen begann. Magnus schüttelte unsicher den Kopf; das Ganze gefiel ihm kein bisschen. Es erinnerte ihn …
Plötzlich überschlugen sich in Bruchteilen von Sekunden die Ereignisse. Litta griff beidhändig zu ihren Laserkanonen und schrie: „In Deckung!“
Gleichzeitig mit Remo drehte sich Magnus zum Ursprung der vermeintlichen Attacke und ihm blieb die Luft im Halse stecken. Im Gang circa zwanzig Meter entfernt stand eine Kreatur, die sie um annähernd drei Köpfe überragte. Sie bestand aus blau leuchtendem Rauch, dessen Ausläufer wie lebende Tentakel nervös um sich schlugen. Im Zentrum war eine sehr schlanke Statur, mit zarten Gliedern und einem überdimensional großen Schädel mit goldenen Augen zu erahnen. Es schien ein pures Energiebündel zu sein und wieder klopften Erinnerungsbrocken bei Magnus an. Er kannte diese Szene von irgendwoher. Überraschend streckte das Wesen ihnen zwei Arme entgegen und schoss grelle, breite Lichtschneisen in ihre Richtung, die ihn um Haaresbreite verfehlten, weil Litta samt Remo sich auf ihn stürzten und sie zu dritt gegen die Tunnelwand auf der anderen Seite geschleudert wurden. Er hörte das Surren der auslösenden Laserkanone neben seinem Ohr. Sich duckend versuchte er, das Schussfeld von Litta zu vermeiden, die auf ihm lag und auf die unbekannte Kreatur zielte.
Befreit mich und ihr werdet leben …
Magnus' Gedanken sprangen im Kreis, als die Worte erneut seinen Geist gefangen nahmen. Die Situation erinnerte ihn zu sehr an Silenas Fähigkeit, mental zu kommunizieren: „NEIN, das ist ein Fehler!“ Doch seine Warnung kam eindeutig zu spät, da Magnus von einem hellen Funken geblendet wurde, kurz darauf folgte eine Detonation, deren Druckwelle die transparente Wand zum Bersten brachte. Etliche Splitter wurden wie Miniaturtorpedos durch die Gegend katapultiert und von einem lauten Klirren begleitet. Was auch immer das ist, es kann auf keinen Fall Glas gewesen sein, stellte Magus fest, als sich die scharfen Geschosse wie glühende Pfeile in seinen linken Handrücken bohrten.
„Aahhhh!“, schrien Remo und Litta im Akkord, bis es augenblicklich stockdunkel wurde. Aber nur kurz, denn als Magnus seine Lider öffnete, konnte er wieder das ursprüngliche, zart pulsierende Licht erkennen. Von dem merkwürdigen Angreifer war keine Spur mehr zu sehen, was nicht hieß, dass sie nun alleine waren. Um sich blickend, erkannte Magnus ein Splittermeer, was nichts Gutes bedeuten konnte. Die transparente Scheibe war nur noch im Ansatz an der Decke und am Boden sichtbar.
Magnus fühlte das Pochen seines Herzens bis in seine Ohrmuscheln und bekam kaum Luft, da er noch immer unter den Körpern von Remo und Litta begraben lag. Sein fettiges brünettes Haar klebte an seiner Stirn und sein Schweißgeruch biss ihm in der Nase. Klaustrophobie befiel ihn, sodass er versuchte, sich unter seinen Mitreisenden durch Winden seines Leibes bemerkbar zu machen. Endlich stemmte sich Litta ächzend über ihm hoch und drückte ihm dabei ihr Knie unbeabsichtigt ins Gemächt. Unweigerlich musste sich Magnus in die Zunge beißen, um den Schmerz zu kompensieren – ob es tatsächlich ungewollt geschehen war? Er war bereits geladen genug und eine Schreitirade würde an dem Schlamassel nun auch nichts mehr ändern. Stattdessen fraß er sie förmlich mit seinem Blick, den sie gekonnt ignorierte. Wie sehr er doch dieses Frauenzimmer hasste. Wenn sie nicht die Einzige unter ihnen wäre, die mit Waffen und Messern umgehen konnte, hätte er sich ihrer längst entledigt. Remo war eher für den Nahkampf und Softwaremanipulation geschaffen, wodurch Magnus keine Hoffnung hegte, dass er ihn bei einem umfassenden Angriff beschützen konnte. Immerhin war er selbst der Stärkste der Truppe. Magnus' Wut konzentrierte sich erneut auf Litta. Es war schon schlimm genug wegen ihr nur nachts voranzukommen, aber auch noch ihre aufmüpfige Visage ständig vor der Nase zu haben, war DIE Provokation schlechthin. Ihr feuerrotes Haar stand zu Berge, was wohl an der elektrischen Entladung in den Gängen liegen musste, die merklich über die Haut tanzte. Als sich nun auch Remo von ihm hochhievte, konnte er sich endlich von dem beschmutzten Untergrund lösen. Magnus streckte seine gequälten Glieder und sah an dem Desaster, das sich Kleidung schimpfte, herab. Wütend zupfte er an seinem Stehkragen und drückte seine Hemdleiste flach, die weitere braune Schlieren dazugewonnen hatten. Seine anthrazitfarbene Hose hatte einen neuen Riss zu verzeichnen. Er musste ein Fluchen hinunterschlucken. Zu gerne würde er nun alles um sich herum kurz und klein schlagen. Ihm missfiel dieser Zustand. Das war nicht das Leben, das er sich erträumt hatte. All die Macht, die Stärke und sein mutierter Körper hatten an Reiz verloren. Sein ganzes Vermögen befand sich mit hoher Wahrscheinlichkeit noch immer in seinem Heiligtum – seinem begehbaren Safe – zu dem er keinen Zutritt mehr hatte. Sein vorzeigbares Heim, samt seiner Sammlung an exquisiten Blutkonserven und unvergleichlicher Kleidung, hatte er zurückgelassen. Wie ein räudiges Tier war er, ein Verstoßener auf der Flucht und nicht der bekannte Blutfarmdirektor, der in Stratus durch seine aufsteigende Produktion glänzte und beim Rat der fünf Kolonien Eindruck schinden konnte. Diese Zeiten waren vorbei, doch er hatte sich fest vorgenommen, dass er nicht am Ende der Nahrungskette verweilen würde. Nicht er!
Magnus versuchte, die Ruhe in sich wiederzufinden und strich sich sein fettiges Haar straff über den Schädel, während er ein Knacken am Boden hörte. Remo schlich offensichtlich vorsichtigen Schrittes über die Splitter in Richtung des Angriffsursprungs und duckte sich dabei leicht, als würde dies einen Unterschied machen. Als Litta sich ebenfalls von ihm entfernte, um näher in den Bereich vorzudringen, der vorher versiegelt gewesen war, überfiel Magnus ein ungutes Gefühl. Seine Alarmglocken schlugen an. Die vormals gefangenen, lebendig wirkenden Rauchschwaden bäumten sich um ihn herum auf und nahmen nun immer mehr Raum in Beschlag. Magnus war sich schlagartig nicht mehr sicher, ob der gewaltsame Einbruch in diese Stätte eine gute Idee gewesen war. Die Stille schien plötzlich viel zu laut, wie ein Vorbote des Chaos, der seine kalten Klauen nach ihm ausstreckte und sich hämisch an seiner wachsenden Unruhe ergötzte. Jäh trat eine Silhouette aus dem mysteriösen Nebel, die kleine Blitze an ihrem Körper speiste und sie schritt ausgerechnet auf Magnus zu. Mit ihren stockenden Bewegungen und dieser unwirklich scheinenden Aura löste die Szene eine Gänsehaut bei ihm aus. Er konnte die Gesichtszüge der Person, die in etwa seine Größe hatte, nicht sehen, doch sie wirkte menschlich und erhaben. Dennoch befiel den ehemaligen Direktor Unbehagen und er wich langsam zurück. Wie gelähmt beobachtete er die mechanisch wirkenden Schritte der Kreatur, die zielstrebig auf ihn zukam. Sein Herz sprang ihm fast aus der Brust, denn da war etwas … etwas Unbegreifliches an diesem Wesen, was ihm die Gewissheit gab: Es gibt kein Entrinnen … nicht vor ihm. Und obwohl er sich akustisch bei Litta und Remo bemerkbar machen wollte, rutschte kein einziges Wort über seine Lippen.
Dein Leben für ein größeres …
Endlich machten sich seine Stimmbänder nützlich und Magnus rief nach Hilfe. Die schneller kam als vermutet, denn das übergroße Tentakelwesen erschien urplötzlich ein paar Meter hinter dem Angreifer und setzte erneut einen seiner leuchtend blauen Energieschüsse ab. Geblendet spürte Magnus einen festen Griff an seinem linken Handgelenk von jemandem, der ihn ungefragt zu sich zerrte. Doch in diesem Moment war ihm alles egal und seine Augen verdeckend ließ er sich gefügig in Richtung Höhlenausgang ziehen.
Silena stand am Fenster und blickte über die Dächer von Toa, die soeben in ein glühendes Abendrot getaucht wurden und beobachtete einen kleinen Schwarm von Flugseglern, der seinen Kreis über der ehemaligen Blutfarm zog. Die Wolken verschwammen fast in dieser malerischen Vielfalt an Farben, die sie begeistert in sich aufnahm. Silena würde sich wohl nie mit der Höhe des Gebäudes, in dem ihre Wohnung lag, anfreunden. Sie blickte die große Glaswand hinab und beobachtete das geschäftige Treiben im Randbezirk. Die Personen auf den Straßen wirkten winzig, als wären sie emsige Insekten, und die Hoverglider und Wavebikes zischten durch die Gegend wie Spielzeuge. Sie konnte sich keine Gewöhnung an diese Höhe abringen, genauso wenig wie an die Möglichkeit, sich frei zu bewegen, wann sie wollte und wohin auch immer sie ihr Weg führte. Diese gottgegebene Freiheit, die wohl nur jene Menschen nachvollziehen konnten, die wie sie in dunklen, engen Höhlensystemen unter den Gebirgszügen von Goritha aufgewachsen waren. Sie atmete tief ein und diese Ruhe schien förmlich nach Frieden zu riechen, doch dann drängte sich ein anderer betörender Duft in ihre Nase. In diesem Augenblick legten sich starke Arme um ihren Oberkörper und sie sah Edrians Antlitz in der Spiegelung des Glases. Seine Pupillen leuchteten, vor allem die goldene Umrandung seiner Regenbogenhaut, die an der Scheibe reflektierte. Sein hochgezogener Mundwinkel ließ erahnen, dass er wieder ungezogene Gedanken hegte, und sie liebte diesen Ausdruck. Schon die kleinste Berührung durch ihn bewirkte, dass ihr Körper in freudige Erwartung geriet und er nutzte dies unentwegt schamlos aus. Manchmal wünschte sich Silena, sie hätte mehr Kontrolle über sich, könnte mehr mit ihm spielen und ihn zappeln lassen. Doch dies war eindeutig sein Spezialgebiet, das musste sie ihm einfach zugestehen.
Ihre Finger glitten über seine glatte, warme Haut und er wiegte sie in leichter Bewegung, während er einen zarten Kuss auf ihren Hinterkopf setzte. Als er sie noch näher an sich zog, konnte sie seinen stahlharten Körper spüren und … „Edrian, du bist wirklich unmöglich! Wir haben Link versprochen, diesmal pünktlich zu sein. Und du machst erneut alle Pläne zunichte.“ Silena war bemüht, einen vorwurfvollen Blick aufzusetzen, doch als er von ihr abließ und sie sich zu ihm umdrehte, konnte sie nur auf seine leicht geöffneten, vollen Lippen starren, die viel zu einladend nach ihr riefen. Hitzewallungen stiegen in ihr hoch, als er wissend eine Augenbraue hochzog und siegessicher schmunzelte. Er hielt einen halben Meter Abstand, um dieses Spiel sichtlich auszukosten. Sein schwarzes kinnlanges Haar hing frech über seine Stirn und verdeckte eine Narbe. Das markante Kinn und die perfekte Nase ließen ihrer Fantasie freien Lauf und ihr Streifzug verlief über sein enganliegendes schwarzes V-Shirt, das jeden Muskel schmackhaft präsentierte. Dann weiter über seine knappe dunkelblaue Jeans, die all die Kraft kaum bändigen konnte. Und da ist es wieder! Silena spürte die Hitze in ihre Wangen steigen, da sie daran denken musste, wie geschickt er mit jedem Zentimeter seines Körpers beim Liebesspiel war. Sie biss sich selbst in die Unterlippe, um an Fassung zu gewinnen. Oh, wie ich das hasse, was er mit mir anstellt … und auch wieder liebe!
Doch Edrian dachte offensichtlich kein bisschen ans Aufhören. Sie erkannte, dass er sich auf der Jagd befand, auch wenn er sich diesmal wohlgemerkt mit seiner Folter Zeit ließ, zu ihrem Leidwesen. Als seine Blicke über ihren Leib strichen und ihr rotes Kleid fast visuell auszogen, blieben sie urplötzlich bei ihren Unterarmen hängen. Sein Gesicht wurde schlagartig von Sorge überschattet, denn er hatte ihre frischen Nadelstiche wahrgenommen. „Silena, das muss endlich aufhören! Ich weiß, dass du es als deine Aufgabe siehst, das Zusammenleben zwischen Vampiren und Menschen durch dein Blut zu vereinfachen, doch so viele Blutabnahmen, wie du dich in den letzten Monaten unterzogen hast, sind selbst für deinen Organismus zu viel. Du musst einmal Pause machen. Ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern, wie deine Arme unversehrt aussehen.“ Die Worte im tiefen Bariton wurden durch zärtliches Streicheln des Hünen über ihre Blessuren begleitet. Silena musste ihren Kopf in den Nacken legen, um ihm in die Augen blicken zu können, als er nun näher an sie herantrat. Lautstark schluckend versuchte sie, Argumente zu finden, die die Notwendigkeit ihres Handelns unterstrichen. Ihr wäre es selbst lieber gewesen, es ginge ohne all die Nadeln. Edrians Blick ließ keinen Zweifel aufkommen, er war so eindringlich, als wollte er ihre Zusage, dass sie sich etwas zurücknehmen würde, aus ihr herausstarren. Doch sie konnte nicht. Sie fühlte sich verantwortlich für das Chaos in den Straßen.
Aus den ursprünglich zwei Spezies waren vier Interessensgruppen geworden: die Vampire, die Menschen, die Sympathisanten und die Gewandelten; und das machte alles noch komplizierter. Der Streit um ihr Blut war ausgebrochen und über eine neue Herrschaft, an der jede Gruppe ebenbürtig beteiligt sein wollte.
Seit Silena erfahren hatte, dass sie eine gekreuzte Züchtung aus Mensch und Alien war, ein Experiment, um die Ausrottung der Menschheit zu verhindern, hatte sich ihr Weltbild schlagartig verändert. Sie war nur geschaffen worden, um die Rasse der Vampire für immer auszulöschen, wie eine Waffe aus lebendem Gewebe, der man nicht zugetraut hatte, ein Gewissen und eine Art Moral zu entwickeln. Ihr war daher wichtig, ihren eigenen Weg zu gehen, fernab von dem Plan, der in ihrer DNA verewigt stand. Sie wollte eine Gemeinschaft bilden, in der Menschen keine Angst um ihr Leben und ihre Freiheit haben mussten und Vampire keine Sättigung mehr über Menschenblut erfahren sollten. Eine Gemeinschaft, wo jeder ohne Unterdrückung existieren durfte. Die Rolle der Sympathisanten würde sich ihres Erachtens nach von selbst ergeben, wenn Ruhe eingekehrt war.
Als ob Edrian ihre Gedankengänge verfolgen könnte und ihren inneren Drang spürte, in den Kolonien endlich Frieden und Harmonie einkehren zu lassen, nahm er sie in den Arm. Sie genoss es, sich an seine Brust zu schmiegen und sein starkes Herz schlagen zu hören. Edrian war wie ein Ruhepol, der alles um sie herum stillstehen ließ, alles wurde surreal und unwichtig, solange er nur bei ihr war.
„Ich weiß, Edrian. Ich bemühe mich, kürzer zu treten.“
Wie zur Antwort strich er sanft über ihren Rücken und sie inhalierte seinen intensiven, würzigen Duft. „Ich liebe dich“, flüsterte Silena zufrieden.
***
Edrian schob Silena in der „Newtimes Bar“ vor sich her und lotste sie mit seinen breiten Schultern sicher durch die tanzende Menge. Er konnte ihre Verspannung unter der zarten Haut spüren. Solche Massenansammlungen waren ihr noch immer nicht geheuer. Obwohl er in dem gemeinsamen halben Jahr häufig versuchte, sie an andere Personen, neue Situationen und tägliche unumgängliche Vorgänge zu gewöhnen, rutschte sie hin und wieder in ihr altes Muster der verschüchterten, zerbrechlichen Frau. Die Art, wie ihre Augen herumirrten, um jede Bewegung festzuhalten und jeden Gesichtszug der Leute deuten wollten, ob sie sie nun als Feind oder Freund einzuordnen wären, unterstrich ihre Unsicherheit. Dabei ruhte eine Macht in ihr, die ebenso unberechenbar wie gewalttätig war. Jeden Moment konnte sie einen ganzen Landstrich dem Erdboden gleichmachen. Und er hatte dies leibhaftig miterlebt. Doch diese Selbstsicherheit und Stärke war eng an ihre Emotionen geknüpft und ihre menschliche Seite überdeckte oft diesen machtvollen blau leuchtenden Kern. Wobei Edrian sicher war, dass dies seine Richtigkeit hatte. Zwar wurden dem Rat und der Bevölkerung berichtet, dass sie über diese Gabe verfügte und sie ihr Blut samt der Macht, die es beinhaltete, gegen die Verschonung der Menschen eintauschen würde, dennoch war die Skepsis ihr gegenüber spürbar. Es herrschten gemischte Gefühle gegenüber den Vorteilen einer Wandlung und angesichts der möglichen Nebenwirkungen, die noch keiner absehen konnte. Man verurteilte das rasche Vorgehen in manchen Fällen, aber trotz allem setzten immer mehr Menschen ihren Fuß in die Kolonien der Vampire. Manche, weil sie den Schutz der Höhlen nun als Gefangenschaft sahen, andere, weil sie aus den Blutfarmen ausgebrochen waren, nach all den Revolten und Kämpfen. Dennoch gab es regelmäßig Opfer, weil keine flächendeckende Regelung getroffen wurde, der Rat sich neu zusammensetzen und neue Gesetze erlassen musste.
Am Ende der Bar konnte Edrian eine hochgestreckte Hand erkennen, die wild fuchtelte, um sich bemerkbar zu machen. Da er so groß war, konnte er an dem zappelnden Arm seinen in Flicken gehüllten Kumpel Link erkennen. Gerade als sie die letzten Meter hinter sich bringen wollten, kam von links eine Flasche geflogen, die beinahe an Silenas Kopf gelandet wäre. Durch seine hohe Reaktionsgeschwindigkeit konnte Edrian sie in der Luft abfangen und stierte nach dem Wahnsinnigen, der es wagte, seiner Freundin zu Leibe zu rücken. Dieser brauchte offenbar keine Einladung, denn er stürmte direkt auf die beiden zu. Der Mann trug nur ein dunkles Ledergilet über seinem blanken Oberkörper und eine Jeans, die recht tief auf der Hüfte saß, sodass er sie um Haaresbreite verlor. Mit hoch erhobenem Haupt, obwohl er nicht viel größer als Silena war, fuhr er sie mit drohendem Zeigefinger an: „Du verdammtes Miststück bist schuld, dass mein Bruder verendet ist! Ein paar deiner geliebten Sympathisanten haben ihn gefesselt und ihm dein Blut gegen seinen Willen eingeflößt, um ihn dann verrecken zu lassen. Und nur, weil er nicht bereit war, Tierblut anzunehmen! Sind das deine Methoden, um Frieden zu schaffen? Ha?!“ Edrian stemmte sofort seinen ausgestreckten Arm gegen den wild gewordenen Vampir, den er an seinen blauen leuchtenden Ringen um die Iris erkannte. Edrian musste sich schwer beherrschen, denn in seinen Gedanken riss er dem Angreifer vor Wut buchstäblich die Gliedmaßen aus. Bei einem kurzen Blick hinab zu Silena konnte er ihre Augäpfel blau aufflackern sehen, dennoch schüttelte sie den Anflug von Zorn ab: „Das wollte ich nicht. Ich hab nichts damit …“, versuchte sie mit gerunzelter Stirn zu erklären, als sie forsch unterbrochen wurde: „Das kannst du dir sparen, du Missgeburt! Hast du dir schon angesehen, welches Desaster du über die Kolonien gebracht hast? Die meisten Blutfarmen sind geplündert worden und du lässt keinem Vampir mehr eine Wahl oder Überlebenschance! Es herrscht Gewalt an fast jeder Ecke und die Häuser werden überfallen und ausgeräuchert. Nur wenige können sich Schutz leisten, so wie diese Bar hier …“ Er schien so richtig in Fahrt zu kommen, denn trotz der lauten Musik schrie er so unüberhörbar, dass auch andere nun ihre Aufmerksamkeit auf die Szene richteten. Seine feuchte Aussprache wurde unangenehm und Edrian spürte mehr Druck gegen seinen noch immer abwehrenden Arm.
„So mein Lieber, lass es gut sein. Wir sind nicht hier, um das auszudiskutieren. Wenn du jemandem die Schuld für das Ganze geben willst, dann wohl dem Rat, der es die letzten Monate nicht geschafft hat, sich zu einigen.“ Edrian missfiel, dass der Vampir ihn keines Blickes würdigte und stattdessen ohne zu zwinkern Silena mit seinen Augen erdolchte, wodurch er in ihm Hass schürte. Um sein Missfallen zu verdeutlichen, packte Edrian ihn nun an der Kehle, zog ihn direkt an sein Gesicht und flüsterte ihm unmissverständlich zu: „Lass. Es. Sein. Und wehe, du trittst ihr nochmal zu nahe oder machst ihr gar Angst, dann bekommst du es mit mir zu tun. Haben wir uns verstanden?“
Obwohl Vampire stärker waren und länger lebten als Menschen, war Edrian ihm zusätzlich durch seine Mutation kräftemäßig weit überlegen, dank Silenas Blut, das ihn zu einem sonnenwandelnden Muskelpaket gemacht hatte. Deshalb wusste sein Gegenüber auch, dass Edrian diese Drohung in der Kürze eines Wimpernschlages wahrmachen könnte, sollte er diesem Rat nicht Folge leisten.
„Wow Leute! Nun mal schön langsam, wir sind alle hier, um die Nacht angenehm und feuchtfröhlich ausklingen zu lassen. Keiner sucht Streit, vor allem, wenn wir jemanden in unserer Mitte haben, der die ganze Bude in Schutt und Asche verwandeln kann – nicht wahr?“, überdröhnte nun Links Stimme die Situation, der sich bewusst zwischen Edrian und den Streithahn stellte und sie voneinander löste. Sekunden verstrichen, in denen alle Anwesenden den Atem anzuhalten schienen, die Musik mental in den Hintergrund geriet und die Bewegungen in Zeitlupe abliefen. Silena versuchte, diese Spannung durch eine ausgestreckte Hand zu lösen und wandte sich erneut an den Vampir, der sein Haupt kahl rasiert trug: „Es tut mir wirklich leid und ich versichere dir, dass ich mein Bestes gebe, dass diese Machtkämpfe und Krawalle ein Ende finden.“ Sehr viel Hoffnung schwang in ihren Worten mit, die sich im Lärm der Musik fingen. Die Menschenmenge begann von neuem ausgelassen zu zappeln und der Angreifer zog nur eine missbilligende Fratze, als er schlussendlich in Richtung Ausgang losstartete und Silena mit der friedensuchenden Geste zurückblieb. Zum Glück ließ Link sie nicht im Regen stehen, legte seinen Arm um ihre Schultern, um sie zu ihrem Stammplatz zu führen, während Edrian ihnen in Gedanken versunken folgte.
Magnus lief durch die Gänge und folgte Litta, die für ihre kleine Statur eine verdammt schnelle Sprinterin war. Selbst er kam kaum nach. Hinter sich hörte er Schritte und er konnte beim Umdrehen Remo ausmachen, der ebenfalls aus den Klauen der Szene entronnen war. Doch zu spät erkannte er die Sackgasse, als er sich wieder nach vorne orientierte und direkt in Litta stolperte, die Halt gemacht hatte. Exakt dort, wo sich noch vor wenigen Minuten der Eingang der mysteriösen Höhle befunden hatte. „Was soll das? Haben wir uns verlaufen?“, rutschte es Remo heraus, der seine Schwester zur Seite schob, seine Hand auf die Anhäufung aus Geröll legte und kurz aufschrie. „Es ist verdammt heiß!“, fluchte er und betrachtete die roten Stellen auf seinen Fingern.
„Sieht ganz nach Verbrennung aus, du wirst Blasen bekommen“, gab Litta lapidar von sich und suchte die verkeilten Brocken nach Löchern ab. „Ich befürchte, die ersten Schüsse dieses ‚Dings’ waren gar nicht für uns gedacht, sondern dazu, uns nicht mehr entwischen zu lassen. Diese Energieladungen haben den von uns aufgebrochenen Eingang vollständig zum Einsturz gebracht und die Einzelteile sind geradezu ineinander verschmolzen. Es muss eine unbeschreiblich große Kraft gewesen sein, um das zu vollbringen. Selbst wenn sie abgekühlt sind, können wir nicht sicher sein, ob sie sich lösen und entfernen lassen.“
Magnus war wieder genervt von diesem wissenden Gehabe, zog an ihrem Handgelenk und führte ihr die Lederhandschuhe vor Augen: „Wenn du schon so gut gegen die Sonne geschützt bist, könntest du deine Lederkluft auch dafür nutzen, um zu testen, ob sich ein Felsen regt. Sei also zur Abwechslung mal nützlich“, erklärte er ihr mit einem leicht bedrohlichen Unterton. Litta riss sich aus seiner Umklammerung und funkelte ihn böse an, sofern er es in den schlechten Lichtverhältnissen richtig deuten konnte.
„Das kannst du vergessen! Remo mag wohl dein Mann für alle Fälle sein, aber mich bezahlst du weder, noch schulde ich dir was!“ Sie stützte ihre Arme an ihrer Hüfte ab und lehnte ihren Oberkörper näher zu ihm. „Ach ja, wenn wir gerade dabei sind, eigentlich bist du MIR etwas schuldig. Immerhin habe ich dich rechtzeitig aus den Klauen dieser Person gerissen, die weiß Gott was mit dir vorhatte. Nicht zu vergessen dieses blaue Nebelwesen, das zu einem Schuss angesetzt hatte. Also versuch etwas mehr Zucker in dein Maul zu stopfen. Dieses Drohgehabe zieht bei mir nicht, Magnus!“
Der Direktor spürte, wie ihm unweigerlich der Unterkiefer herunterklappte. Er konnte nicht fassen, wie sie mit IHM sprach. Was fällt ihr ein? Weiß sie nicht, wer ich bin, und dass ich sie in der Luft zerreißen könnte? Doch exakt, als er sich zynische Worte auf die Zunge legen wollte, um ihr mehr Niveau einzubläuen, fiel ihm partout nichts ein. Nur sein Adamsapfel hüpfte bei dem Versuch zu sprechen auf und ab. Als sich nun auch noch seine Augenbraue selbstständig machte, reichte es ihm: „So, meine Liebe, du hast dir gerade einen Freibrief verschafft. Es steht dir offen, jederzeit zu gehen, am besten, wenn beide Sonnen im Zenit stehen. Doch ich rate dir, deinen Hintern nicht weiter um meine Person zu bewegen, solange ich ein Mitspracherecht habe!“ Bei der Schreitirade beugte er sich nun direkt zu ihrem Gesicht, doch sie verzog keine Miene, als wäre sie diese Art von Kommunikation gewohnt … im Gegensatz zu ihm.
„Du bist wirklich der beste Beweis dafür, dass die Spezies auf diesem Planeten nicht zusammenleben können, ohne sich an die Gurgel zu gehen“, ließ sie ihn wissen.
„So, Schluss jetzt! Auseinander! Das ist ja nicht auszuhalten. Fakt ist, die Felsen sind zu heiß, um sie zu verschieben, also sollten wir gemeinsam eine andere Lösung finden. Ich würde vorschlagen, wir teilen uns auf und durchsuchen die Gänge nach einem anderen Ausgang.“ Als Magnus Remos Hand auf seiner Schulter spürte, die ihn und Litta auseinanderzog, rollte erneut eine Welle der Wut über ihn: „Nicht anfassen, habe ich gesagt!“ Magnus fegte mit den Fingern über seine Schulter, als vermutete er dort Krümel, und strich sich dann über die zitternde Augenbraue.
„Da ist etwas Wahres dran, Remo. Außer einer Sache … ich werde gewiss nicht allein in diesem Grab herumstapfen, wo jederzeit noch solches Getier hinter einer Nische hervorspringen könnte. Also kommst du mit mir und deine Plage von Schwester schicken wir auf eine andere Route …“
Remos Antlitz wirkte genervt, als er seine Brauen hochzog: „Nein, ich habe Litta vor Jahren schon einmal allein gelassen und war nicht für sie da, als sie mich am Nötigsten gebraucht hätte. Ich werde das kein zweites Mal dulden. Wir gehen alle zusammen.“
Höre ich richtig? Seit wann gibt er den Ton an?! Doch Magnus erhob keinen Einspruch, denn er wollte in erster Linie hier raus. Diese glatten, dunklen Mauern bereiteten ihm Klaustrophobie und sie sollten nicht das Letzte sein, was er in seinem Leben zu sehen bekommen würde.
***
Edrian ließ Silena nicht aus den Augen. Zum ersten Mal hatte sie sich alleine auf die Tanzfläche gewagt, um mit ein paar Frauen und Vampirinnen leicht im Takt zu schwingen. Er hielt sich bewusst von der Menge fern. Tanzen war nicht seine Welt und er würde womöglich jeder Frau den Gedanken vermitteln, er würde sich in allen Lebenslagen so ungeschickt anstellen. Vor allem Silena sollte es nicht sehen, das wäre mehr als peinlich. Hin und wieder lugte sie ihn über die Schultern an, als wollte sie sichergehen, dass er über sie wachte, was ihm schmeichelte. Sie hatte ihn nicht nötig, wenn es um Schutz ging, doch die Illusion war dennoch schön.
„Hey! Dein Grinsen ist dir nicht aus dem Gesicht zu wischen, das ist geradezu unheimlich. Dich muss es wirklich voll erwischt haben“, neckte ihn Link, der sich beim Kosten des Alkohols fast verschluckte und anschließend eine Grimasse zog. „Yak! Wie soll man so etwas runterbringen? Mal ehrlich, geht dir nicht der Geschmack eines Yellows ab? Das ist Mist, die Bars müssen sich etwas anderes einfallen lassen.“
Edrian musste schmunzeln, denn seinen Freund klagen und schimpfen zu hören, sowie dieses gehässige Lächeln, waren sensationell und er sog diese gemeinsamen Augenblicke in sich auf. Vor Monaten hätte er nicht gedacht, dass er selbst dieses gütig wirkende Gesicht mit einer Schussnarbe verzieren würde. Bei dem Gedanken wurde ihm wieder flau im Magen und er versuchte ihn abzuschütteln.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“ Link strich sich über seine blonde Stehfrisur und sah ihn skeptisch an. Edrian wollte Zeit schinden, indem er die bewegte Masse überblickte, deren Schweiß in der Luft hing und jeden Zentimeter des Raumes füllte.
„Nein, mein Freund, es ist nur … es gab diese Zeit, wo ich dachte, wir würden …“, er stockte, weil ihm die Luft wegblieb, als er ihn wieder anvisierte. Genervt bändigte Edrian seine Mähne.
„… nie mehr gemeinsam einen trinken gehen? Ach ja, da war ja was.“ Link starrte ihn kurz ausdruckslos an. Ab und zu zuckte sein rechtes Lid, was wohl einen bleibenden Schaden darstellte, nachdem Edrian ihm mit seiner Laserkanone direkt ins Gesicht geschossen hatte. Er musste laut schlucken und wusste, Link wollte kein Mitleid. Im Gegenteil, sein Kumpel wollte vergessen. Daher ließ sein Gegenüber wieder Wärme über sein Antlitz gleiten und klopfte Edrian auf die Schulter: „Lass uns damit ein für alle Mal abschließen. Ich habe dir damals keine andere Wahl gelassen und ich hätte vielleicht nicht so geldgierig handeln dürfen. Ich war vor Hunger blind geworden und hatte mir selbst eingeredet, dich kalt zu machen wäre zu deinem Besten, um deine Sucht zu beenden. Ich schätze, wir haben also beide Fehler gemacht.“ Mit diesen Worten hob er das Glas mit dem ungeliebten Getränk und Edrian tat es ihm gleich. „Auf uns und vor allem auf euch!“
Jedes Mal, wenn Link solche Andeutungen machte, war so ein kleines Glänzen in seinen Augen, der stille Vorwurf, dass Edrian sich doch tatsächlich mit einem Menschen eingelassen hatte. Wobei Silena ja eigentlich keiner war. Aber streng genommen hatte er recht. Noch vor einem Jahr hätte man ihm Silena auf den Bauch binden können und nichts hätte sich geregt. Aber nun … Erneut blickte Edrian auf die Tanzfläche. Die Musik war mit rhythmischem Bass durchzogen und ein Sänger mit tiefer Stimme heizte der Masse ein, als spiele die Band live.
Warum trägt Silena nur wieder dieses verflixte rote Kleid, aus der Zeit, als wir auf der Flucht waren? Es war ein rotes Tuch für Link und das Mahnmal für Ereignisse, die sich in sein Gedächtnis gebrannt hatten. Dennoch wusste er, dass Silena es nicht deswegen ausgewählt hatte. Sie sah einfach heiß darin aus und so viel Auswahl bot ihr gemeinsamer Kleiderschrank nicht. Das Kleid hatte schmale Träger und die Ausschnitte am Rücken sowie beim Dekolleté fielen sehr großzügig aus. Während es sich eng an ihre Taille schmiegte, entfaltete sich der zarte Stoff abwärts ihrer Hüften und schwang bei jeder ihrer Bewegungen. Das Gewebe umschmeichelte ihre Kurven und ließ bei Edrian mehr Blut in seine Lenden schießen, als ihm lieb war. Dann auch noch das hochgesteckte Haar mit vereinzelten losen Strähnen, das jedem einen freien Blick auf den grazilen, einladenden Nacken schenkte. Diese blonde Pracht war einzigartig in der Menschenwelt und allein, jeden Tag die Sonnenstrahlen darauf zu sehen, die es zum Schimmern brachte, war unvergesslich. Wieder sah sie ihn mit diesem bezaubernden Lächeln an und er konnte nicht fassen, dass sie zu ihm gehörte.
„Das ist furchtbar, wie du sie anschmachtest! Ihr könnt wirklich nicht die Finger voneinander lassen, oder?“, motzte Link aus der Ferne.
„Du bist ja nur eifersüchtig“, gab Edrian keck zurück, ohne ihn auch nur anzusehen, weil er Silena ein breites Grinsen zuwerfen musste.
„Du hast recht, und rote Stoffreste würden sich gut für einen neuen Mantel machen. Würde mir gewiss stehen.“
Gerade aus dem Glas trinkend, verschluckte sich Edrian und musste laut losprusten. Diese Aussage war typisch und konnte nur von Link kommen mit seinem Faible für zusammengestoppelte Kleidung.
Unvermutet stand Silena neben ihnen: „Na? Amüsiert ihr euch?“
„Prächtig, mein Schatz.“ Noch immer versuchte Edrian seinen Lachkrampf im Zaum zu halten.
„Ich geh nur schnell auf die Toilette, also kein Grund zur Beunruhigung und nein – du musst nicht mitkommen.“ Silena zwinkerte ihm zu und wandte sich bereits zum Gehen, als er sie am Handgelenk zurückzog, seine Arme fest um sie schlang und sie leidenschaftlich küsste. Es trieb ihn an, die Endorphine einzuatmen, die sie just ausstieß. Ein Begehren entbrannte in ihm, als ihr Körper zart zu beben begann und der Duft ihres Blutes aus jeder Pore gepresst wurde. Ihre Finger krallten sich in seine Brust und schienen hungrig zu werden. Wenn sie dies tat, wurde er blind für die Umgebung und Situation, in der sie sich befanden. Denn er wollte sie nur aus ihren Kleidern herausschälen, seine Lippen und Hände jeden Zentimeter ihres Leibes erkunden lassen. Doch es war auch schön, mitten im Unterfangen innezuhalten. Zu sehen, wie ihre Beine nur schwer die Balance halten konnten und ihr Blick lustverhangen auf ihn geheftet war. Genau wie jetzt. Die Art, wie sie zu ihm aufsah, ließ seinen Jagdinstinkt aus den Tiefen seines Seins aufsteigen.
„Warum tust du das immer mit mir?“ Silenas Worte erloschen im Lärm des Lokals, dennoch konnte er es von ihren Lippen ablesen. Edrian wusste, dass ihre Lust ihr bereits einen feuchten Slip beschert hatte.
Mit breitem Grinsen näherte er sich ihr und flüsterte an ihrem Ohr: „Weil ich es kann.“
Silena ging mit weichen Knien in Richtung Toilette. Sie wusste genau, dass Edrians Blick an ihrem Gesäß haftete und bemühte sich daher, so sexy wie möglich zu gehen. Ihr blieb nicht verborgen, dass andere Männer ihr nachstierten. Vampire, ein paar Gewandelte und vereinzelt auch Menschen. Durch ihre Pupillen waren sie eindeutig zu unterscheiden. Und sie musste feststellen, dass sie dieses Gefühl genoss. Zu viele Jahre war sie abgewiesen worden, nie wurde sie als sinnliches Geschöpf gesehen, und nun diese glühenden Augen über ihre Statur streichen zu sehen, war ein großes Geschenk, das sie willig annahm. Silenas Lippen fühlten sich leicht geschwollen an und sie könnte schwören, noch immer exakt jene Stellen an ihrem Rücken nachzeichnen zu können, wo eben Edrians Arme sie umfasst gehalten hatten. Niemals hätte sie für möglich gehalten, dass der Hass, den er ihr vor über einem Jahr gegenüber empfunden hatte, eines Tage in solche Passion umschlagen könnte. Die Liebe hatte Silena berührt und ihre zarten Flügel um sie gelegt, und so zerbrechlich sie auch waren, so unverwundbar schien diese Beziehung zu Edrian zu sein. Ein verträumtes Grinsen zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, als Silena den Flur entlang, an dem Lager des Lokals vorbei zur Toilette schritt. Doch sie kam nicht weit …
Edrian huschte von hinten an sie heran, umfasste Silenas Taille, stieß mit Gewalt die Tür des Lagers auf, um sie mit sich hinter die Tür zu ziehen. Gierig presste er sie gegen die Wand und warf dabei einen Stapel Flaschen um, deren Klirren den Raum erfüllte.
„Edrian! Du hast mich so erschreckt! Was soll das werden?“, schnaufte Silena, die tatsächlich einen verdutzten Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte. Er brauchte jedoch lediglich einen Mundwinkel hochziehen, um die Unruhe in ihr zu schüren. Über der Lagertür fiel gedämpftes, künstliches Licht in den Raum und hüllte sowohl gestapelte Kisten und Regale, gefüllt mit Putzutensilien, als auch seine Beute in ein mysteriöses Spiel aus Schatten und Helligkeit.
„Wonach sieht es denn aus? Du glaubst doch nicht, dass du mit wiegenden Hüften in diesem Hauch von Nichts wegstolzieren kannst, ohne dass es eine Wirkung bei mir hinterlässt, oder?“
Sie presste ihre Lippen zusammen, um verstohlen zu Boden zu lugen. „Ich dachte, ich könnte dich nicht reizen. Edrian, der sich, was das betrifft, immer sooo unter Kontrolle hat.“ Als sie wieder zu ihm aufblickte, war ein herausforderndes Funkeln in ihren Augen. Das Spiel gefällt mir, musste er unweigerlich zugeben und er war bereit die Herausforderung anzunehmen. Er näherte sich ihrem Mund, um kurz davor zu verharren. Ihre stoßweise Atmung an seiner Haut war deutlich spürbar, was ihn unheimlich anturnte. „Ist das wirklich so?“, flüsterte er. Sie nicht aus den Augen lassend, stemmte er nun seine Hände links und rechts gegen die Wand, gab ihr mehr Freiraum, sodass er keinen Zentimeter mehr von ihr berührte, nur um sie frustriert schlucken zu sehen. Da kam kurz ein flehender Ausdruck in ihrem Antlitz zustande, den sie gekonnt zu überspielen versuchte. Edrian schwenkte sein Sehspektrum, um ihr rasendes Herz zu erkennen, das Blut durch den erhitzten Körper pumpte.
„Edrian, wir sind in einer Abstellkammer. Das ist nicht unbedingt ein geeigneter Ort …“
Um Silena noch mehr aus der Fassung zu bringen, schenkte er nun ihrem Hals Aufmerksamkeit und blies heißen Atem vom Ohr beginnend bis zu ihrem linken Schlüsselbein entlang. Deutlich vernahm er das Pulsieren ihrer Lust, die seine eigene steigerte und ihm bestätigte, dass die Taktik des Hinhaltens sie langsam zur Verzweiflung brachte. Im Augenwinkel konnte er sehen, wie ihr Körper vermehrt zu zappeln begann und sich ihre zarten Brustwarzen zusammenzogen. Selbst durch den Stoff war es erkennbar. Eigentlich war es fies und in Edrians Schritt wurde es unangenehm eng, doch Silena so aus der Reserve zu locken, war einfach zu köstlich. Noch hatte er sie nicht da, wo er sie haben wollte. Sie soll betteln!
Ihr Herz klopfte so fest gegen die Brust, dass es schon wehtat, und ihr Atem ging viel zu schnell, um die Coole glaubhaft zu markieren. Reiß dich zusammen, er will dich leiden lassen und du kannst das auch, wenn du willst! Silena war gefangen von seinem Blick, diesen glühenden goldenen Ringen, die kein Zwinkern zuließen, weder bei ihr noch bei ihm. Ihre Beine fühlten sich wie Gummi an und ihr rechtes Knie zuckte nervenzerreißend. Sie konnte mehr als deutlich spüren, wie ihr Schritt immer feuchter wurde und sich ihr Unterleib hungrig zusammenzog. Ein hartes Schlucken konnte diesen Zustand nicht vertreiben und sie musste vor Verlangen in ihre Unterlippe beißen. Das ist einfach nicht fair! Trotzig hob sie ihr Kinn und versuchte nicht auf seinen unwiderstehlichen Duft und die angespannten Oberarme, die in kräftige Schultern und die breite Brust übergingen, anzuspringen. Er wusste zu genau, was sie schwach machte, und er hatte Jahrhunderte an Erfahrung im Umgang mit dem anderen Geschlecht, im Gegensatz zu ihr. Testen und Beobachten waren ihre einzigen Mittel, um ihm zumindest ein wenig die Stirn zu bieten. Denn wie eine Raubkatze lauerte er vor ihr und fraß sie bereits in seinen Gedanken. Das konnte sie sehr genau erkennen. Silena schluckte lautstark und führte eine Hand an ihr Dekolleté, an dem ihr Zeigefinger lasziv begann, Kreise von ihrem Schlüsselbein hinab zu ihrer Brust zu zeichnen. Ganz, ganz langsam. Und es klappte. Zuerst nur für Millisekunden abgelenkt, senkte Edrian seinen Blick, um dann wieder innig in ihren Augen zu versinken, dicht gefolgt von der Kapitulation. Lüstern folgte er ihrem Finger, der nun spielerisch an ihrer rechten Brustwarze angekommen war und zaghaft darüber wanderte, um sie durch den Stoff noch mehr zu reizen. Edrian benetzte die Lippen und sie konnte aus dem Augenwinkel erkennen, dass seine Finger sich anspannten und drohten, sich in die Wand zu graben. Es ist unglaublich! Es fühlt sich so fantastisch an!
Plötzlich wurde die Tür zum Lagerraum aufgerissen und ein Kellner sah ihnen überrascht entgegen.
„Verzieh dich, sofort!!!“, fuhr ihn Edrian mit ausgefahrenen Eckzähnen an und zerriss die prickelnde Stille ihres Rückzugsorts. Soviel zur Kontrolle, musste Silena nun triumphierend schmunzeln. Doch leider hatte Edrian es gesehen und seine Anspannung war förmlich in der Luft zu spüren. Wie kleine Funken, die vor ihren Augen tanzten, während der Kellner rasch die Tür schloss und man seine Sohlen auf dem Kunststoffboden im Laufschritt entfernen hörte.
Edrian konnte es nicht fassen, Silena spielte mit ihm, und zwar mit seinen eigenen Waffen! Das Unfassbare dabei war nur, dass es ihm gefiel. Dennoch wollte er nicht als Verlierer aus diesem Verführungskampf ziehen, so schnell würde er sie nicht siegen lassen. Selbst wenn das Pochen in seinen Lenden ihm Schweiß auf die Stirn trieb. Der Druck begann bereits zu schmerzen. Die Änderung der Taktik musste somit eine Wirkung zeigen und wenn das „Nicht-berühren“ sie noch nicht aufgeben ließ, dann vielleicht das Berühren. Edrian lehnte sich nun so nah an sie, dass er ihr seine Erektion direkt in den Bauch drückte und entlockte ihr dadurch ein leichtes Seufzen. Vor seinen Augen konnte er ihre Bemühungen sehen, diesen Schritt zu ignorieren, doch das Knabbern an ihrer Unterlippe und der Ausstoß zusätzlicher Hormone verrieten sie.
Als Edrians empfindliches Gehör nun erneut Geräusche im Flur vernahm, packte er Silena, überwand die Distanz zur Eingangstür, um seine Beute etwas zu fordernd gegen die Eingangstür zu schieben, um neue Störenfriede mit Sicherheit abzuwehren. Weiteres Klirren von leeren Flaschen hallte durch den Raum und echote in seinen Ohren nach. Sein ganzer Körper prallte gegen Silena, sodass ihr Kopf leicht nach hinten schlug, und ihr mit geschlossenen Lidern ein überraschtes Stöhnen entfuhr. Ihre Arme hatten den Weg auf seinen Rücken gefunden und die Nägel gruben sich in sein Fleisch, was ihn ebenfalls vor Lust scharf Luft holen ließ. Edrian unterstrich die bereits sehr direkte Forderung, indem er seine Hüfte leicht gegen ihre bewegte, um ihren Puls noch mehr zum Rasen zu bringen: „Ich kann riechen … dass du mich in dir spüren willst. Also warum sagst du es nicht einfach, Silena?“
Ihr Atem stockte und sie rang um Fassung. Edrian sah, wie ihre Lippen leicht zu beben begannen. Sollten endlich die erlösenden Worte aus ihrem Mund kommen? Erst jetzt erkannte er, dass auch sein Puls raste und er kein Interesse mehr an einem langsamen Vorspiel hatte. Seine Kontrollmauer bröckelte bereits verdächtig und viel länger konnte er sich nicht mehr im Zaum halten. Er wollte sie, hier und jetzt!
Hitze überwältigte Silena, die sie in heißen Wellen erfasste, ihr Blut zum Kochen brachte und wie heiße Lava durch ihren vibrierenden Körper strömte. Ich kann nicht mehr, bitte Edrian, ich will dich in mir fühlen … Silena musste es nur sagen, dann könnte sie sich ihm hingeben und diesen heranschleichenden Orgasmus noch intensiver genießen, der sich ihr allein mit seinen Worten und seiner Präsenz langsam, aber sicher aufzwängte. Du schaffst das! Sie schlug die Augen auf und musste auf seine leicht geöffneten Lippen starren. Silena wollte sie so gerne auf den ihren und über den restlichen Körper gleiten spüren. Ihr Mund setzte bereits an, den Satz in sein Ohr zu hauchen, doch ein letzter Impuls schoss in ihre rechte Hand, die von seinem Rücken zögerlich zu ihrem Bauch wanderte, sich zwischen ihren Leibern durchzwängte, um unter das hochgerutschte Kleid zu gelangen. Wie in Trance schob sie zwei Finger unter ihren Slip, um die Feuchtigkeit ihrer Lust aufzunehmen und die finale Kampfansage zu inszenieren. Edrian hob eine Braue, als könne er nicht fassen, dass sie bereit war, so weit zu gehen. Aber genau dieser ungläubige Blick war es, der sie bewog, ihre getränkten Finger langsam zwischen ihnen hervorzubringen und direkt unter Edrians Nase zu setzen. Seine Brust hob und senkte sich beachtlich, er wollte offenbar um jeden Preis der Versuchung standhalten, doch im Bruchteil einer Sekunde schloss er seine Lider, um den Duft des Verlangens an ihren Fingern tief zu inhalieren. Wie einer Droge verfallen, konnte sie in seinem gespannten Antlitz erkennen, war nun der Damm der Leidenschaft endlich gebrochen. Erleichterung kam in Silena hoch, als er fordernd seine Lippen auf die ihren legte, seine Hände gierig an dem Kleid zerrten und sie schlagartig nur noch im Slip dastand. Seine geschickte Zunge eroberte ihren Mund und ließ ihr kaum Platz nach Atem zu schnappen. Geschickt glitten seine Hände über ihre Haut und setzten sie in Flammen. Gleichzeitig breitete sich eine Gänsehaut auf ihr aus sowie der Hunger, endlich von Edrian genommen zu werden.
„Bitte, Edrian! Ich brauch dich!“ Sie schlang ihr Bein um seine Hüften, um sich verlangender an seiner Erektion zu reiben. Ist es wirklich möglich, dass er mich bereits so zum Höhepunkt bringt?
Es schließlich aus ihrem Mund zu hören, ließ ihn alles um sich herum vergessen. Noch nie zuvor war sein Hosenbund so schnell zwischen seinen Knöcheln gelandet. Noch nie zuvor musste er seinen Fingern Einhalt gebieten, sie nicht zu grob anzufassen und ihren Slip in Fetzen zu reißen. Es gab Tage, da war ihr süßer Duft intensiver als an anderen und genau heute war so ein Tag, der ihn um den Verstand brachte. Gegen die Tür gedrückt hob er sie nun hoch, da er kurz davor war zu platzen und sich endlich in ihre nasse Enge graben wollte. Die Tür ächzte verräterisch, als wollte sie sich über den Gegendruck beschweren, doch noch hielt sie stand. Ein Stöhnen entwich Edrian, als er sein Glied in ihrer Mitte ansetzte und diese so feucht benetzt war, dass die Vorfreude ihn fast kommen ließ. Der Moment, als er bis zum Anschlag in sie stieß, ließ eine Welle der Erleichterung über ihn hinwegrollen, die Silena mit einem leichten Aufschrei begleitete. Niemals zuvor hatte es sich so intensiv angefühlt. Er spürte, wie ihr Innerstes sich um ihn zusammenzog, ihn zuckend massierte, als würde sie ihn melken wollen. Das macht mich noch verrückt! Silenas Kopf schlug wiederholt gegen die Tür und ihr Stöhnen übertönte beinahe die Musik, die bis in das Lager drang. Rhythmisch bewegte Edrian sich in ihr, derweil er erneut ihren Mund erkundete. Seine linke Hand stützte ihren Po, während er in sie eindrang, sodass ihr gesamter Körper von seinen Stößen erschüttert wurde. Die Finger seiner Rechten umschlossen ihren Busen, um mit seinem Daumen die empfindliche Knospe intensiver zu reizen, was er ihrer Kehle einen weiteren Laut entlockte. Wie als Antwort schoss eine ihrer Hände in sein Haar und vergrub sich fest darin, während die zweite an seinem Shirt zerrte.
Silena konnte die Augen nicht mehr offen halten, sie wurde mitgerissen von Gefühlen, die so stark waren, dass nur noch absolute Hingabe denkbar war. Edrians Stöße fühlten sich wie elektrischer Strom an, der immer fester und tiefer durch sie glitt und es war ihr nicht möglich, ihr Stöhnen zurückzuhalten. Ihr Atem vermischte sich mit seinem und sie genoss, wie er ebenfalls die Kontrolle verlor. Ihre Beine gaben zitternd nach, da Silena nicht genug Kraft hatte, sich um sein Gesäß zu wickeln, so intensiv breitete sich Edrians Leidenschaft in ihr aus. Sie wollte nicht, dass er jemals damit aufhörte, egal ob es ein unordentliches Lager oder ihr liebevoll gemachtes Bett war. Ihre Hände krallten sich an ihn, um den Kontakt nicht zu lösen, und sie konnte sowohl ihren als auch seinen Schweiß über ihre Haut gleiten spüren. Sein schneller Herzschlag schien im Einklang mit ihrem zu sein und Edrians stoßweißer Atem beschleunigte sich, je mehr er sich gehen ließ, bis eine Flut durch ihren Körper schoss und der Orgasmus gnadenloses Zucken nach sich zog. Kurz darauf spannten sich seine Muskeln noch mehr an und sie konnte sehen, wie Edrian seinen Fokus verlor. Seine Augen wurden glasig und als er lautstark zu kommen drohte, biss er ihr unvermittelt in die Schulter, während er ein letztes Mal kräftig zustieß. Silena schrie erfüllt auf, schloss ihre Augen und fiel zufrieden, wenn auch ausgelaugt in sich zusammen. Ein Glücksgefühl überkam sie, als sich Edrians feuchte Wange gegen ihr Gesicht lehnte und er ihr zärtlich ihren Namen ins Ohr hauchte. Mit diesem Wort tanzte ein Lächeln über ihre Lippen und sie musste eine Freudenträne unterdrücken. Sie spürte beständig das Pochen seines Gliedes in sich, das schönste Gefühl, das sie sich im Moment vorstellen konnte, und öffnete erschöpft wieder die Lider. Edrians Shirt war durchnässt und einzelne Strähnen lagen feucht auf seiner Stirn. Sein heißer Atem strich über ihre erhitzte Haut und der Geruch von Sex ließ sich nicht mehr verheimlichen. Prickelnder hätte der Abend nicht laufen können, musste sie überglücklich feststellen.
***
Als Silena am nächsten Morgen durch ein forsches Klopfen an der Tür geweckt wurde, fand sie sich in dem kuscheligen Bett neben Edrian wieder. Vorsichtig setzte sie sich auf, um nochmals zu lauschen, ob es nur ein Traum war. Ihre Finger glitten durch ihre zerzauste, blonde Mähne und sie musste feststellen, dass sie eins von Edrians schwarzen Shirts trug. Noch immer spürte sie das Pochen in ihrem Unterleib, denn bei dem einmaligen Erlebnis im Lagerraum war es natürlich nicht geblieben. Link war recht angesäuert über das Platzen des geplanten gemeinsamen Abends gewesen, aber mehr als mit hochrotem Schädel und in dem durchschwitzten und zerstörten Zustand vor ihm „Entschuldigung“ zu sagen, war einfach nicht drin gewesen. Dafür hatte er den Rest des Abends genug Gelegenheit gehabt, es ihnen unter die Nase zu reiben. Erneut drang das Klopfen bis in ihr Schlafzimmer und da Edrian wie tot nicht darauf reagierte, erhob sie sich seufzend von der Matratze. Alles in ihrem Schlafgemach war weiß gehalten, obwohl dieser unschuldige Touch überhaupt nicht passend war. Nur ein einziges schwarz-weißes Bild hatte einen Platz an der Wand gefunden und in einer Ecke stand eine Pflanze, die täglich um ihr Leben kämpfte. Silena musste seufzen bei dem Anblick. Scheinbar war nicht jeder und alles durch ihre Hand zu retten.
Eine Glasscheibe halbierte die Außenwand und zeigte, dass der Tag bereits angebrochen war. Das zerwühlte Bettzeug war Zeuge einer atemberaubenden Nacht, die ihr in eben diesem Moment wieder rote Wangen einbrachte. Zwei kleine transparente Ablagen neben dem Bett sowie ein weißer Kasten entlang der gegenüberlegenen Mauer vervollständigten die Einrichtung.
Ein letzter Blick strich über Edrians nackten Körper, der quer über das ganze Bett lag und seine muskulöse Kehrseite unter den ersten Sonnenstrahlen zur Schau stellte.
Publisher: BookRix GmbH & Co. KG
Publication Date: 09-10-2014
ISBN: 978-3-7368-6349-1
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All meinen Lesern, Freunden und Menschen, die mich unterstützen. Ihr seid mir alle unheimlich ans Herz gewachsen ;o)