Mein Retter, der Vampir
Am nächsten Morgen wurde ich von einem hellen Licht geweckt, dass durch das Zimmer schien.
Ich blinzelte ein paar mal und sah, dass draußen die Sonne schien.
Schnell stand ich auf, zog mich an und rannte die Treppe runter in die Küche zu meiner Mutter.
„Guten Morgen“, sagte ich und versuchte gut gelaunt zu klingen.
„Guten Morgen mein Schatz. Wie war deine Nacht?“
„Ganz in Ordnung“, sagte ich schulterzuckend. Sie musste ja nichts von Adrian und mir erfahren oder davon, dass ich letzte Nacht von ihm geträumt habe.
Ich wusste, es war vorbei mit uns beiden.
Gestern Abend war das erste und auch das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit ihn jemals wieder zu sehen? Nicht besonders groß.
Er würde seinen Weg gehen und ich meinen.
Es war dumm gewesen sich mit ihm einzulassen.
Was habe ich auch erwarten können? Das wir ewig glücklich werden?
Ich saß noch eine Weile mit meiner Mutter am Küchentisch und dachte darüber nach.
Die Entscheidung war mir schwer gefallen, doch es wird besser sein, wenn ich einfach alles vergesse, was letzte Nacht zwischen uns passiert ist.
Ich war so vertieft in meine Gedanken, als plötzlich die Stimme meiner Mutter in meine Gedanken drang.
„Annabelle, Annabelle“, rief sie und schüttelte mich an meiner Schulter. „Was ist bloß los mit dir?“
„Nichts“, sagte ich und senkte meinen Kopf.
Ich wollte nicht mit meiner Mutter darüber reden, noch nicht.
„Es ist alles in Ordnung. Ich bin nur etwas müde“, versicherte ich ihr, um sie wieder zu beruhigen. „Ich geh in mein Zimmer, mich etwas hinlegen.“
„Ist gut. Das liegt wahrscheinlich daran, dass du dich erst an alles gewöhnen musst“, sagte Linda meine Mutter.
„Ja kann schon sein“, sagte ich gleichgültig, da ich wusste, dass es einen anderen Grund dafür gab.
Ich stand vom Stuhl auf und marschierte die Treppe hoch in mein Zimmer.
Ich verbrachte den ganzen Tag im Zimmer und starrte einfach nur aus dem Fenster.
Im Moment wollte ich einfach niemandem begegnen, vor allem meiner Mutter nicht.
Sie sollte nicht erfahren, was wirklich mit mir los war, doch das würde sie, wenn sie mich so sehen würde.
Ich hatte eindeutig Liebeskummer und meine Mutter war gut darin, es zu deuten.
Ich wartete darauf, dass Adrian sich Blicken ließ, obwohl ich wusste, dass das nicht passieren würde.
Die Tage verging nur langsam und schleichend, daher war ich immer um so glücklicher, als die Nacht herein brach.
Es dauerte erstaunlich lange bis ich endlich einschlief.
Aber wenn es dann immer soweit war, dann träumte ich von Adrian. – Wie unsere erste Begegnung war.
Im Traum küsste ich ihn gerade, als mich plötzlich das Klingeln des Weckers aus dem Schlaf riss.
Es war sieben Uhr Morgens und ich wusste, dass für mich heute die Schule begann.
Nach fast zwei Wochen ruhe und Erholungspause, war es wohl soweit
Ich war nicht besonders glücklich darüber, aber vielleicht lag es einfach nur daran, dass ich etwas nervös war.
Ich zog mich an und ging die Treppe nach unten.
„Guten Morgen Linda“, rief ich und ging in die Küche um mir Frühstück zu machen.
„Hallo mein Schatz“, sagte sie, als ich in der Küche erschien. „Heute ist der große Tag. Aufgeregt?“
„Hm... etwas.“
„Du machst das schon“, ermutigte Linda mich.
Ich aß meine Kornflaks.
„Ich geh dann mal“, sagte ich und stand vom Tisch auf.
„Ja, tschüß mein Schatz.“
Ich ging zur Schule, um den Tag schnell hinter mich zu bringen.
Als ich an der Schule ankam musterten einige Schüler mich aufmerksam.
Es war etwas unangenehm, aber nicht so, wie ich es anfangs gedacht hätte.
„Hallo“, hörte ich eine melodische Stimme hinter mir sagen.
Ich drehte mich um und ein Mädchen stand hinter mir.
„Hallo“, sagte ich etwas schüchtern.
„Ich bin Ambra und du musst Annabelle sein. Stimmt´s?“
„Ja, aber nenn mich einfach Anna“, sagte ich und lächelte sie freundlich an.
„In welchem Kurs bist du jetzt?“, fragte sie mich. „Du musst wissen, dass bei uns keine richtigen Klassen existieren, sondern verschiedene Kurse, in die man eingetragen wurde oder die man sich ausgesucht hat.“
„Ach so. Verstehe.“
„Und in welchen Kurs musst du jetzt?“, wollte Ambra wissen.
„Ich bin jetzt im Mathekurs.“
„Cool ich auch“, sagte sie voller Begeisterung und hackte sich bei mir ein. „Wie wäre es, wenn ich dir später die anderen vorstelle?“
„Das wäre schön“, sagte ich lächelnd.
„Dann kann ich dir auch meinen Freund vorstellen. Er ist echt cool, aber hin und wieder etwas beängstigend für die, die es nicht gewohnt sind eine Schönheit zu sehen“, sagte sie zufrieden.
„Wie meinst du das?“
Sie zuckte die Schultern. „Ach das merkst du schon, wenn du ihn siehst.“
Und so gingen wir gemeinsam zur Mathestunde.
Auch die anderen Kurse - wie Englisch und Latein - hatten wir gemeinsam.
Wir gingen zusammen zur Mittagspause.
„War das ernst gemeint, dass du die anderen kennen lernen möchtest?“
„Ja, ich halte, was ich sage“, antwortete ich auf Ambras Frage.
„Also gut“, sagte sie und dann betraten wir die Cafeteria.
Ambra zog mich hinter sich her, auf einen Tisch mit sechs Personen zu.
Sie waren alle erstaunlich schön.
Ich erschrak, als ich sah, wer an dem Tisch saß.
„Nein!“, schrie ich es fast, doch mein Nein ging in dem Stimmengewirr unter.
„Was ist Anna?“, fragte Ambra besorgt, die meinen Aufschrei gehört hat.
„Nichts“, sagte ich und schüttelte den Kopf. „Wer von den Jungs ist dein fester Freund? Aber nicht der Blonde mit den dunklen Strähnen oder?“
„Nein. Mein Freund ist der Braunhaarige neben dem Blonden“, sagte sie überrascht. „Warum fragst du?“
„Na ja“, ich zögerte und wusste nicht recht, ob ich ihr das wirklich erzählen sollte.
„Du kannst es mir ruhig sagen.“
„Ich habe den Blonden schon kennen gelernt.“
„Das ist jetzt nicht wahr oder?“, fragte sie erstaunt.
„Doch. Ich weiß, das ihr Vampire seit und es macht mir eigentlich nichts aus, aber ich werde mich sowieso von Adrian fern halten. Es ist besser so.“
„Das heißt, du wusstest die ganze Zeit, dass ich ein Vampir bin?“, fragte sie mich ungläubig.
„Ja.“
„Du bist echt unglaublich für einen Menschen. Du weißt also über uns bescheid, aber ich hoffe du hast niemandem etwas erzählt.“
„Nein, nur ich weiß bescheid.“
„Willst du die andern immer noch kennen lernen oder lieber nicht mehr. Ich meine, du kennst Adrian. Er ist sozusagen unser Anführer. Jeder von uns hat großen Respekt vor ihm.“
„Na ja, es wird ja nicht so schlimm werden, denke ich jedenfalls.“
„Also gut dann komm mit“, sagte Ambra und zog mich weiter. „Hallo Leute.“
„Hi Ambra“, begrüßten die anderen sie und sahen mich überrascht an.
„Hallo“, sagte ich schüchtern.
Adrian drehte sich um, als er meine Stimme hörte und sah mich ungläubig an, so als hätte er nicht damit gerechnet mich hier anzutreffen.
„Hallo Adrian“, begrüßte ich ihn und wandte meinen Blick von ihm ab. „Na ja, ich glaub ich geh dann mal lieber.“
Traurig drehte ich mich um und ging davon, als Adrian sich plötzlich erhob.
Er packte mich am Arm und zog mich zu sich heran. „Bleib Anna“, bat er mich.
„Warum?“
„Ich würde mich freuen, wenn du uns Gesellschaft leistest.“
„Also schön, aber wenn ich bleibe, dann hat es nichts mit dir zu tun“, erwiderte ich kühl.
„Was ist bloß los mit dir Anna?“
„Was soll schon sein?“, giftete ich ihn an. „Es war ein großer Fehler gewesen mich mit dir einzulassen.“
„Warum?“, fragte er mich und sah dabei traurig und niedergeschlagen aus.
„Ich glaube du kennst den Grund. Es ist doch egal, ob du mich toll findest oder irgendein anderes Mädchen. Es wird keinen großen Unterschied geben, außer das sie vielleicht schöner aussieht.“
„Du weißt, dass es keine andere außer dir geben wird.“
„Was macht dich da so sicher?“
„Ich liebe dich, deshalb weiß ich, dass es nur dich geben wird. Du enttäuscht mich Anna.“
„Tja Adrian“, sagte ich gereizt. „Nicht jeder kann perfekt sein und gut aussehen. Finde dich damit ab, dass ich mich nicht länger mit dir einlassen werde.“
Mit Tränen im Gesicht sah ich ihn an und wollte aus der Cafeteria laufen, doch er hielt mich noch immer fest in seinem Griff und wollte einfach nicht loslassen.
„Lass los Adrian“, flüsterte ich. „Es ist vorbei, versteh es doch.“
„Was fühlst du für mich?“, wollte er wissen.
„Das weißt du nur zu gut.“
„Ich will es aber von dir wissen“, behaarte er und sah mich eindringlich an.
Die anderen Vampire sahen uns nur gespannt an.
Ich schüttelte nur den Kopf und erst da bemerkte ich, dass die anderen uns anstarrten und es erstaunlich ruhig in der Cafeteria war.
„Anna?“, mischte sich Ambra jetzt ein. „Ich weiß ja nicht, was zwischen dir und Adrian vorgefallen ist, aber findest du nicht, dass du deine Gefühle nicht verbergen solltest?“
Ich antwortete nicht, sondern dachte noch eine Weile darüber nach.
Ich kam zu dem Entschluss, dass es besser wäre, wenn Adrian glaubt, ich fühle nichts für ihn.
„Es tut mir echt leid, aber ich kann es nicht Ambra“, sagte ich und dann sah ich Adrian an. „Bitte lass mich los.“
„Nein“, antwortete er mit einem gewissen Unterton in der Stimme. „Warum versuchst du dich so sehr dagegen zu wehren?“
„Das ist doch völlig egal und jetzt lass mich los“, sagte ich und sah ihn zornig an.
Er schüttelte den Kopf. „Weißt du Anna“, flüsterte er an meinem Ohr, „dass du noch viel hinreißender bist, wenn du dich so zu wehren versuchst?“
„Ach komm. Hör doch auf. Du tust so, als würde ich das beste sein, was dir je passiert ist.“
„Und so ist es auch“, mischte sich einer der anderen Vampire ein Er hatte schwarzes, kurzes, stacheliges Haar. „Wir haben uns alle schon gefragt, wer wohl die Geheimnisvolle ist, von der er immer sprach. Er hat nur noch von dir gesprochen und ist uns damit gehörig auf den Zeiger gegangen, doch wir waren alle froh, dass er endlich ein Mädchen gefunden hat. Ein Mädchen das er lieben konnte und nicht mit der er sich nur abgibt, weil es im lästig ist zu zeigen, dass er alleine ist.“
„Dave halt dich da bitte raus“, sagte Adrian und sah mich an.
Mir stockte für einen Moment der Atem und dann sah ich Dave ungläubig an.
„Ach was. Er wird jemanden finden, der besser zu ihm passt“, sagte ich ausweichend und dann sah ich Adrian wieder an. „Bitte lass mich jetzt los.“
Mir kamen jetzt noch mehr Tränen. „Bitte“, flüsterte ich und merkte, wie meine Beine zitterten.„Bitte.“
„Anna. Ich will dich nicht verlieren, doch das werde ich, wenn ich jetzt nachlasse.“
Ich dachte eine Weile nach, was ich machen könnte.
Und als ich endlich wusste, wie ich das alles beenden konnte, durchfuhr ein heftiger Schmerz meine Brust.
„Adrian, was ich dir jetzt zu sagen habe, dass wird dir ganz sicher nicht gefallen, aber ich kann darauf jetzt keine Rücksicht nehmen“, sagte ich in einem traurigen Ton und wandte mein Blick von ihm ab.
„Was meinst du damit?“, wollte er wissen.
Mit meiner rechten Hand umklammerte ich meine Brust, denn das Stechen wurde immer stärker.
Ich musste mich zusammen reißen, um Adrian zu sagen, was mir selber unglaubliche Schmerzen bereitete und was einer Lüge gleich kam.
Ich atmete tief durch.
„Es wäre besser gewesen, wenn wir uns in jener Nacht nicht begegnet wären und mein Leben das Ende gefunden hätte, dann wäre jetzt alles nicht so kompliziert“, flüsterte ich so leise, dass nur die Vampire es hören konnten.
Er erstarrte und dann nutzte ich meine Chance.
Ich entriss mich seinem Griff und rannte so schnell ich konnte aus der Cafeteria.
Alle Blicke waren auf mich gerichtet, doch vor allem der Blick von Ambra, die enttäuscht zu sein schien.
Mir liefe die Tränen nur so über die Wangen, doch am meisten schmerzte es mich, dass was ich gerade zu ihm gesagt hatte.
Es war aber der einzige Weg gewesen ihm klar zu machen, dass es so nicht sein kann.
Ich meine, er gibt mir nicht gerade das Gefühl, die zu sein, nach der er sein Leben lang gesucht hat.
Seine Freunde können viel erzählen, doch die Wahrheit kennt nur er.
Er hatte sich nach der Nacht - in der wir uns zum ersten Mal begegnet sind - nicht mehr blicken lassen, also warum sollte ihm etwas an mir liegen?
Ich lief weiter entlang des Flurs, bloß weg von alle dem.
Und während ich so lief, erinnerte ich mich an alles, was Adrian mir in jener Nacht gesagt hatte.
Er hatte mir immer wieder gesagt, dass er mich schön und vor allem klug fand.
Es war nie so gewesen, dass er mir das Gefühl gab, nicht schön oder nicht begehrenswert zu sein.
Ich dachte darüber nach und fing heftig zu schluchzen an.
Was hab ich nur gemacht? Er liebt mich und ich habe ihn so sehr verletzt.
Ich lief langsamer, bis ich dann vor dem Krankenzimmer stehen blieb und setzte mich auf einer der beiden Stühle, die vor der Tür standen.
Ich zog meine Knie zu mir heran und verbarg mein Gesicht in meinen Händen.
So saß ich eine Weile da und weinte leise vor mich hin, als mich plötzlich eine fast kühle Hand an der Schulter anfasste.
Erschrocken zuckte ich leicht zusammen.
„Keine Angst Anna“, beruhigte mich Ambra und strich mir tröstend über den Rücken.
„Ich hab echt mist gebaut“, sagte ich schluchzend. „Ich habe ihm sehr weh getan, nicht wahr?“
Ich blickte Ambra jetzt an.
„Nein, so kann man es nicht sagen. Er wird dir verzeihen, wenn er dich liebt und das tut er.“
„Ich bin ein fürchterliches Monster.“
„Sag so etwas nicht“, erklang eine andere musikalische Stimme, die ich jedoch nicht kannte.
Erst jetzt sah ich, dass die anderen hinter Ambra standen, bis auch Adrian.
„Was macht ihr alle hier?“, fragte ich verwundert.
„Wir wollen euch beiden etwas auf die Sprünge helfen, da ihr das anscheinend nicht selber hinbekommt“, sagte der braunhaarige, der anscheinend Ambras Freund ist.
„Warum seid ihr nicht bei Adrian? Ihr seid doch seine Freunde oder nicht?“
„Ja, aber wir wollen dir helfen oder eher Adrian. Egal was du eben gesagt hast, Adrian will dich noch immer haben. Er hat sich so sehr verändert seitdem er dich kennt. Früher war er immer schlecht drauf und nichts konnte ihn aufheitern. Er war ein Einzelgänger, doch seit er dich kennt ist er völlig verändert.“
„Und ihr glaubt, er ist deshalb so gut drauf, weil er mich kennt?“, fragte ich schon fast ungläubig.
„Ja“, ergriff Ambra wieder das Wort. „Phil hat recht.“
„Wenn das so ist, dann werde ich noch einmal mit ihm sprechen. Wo finde ich ihn?“, fragte ich unsicher.
„Wir treffen uns am besten nach der Schule und wir bringen dich dann zu ihm. Bist du damit einverstanden?“, fragte Phil.
„Ja.“
Ich stand vom Stuhl auf und fühlte mich etwas wackelig auf den Beinen.
Ambra stützte mich, als ich fast umgekippt wäre.
„Anna was für ein Fach hast du jetzt?“, fragte sie mich.
„Biologie“, antwortete ich matt.
„Gut ich auch und Adrian eigentlich auch, aber er ist nicht mehr im Schulgebäude.“
„Verstehe.“
„Komm Anna“, forderte Ambra mich auf, „sonst kommen wir zu spät zum Unterricht.“
Sie umfaste mein Arm und zog mich mit sich, auch die anderen machten sich auf den Weg in ihre nächste Unterrichtsstunde.
„Warum wollt ihr mir eigentlich helfen?“, fragte ich Ambra während wir zu Biologie gingen.
„Wir wollen, dass Adrian glücklich ist und da du die bist, die ihn glücklich macht, tun wir alles, um euch wieder zusammen zu bringen. Außerdem bist du gar nicht so übel, wie wir alle es anfangs dachten. Adrian hat sich ständig mit Mädchen abgegeben, doch keine wusste, was er wirklich war und außerdem waren die nicht zum aushalten.“
„Ambra du bist echt eine gute Freundin, weißt du das? Ich meine du gibst mir das Gefühl, dass ich endlich mal akzeptiert werde.“
„Warum? Hattest du in deinem alten Wohnort keine Freunde?“, fragte sie mich überrascht.
„Nein“, sagte ich traurig und blickte betrübt zu Boden.
Wir kamen noch rechtzeitig zum Biologieunterricht.
Neben Ambra waren noch zwei Plätze frei.
„Setz dich zu mir“, forderte sie mich auf und zog mich am Ärmel hinter sich her. „Adrian sitzt eigentlich immer neben mir, aber er hat sicher nichts dagegen, wenn du dich hier hinsetzt.“
Ich erwiderte nichts, sondern setzte mich auf den Platz, der eigentlich Adrian gehörte.
Die beiden Unterrichtsstunden vergingen schnell.
„Jetzt machen wir uns an die eigentlichen Probleme“, sagte Ambra neben mir.
„Was für Probleme?“, fragte ich verwirrt.
„Wir wollen das zwischen dir und Adrian wieder in Ordnung bringen, schon vergessen?“
„Ach so, das meinst du.“
„Du fährst mit mir und den anderen zu unserem Haus, denn dort wird er dich erwarten.“
„Ich kann doch nicht zu euch fahren“, sagte ich entsetzt.
„Warum nicht? Hast du etwa Angst vor uns?“
„Nein, aber ich habe Angst, dass Adrian mir nicht mehr verzeiht und mich abweist.“
„Das wird er nicht“, versuchte Ambra mich zu trösten. „Er liebt dich zu sehr, als das er ohne dich leben könnte. Und jetzt komm. Die anderen warten schon auf uns.“
Ich nickte nur und trottete hinter ihr her, auf den Schulparkplatz zu, als mir plötzlich etwas entscheidendes einfiel.
„Meine Mutter wird sich Sorgen machen Ambra, wenn ich nicht nach Hause komme. Sie wird denken, mir ist etwas zugestoßen.“
„Daran habe ich auch schon gedacht“, sagte sie ruhig. „Wir fahren bei dir vorbei und Michelle redet schnell mit deiner Mutter. Hausaufgaben haben wir ja keine, deshalb kannst du deine Schulsachen auch gleich da lassen.“
Ich wollte protestieren, doch sie schnitt mir das Wort ab.
„Anna, egal wie viel mühe du dir auch gibst, du wirst keine Ausrede finden um dich rauszureden.“
Wir kamen an ihrem Auto an.
„Na Anna, schon aufgeregt?”, fragte Phil mich und grinste.
„Nein, nicht wirklich“, erwiderte ich schulterzuckend. „Wo sind die anderen? Ihr wart doch sechs.“
„Die anderen beiden sind schon mal nach Hause gefahren.“
„Ach so. Okay.“
Die anderen zwei saßen schon und so quetschte ich mich zwischen ihnen.
Es war noch erstaunlich viel Platz im Wagen.
Ambra setzte sich nach vorne, neben Phil, der sich ans Steuer setzte.
„Hast du nicht Angst?“, fragte eine rotbraun haarige Vampirfrau neben mir.
Neben ihr saß ein dunkel Brauner Mann mit kurz und sehr lockigen Haaren, die leicht schwarz waren mit einem dunklen Braunton.
Er war recht schweigsam, doch ich ließ mich davon nicht beunruhigen.
„Nein, nicht vor dem, was ihr seit oder was ihr mir antun könntet.“
„Wovor hast du dann Angst?“
„Davor, dass er mich nicht mehr will!“
„Das wird nicht passieren“, sagte sie entschlossen.
„So etwas hat Ambra auch schon gesagt.“
„Und damit hat sie vollkommen recht. Ach übrigens ich bin Michelle“, stellte sich die Vampirfrau neben mir vor.
„Anna“, erwiderte ich lächelnd.
Wir fuhren mit einer schnellen Geschwindigkeit vom Parkplatz und waren in nur wenigen Minuten vor unserem Haus angekommen.
„Ich komme mit rein“, sagte Michelle schnell und stieg nach mir aus. „Ich werde ihre Mutter überreden sie gehen zu lassen.“
„Okay Michelle“, sagte Ambra. „Aber beeil dich.“
Sie nickte nur und lief mit mir zur Haustür.
Ich war erstaunt, als meine Mutter einwilligte und so saß ich in dem Transporter, auf dem Weg zu Adrian.
Sie war recht froh darüber, dass ich so schnell Freunde gefunden hatte.
„Müssen wir unbedingt zu euch fahren“, fing ich an zu maulen.
„Ja Anna. Es ist sehr wichtig das ihr euch wieder vertragt. Ich meine ihr seit doch alt genug, um es selber zu klären und euch nicht unnötig unglücklich zu machen“, sagte Ambra und sah mich dabei bedeutungsvoll an. „Ich meine, ihr liebt euch beide, aber trotzdem bekommt ihr es nicht so richtig auf die Reihe, euch wieder zu versöhnen, also werden wir ein bisschen nachhelfen.“
„Zeit habt ihr ja genug“, sagte ich grimmig. „Warum musstest du meiner Mutter sagen, dass ich wahrscheinlich bei euch übernachte?“, fragte ich und sah Michelle zornig an.
„Damit ihr euch aussprechen könnt und Zeit miteinander verbringt. Du wirst mir dankbar sein, wenn es soweit ist“, sagte Michelle zufrieden und lächelte mich strahlend an. „Oder hast du Angst in einem Haus zu sein, wo es nur so von Vampiren wimmelt?“, fragte sie grinsend.
„Nein. Ich habe keine Angst davor, aber ich möchte nicht gerade mit Adrian in einem Haus verbringen.“
„Warum nicht? Du wolltest es doch klären“, mischte Ambra sich jetzt ein.
„Ich hab es mir anders überlegt“, sagte ich wütend. „Also kann ich eigentlich gleich wieder nach Hause gehen. Lass mich einfach hier raus und ich laufe den Rest zu Fuß.“
„Das kommt nicht in Frage“, sagte Ambra und sah mich mit zusammen gekniffenen Augen an. „Kneifen geht nicht und außerdem ist es sehr weit bis zu deinem Haus.“
„So weit auch wieder nicht und wozu gibt es den Bus?“
„Nein Anna. Wir haben es so abgemacht und jetzt hältst du dich daran. Ende der Diskussion.“
Mit einem Schmollmund sah ich aus dem Fenster und verschränkte meine Arme ineinander, als ich plötzlich ein großes Haus erblickte.
Es hatte die Ähnlichkeit mit einem Schloss und sah wunderschön aus.
„Ist das euer Haus?“, fragte ich erstaunt.
„Ja. Hier leben wir und es gibt genug Zimmer, also kannst du jeder Zeit hier übernachten, wenn du Lust hast“, sagte Ambra.
Wir fuhren eine kleine Einfahrt hoch und hielten nur wenige Meter vor dem Haus.
„Es ist wunderschön.“
Ich nahm meine kleine Reisetasche, wo mein Schlafanzug und noch ein paar andere Sachen drin waren und stieg dann als letzte aus dem Auto.
Begeistert und doch auch schüchtern betrachtete ich das Haus.
„Komm Anna“, riefen die anderen mir nach.
„Du musst wissen“, fing Ambra an, „dass hier auch noch einige andere Vampire außer uns wohnen, sonst würde man sich wunderen, warum so junge Leute wie wir sich alleine in so einem Haus aufhalten.“
„Hatte ich mir schon fast gedacht. Ich denke mal, dass das kein Problem ist oder?“
„Nein, die andern haben nichts gegen dich, da jeder bis auf Adrian einen Partner oder eine Partnerin hat. Aber das mit Adrian ist hoffentlich auch bald geklärt“, sagte sie und sah mich eindringlich an.
„Ich glaube, ich müsste erst mal alle Namen jedes einzelnen wissen, um euch auseinander zu halten. Ich kenne im Moment nur Michelle, Phil, Adrian, Dave und dich.“
„Die anderen werde ich dir bei Gelegenheit vorstellen“, versprach sie.
Ich nickte nur und lief auf die Treppe zu ins Haus.
Als ich im Inneren des Hauses ankam, sah ich noch überraschter aus.
Es war ziemlich groß und hatte sehr viele Räume, aber auch sehr viele Fenster, die es erhellten.
„Das Haus ist ja ziemlich groß“, stellte ich fest. „Warum habt ihr so viele Zimmer?“
„Hier wohnen mehrere Vampire. Natürlich alle menschenfreundlich und alle sind Menschen gegenüber nett, wenn sie zu besuch sind, aber das kam bis jetzt noch nie vor, da alle Angst vor uns hatten.“
„Kann ich mir nicht vorstellen“, murmelte ich und lief gedankenverloren den Gang entlang in ein helles Wohnzimmer.
Michelle, Phil, Dave und noch zwei weitere Vampire saßen neben ihnen auf dem Sofa.
Sie schienen vom Aussehen älter zu sein, als Ambra und die übrigen Vampire, denen ich begegnet war.
„Hallo“, sagte ich schüchtern und blieb in der Tür stehen.
„Hallo“, sagte eine freundliche Männerstimme. „Du musst Anna sein?“
„Ja“, antwortete ich zögernd.
„Ich bin Ben und das ist meine Frau Lucie“, sagte er und machte eine Handbewegung zu seiner Frau.
„Hallo Anna“, erwiderte sie mit fröhlicher Stimme. „Schön das du gekommen bist. Ich habe gehört was zwischen dir und Adrian vorgefallen ist und ich hoffe ihr versöhnt euch wieder.“
Sie lächelte mich an.
„Ja, ich werde mit ihm reden“, sagte ich leise. „Aber ich kann nicht versprechen, dass ich mich wieder auf ihn einlassen werde.“
Ich senkte den Kopf, um zu verhindern, dass sie sahen, wie traurig mich dieser Gedanke machte.
„Ich bin froh, dass du es wenigstens versuchst“, sie lächelte mich herzlich an. „Er ist ganz oben in seinem Zimmer, wenn du zu ihm möchtest.“
Ich nickte nur und wandte mich zum gehen.
Mit langsamen Schritten ging ich auf die Treppe zu.
Ich ließ meine Tasche stehen und ging mit einem mulmigen Gefühl im Magen hoch.
Hinter mir hörte ich die leisen Stimmen der anderen, auch fremde Stimmen erklangen.
„Lucie, meinst du sie schaffte das?“, fragte Ambra besorgt. „Ich will nicht, dass ihr etwas passiert. Wenn Adrian immer noch so schlecht drauf ist, wie vorhin, dann muss Anna sich in acht nehmen.“
„Sie schafft es“, hörte ich Michelle leise flüstern.
„Was macht dich da so sicher?“, fragte eine mir fremde Männerstimme. „Ich meine, sie ist nur ein Mädchen, was für Auswirkungen sollte sie schon auf Adrian haben. Er war noch nie besonders nett zu Mädchen gewesen.“
„Du wirst schon sehen, wie dieses Mädchen, wie du sie immer nennst, ihn verzaubert hat“, erwiderten Michelle und Ambra gemeinsam.
Ich lief weiter nach oben und ignorierte das Gespräch der anderen.
Lautlos schlich ich auch die letzte Treppe hoch bis ich vor Adrians Tür stand.
Es war das einzige Zimmer hier oben.
Schüchtern und ängstlich klopfte ich an die Tür.
Ich wartete darauf, dass eine Stimme erklang, doch es blieb ruhig.
Vorsichtig öffnete ich die Tür und sah wie Adrian mit dem Rücken zu mir stand.
„Was willst du Ambra?“, zischte er zornig und stieß ein lautes Knurren aus.
Ein Schauer lief mir über den Rücken, doch ich vermochte keine Angst zu verspüren.
„Verschwinde“, schrie er und drehte sich wutschnaubend um.
Erstaunt sah er mich an.
„Anna was machst du hier?“, fragte er verwundert.
„Die anderen meinten du willst mit mir reden“, erwiderte ich trocken. „Aber anscheinend haben sie gelogen nur um mich hier her zu locken.“
„Worüber sollte ich mit dir reden wollen?“
„Tja, dass weiß ich auch nicht. Es war ein Fehler gewesen hier her zu kommen.“
Ich drehte mich um und wollte gerade wieder die Treppen runter gehen, als eine warme Hand mich am Arm packte und rum drehte.
Adrian stand ganz nahe bei mir.
„Was willst du?“, fragte ich.
„Das du mir ein paar Antworten gibst.“
„Warum sollte ich?“, fragte ich wütend. „Es hat doch eh keinen Sinn mehr. Es ist also völlig egal, warum ich so entschieden habe.“
„Nein ist es nicht“, erwiderte er wutschnaubend. „Ich würde gerne den Grund wissen.“
„Ich werde dir aber keine Antwort geben. Du wirst früher oder später auch selber darauf kommen.“
„Ich will es aber von dir wissen.“
Er zog mich fest an sich, sodass ich ihm nicht entkommen konnte.
Ich versuchte mich zu befreien, doch er ließ nicht locker.
„Lass mich los“, zischte ich.
„Nein, erst wenn du mir eine Antwort geliefert hast.“
„Ganz einfach, wir passen nicht zusammen. Du wirst über mich hinweg kommen, wenn du es nicht jetzt schon bist.“
„Wie kannst du nur so etwas sagen?“, erwiderte er mit einer entsetzlich lauten und ziemlich wütenden Stimme.
„Du fragst mich, wie ich so etwas sagen kann, ausgerechnet du“, schrie ich und merkte wie mir die Tränen in die Augen stiegen. „Ausgerechnet du fragst mich so etwas?“
„Ich bin nicht der gewesen, der so getan hat, als würden wir uns nie kennen und als wäre nie etwas zwischen uns gewesen“, brüllte er mich zornig an.
„Stimmt. Du warst noch viel schlimmer als ich. Ich bin dir nur aus dem Weg gegangen. Ich habe nie so getan, als würde ich dich nicht kennen. Ambra wusste zwar nicht genau, was zwischen uns vorgefallen ist, aber sie wusste, dass da etwas nicht in Ordnung war.“
„Was hat Ambra jetzt damit zu tun?“, fragte er verächtlich. „Mit ihr werde ich noch ein ernstes Wörtchen reden sobald unser Gespräch beendet ist.“
„Warum lässt du die Wut an anderen aus. Von mir aus kannst du sie an mir auslassen, aber lass Ambra zufrieden, sonst lernst du mich erst richtig kennen.“
Ich sah ihn zornig und mit tränenüberströmten Gesicht an.
„Warum versuchst du sie in Schutz zu nehmen. Du kannst doch sowieso nichts ausrichten.“
„Du glaubst doch wohl nicht, nur weil du ein verdammter Vampir bist, habe ich Angst vor dir?“
„Ja, das glaube ich.“
„Tja, da kannst du lange warten und jetzt lass mich endlich los.“
„Ich will erst den Grund wissen, habe ich dir gesagt.“
„Und ich habe gesagt, dass ich dir keine Antwort bezüglich dies geben werde.“
Ich versuchte mich wieder und wieder aus seinem Griff zu befreien.
„Lass los“, schrie ich aus Leibeskräften. „Du tust mir weh.“
Abrupt ließ er mich los und wich leicht zurück.
„Ich hätte mich nie auf dich einlassen sollen“, sagte ich schluchzend und mir liefen nur so die Tränen runter. „Du willst eine Antwort haben, obwohl du sie nicht verdient hast?“
„Ich habe ein Recht die Wahrheit zu erfahren.“
„Du willst die Wahrheit wissen? Also schön“, sagte ich und machte eine kurze Pause. „Ich halte mich von dir fern, weil ich von dir verletzt wurde, wie noch nie zu vor von einem Menschen.“
„Wie meinst du das?“, fragte er irritiert.
„Ich war nicht die, die sich nach der Nacht nicht mehr hat blicken lassen. Ich war die, die sich Hoffnungen gemacht hat, dass du wieder auftauchen würdest. Ich habe gedacht, ich würde dich wiedersehen, doch du kamst nicht.“
„Ich...“, versuchte er es zu erklären, doch ich unterbrach ihn.
„Ja, es geht immer nur um dich, aber scheinbar ist es bei einem Vampir wie dir so. Doch in meiner Welt dreht sich nicht alles nur um dich, nicht mehr! Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie es ist zu warten und darauf zu hoffen, dass du wieder auftauchst? Ich habe mir gewünscht dich zu sehen, zu wissen, dass es dir gut geht. Ich wollte glauben, das ich mir dich nicht nur eingebildet habe.“
Ich machte eine Pause und atmete einmal tief durch, bevor ich weitersprach. „Es hat echt weh getan, dich nicht zu sehn. Du hast gesagt du liebst mich, doch das war alles nur gelogen. Es ist absurd zu denken, dass ein Junge mich lieben könnte und mich attraktiv findet“, schrie ich unter Tränen. „Ich hätte dir niemals glauben dürfen. Ich war dir von Anfang an egal gewesen. Ich hab wirklich geglaubt, ich bin dir wichtig, doch da habe ich mich wohl geirrt. “
Ich drehte mich von ihm weg und lief so schnell die Treppen runter, dass ich fast gestolpert wäre.
Unten begegnete ich Ambra, die mich besorgt ansah.
„Was ist passiert?“, fragte sie mich und hielt mich am Arm fest, als ich auf die Haustür zulief. „Wo willst du jetzt so spät noch hin?“
„Nirgendwo! Ich will jetzt einfach nur nach Hause. Ich will keine Minute länger bleiben.“
„Aber ich kann dich jetzt nicht gehen lassen Anna. Es ist stockfinster draußen und außerdem haben wir deiner Mutter gesagt, dass du heute Nacht bei uns schläfst.“
„Das ist mir egal“, sagte ich schluchzend und fing heftig zu zittern an. „Ich will einfach nur weg.“
„Was ist vorgefallen?“, hörte ich Bens Stimme hinter mir, der gerade die Treppe runterkam.
„Nichts“, sagte ich, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und sah traurig und mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden. „Es war ein Fehler hier her zu kommen, mit ihm reden zu wollen. Ich habe mir zu viel erhofft.“
„Anna“, sagte er eindringlich. „Ich weiß, dass ihr euch gestritten habt. Man hat es bis nach ganz unten gehört, doch einfach wegzulaufen wäre feige und dumm.“
„Ich will ihn aber nie wieder sehen und das werde ich wenn ich noch länger bleibe.“
„Aber er hat gewonnen, wenn du dich davon machst.“
„Das ist mir herzlich egal“, sagte ich wütend. „Ich verschwinde von hier. Es tut mir leid Ben. Ich hab euch alle wirklich gern, doch ich halte das alles nicht mehr aus.“
Ich riss mich aus Ambras Griff und lief zur Tür. „Es tut mir wirklich leid“, murmelte ich und schloss hinter mir die Haustür.
Draußen regnete es wie aus Kübeln und es war extrem kühl geworden.
Ich schlang meine Arme um den Körper und ging in die Dunkelheit hinaus.
Nach einigen Meter blieb ich stehen.
Es wäre wirklich dumm jetzt zu verschwinden.
Ich meine, nur weil ich mit Adrian einen ziemlichen Streit hatte, heißt es ja nicht, dass ich deswegen gleich verschwinde.
Es dauerte noch seine Zeit, bis ich mich endlich wieder beruhigt hatte und klar denken konnte.
Ich drehte um und ging wieder die Einfahrt hoch, zum Haus der Vampire.
Mir war kalt und ich zitterte am ganzen Körper.
Meine ganze Kleidung war durchnässt.
Ich klopfte an die Tür und sofort öffnete jemand.
„Hallo Anna“, begrüßte Ambra mich.
„Woher...“
„Ben meinte du würdest zurück kommen, wenn du dich etwas beruhigt hast“, erklärte sie, bevor ich fragen konnte. „Komm rein.“
„D...d...danke“, stotterte ich und kam mit zitternden Knien ins Haus.
„Du bist ja ganz nass Anna“, sagte sie besorgt. „Ich werde dir schnell heißes Wasser einlassen.“
„Brauchst du nicht“, versuchte ich zu widersprechen.
Sie schüttelte nur denn Kopf, dann packte sie mich am Arm und zog mich die Treppe hoch in den ersten Stock.
Hier war ein ziemlich großes Bad eingerichtet.
Sie ließ das Wasser laufen, während sie mir die Klamotten vom Leib riss.
„Was hast du eigentlich mit Adrian gemacht?“, fragte Ambra grinsend.
„Warum?“
„Er war richtig schweigsam am Tisch, obwohl du ihm so richtig die Meinung gesagt hast. Normalerweise lässt er die Wut an uns aus, aber jetzt hat er ganz normal mit uns gegessen, na ja er hat nichts gegessen, auf jeden fall hat er sich danach wieder in sein Zimmer zurückgezogen.“
„Und hast du ihn danach noch gesehen?“
„Nein. Was auch immer du gesagt hast, er ist wie ausgewechselt.“
„Das liegt wohl daran, dass er etwas zu hören bekam, was ihm nicht gefallen hat.“
„Wie meinst du das?“, fragte sie und sah mich neugierig an.
Sie stellte das Wasser ab. „Steig in die Wanne.“
„Ich habe ihm nur meine Meinung bezüglich zu ihm gesagt, mehr nicht.“
„Wie hat er es aufgenommen?“, wollte sie wissen.
„Ich weiß es nicht“, gestand ich. „Ich bin danach so schnell wie möglich die Treppe runter gerannt.“
„Na ja, wenigstens hat er seine Wut nicht wieder an mir ausgelassen.“
„Ich glaube, das hat auch seinen Grund“, sagte ich vorsichtig. „Ich hab ihm mehr oder weniger gedroht, dass er seine Wut nicht an anderen auslassen soll, vor allem nicht an dir.“
„Du hast ihm gedroht?“, fragte Ambra ungläubig und fing dann heftige zu lachen an.
„Ja“, erwiderte ich ganz locker. „Ich meine, nur weil er ein Vampir ist, kann er sich ja nicht alles erlauben.“
„Das hätte ich nur zu gerne gesehen“, sagte eine Stimme hinter mir.
Erschrocken drehte ich mich um und Michelle stand hinter mir.
„Hallo Michelle“ sagte ich und dann stieg ich in die Badewanne.
„Anna, du bist echt unglaublich“, sagte Michelle beeindruckt. „Jetzt verstehe ich Adrian sehr gut, warum er sich in dich verliebt hat. Du lässt dir echt nichts von ihm gefallen. Du hast ja richtig Temperament.“
„Ich glaube nicht, dass man sagen kann, er sei in mich verliebt. Er hatte sich seit jener Nacht nicht mehr blicken lassen, bis ich ihn in der Schule wiedersah.“
Ich fröstelte, als ich mit dem gesamten Körper im warmen Wasser saß.
„Wir lassen dich jetzt in ruhe Baden“, sagte Ambra und sah zu Michelle rüber die nur nickte. „Hier ist die Seife und dein Handtuch“, erklärte sie und deutete auf das Handtuch, dass sie in der Hand hielt.
Sie legte es an die Seite und drückte mir dann noch die Seife in die Hand.
„Hier sind noch ein paar Anziehsachen, da deine ja nass geworden sind.“
Ich nickte nur und dann ließen die beiden mich alleine.
Ich saß eine Weile in der Wanne, als ich es nicht mehr aushielt.
Schnell zog ich mir die Sachen über, die Ambra mir gegeben hatte.
Sie waren etwas zu groß, doch wenigstens war mir nicht mehr so kalt.
Ich ging die Treppe runter ins Wohnzimmer, wo auch die anderen saßen.
„Na Anna“, begrüßte Phil mich. „Wie geht es dir?“
„Gut“, sagte ich schulterzuckend. „Könnte nicht besser sein.“
„Ich hab gehört, du und Adrian habt euch gestritten.“
„Ja.“
„Warum?“
„Weil mir sein Getue langsam auf die Nerven geht. Er denkt, er kann sich alles erlauben, mich behandeln wie er will, doch nicht mit mir.“
„Das heißt, die anderen haben die Wahrheit gesagt?“
„Sag ich doch“, beteuerte Ambra neben ihm.
„Wenn sie meinen, dass ich ihm meine Meinung gesagt habe, dann ja.“
„Respekt“, lobte er mich. „Aber was genau hast du ihm jetzt eigentlich gesagt?“, fragte Phil voller Neugier.
„Ist doch egal, auf jeden fall lass ich mir nicht alles gefallen.“
„Da wird er ja ordentlich etwas gerade biegen müssen.“
„Ich kann ganz gut auf ihn verzichten. Ich habe mich durch ihn schon unglücklich genug gemacht. Er kann sich von mir aus eine Neue suchen, die sich alles von ihm gefallen lässt, vielleicht glaubt sie ihm ja.“
„Was meinst du mit vielleicht glaubt sie ihm ja?“; wollte Ambra jetzt wissen.
„Ich will nicht darüber reden. Ich weiß nur, dass es nichts als Lügen waren, die Adrian mir erzählt hat.“
„Du glaubst doch nicht wirklich, dass er es nicht ernst gemeint hat, als er dir gesagt hat, dass er dich liebt?“, fragte Ambra missbilligend.
„Wenn es nicht so ist, warum hat er mir dann nie das Gegenteil bewissen?“
„Wie meinst du das?“
„Damals als wir uns in jener Nacht begegnet waren, hat er mir erzählt, dass er mich liebt. Ich habe ihm geglaubt und die nächsten Tage gewartet, dass er wieder auftaucht, doch er kam nicht.“
„Anna hast du schon mal daran gedacht, dass er sich nicht sicher sein konnte, ob du ihn wiedersehen willst.“
„Wenn ich ihn nicht mehr sehen wollte, dann hätte ich ihm doch nicht das Gegenteil gesagt.“
„Ich wäre gekommen, wenn ich gewusst hätte, dass du mich wirklich wiedersehen willst“, erklang seine vertraute Stimme hinter mir. „Ich war mir nicht sicher, ob deine Worte ernst gemeint waren. Es war noch nie so gewesen, dass sich ein Mädchen wirklich für mich interessierte ohne gleich Angst zu haben.“
Erschrocken drehte ich mich um und sah in Adrians Gesicht.
„Sei doch mal ehrlich Adrian. Es ist nicht so, als wärst du deshalb nicht wieder aufgetaucht. Warum sagst du mir nicht wie es wirklich ist? Es ist dir doch völlig egal, was mit mir ist. Also sag bitte nicht, dass es anders ist.“
„Aber es ist anders. Ich war verunsichert. Ich meine diese Gefühle sind neu für mich. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass du es ernst meinst mit uns.“
„Weiß du was, mach doch was du willst, doch ich glaube dir kein Wort.“
Ich ging schwankend an ihm vorbei.
Alles um mich herum drehte sich plötzlich, sodass ich mich an der Wand abstützen musste.
Mir war unheimlich heiß und Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn.
Ich stützte mich an der Wand ab, während ich zur Treppe ging.
Vor der Treppe fiel ich auf die Knie und atmete keuchend ein und aus.
„Anna?“, fragte Ben besorgt. „Was ist mit dir?“
„Nichts. Es geht mir gut. Ich brauch nur eine kleine Verschnaufpause“, sagte ich matt und versuchte mich wieder aufzurichten, doch meine Beine wollten nicht so recht.
Eine kalte Hand faste an meine Stirn und kühlte sie.
Es fühlte sich angenehm an.
„Sie hat hohes Fieber“, hörte ich Ben sagen.
„Das kommt bestimmt vom Regen“, erwiderte Ambra.
„Warum vom Regen?“, fragte Adrian etwas verwirrt.
„Na ja. Nach eurem Streit hat Anna das Haus verlassen und als sie wiederkam, da war sie ganz nass. Natürlich haben wir ihr sofort ein heißes Bad eingelassen und trockene Sachen zum anziehen gegeben, aber wahrscheinlich war sie zu lange in den nassen Klamotten.“
„Sei nicht sauer Adrian“, sagte ich schwach. „Sie kann nichts dafür. Wenn du deine Wut raus lassen musst, dann lass sie an mir raus.“
„Warum sollte ich das tun?“
„Ach vergiss es, doch verschone deine Freunde mit deinen Launen. Ich weiß nur zu gut, was es heißt sie abzubekommen.“
Meine Augen schlossen sich und ich sank zu Boden.
Kühle Arme umschlungen mich und dann wurde ich hochgehoben.
Die Arme waren unglaublich angenehm, daher wusste ich, dass es Adrian war, der mich die Treppen hoch trug.
Er ließ mich auf einem Bett nieder und deckte mich dann zu.
Ich hörte leise Schritte, die sich immer mehr vom Bett entfernten und dann schlief ich ein.
Text: Copyright by Cassedy
Publication Date: 07-27-2010
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