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1 Mose 8



Die Gewässer sind verlaufen,
Die Gerichte sind erfüllt,
Durch der Wolken sanftres Traufen
Blaut der Himmel halb enthüllt,
Aus der weiten Wasserwüste
Hebst du dich als Rettungsküste,
Steigst du auf als Friedensstatt,
Felsenstirn des Ararat!

Und mit zagendem Gefieder
Fliegen Noahs Boten aus;
Zwar der Rabe kommt nicht wieder,
Labt sich schon am Leichenschmaus,
Doch das Täublein bringt im Munde
Hoffnungsreiche Friedenskunde,
Bringt es Ölbaums grünes Blatt
Flatternd heim zum Ararat.

Und in fröhlichem Gewimmel
Teilt sich neu die Kreatur,
Unterm neugeschenkten Himmel
In die neugeschaffne Flur,
Ob der frischgewachsnen Erde
Tönt zum zweiten Mal das „Werde,
Das der Herr gesprochen hat
Gnadenreich vom Ararat.

Aber darf der Wurm genießen
Soll der Mensch gen Himmel schaun:
Noah betet, ihn umschließen
Ernste Männer, fromme Fraun;
Der in Wogen und in Wetter
Seinen Kindern ein Erretter:
Dankaltar und Opferstatt
Baut man ihm auf Ararat.

Und die Opferflamme steiget
Himmelan in frohem Sturm,
Und der ewge Vater neiget
Gnädig sich auf Mensch und Wurm;
Auf den Wolkengrund gezogen
Wölbet sich der bunte Bogen
Wie ein Tor zur Gottesstadt,
Leuchtend ob dem Ararat.

„Menschenkinder, nehmt zum Erbe
Neu das schöne Erdenrund;
Dass ichs nimmer euch verderbe,
Ewig steht mein Gnadenbund,
Und mein Bogen in der Wolke
Sei ein Zeichen allem Volke;
Dass der Herr des Zornes satt,
Zeug er euch auf Ararat.“ –

Leuchtend wie der Friedensbogen,
Dauernd wie der Berge Grund,
Stehet nun in Sturm und Wogen
Meines Gottes Gnadenbund;
Mögen mir die Trübsalswellen
Brausend bis zum Herzen schwellen:
Tränenmüd und sorgenmatt
Schau ich hin zum Ararat.

Mutter Erde, manch Jahrtausend
Rollt‘ ob deinem Scheitel hin,
Unglückswetter sahst du brausend
Über deine Fluren ziehn,
Doch auf Regen schien die Sonne
Und auf Jammer folgte Wonne,
Wie der Herr verheißen hat
Gnädiglich vom Ararat.

Oft auf öder Wasserwüste
Schwamm ich hin in morschem Boot,
Sah in Fluten keine Küste,
In der Nacht kein Morgenrot;
Aber endlich kam es besser,
Endlich sanken die Gewässer,
Endlich aus den Wogen trat
Rettend mir der Ararat.

Nach den Bergen, zu den Hügeln
Sandt‘ ich oft die Seufzer aus,
Aber leer, mit lahmen Flügeln,
Kehrte mein Gebet nach Haus;
Endlich siegte doch der Glaube,
Endlich flog die Friedenstaube
Mit des Ölzweigs grünem Blatt
Fröhlich heim zum Ararat.

Oft von Wolken schwer umzogen
Schwand mir, Herr, dein Himmelblau,
Doch zuletzt erschien dein Bogen
Leuchtend auf dem Wolkengrau;
Gnädig sah ich mich geborgen,
Und der steile Berg der Sorgen –
Dankaltar und Opferstatt
Ward er gleich dem Ararat.

Berge fallen, Hügel weichen,
Deine Gnade weichet nicht:
Nach dem hellen Bundeszeichen
Heb ich hoffend mein Gesicht;
Noch aus finstren Todeswogen
Schau ich nach dem Friedensbogen,
Steur‘ ich hin zur Gottesstadt
Auf dem ewgen Ararat.

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Publication Date: 05-25-2011

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