Kapitel 12
Die Schule lag in Dunkelheit und Stille. Kein Wunder, denn so gut wie jeder im Internat schlief tief und fest. Aber nur so gut wie. Eine schwarze Gestalt schlich sich durch die Korridore. Sie war in ein schwarzes Gewand verhüllt, damit sie niemand erkannte. Doch die Chance, dass jemand sie sah, war so gering, dass es eigentlich schon überflüssig war. Der Vollmond schien durch die Fenster. Die vermummte Gestalt näherte sich einer Tür. In der Hand hielt sie ein grüne Phiole. Sie packte sie fester und öffnete dabei die Tür. Die Gestalt trat in das dunkle Zimmer. Im Mondschein sah sie aus wie der Tod persönlich. Auf den Lippen der Gestalt trat ein spitzbübisches Lächeln auf, doch es war keinesfalls ein scherzhaftes Lächeln. Nein, es war ein bösartiges Lächeln.
Sie trat an eines der Betten näher heran und beugte sich auf die schlafende Person herab. Die Person, die dort selig ihren Erfolg ausschlief, war Lia. Sie atmete gleichmäßig ein und aus, während die Gestalt über ihr vor lauter Aufregung schon keuchte. Die Gestalt streichelte sanft das Gesicht von Lia und im nächsten Moment verpasste sie ihr einen tiefen Kratzer ins Gesicht. Lia zuckte vor Schmerz zusammen, schlief aber gleich darauf wieder beruhigt weiter. Die schwarze Gestalt öffnete die Phiole und schüttete deren Inhalt in Lia's Mund. Danach verließ die Gestalt umgehend das Zimmer, schloss die Tür und verwischte jegliche Spuren.
„Wir sehen uns morgen, süße Lia.“, flüsterte die Gestalt in die Nacht hinein, bevor sie sich zurück zog.
Kapitel 13 Alex
Die Vögel zwitscherten ihr Morgenlied, die Sonne schien fröhlich im Himmel und meine Nase juckte wie verrückt! Genervt setzte ich mich auf und fuhr mir durch die Haare.
„Lia, wach auf wir müss...“
…Funkstille
„Aber das kann doch nicht sein!“
Immer noch völlig ungläubig, schlug ich meine Bettdecke zur Seite, stieg aus meinem Bett und trat an das Bett von Lia. Die Person, die in Lia's Bett schlief, war definitiv Lia, aber nicht die, die mir gestern noch einen Streich gespielt hatte. Lia war... naja... wie soll ich sagen?... Geschrumpft? Sie war jetzt um die 5 Jahre alt. Ist sie in den Jungbrunnen gefallen, oder was?
„Wie zum Teufel ist das möglich!!!“
Von meinem Geschrei erwacht, rieb sich Lia verschlafen die Augen.
„Jetzt schrei doch nicht so! Und was heißt hier 'Wie ist das möglich?'. Wir sind Zauberwesen, da ist alles möglich, Dummkopf!“, schimpfte die kleine Lia auf mich ein.
„Jaaaa, schätze du hast recht.“, antwortete ich lahm.
„Wer bist du denn eigentlich?“, fragte sie mich neugierig.
„Äh... du weißt nicht wer ich bin?“, fragte ich verwundert. Heißt das jetzt sie hat nur die Erinnerungen einer 5 Jährigen? Ich sehe schon, das wird ein harter Tag werden.
„Natürlich nicht. Sonst hätte ich nicht gefragt. Bist du vielleicht Alex' großer Bruder.“, sagte Lia und schaute mit ihren blauen Augen zu mir hoch.
Soll ich ihr jetzt sagen, dass ich Alex bin oder soll ich einfach mitspielen? Ich entschied mich für die zweite Variante. So würde es wahrscheinlich leichter werden. Ich setzte mich zu ihr aufs Bett und nahm sie auf meinen Arm.
„Ja, ich bin... Alex' großer Bruder. Nur heiße ich nicht Alexandro sondern... äh... Alexander.“, redete ich mich aus dieser Sache hinaus.
„Das ist ja blöd. Alexandro und Alexander. Eure Eltern waren wohl nicht wirklich kreativ.“, sagte Lia und verzog ihr Gesicht zu einer nachdenklichen Miene.
„Und wo sind wir? Und wo ist Alex hin? Ist er weggegangen?“, fragte sie mich traurig.
Stimmt ja, als Kinder waren wir beide unzertrennlich. Lia war immer so traurig, wenn wir zum getrennten Unterricht gehen mussten, aber das hätte sie wahrscheinlich nie zugegeben.
„Wir sind hier in einem Internat und Alex ist... äh... etwas erledigen gegangen. Er sagte es sei eine Überraschung. Und damit du nicht alleine bist, hat er mich geschickt.“, sagte ich mit einer Überzeugung, die selbst mich überraschte. Vielleicht sollte ich Geschichtenerzähler werden.
„Toll, dann spielen wir zusammen. Ja, Alex?!“, fragte sie mich und lächelte mich an. Irgendwie fühlte ich mich schlecht. Sie anzulügen war ja nicht so schwer, aber wenn sie einen so anlächelte, hatte man das Gefühl, dass das schlechte Gewissen einen von Innen auffraß.
„Warte, hast du mich gerade Alex genannt?“, fragte ich nach und hoffte innerlich, dass meine Lüge nicht aufflog. Ihre Augen wurden groß und sagte: „Ups! Aber sag es nicht Alex, okay?“
„Schon gut. Du kannst mich ja so nennen, wenn du willst.“, sagte ich beruhigend.
„Okay.“, sagte Lia freudig und nickte.
„Sag mal, was ist das denn für ein Kratzer auf deiner Wange?“, fragte ich besorgt und drehte ihre Gesicht zu mir hin.
„Hm? Das weiß ich nicht.“, sagte sie und fasste sich an die Wange.
„Komm her. Das mach ich schon.“, sagte ich, nahm ihre Hand von ihrer Wange und heilte kurzerhand die Wunde.
„So, das wärs.“
Mein Blick schweifte zu der Uhr, die an der Wand hing. Verdammt! Es war ja schon halb acht!
„Schnell wir müssen uns beeilen. Ich muss noch zum Unterricht!“, sagte ich hektisch.
Ich putzte mir und Lia schnell die Zähne und zog mich um.
„Aaalex, und was soll ich anziehen?“, fragte Lia mich.
Wie sollte ich denn jetzt etwas zum Anziehen für sie finden? Ich zog Lia eines meiner weißen Hemden über und nahm sie auf den Arm. Und dann rannte ich wie ein Bescheuerter mit Lia in Richtung Mensa.
Kurz vor der Mensa setzte ich Lia ab und sagte ihr, sie solle hier bleiben. Lia nickte brav. Danach ging ich in die Mensa.
Ich suchte die Menge nach Jan, Matt und Sam ab. Und fand sie zum Glück sehr schnell. Ich packte jeden jeweils an den Hemden und zog sie nach draußen.
„Hey, man! Was soll denn das!“, rief Matt.
„Wo is'n Lia hin?“, fragte Jan.
„Was hast du's denn so eilig?“
„Haltet einfach eure Klappe und kommt mit!“, fuhr ich sie an.
„Endlich draußen!“, seufzte ich erleichtert auf.
„Alex, ich wusste gar nicht, dass du auf Jüngere stehst!!“, pfiff Sam.
„So'n Quatsch! Wenn du genau hinsiehst, wirst du merken, dass das Lia ist!!“, sagte ich wütend und hielt ihnen Lia vors Gesicht.
„Mensch, für ein Vampir bist du aber ganz schön hässlich!“, sagte Lia niederschmetternd und patschte Sam mit ihrer kleinen Hand auf seine die Wange.
Lia war als kleines Kind schon immer sehr direkt, was sie manchmal ganz schön in Schwierigkeiten gebracht hatte.
„Willst du mich verarschen!“, rief Sam erbost.
„Du musst dich doch nicht für deine Hässlichkeit schämen.“, sagte sie ernst.
…Kurzes betretenes Schweigen.
„Sie ist es ja wirklich!“, stellte Jan fest.
„Sag mir etwas das ich noch nicht weiß.“, knurrte ich.
„Alter, wie ist das passiert?“, fragte Matt.
„Wenn ich das wüsste...“, gab ich zurück.
„Wahrscheinlich hat sie Magistro geschluckt. Es bewirkt, dass
man sich in ein Kind verwandelt und wenn man nicht innerhalb von 2 Tagen das Gegengift schluckt, wird man für immer ein Kind sein.“, teilte uns Jan mit.
„Toll, und was mach ich jetzt?“, fragte ich missmutig.
„Ich hab HUNGER!!!“, quengelte Lia sich in den Vordergrund.
„Das ist erst mal Nebensache. Zuerst brauchst du etwas ordentliches zum Anziehen.“, sagte ich bestimmend.
„Soll ich etwa verhungern!“, sagte Lia, kniff mir in meine Wange und strapazierte diese so sehr, dass ich dachte, ich würde mich gleich von meiner Wange verabschieden müssen.
„Neiiiin, dasch meinte isch nisch. Isch meine dasch du nisch in einem überdimenschionalem Hemd herumlaufen kannscht.“, erklärte ich ihr unter Schmerzen.
Prompt ließ sie meine Wange los und meinte: „Na gut, aber schnell. Ich hab sooo einen Hunger!“
Text: DAS alles gehört MIR!!!
Na gut, abgesehen von dem Cover...
Publication Date: 04-06-2011
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