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Der Autor:







"Ich bin ein theoretisches Überbleibsel der ehemaligen Sowjetstreitkräfte auf dem Territorium der ebenso ehemaligen DDR, weil das fast interessanter erscheint, als die viel praktischere Möglichkeit, ein "Wessi" in den "noch nicht so gebrauchten Bundesländern" zu sein."




"Moderne Technik ist doch was feines!", lächelte Brisko lässig und entnahm der Senseo einen frisch gebrühten Kaffee.

Schneider, der ergraute 68er Althippie, der sich längst weitgehend mit dem einst so ungeliebten Establishment arrangiert hatte, sah auf und blinzelte hinter den John Lennon Brillengläsern mit den Schweinsaugen.

"Ach?"

Kommissar Brisko, Vorname Johannes und von den meisten nur "Johnny" genannt, starrte seinen Kollegen nachdenklich an. "Sie klingen ganz so, als würden Sie nicht meine Meinung teilen, Herr Kollege."

Hauptkommissar Schneiders Miene drückte mehr aus, als alle verbalen Verneinungen dieser Welt. Dennoch ließ er es sich nicht nehmen, auch Worte sprechen zu lassen, denn seiner Erfahrung nach, konnte das bei Menschen vom Schlag eines Brisko nie wirklich schaden.

"Das wäre ja kaum das erste Mal, oder?"

Achselzuckend nahm Johnny hinter seinem Schreibtisch Platz.
"Ich kann nichts dafür, das sie einfach nicht mit der Zeit gehen wollen, nicht nur, was die Technik, sondern auch was Ermittlungsmethoden anbelangt."

Schneider öffnete eine Schublade, brachte ein Päckchen Tabak zum Vorschein und begann sich allen Verboten zum Trotz eine Zigarette zu drehen; seine gelblichen Finger zeugten von jahrelanger Erfahrung.

"Moderne Technik", er warf einen fast sehnsüchtigen Blick zur Senseo, doch das war Briskos Privatmaschine und trotz der erzwungenen Büro-
gemeinschaft und seiner Kaffeesucht wäre es Ihm nicht im Traum eingefallen, seinen Gegenüber um eine Tasse zu bitten, "mag ja ganz nützlich sein, auch wenn man diesen Mobiltelefonen nicht trauen kann, aber so mancher Fall wäre mit ihr gar nicht erst vor Ort zu lösen gewesen, Brisko, das sage ich Ihnen."

Brisko hob die sorgfältig gezupften Augenbrauen. "Gar nicht erst vor Ort? Herr Kollege, ich sehe nicht, wo es Technik bedurfte, wenn man den Täter in flagranti ertappt..."

Schneider stöhnte auf. "Brisko, sagen 'se mal, wovon reden Sie da? Dummes Zeug - in flagranti - wer redet denn davon, was? Ich spreche von guter, altmodischer Ermittlungsarbeit und dem detektiv-ischen Spürsinn, den ein Landesbeamter in unserem Beruf nun mal dringend benötigt."
Und er tippte sich vielsagend an die fleischige Nase.

"Sie machen mich neugierig, Herr Kollege."
Nicht, das es so geklungen oder gar der Wahrheit entsprochen hätte, denn Brisko empfand aller-höchstens Mitleid mit dem Fossil, das Ihm für den weiteren Karriereweg schlicht nur im Weg stand oder besser gesagt saß.

Paffend und mit dem satten, zufriedenen Grinsen einer Katze, die bekommen hatte, was sie vom menschlichen Dosenöffner wollte, lehnte sich der grau gewordene Hauptkommissar mit einem BMI von weit über 30 zurück und begann zu erzählen.

"Es war...lassen Sie mich einen Moment nachdenken...
Ja, die Wende, politisch, meine ich. '82. Kohl löste Schmidt-Schnauze ab, leider. Die unsägliche FDP drehte ihr Fähnchen nach dem Wind, ließ den Koalitionspartner im Stich und...
Na, das tut nichts oder nur kaum zur Sache. Und ich will gar nicht drüber nachdenken, sonst rege ich mich nur wieder auf, schlecht für die Pumpe, sagt mein Arzt.
Also, '82. Nicole hatte gerade den Grand Prix de la Chanson de Eurovision gewonnen."

Und er trällerte nicht völlig talentfrei aber dennoch akustisch anstrengend die ersten Takte von Ein bisschen Frieden

, ehe er den ursprünglichen roten Faden wieder aufnahm.

"Also, '82. Ich wurde zu einem Tatort gerufen, Mord. Im Villenviertel - damals war das noch kein Tummelplatz der Neureichen, sondern nur alter deutscher Geldadel, das kann ich ihnen sagen.
Wer da wohnte, der hatte es nicht nur geschafft, der hatte auch Klasse und Stil. Nicht so wie heute."

Brisko nickte und nippte am Douwe-Egberts-Kaffee. Bald war Feierabend, eine Tatsache, die Ihn aufrecht erhielt.

"Maximilian Zeller. Das Opfer. Wohnte - was heißt wohnte, er residierte

in der alten Villa Steinbach. Urgroßvater seiner verstorbenen Frau Helene.
Schickes Objekt, kann ich nur sagen; weitläufige Parkanlage - also, weitläufig für die beengten Verhältnisse hier - und drei Schlafzimmer, sogar Dienstboten und Speiseaufzug. Wintergarten.
Ein Traum, ein Traum."

Ich hoffe, der Koffeeingehalt hält mich wach, dachte Brisko, zeigte aber nach Außen hin höfliches Interesse.

"Steinbach war einer der ersten Großindustriellen hier in der Gegend, einer, der seine Arbeiter noch allesamt beim Namen kannte. Er finanzierte hier die Häuser im alten Viertel mit, wo er Seine Leute unter-brachte. Nicht so wie heute, wo diese Manager nur noch an sich und den Profit denken, nein - Steinbach war ein Chef alter Güte.
Und so war auch der junge, also Max Zeller, auch wenn er nur eingeheiratet war. Seine, Maximilians, Frau früh verstorben, nur eine Tochter und die war ja völlig aus der Art geschlagen, so eine Art Spät-68er ohne wirklich etwas davon zu verstehen. Gegen alles und jeden aus Prinzip, nicht aus Verständnis."

Schneider nahm einen tiefen Zug und rückte die Brille zurecht.

"Ja, ich kam an und da lag er, der Max Zeller. Im Flur, wenn man das so nennen will, am Fuß der großen Treppe. Auf Marmorfliesen. Tot."

Brisko hatte den Eindruck, in der Kunstpause etwas sagen zu sollen, also tat er das. "Kein Unfall möglich? Ein Treppensturz vielleicht?"

"Papperlapapp", winkte Schneider ab und verstreute dabei Asche über die Akte, die aufgeschlagen auf seinem Schreibtisch lag, "nicht, wenn einem ein Eispikel im Nacken steckt. Sowas - der Pickel - gehört in einem solchen Haushalt hinter die Bar, liegt nicht einfach so rum, Sie Banause."

Der schlaksige Johnny nahm einen weiteren Schluck Kaffee und genoß das sich entfaltende Aroma.

"Standardprozedere, aber - nichts: keine Fingerabdrücke also, der Täter hatte also Handschuhe benutzt; wäre ja auch zu dämlich und damals, da waren die Verbrecher nur selten dämlich und wissen Sie warum, Brisko?"

Brisko wußte es, hatte es ja in den letzten fünf Jahren oft genug vorgebetet bekommen. "Damals hielten die Verbrecher die Polizei noch für fähig."

"Richtig!", brummte Schneider und drückte mit einer harschen Bewegung den Zigarettenstummel im überquellenden Aschenbecher aus.

"Die hatten noch Respekt, da war noch Ehre im Spiel!" Und nickte mehrmals bekräftigend mit erstem und zweitem Kinn.

"Ich ließ die Spurensicherung also Spuren sichern und steuerte schnurstracks - na, wohin wohl? Genau! Ins Arbeitszimmer.
Sowas gab's damals nämlich noch. Die Wände voller Regale, darin Bücher - literarische Werke, meist in edelstes Leder gebunden, nur wenige in Leinen.
Exquisite Auswahl, sage ich Ihnen, Brisko - Schiller, Goethe, Mann, Shakespeare und all sowas."

Schneider holte erneut den Tabak hervor und begann die nächste zu drehen.

"Und natürlich ein Schreibtisch, so ein verschnörkeltes Edelholzteil, eine Wonne, dieser Anblick. Und weit und breit kein Computer.", er zeigte grinsend die gelblichen Zähne, "Dafür aber ein Kalender, ein Terminplaner."

"Und darin hatte sich der Mörder verewigt?", spöttelte Brisko, was Ihm einen giftigen Blick einbrachte.

"Ja und nein, Sie Besserwisser. Ja und nein. Für den vermuteten Tatzeitpunkt - der selige Dr. Bastian hatte dafür ein präzises Händchen, schade um den Kerl - gab es tatsächlich zwei Eintragungen."

Brisko stellte die leere Tasse auf dem Unterteller ab. "Und Sie haben die beiden verhört und einer hat dem psyschichen Druck nicht stand-gehalten.", stellte er fest, die Uhr an der Wand im Blick.
Ronja, die zukünftige Mutter Seiner Kinder, legte wert darauf, das er pünktlich zum Abendessen zu Hause war, denn Sie liebte das kochen, das echte kochen. Tütensuppen und Tiefkühlkost gab es bei Ihr nicht; wohl ein Erbe ihrer italienischen Mutter.

"Nahe dran, aber natürlich gab es mehr als nur diese beiden, die als Verdächtige in Frage kamen. Die Realität ist nicht immer so einfach, wie es diese vermaledeiten Fernsehserien uns immer weiß machen wollen.
Zunächst war da natürlich die Tochter, Eva-Maria, immerhin mußte man davon ausgehen, das Sie Allein-
erbin sein würde und wir reden von Steinbach & Co.! Dann natürlich der Butler, Frederick, der zugleich als Koch diente und im Nebenhaus logierte.
Er hatte die Tat gemeldet."

"Kein Gärtner?"

Schneider rollte die Augen. "Vergessen Sie Reinhard May, jedenfalls soweit es diesen Fall anbelangt, ich will Ihn ja nicht als Liedermacher schlecht machen, dafür ist er nämlich zu gut.
Den gab es, den Gärtner, aber er wohnte außerhalb. Zunächst uninteressant also für uns.
Nun - ich rief die Bereitschaft an und gab die Daten der Termininhaber weiter mit der Bitte, die beiden Personen unverzüglich in die Villa Steinbach zu überstellen. Und warum habe ich das getan?"

Aufmeksam musterte er seinen jüngeren Kollegen und der seufzte. "Wegen der Flucht- und Verdunklungsgefahr versteht sich."

"Wie aus dem Lehrbuch, ja. Und völlig falsch." Schneider schüttelte das ergraute Kurzhaarhaupt mit der hohen Denkerstirn und den Hängebacken. "Weil ich den Täter mit Seiner Tat unmittelbar konfrontieren wollte, Brisko! Psychologie, aber praktisch!"

Brisko hielt recht viel von Psychologie, hatte aber aufgrund Seiner eigenen Vorbildung doch etwas andere Ansichten, was deren Umsetzung in die Praxis anbelangte; die Zeiten und Methoden hatten sich doch sehr verändert, seit Freud sich in seinen sexuellen Obsessionen verloren hatte.

"Natürlich ließ ich auch nach der Tochter fahnden. Kurz und gut", das klang in Briskos Ohren zu gut um wahr zu sein während der Sekundenzeiger gnadenlos weiterlief und die Minuten dicht auf folgten, "keine zwei Stunden später - also nachdem ich eingetroffen war - befanden sich bis auf die Tochter alle dringend Tatverdächtigen vor meinen Augen."

Hausgemachte Pikata Milanese mein Liebling, Dein Leibgericht,

hatte Ihm Ronja heute Morgen ins Ohr geflüstert und Ihm dann noch einen kurzen Blick auf das Dessert gegönnt, weswegen er mal wieder fast zu spät zur Arbeit erschienen wäre. Aber bei solch einer Frau konnte man Ihm das wohl auch nicht verdenken, es sei denn man hieß Schneider und lebte als Single.
Nicht, daß der Alte kein Interesse gehabt hätte, vermutete Brisko, aber einseitiges Interesse reichte eben nicht aus in einem Fall wie dem Hauptkommissar.

Der gefiel sich offensichtlich in der Rolle des herablassenden Erzählers und schwelgte munter weiter in der Vergangenheit. "Als erstes nahm ich mir natürlich den Butler zur Brust, auch wenn der doch eher unwahrscheinlich war - denn wer ermordet schon seinen Dienstherren, wenn er noch Angestellter ist. Man schlachtet ja kaum die Kuh, die man melken will, was. Frederick Martin, so sein Name, 53, allein-stehend, seit über 15 Jahren bei der Familie angestellt.
Sah aus, wie man sich einen Butler vorstellt: mittelgroß, unauffälliges Gesicht, weißes Hemd und schwarzer Anzug. Keinen Schmuck und eine neutrale Miene mit einem Hauch von Herablassung und einer Prise Fassungslosigkeit.
Offensichtlich ein Dienstmann vom alten Schlag, Brisko. So was gibt's heutzutage schon lange nicht mehr. Hat, wie er erzählte, seine Ausbildung auf der Insel gemacht. Na, wo auch sonst. Gab an, dies sei sein freier Tag gewesen. Was bedeutete, er war nicht ständig im Haus, wie er erklärte.
Nur um Viertel nach 10 noch mal herübergekommen um die Bar in Ordnung zu bringen; wohl weil es dort Abends zuvor eine kleine Party mit Freunden und Geschäftspartnern gegeben hatte."

Brisko fragte sich gerade, ob das Dessert ihn heute in rot, weiß oder schwarz erwarten würde; Sie besaß eine recht groß- und freizügige Collection die wie für Sie gemacht war.

"Und selbst wenn, wäre er bei einem Geschäfts-termin zugegen gewesen, so könnte er darüber, wie auch über die Lebensumstände Seiner Herrschaft keine Angaben machen, dies verstoße gegen seinen Berufs-ethos."

Brisko kicherte. "Sie haben Ihm sicherlich einen Vortrag über Sein nichtvorhandenes Zeugnisverweigerungsrecht gehalten..."

"Von nichtvorhanden kann ja gar keine Rede sein; bringt man den jungen Leuten den heutzutage gar nichts vernünftiges mehr bei?!", polterte Schneider kopfschüttelnd.

Eine Antwort erübrigte sich, denn Schneider war bekanntermaßen nicht an Tatsachen interessiert, die Seine Meinung nicht widerspiegelten.

"Natürlich gab es vor dem eigentlichen Verhör eine Belehrung; damals haben wir unseren Beruf und die Gesetze noch ernst genommen, da gab es kein schnell-schnell und hektisch über'n Ecktisch.
Da ging alles mit rechten Dingen zu, Brisko, merken Sie sich das."

So oft, wie Schneider diese Weisheit großlöffelig weitergab, bestand selbst bei einem Alzheimer-patienten kaum die Gefahr, daß es jemals in Vergessenheit geraten würde - schon gar nicht bei einem Kommissar mit einem Abiturdurchschnitt, der chefarztwürdig war.

"Und merken Sie sich auch, das im Grundsatz jeder egal ob Verdächtig oder Zeuge ein Zeugnis-verweigerungsrecht hat, ohne das man eine Nicht-aussage als belastendes Material ansehen dürfte.
Kurz gesagt: nein, er habe nichts Verdächtiges bemerkt, keinerlei Außergewöhnlichkeiten, etc. pp.
Er hätte den Großteil des Tages in Seiner Wohnung verbracht und nein, dafür gebe es keine Zeugen."

"In alten Krimis war der Butler oft der Mörder, soweit ich mich erinnere, Herr Kollege." Brisko hatte einfach den Eindruck, etwas sagen zu müssen, etwas, das Schneider hören wollte. Je mehr er sich darum drückte, desto später würde er zu Ronja kommen und auf unnütze Unpünktlichkeit reagierte Ihr italienisches Temperament eher feurig.

"In alten Krimis, ja, obwohl nicht so oft, wie die Jugend von heute so denkt, wenn sie denn mal denkt. Sowas war Autoren vom Schlage einer Agathe Christie, eines Arthur Conan Doyle, Edgar Allan Poe einfach nicht würdig, die nahmen ihre Leser noch ernst; behandelten sie mit Respekt. Respekt!
Erst mit Edgar Wallace hat sich da viel verändert.
Aber davon reden wir nicht, Romane sind nicht die Realität, Brisko.
Behalten wir uns, das der Butler die Tat abstritt und keine verdächtige Person benennen konnte und durchaus die Gelegenheit zur Tat hatte, ja?"

Brisko erhob sich um ein weiteres Kaffee-Pad einzulegen. "Ja.", seufzte er mit einem Blick auf die Uhr, den der Hauptkommissar aber nicht wahrzunehmen schien.

Der Alte fuhr fort: "Befragter Nummer zwei war Jens Jensen, Anwalt der Familie, wie er sich nannte. Kanzlei Schroth, Körner & Partner, gibt’s heute noch, auch wenn von den Namensgebern nur noch der junge Körner aktiv ist, wenn er nicht gerade irgendwo Golf spielt.
Sympathischer Kerl, tadellose Manieren, sogar die Schuhnähte waren gewichst - damals war das schon noch auffällig, heute sieht man das so gut wie gar nicht mehr.
Ja, er habe einen Termin mit Herrn Zeller gehabt, um 9:30 Uhr an diesem Dienstag. Eine vertrauliche Angelegenheit, Firmeninterna.
Mehr könne er im Moment nicht dazu äußern aufgrund der anwaltlichen Schweigepflicht, die selbst-verständlich auch Verstorbenen gegenüber von Bestand wäre. Er nannte auch zwei, drei einschlägige Urteile, aber alles in allem war es ein sehr offenes und freundliches Gespräch.
Die Besprechung habe etwa eine halbe Stunde angedauert und er habe Herrn Zeller somit gegen 10 Uhr zuletzt lebend gesehen und nein, seines Wissens nach habe er Herrn Zeller nicht ermordet.
Weitere Zeugen seien nach seinem Kenntnisstand ebenfalls nicht anwesend gewesen."

Anwalt und Firmeninterna

... grübelte Brisko fast gegen seinen Willen. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, das ein Anwalt der in zwielichtige Geschäfte verstrickt war, sich mittels kaltblütigem Mord aus der Affaire zu ziehen versucht hätte. Und Angaben ohne Zeugen waren immer sehr unergiebig.

"Der nächste war Peter Maschmann, seines Zeichens der Stellvertreter von Direktor Zeller bei Steinbach & Co. Gepflegte Erscheinung, modisch, aber akkurat gekleidet, fester Blick und solider Händedruck.
Gab an, den Termin nicht wahrgenommen zu haben, weil Ihm eine dringende Besprechung mit dem Betriebs-ratsvorsitzenden, Rudolph Zender, dazwischen gekommen sei. Was dieser sicherlich bestätigen könne."

Brisko starrte gelangweilt in die mittlerweile leere Tasse. "Was dieser aber nicht konnte?"
Vages Interesse heuchelte seine Stimme wenig überzeugend, doch Schneider schien es gar nicht zu bemerken.

Der Hauptkommissar kicherte, vielmehr war es mehr ein gackern, fast wie ein aufgescheuchtes Huhn, das einen neuen Hahn auf dem Hof entdeckt hatte.

"Um das herauszufinden, ließ ich mir die Nummer und Adresse geben, verabschiedete nach ein paar weiteren Fragen den Herrn stellvertretenden Direktor und ließ diesen Zender zu mir bringen."

Und drehte sich erstmal die nächste, womit er nicht nur seine widerliche Sucht befriedigen wollte, sondern auch Spannung erzeugen, was Ihm bei Brisko aber völlig mißlang.

"Stand er also nun von mir, tief getroffen dem Hundegesicht nach, das er machte. Machte auch ständig tztztz

.
Das kann ich ja gar nicht leiden... Bestätigte aber die Aussage von Maschmann.
Ja, zur fraglichen Zeit waren wir zusammen, im Auto von Herrn - oder heißt es jetzt Direktor wo doch der alte Direktor... ich meine... Tztztz... Also, der Maschmann und ich, wir saßen in Seinem Auto, dem nagelneuen blauen BMW E30 Limousine. Was für ein Auto, Herr Kommissar, 6 Zylinder, Alufelgen, Tempomat, Cassettenradio, Ledersitze, elektrische Fensterheber, Sitzheizung. Wissen Sie, Herr Kommissar

, sagte er, denn damals da war ich auch noch nur so'n kleiner Kommissar wie Sie Brisko, aber ich hab's ja zu was gebracht, vielleicht wird auch mal aus Ihnen was.
Solche gemeinsamen Fahrten wären keineswegs ungewöhnlich,

gab er noch an, schließlich stünden wieder Tarifvertrags-verhandlungen an und da ließen sich manche Dinge besser von Mann zu Mann und unter vier Augen abseits der Belegschaft und Geschäftsleitung besprechen, um die Angelegenheit nicht unnötig zu verkomplizieren.
Ich erinnere mich genau, das wir da zusammen waren, denn gerade, wo wir wieder in die Stadt reinkamen, nein - kurz davor, im langen Tunnel - da begann doch die Sendung von der Gundula Garberg. Im Radio.
Die höre ich jeden Dienstag. Und die kommt immer zur gleichen Zeit, Punkt 10 Uhr 5 und geht bis um elf, Herr Kommissar. Hatte schon Angst, ich würde sie verpassen, wo meine Else doch im Krankenhaus liegt und ich doch zu Besuch war, Radio ist da nicht erlaubt und man da die Zeit vergißt, gerade, wenn man selten eine Uhr trägt, so wie ich; ist noch eine Marotte aus alten Tagen, als ich einfacher Arbeiter war, da war so eine Armbanduhr zu gefährlich, wissen Sie. Ein Kollege hat sich damit mal in der Maschine verfangen und Schwupps - die Hand war ab, da war ich noch in der Lehre.
Als mich der Herr Maschmann dann freundlicherweise abholte, machte er extra für mich das Radio an.
Sagte, er wüßte doch, wie gern ich die Garberg höre. Ein netter Mensch, der Herr Maschmann. Da, also bei der Frau Garberg im Radio, da wurden auch schon Wünsche von mir gespielt..



Worauf er wirklich stolz schien. War damals aber auch schwer bei so einer Sendung durchzukommen, muß ich sagen. Die Telekom war noch Post und da war nichts mit Digital, das war alles noch mechanisch.
Weniger Störungsanfällig, da konnte man noch wirklich was reparieren, da waren echte Handwerker gefragt, echte Kerle, die was drauf hatten, keine jugendlichen Computerheinis, die nie raus kommen aus ihrem Internet und ..."

"Also können wir Maschmann ausschließen, gut.", unterbrach Johnny ehe er sich noch mehr Unsinn über Dinge, von denen Schneider nichts verstand anhören mußte. Bestimmt...trägt Sie das unschuldig weiße, Sie weiß, wie sehr ich auf die unschuldige Masche abfahre

, ging es Ihm durch den Kopf.

"Vielleicht wird aus Ihnen doch noch mal ein echter Polizist.", meinte der nur gönnerhaft. "Also, kommen wir zur Verdächtigen Nummer vier, Eva-Maria Zeller, die Tochter. Kesse Göre von Anfang 20 und offensichtlich sehr unentschlossen, was Ihre persönliche Entwicklung betraf: liederliche Kleidung, kaugummikauend und bar jeden damenhaftem Benehmen, wie es sich für eine Tochter aus gutem Hause gehören würde.
Aber hatte schon was von einem Mannsweib, kann ich Ihnen sagen. Bestimmt eine Lesbe, dachte ich, als ich Sie damals sah. Man könnte auch mit Fug und Recht sagen, Sie erweckte den Eindruck eines Schwarzen Schafes innerhalb der Familie. Obwohl man das nicht kann, denn schlußendlich war Sie nun die Familie.
Unumwunden gab Sie zu, einen Schlüssel zu besitzen, um sich Zugang zum Haus zu verschaffen. Hätte Sie aber nie, denn Sie habe Ihren Herrn Vater gehaßt, bedauerte gar, das Ihr wohl jemand zuvorgekommen sei.
Wörtlich meinte Sie sinngemäß: Dieses Schwein hat nich’ma’ bekommen, was er verdient hat, ging viel zu schnell. Hat meine Mum belogen und betrogen und mich gefickt als ich 16 war

."

Brisko genoß den frisch gebrühten Kaffee. "Ein perfektes Motiv, scheint mir, Herr Kollege."

Schneider stöhnte. "Jajaja, augenscheinlich. Und ein geschickter Anwalt bastelt aus so einer Person die zweite Johanna von Orleans und erwirkt einen bejubelten Freispruch oder zumindest eine nur geringe Strafe. Aber vielleicht lassen Sie mich mal ausreden und geben dann ihren unqualifizierten Senf dazu ab."

Er fuchtelte mit den Armen als wolle er einen Fliegenschwarm verscheuchen und Johnny nickte.

"Ich hing ab, die ganze Zeit.“, sagte Sie. Wo genau wüßte Sie nicht mehr so ganz sicher, in verschiedenen Clubs und Bars und Discos; hätte da wohl auch das ein oder andere getrunken und so..."

Schneiders Betonung bei und so

lies einen dicken, fetten Joint vor Briskos geistigem Auge entstehen.
Motiv, wahrscheinliche Gelegenheit und kein stichhaltiges Alibi

, dachte er. Paßt

.

Brisko stand auf und nahm sein Jackett vom Haken. "Na, dann ist ja alles klar, Herr Kollege."

"Ach?" Die Schweinsaugen glitzerten voller Vorfreude und Brisko fragte sich einen Moment, warum.

"Ja", erwiderte er gedehnt, "die Tochter. Motiv, Gelegenheit, denn Sie hatte Zugang zum Haus und der jahrelang angestaute Haß gab Ihr die notwendige Kraft für die Tat. Geradezu klassisch."

"So, meinen Sie, Brisko? Genau deshalb sind Sie ja auch nur Kommissar, obwohl Sie nicht mal das verdient haben, wenn man mich fragt, aber auf uns alte Spürhunde hört ja keiner mehr. Oder glauben Sie, daß ich Ihnen ausnahmsweise gnädig recht geben will?", er lachte meckernd und selbstgefällig, „Brisko – Sie sind eine Niete, ganz ehrlich. Kein Schuß Menschenverstand und kein Gespür für das Wesentliche.
Der Peter Maschmann war es, jawollja."

Johnny schluckte hart und starrte ungläubig und Hauptkommissar Schneider kicherte wieder.

"Der hat seinen Termin nämlich doch wahrgenommen, so daß ihm das Opfer selbst die Tür geöffnet hat. Somit konnte es auch keine Einbruchsspuren geben.
Und um sich ein Alibi zu verschaffen, hat er sich hinterher mit dem Rudolph Zender getroffen. Da der ja keine Uhr trägt, und im Krankenhaus bei seiner Frau die Zeit "vergessen" hat, hat er sich nur an der Radiosendung von Gundula Garberg orientiert.
Da weiterhin davon auszugehen ist, daß im Tunnel kaum ein vernünftiger Empfang möglich ist, war mir natürlich sofort klar, das es sich um eine zuvor aufgezeichnete Aufnahme handeln mußte, die dann vom Band abgespielt wurde.

So war das nämlich damals, aber woher soll so ein Jungspund wie Sie so was auch wissen, euch bringt man ja heutzutage gar nichts mehr bei.“




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Imprint

Publication Date: 11-06-2009

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Dedication:
Gewidmet allen bloggenden Testlesern, insbesondere Ormuz, die mich als Lektorin unterstützte und Flogni, der sich die Lösung schwer erarbeitet hat.

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