Die Entdeckung des Buches
Die kleine Jenny hatte an ihrem achten Geburtstag ein neues Buch bekommen, dessen Titelseite sehr bunt und schön gestaltet war. Die anderen Geschenke waren auch toll, wie die neue Spielkonsole oder die neue Puppe mit den blonden Locken, doch irgendetwas Lockendes schien von dem neuen Buch auszugehen.
Jenny schritt bedächtig an den Gabentisch heran, auf dem es lag: „Was wird wohl in dem Buch sein?“
Das Mädchen griff andächtig nach dem Buch, wo in bunten Buchstaben stand: „Sini Die kleine Feldmaus“. Da drunter standen auf dem Feld lauter Getreidepflanzen und ganz unten am Feldrand saß eine kleine Feldmaus vor einem Erdloch und unterhielt sich mit einem kleinen Hasen. Die Sonne schien am Himmel, am Horizont war ein Wald erkennbar. Nahe dem Erdloch von Sini wuchsen ein paar bunte Blumen und ein Buntspecht saß an einem Baum, wie ein Mensch kaum Halt finden konnte.
Jenny legte das Buch erstmal vor sich auf ihren eigenen kleinen Schreibtisch in ihrem Kinderzimmer, den Blick immer auf das Titelbild gerichtet und schien förmlich in diese Welt einzutauchen. „Sini sieht aber lustig aus. Wer ist der Hase neben der kleinen Maus?“
Jetzt begann die heiße Phase, ganz langsam wurde das Buch geöffnet, Inhaltsverzeichnis und Vorwort galant überblättert, da stand die Überschrift deutlich in großen schwarzen Buchstaben „Sini Die kleine Feldmaus“. Als wenn Jenny sich eine Schutzwand bauen wollte, stellte sie das geöffnete Buch vor sich hin, damit nichts und niemand sie ablenken konnte, begann den ersten Satz lesend zu erfassen und den Sinn zu begreifen, welche Geschichte über diese kleine Maus erzählt werden sollte. Nach den ersten drei Sätzen stellte Jenny fest: „Ja das ist eine schöne Tiergeschichte, die mag ich, stört mich jetzt bitte nicht.“
Mama konnte natürlich die Gedanken ihrer Tochter nicht erahnen, daher fragte sie neugierig: „Jenny du bist so im Buch versunken. Wolltest du nicht mit Franka, Hanna und Ben deinen Geburtstag feiern?“ Jenny hörte es nicht, denn sie war mitten im Buch am Feldrand bei der Maus Sini, die mit dem kleinen Hasen Toni befreundet war. „Jenny ich habe dir was gesagt!“ Doch auch beim zweiten Versuch scheiterte Mama kläglich.
Da schien nur noch Mamas List zu helfen, sie schlich sich heimlich zur Haustür und klingelte, denn Papa war an Jennys Geburtstag auf Montage in einer anderen Stadt.
Ganz aufgeregt rannte Jenny zur Haustür, weil sie den vermeintlich gekommenen Papa umarmen und herzen wollte. Am Ziel angelangt, wich ihre Vorfreude, ihren Papa zu sehen schnell der Ernüchterung, in Mamas Weckruffalle getappt zu sein: „Anders warst du nicht aus der Geschichte heraus zu bekommen Jenny.“, versuchte Mama sich heraus zu reden.
Langsam erinnerte sich Jenny, dass ja heute ihr Geburtstag war und ihre Freunde Franka, Hanna und Ben waren gekommen, um mit ihr einen schönen Kindergeburtstag zu feiern. Franka fragte als Jenny rein kam: „Zeig uns doch deine Geschenke.“ „Kommt mit, ich zeige sie euch gern.“, antwortete Jenny und die vier Kinder stürmten mit lautem Geschrei ins Zimmer von Jenny. „Das ist meine neue Spielkonsole von Mama und Papa, meine neue Puppe mit blonden Locken von Tante Cindy und hier ist mein schönes neues Buch „Sini die Kleine Feldmaus“. Das bekam ich von Oma. Es ist so interessant, dass ich über das erste Ansehen des Buches vergaß, wo ich war.“ Jetzt umkreisten alle Kinder das Buch, niemand von ihnen konnte sagen, was von ihm ausging, aber die bunte Titelseite schien sie gerade in ihren Bann zu ziehen.
Als wenn Jennys Oma einen siebenten Sinn hätte, stand sie plötzlich hinter den vier Kindern und fragte: „Jenny ist das Buch so interessant, dass ihr vier darüber ganz deine Geburtstagsfeier vergesst?“ „Oma!“, rief Jenny erfreut und fiel ihrer Oma um den Hals. „Bitte, bitte lies uns die Geschichte vor.“
Gegen Jennys Charme konnte Oma natürlich nichts dagegen setzen und sie sagte: „Weil du heute Geburtstag hast, werde ich dir deinen Wunsch erfüllen und euch diese Geschichte „Sini Die kleine Feldmaus“ vorlesen.“
Oma und die Kinderschar folgten ihr ins Wohnzimmer, wo sich die alte Frau in den bequemsten Sessel setzte. Jenny und ihre Freunde setzten sich rund um die Oma auf den Teppich und sie nahm das Buch in die Hand.
Und so las Oma den Kindern das Buch “Sini Die kleine Feldmaus“, dessen Geschichte so interessant war, dass die Kinder ganz still und gespannt dem Gelesenen lauschten. Nach dem Oma mit dem Buch fertig war, fragte sie: „Was hat euch denn so daran gefallen?“ „Die kleine Feldmaus Sini und ihr Freund der Hase Toni haben viele Abenteuer erlebt. Am liebsten gefiel mir, wie Sini und Toni dem bösen Fuchs mit List entgingen und sich rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten.“, antwortete Jenny und Ben rief erfreut: „Ja und wie sich Sini und Toni in ihrem Erdloch versteckten, weil der schlimme Regen ihr Fell nass werden ließ.“ Oma sagte am Ende: „Es freut mich sehr, dass euch dieses schöne Buch so gut gefällt. Aber jetzt wartet die Geburtstagstorte mit den Kerzen, damit du sie auspustest und dir dabei etwas Schönes wünschst. Erdbeertorte mögen doch alle Kinder.“
Als alle ihren Kuchen gegessen und den Kakao getrunken hatten, schlug Oma vor: „Jeder von euch malt mir jetzt ein Bild mit einer Szene aus dem Buch, was euch am besten gefiel. Wer mir am Ende das Schönste bringt, erhält von mir eine kleine Überraschung.“
In dem Punkt beneidete Mama die Geschicklichkeit der Oma, ihrer eigenen Mutter, wie sie die Kinder beschäftigen konnte, ohne dass diese murrten. Als beide allein in der Küche beim ersten großen Abwasch waren, gab die große Tochter ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange und sagte: „Wie schaffst du es nur immer wieder, die Rasselbande bei Laune zu halten?“ „Das ist doch gar nicht so schwer, schließlich konnte ich bei dir und deinen zwei Geschwistern lange genug üben.“, antwortete ihre Mutter mit einem spöttischen Schmunzeln.
Nach einer halben Stunde betraten beide das Kinderzimmer und meinten diese müssten munter mit Farbstiften und Papier beim Malen sein, doch alle vier Kinder lagen bäuchlings vor dem geöffneten Buch, wo die große bunte Doppelillustration abgebildet war und waren friedlich eingeschlafen.
Da schlichen sie sich wieder zurück und Mama rief die Eltern von Jennys Freunden an, klärte sie auf und überließ alle vier Kinder ihren Träumen vom kleinen Feldmäuschen Sini und ihrem kleinen Hasenfreund Toni.
Am anderen Morgen weckte Mama die vier Träumer: „Wer hat denn nun das schönste Bild gemalt?“ Doch die vier Kinder mussten kleinlaut zugeben, dass sie so von dem Buch in den Bann gezogen wurden, ohne es zu merken.
Mama und Jenny verabschiedeten die anderen Franka, Hanna und Ben, dann machten sie sich beide auf den Weg zum Bahnhof, denn heute würde endlich Papa für ein langes Wochenende nach Hause kommen.
® Manfred Basedow
21.12.2013, Rostock
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Publication Date: 12-21-2013
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