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WENN ... , JA, WENN ...

Traktate über das große WENN & ABER
von Bernd Schiele


Wenn alle Menschen Sternchen wären,
wär’ die Welt nie dunkel.
überall gäb’s Sternenglanz
und Milchstraßengefunkel.

Ich hab’ entschlossen mich, zu strahlen
als wäre ich ein Stern.
Das kann ich nur, weil Du mein Freund bist.
Bleib mir erhalten, hab’ mich gern!

Ich hab’ entschlossen mich zu pfeifen
aufs Fremdbild, auf Konsumterror.
So mancher mag das nicht begreifen.
Manchem kommt es spanisch vor.

Nur der, der Lichter in sich trägt,
weiß sehr wohl was ich meine.
Man siehst sie anders wohl, die Welt.
Doch komm’ auch ich mit der ins reine.

Die Freundschaft macht die Welt wohl helle -
dies sei auch hier ganz groß vermerkt.

Ich habe auch an anderer Stelle
sie hochgehalten und verstärkt
auf die „Mitmenschlichkeit“ verwiesen,
weil jeder Mensch den anderen braucht.

Wohl hat es häufig sich ergeben,
daß zuviel Nähe manchmal schlaucht.
Doch geht’s im Ernst und auch im Spaß
im Leben um das rechte Maß ...

Das rechte Maß sieht jeder anders
 so ist nun mal der Lauf der Welt.
Der eine lebt still und beschaulich,
der andere strebt für Ruhm und Geld.

Ich würd’ das gerne kombinieren,
wenn ich so könnte wie ich wollt’.
Für andere wirken und mich „strapazieren“ -
das ist für mich des Daseins Gold.

• Ich bin sehr gern ein Astrologe
• mit Bibel, I-Ging und Tarot.
• Die Dinge sind für manchen unklar -
• ich mache damit Menschen froh.


(wird fortgesetzt)


LILITH - DIE SCHÖNE UNBEKANNTE
Zu einer Zeit, als das Paradies und die Erde schon eine Weile lang erschaffen waren, wandelte Gott auf Erden und fand Adam vor Enttäuschung schluchzend im Garten Eden vor.
„Mein liebes Menschenkind,“ sprach der Herr, „was macht dich so traurig? Habe ich dir nicht einen schönen Garten und ein gutes Leben bereitet?“
„NEIN, HAST DU NICHT!“ SCHIMPFTE ADAM VERBITTERT. „ALLE GESCHÖPFE HABEN EINE GEFÄHRTIN, NUR ICH NICHT!“
„Aber Adam!“ sagte der Herr erstaunt. „Habe ich dir nicht die Lilith erschaffen, so wohlgebaut, mit einer samtigen dunklen Haut?
Obendrein habe ich eingerichtet, daß sie dir leidenschaftlich zugetan ist und du daher recht viel Freude - nicht nur an ihren Mandelaugen - hast! Ist sie nicht die Leidenschaft in Person? Sie ist doch einfach vollkommen, oder?“
„Ach, was!“ Adam gestikulierte abwehrend. „Vollkommen ist sie überhaupt nicht, denn alle anderen Geschöpfe haben eine Gefährtin mit S e e l e , nur ich nicht!“
Der Herr griff fassungslos an seine Stirn: „Was willst du denn bloß ausgerechnet mit einer Gefährtin mit Seele? Bleib vernünftig, vielleicht stört das nur. Das Verfahren ist nicht erprobt. Außerdem sind die Seelen alle in der ganzen Schöpfung verteilt. Woher soll ich jetzt noch eine Seele nehmen? Das gesamte Produktionsaufkommen an Seelenmaterial ist verteilt!“
Adam aber hatte seinen störrischen Tag und bedrängte den Herrn so gut er konnte. Dieser wiederum mochte wohl sein Menschenkind nicht enttäuschen. Denn nach kurzer Überlegung kam ihm die uns allen aus dem Bibelunterricht bekannte Idee: Er schickte Adam in den Schlaf, entnahm aber nicht nur die Rippe, sondern auch die runde Adam-Seele. Die Adam-Seele teilte er je zur Hälfte auf Adam und die Rippe auf. Dann hauchte er der Rippe Odem, den Lebensatem ein. So also - und nicht anders - entstand Eva!
Der Rest ist auch aus der Bibel bekannt: Adam und Eva erwachten, erkannten einander und erfreuten sich ab sofort ihres seelischen und körperlichen Zusammenseins.
Waren nun a l l e zufrieden?

Nein, L i l i t h keineswegs! Etliche Zeitlang war sie weniger als sonst gefragt und fühlte sich aus diesem Grund arg zurückgesetzt. Sie schäumte vor Wut, lieh sich das Fell der Schlange und provozierte den bekannten Fall mit dem Apfel vom Baume des Paradieses. Vielen bunt schillernden Schlangen wird wohl allein deswegen heute noch häufig unrecht getan ...

Allein, der Verlust des Paradieses wäre wohl für Adam und auch Eva - später auch für uns, die wir heute leben - zu verschmerzen gewesen; denn seelisch und körperlich abgerundete Gefährten überstehen bekanntlich viel, wenn nicht sogar alles.

Leider ergab sich eine mißliebige Konsequenz, an der wir alle heute noch zu knausern haben: Die wahrhaft runde Halb- und Halb-Seele wie damals im Paradies gibt es heute nicht mehr. Manche dieser Teile haben Scharten. Eine Hälfte oder beide Hälften klaffen ein wenig oder stark auseinander oder eine oder beide Hälften lappen auf die andere über, manche klemmen und klammern sehr unangenehm. Oft erscheint es den Partnern sogar beschwerlich bis unmöglich, mit der Seelenhälfte des anderen auszukommen, obwohl der Kopf das eigentlich will.
Aus diesem Grunde allein sind abends die Bahnhöfe, Discotheken und sonstige Treffpunkte so voll: So viele Menschen suchen nach der Seelenhälfte, die hundertprozentig zur eigenen paßt, ohne zu wissen, daß diese zu finden schier unmöglich ist, denn - siehe oben!
Nur die Menschen, die die Geschichte mit der Lilith, dieser personifizierten Leidenschaft, kennen, suchen vielleicht nicht gar so arg.
Zu diesem elitär kleinen Kreis von wissenden Personen gehören ab jetzt auch Sie als Leser/in dieser Zeilen.

Nehmen Sie noch die irgendwie wahre Geschichte von Feisal mit auf den Weg!
ERSTER TEIL
Der Verlauf dieser Geschichte liegt eine ganze Weile zurück und geschah in einer Zeit, in der das Wünschen noch geholfen hat.
Da lebte in einem wundervollen fruchtbaren Land der Sultan Harun-Al-Achmed in einem prunkvollen Palast, von lieblichen Gärten umgeben, im besten Mannesalter wie man so sagt, bei bester Gesundheit, hochgeachtet von den Angehörigen seines Volkes, von den Herrschern der Nachbarländer geschätzt durch seinen unumstößlichen Friedenswillen, in einem Wohlstand, den sich heute kein lebendiger Mensch mehr wahrhaftig vorstellen kann.
Durchreisende Neider sollen berichtet haben, daß nicht nur der Palast, sondern auch der Serail und die Innenhöfe mit allerfeinsten Gold-, Silber- und Alabaster-Ornamenten verziert waren.
Es ist auch überliefert, daß die Schatzkammern dieses Palastes wohlgefüllt waren, obwohl der kluge Sultan ein großes Reich und zahlreiche Provinzen mit Straßen, guten Marktplätzen, zahlreichen Wasserläufen und blühenden Waldgegenden nach dem Vorbild seiner geschickten Vorfahren ständig gut versorgt und verwaltet hatte.
Die allseitige Zufriedenheit seines Volkes - das Wort Untertan war in seinem Reich verpönt - machte Palastwachen fast überflüssig.
Das Heereswesen und die Wachdienste im Palast führten die Edlen des Landes mehr und mehr als körperliche Ertüchtigung für die männliche Jugend durch denn als eine militärische Notwendigkeit. Die Regierungsweise der Vorfahren des Sultans hatte jedem im Lande zu bürgerlichem Wohlstand verholfen, niemand im Lande stöhnte über die wahrhaft geringen Steuern, niemand litt Not; Verbrechen waren schon seit Generationen nicht mehr vorgekommen.
In dieser ach so schönen Zeit saß der Sultan auf einem Eiderdaunen-Kissen in seinem mit Pfauenfedern geschmückten Thron im Konferenz-Raum und hatte allen Grund zufrieden zu sein. Sein kluger Palast-Architekt Amir hatte zu Füssen des Thrones im Boden einen Wasserlauf durch den Raum geführt, den der Sultan sehr gerne betrachtete. In dem Wasserspiegel spiegelte sich ein Fenster des Serails. In den Nachmittagsstunden erschien dort in diesem Fenster Nabila, die süße Lieblingsfrau des Sultans, winkte ihm zu und erfreute so den Sultan mit dem Anblick ihres lieben Spiegelbildes. Den anderen Gesprächsteilnehmern blieb diese kleine Tatsache verborgen.
(Wer dies nicht glauben will, möge in Spanien die Alhambra besuchen; dort ist so ein Wasserspiel erhalten geblieben.)
Die Audienzteilnehmer bemerkten diese Ablenkung nicht, ganz im Gegenteil: Sie bewunderten ihren Sultan für seinen fröhlichen Gesichtsausdruck, seine Ausgeglichenheit und Freundlichkeit in diesen ach so strapaziösen Konferenzstunden.
Eigentlich wußten später weder die ständig anwesenden Berater noch die Hofastrologen und Höflinge was genau passiert war. Es gab jahrelang die unterschiedlichsten Vermutungen über die Ursachen der noch zu schildernden Vorfälle; war die Jupiter-Stellung im Horoskop des Sultans schlecht bestrahlt, wie die Astrologen meinten oder war die Nacht nicht zufriedenstellend verlaufen, wie die Eunuchen indiskret kichernd berichteten oder stimmte es einfach, daß, wie der Mundschenk und Vorkoster berichtete, der Sultan zuviele Feigen genascht hatte?
Nun: Es erging dem Sultan allerdings wohl damals einfach so, wie es auch heute noch manchem ergeht, dem es (zu) gut geht:
Eines schönen Tages half eben auch der Anblick des Wasserspiegels nicht; beim Nachdenken über die Dinge des Lebens, das Kommen und Gehen kam er mehr und mehr in eine dumpfe Grübelphase. Obwohl er durch lückenlose unangefochtene Erbfolge auf den Thron geraten war, mochte er sich seine Aufgaben nie leicht machen. Feisal, sein kluger Wesir und liebster Freund hatte ihm bei den Regierungsangelegenheiten mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Als aber Feisal, sein schlauer Wesir und liebster Freund, im Thronsaal erschien, unterdrückte der Sultan eine Anwandlung von Dankbarkeit und fragte ihn fast unwirsch: „Sag’ einmal, Feisal, mir kommt da gerade so ein unangenehmer Gedanke: Wissen wir eigentlich der Weisheit letzter Schluß?“
Feisal runzelte die Stirn, überlegte kurz und antwortete:
„Nein, das wissen wir wohl nicht!“ „Ja, aber wie kommt das denn alles hier und wie geht das denn alles so im Leben und im Staatshaushalt? Wie kann das denn alles gehen ohne daß man der Weisheit letzter Schluß kennt? Ja, und wie ist es denn bisher überhaupt gegangen?“ „Nun,“ sagte Feisal, „bisher haben wir uns immer mit einer halbwegs guten Idee oder mit einer List, manchmal auch mit einem Augenzwinkern oder mit einem Trick aus der Patsche geholfen, wenn es nötig war. Manchmal hat auch die Zuversicht oder ein Gebet zum Schöpfer gereicht.“ „Das ist doch keine Auskunft!“ knurrte der Sultan, „Ich habe andere Ansprüche. Gehe zur Universität, frage unsere dreimal klugen Professoren!“ -
Feisal eilte fort, war aber bald zurück mit dem Bescheid: „Die Herren Professoren wissen nichts Genaues, aber man hat verschiedene Fakultäten eingerichtet, die sich bald auf einige Formeln einigen wollen, man hat einige Denkmodelle aufgeworfen, aber an der Weisheit letzter Schluß hat hierzulande wohl noch niemand richtig ernsthaft gearbeitet ...“
Der Sultan schäumte.
„Feisal, statte eine Karawane aus, lasse dir in der Schatzkammer die Reisekasse füllen, gehe außer Landes, befrage die Weisen der Welt. Komme rasch mit einem Ergebnis zurück, das meinen Ansprüchen genügt, ich habe sonst keine Ruhe, mein lieber Freund!“
Manches war damals eben kaum anders als heute: Unmotiviertes Anspruchsdenken kostet immer Geld.
Nach einer gewissen Zeit der Reisevorbereitung verließ Feisal mitsamt einer wohl ausgestatteten Karawane und einer üppigen Reisekasse die Heimat, um weit in der Ferne nach der Weisheit letzter Schluß zu suchen.
Als er das erste Mal erfolglos zurückkehrte, erstattete er dem Sultan Bericht über seine Reisen nach Indien, Tibet und Nepal.
„Du darfst China und Deutschland nicht auslassen, da wohnen kluge Menschen die vielleicht Bescheid wissen!“ warf der Sultan ihm vor.
Wieder sprach Feisal beim Schatzmeister vor und wiederum wurde ihm eine großzügige Reisekasse gewährt.
Aber Feisal berichtete nach der zweiten erfolglosen Heimkehr: „Oh mein lieber Freund und Herr! Sie arbeiten alle noch am Thema!“
Der Sultan scheute aber auch die Kosten für die dritte Reise nicht. Diese Reise war für den armen Feisal die schwierigste. Hatte er doch den Auftrag bekommen, wirklich jeden Schamanen, jeden Medizinmann, jeden Gnostiker, jeden Religionsstifter, ja selbst die Pygmäen zu besuchen.
Er reiste durch das elende Europa, in dem die Menschen die Badehygiene noch nicht kannten, mühte sich durch die Steppen Ostasiens, besuchte die Tippies und Laubhütten der Indianer, setzte sich den verschiedensten Grenzerlebnissen aus, drang zum Eismeer vor, diskutierte mit Humanisten und Denkern aller Richtungen.
Niemand kann heute sagen, wann das Ergebnis für Feisal zumindest in letzter Quintessenz feststand, ob nach einer Universitätsdebatte oder nach einem Rauscherlebnis in einer indianischen Schwitzhütte oder nach einer heißen Nacht mit einem Eskimo-Mädchen. Feisal wußte in seinem Innersten, daß das Ergebnis nicht nur schlicht akzeptabel war, es erschien ihm auch ganz logisch. So trat er denn die Heimreise an.
Man stelle sich die Vorgänge im Palast vor: Fanfarenstöße! Reitende Boten eilten Feisal voraus mit der Botschaft, daß Feisal mit dem Ergebnis „Der Weisheit letzter Schluß“ heimkehrte. Das Palast-Orchester intonierte fröhliche Weisen, die Palast-Wache trug die buntesten Farben und veranstaltete verwegene Reiterspiele um die Höflinge bis zum Erscheinen Feisals zu unterhalten. Der Sultan ließ sich mitsamt seinem Thron in den Thronsaal tragen, um seinen Freund Feisal zu empfangen und die langersehnte, nicht zuletzt recht teuer bezahlte und mit langer Trennung erkaufte Nachricht endlich entgegenzunehmen. Mit feuchten Augen blickte der Sultan seinem Freunde entgegen.
Die Palastwache hatte Mühe, die Weisen und die Höflinge zurückzuhalten; niemand wollte auch nur eine Silbe dieser Nachricht versäumen. Man kann sich die Erregung dieser Leute gut vorstellen.
Feisal sank vor seinem Herrscher zu Boden, umschlang dessen Füße und sprach gerührt: „Endlich, endlich, mein lieber Freund und Herr, war ich bei allen Weisen der Erde. Heute bringe ich dir der Weisheit letzter Schluß!“ Dann mußte er erst den Tränen ihren Lauf lassen. Die Höflinge, der Sultan, alle standen schweigend und warteten schier atemlos auf die Perlen der Weisheit der Welt.
Bewegt ergriff der Sultan die Schultern des Freundes, zog ihn zu sich heran und forderte: „So sprich nur, mein lieber Freund, sprich! Sag mir endlich der Weisheit letzter Schluß!“
Feisal legte stolz die Hand auf die Brust und sprach mit klarer Stimme, daß alle es vernehmen konnten:
„So wie es ist, so ist es. Und so wie es ist, ist es gut!“
„Wiederhole! Ich höre wohl heute nicht so gut!“ erwiderte der Sultan.
Alle Höflinge ruderten mit den Armen, die Professoren schüttelten die akademischen Köpfe, die Weisen des Landes japsten nach Luft, die Wachen gestikulierten, die Astrologen studierten die Stellung des Mondes.
„SO WIE ES IST, SO IST ES. UND SO WIE ES IST, IST ES GUT!“
wiederholte und verteidigte Feisal tapfer seine durch anstrengende Diskussionen erarbeitete, durch hochkonzentrierte Meditation und durch weite Reisen angelebte Überzeugung.
Der Sultan stieß ihn weit von sich fort.
Mit einer Geste des Abscheus kreischte er ärgerlich: „Wachen! Schafft mir diesen Mann aus den Augen! Hinweg mit ihm in den Kerker! Dieser Mann hat meine Abermillionen Goldtaler für nichts und wieder nichts ausgegeben, ist auf meine Kosten jahrelang im Ausland auf Vergnügungsreise gewesen und kommt mir mit einem derart dummen Spruch unter die Augen! Solch ein dreister Verschwender, Dummkopf und Frechling kann nicht länger mein Wesir und schon gar nicht mein Freund sein! Ab mit ihm!“
Die Wachen griffen zu, schleiften Feisal fort; ohne die Chance einer Gegenerklärung fand sich unser Feisal zwischen feuchten Kerkermauern wieder.
Manches war eben schon damals kaum anders als heute:
Die Szenerie geriet außer Kontrolle. Einige Höflinge setzten sich zaghaft für Feisal ein, wurden aber bald niedergeschrien von Schleimern und Brüllern, die in allen Epochen bei solchen Gelegenheiten Hochsaison wittern.
Manches war eben schon damals kaum anders als heute:
Wenn ein Herrscher die Kontrolle über seine Nerven verliert, ist er schnell eine Beute schlechter Ratgeber. An diesem Tage ließen ihn aber auch die schlimmsten Kratzfüße schnell allein. Niemand mochte sich der schlechten Laune des Sultans aussetzen. Im Nu war der Thronsaal menschenleer.
Harun-Al-Achmed, der größte Sultan unter der Sonne, saß nun einsam auf seinem Thron und raufte seinen Bart vor Ärger über die Reisekasse und das Reise-Ergebnis, das ihm ach so minderwertig erschien.
Laut rief er nach Faruk, seinem Hof-Friseur, der ihm schon so manchen handwerklichen Dienst im Laufe der Jahre erwiesen hatte. Beim Anblick Faruks schoß ein Gefühl von Freundschaft, Wohlwollen und Dankbarkeit durch Harun-Al-Achmeds Kopf. Er aber unterdrückte dieses warme Gefühl und knurrte: „Stutze mir den Bart!“
Manches war eben schon damals kaum anders als heute:
Was wir einfach geschehen lassen, das geschieht ungehindert. Das heißt unter anderem: Wenn niemand da ist, der uns beruhigt, müssen wir uns eben selbst beruhigen. Das vergaß der Sultan an diesem Tag zum wiederholten Male. Faruk hatte wegen der gespannten Atmosphäre nicht seinen besten Tag und Harun-Al-Achmed schien es wohl aufgrund der Ereignisse unmöglich, ruhig zu sitzen. Die Folge davon zeigte sich, kaum daß Faruk das Rasiermesser angesetzt hatte. Ein Blutstropfen floß von des Sultans Wange und geriet auf die Brokatweste des Herrschers, eine kleine Narbe hinterließ ihren Schorf auf der Wange und war trotz Faruks sachkundiger Bemühungen so rasch nicht zu schließen.
Nun, sicher wußte Harun-Al-Achmed selbst, daß er daran nicht ganz unschuldig war. Er unterdrückte aber den Anflug des Verständnisses und tobte: „Das soll eine Barbier-Arbeit sein? Du Stümper! Das sollst du büßen! Willst du mich verstümmeln? Hast du das etwa mit Absicht getan? Attentäter wie du gehören ins Gefängnis.“
Faruk stand bestürzt mit weit aufgerissenen Augen da. Auf ein Rufzeichen des Sultans stürmten die Wachen herein, auf ein unwilliges Handzeichen Harun-Al-Achmeds fielen sie über Faruk her. So fand sich dieser sehr schnell in einer von Feisals Nachbarzellen im Kerker wieder.
ZWEITER TEIL
Nach einer weiteren Stunde des Grübelns und des Haders mit seinem ach so unfreundlichen Schicksal rief Harun-Al-Achmed barsch nach seinem Stallmeister und forderte ihn barsch auf, Rih, den schnellsten Hengst des Rennstalls, zu satteln. Das geschah selbstverständlich sofort ohne Widerrede, denn dem Sultan wagte in dieser Situation niemand zu widersprechen.
Harun-Al-Achmed preschte davon ohne sich auch nur einmal im Sattel umzudrehen.
Manches war eben schon damals kaum anders als heute:
Jeder, der unbeherrscht losreitet, gelangt früher oder später an die Grenzen seines Reiches. Ja, manche merken bei solchen Gelegenheiten gar nicht, daß die Grenzen längst überschritten sind.
Ja, eben ganz genau so erging es Harun-Al-Achmed.
Schneller als er dachte erreichte er die Grenzen seines Reiches und stürmte rastlos über sie hinaus. Als er sich zum ersten Mal nach seinem überstürzten Reiseantritt um seinen Standpunkt und Aufenthaltsort Gedanken machte, war es zu seinem Entsetzen zu spät: Er war bereits viel zu tief in das Land der Menschenfresser eingedrungen, um unauffällig umzukehren. Rasch wollte er Rih in die Richtung seiner Landesgrenze treiben, aber noch ehe er die Richtung ändern konnte, geriet er mitsamt seinem treuen Pferd in eine Bodenfalle der Menschenfresser.
Dort wurde er bald von Jägern gefunden, rasch gefesselt, geknebelt und unter Beifall und Gejohle im Triumphzug in die Hauptstadt der Menschenfresser geschleppt. Der Fang wurde als besonderes Ereignis gefeiert; schließlich kriegen Menschenfresser nicht alle Tage einen Sultan-Braten auf den Teller. Die Sprache der Menschenfresser war Harun-Al-Achmed nicht geläufig, aber an ihrem Schmatzen und an ihren Gebärden erkannte er sehr schnell, daß alle auf ihn Appetit hatten und alle sich an verschiedenen Rezeptvorschlägen zu ergötzen schienen. Er wurde rasch entkleidet. Entsetzt mußte er zusehen, wie ein großer Topf heißes Wasser aufgesetzt wurde, neben dem man nun seine Kleider stapelte. Sein Knebel wurde nur gelockert, damit Kochgehilfen Gelegenheit hatten, ihren zukünftigen Braten mit Gewalt mit allerlei Obst und Gewürzen zu stopfen. Seine kläglichen Widerstandsversuche wurden mit Gegröhle beantwortet. Ein Kochgehilfe tastete ihn ab, schmunzelte wohlgefällig und gab anderen Köchen ein Zeichen. Diese setzten den Gefangenen in den Suppentopf und erhitzten das Kochgeschirr weiter, daß es Harun-Al-Achmed recht heiß darin wurde.
Längst war diesem ein Gedanke gekommen, der nicht zurückzudrängen war: „Mit Feisal als Begleiter wäre das nicht so weit gekommen!“
Ein neuer Trupp weiterer Menschenfresser erschien, an der Kleidung war für Harun-Al-Achmed nicht zu erkennen, ob es sich um Chefköche oder sonstige Anführer handelte. Jedenfalls trat ein Menschenfresser hervor, der seine Stammesbrüder um Haupteslänge überragte. Das Benehmen der anderen zeigte, daß auf das Urteil dieses Mannes großer Wert gelegt wurde. Er betastete Harun-Al-Achmeds erhitzte Haut mit Wohlgefallen und zog unter Beifall der Umstehenden ein Rasiermesser, um Harun-Al-Achmeds Barthaare zu entfernen.
Aber urplötzlich erschrak der Mann, es schien als wenn er einen bösen Geist gesehen hätte. Eine Geste allergrößten Abscheus folgte. Mit einem kehligen Laut wich der Mann kopfschüttelnd zurück und brüllte einige Kommandos. Die Kochgehilfen und viele Umstehende fielen auf die Knie, schlugen mehrmals ihre Stirn auf den Erdboden und bedeckten kopfschüttelnd ihr Gesicht. Harun-Al-Achmed befürchtete das Schlimmste; sein Ende schien gewiß.
Jedoch: Zu seinem Erstaunen führte man nun Rih heran, sattelte das Reitpferd und legte die durch die Hitze des Topfes erwärmten Kleider auf den Sattel. Er schloß die Augen und ergab sich in sein Schicksal.
Verständnislos spürte er, wie man ihn aus dem heißen Wasser zog und ihn rasch in den Sattel auf den warmen Kleiderstapel setzte. Ehe er sich versah, erhielt sein Pferd einen Klaps auf die Flanke und er wollte es kaum glauben: Rih trabte in die Richtung der Landesgrenze und fiel bald in einen raschen Galopp.
Manches war eben schon damals kaum anders als heute:
Die besten Ideen kommen einem dann, wenn man sich einer wohl dosierten Hitze ausgesetzt hat. Noch besser werden die Ideen, wenn man nach einem heißen Schwitzbad langsam abkühlt, dabei auf warmen Tüchern sitzt und ein wenig Zeit hat auf seine Gedanken zu hören.
(Aus diesem und keinem anderen Grund gibt es bei allen Völkern Schwitzhütten, Wechselbäder und dergleichen. Jeder kann sich selbst auf Temperatur bringen und wieder abkühlen ... )
So erging es schließlich auch Harun-Al-Achmed, als er auf Rihs Rücken der Heimat entgegenritt. Ihm kam der Gedanke, Feisal sofort aus dem Kerker zu holen und sich seines Wohlwollens wieder zu versichern, koste es was es wolle. Nur der kluge Feisal konnte wohl die eine Frage beantworten, die jetzt in seinem Kopf brannte:
„WARUM HABEN DIE MENSCHENFRESSER MICH VERSCHMÄHT?“ POCHTE ES IN HARUN-AL-ACHMEDS SCHLÄFEN.
Wie wohl war ihm, Heimaterde unter den Hufen seines Pferdes zu wissen! Welch ein Glücksgefühl war es, die Zinnen seines Palastes wiederzusehen!
Als er im Palast eintraf, lehnte er Speise und Bettruhe ab. Es war ihm wichtiger zuerst den Freund wiederzusehen. Er ließ Feisal aus dem Kerker holen und empfing ihn im Thronsaal mit den Ehren des Wesirs.
Am Ende seiner eingehenden Reisebeschreibung sagte er ergriffen:
„Lieber Freund Feisal, ich war unbeherrscht und habe dich schlecht behandelt! Verzeih mir, wenn du kannst und laß uns wieder Freunde sein!“ begann er.
„ACH, WAS!“ ENTGEGNETE FEISAL. „SO WIE ES IST, SO IST ES. UND SO WIE ES IST, IST ES GUT!“
„Aber ich habe dich beschimpft, gedemütigt, dich in den Kerker geworfen. Wenn das mit Gold wieder gutzumachen ist, wende dich an den Schatzmeister!“
„Ach, was! Du hast mich ja schließlich auch wieder herausgeholt!“ entgegnete Feisal. „So wie es ist, so ist es. Und so wie es ist, ist es gut!“
„Es geschah aber nicht nur das. Ich habe ohne dich eine schöne Reise zu den Menschenfressern gemacht. Das Ende der Reise ist mir vollkommen unverständlich. Nur du wirst mir sagen können, warum die Menschenfresser mich nicht verzehrt haben!“
„Ach, was!“ entgegnete Feisal. „So wie es ist, so ist es. Und so wie es ist, ist es gut! Mein Freund, ich wäre sicher mit dir geritten, denn die landschaftlichen Schönheiten des Menschenfresser-Landes reizen mich seit Jahren. Nur wußte ich auch nicht, daß schon kurz nach der Grenze dort so tiefe Bodenfallen lauern. Ich wäre wohl von den Menschenfressern verspeist worden, du, mein Lieber, aber nicht!“
„Das verstehe ich nicht. Was macht dich so sicher was mein Überleben und deinen sicheren Tod angeht, mein kluger Freund?“
„So wie es ist, so ist es. Und so wie es ist, ist es gut!“ gab Feisal zu (be-)denken, „Ich wäre chancenlos sofort ein toter Mann gewesen. Die Menschenfresser fressen eben nur die Makellosen. - Ich hätte ja nicht so eine schöne Schramme an der Wange gehabt wie du!“


Da fiel Harun-Al-Achmed ein, wem er die Schramme zu verdanken hatte. Selbstverständlich wurde nun rasch auch Faruk, der Barbier, aus dem Kerker geholt. Dieser verzieh seinem Sultan auch, weil eben damals nicht nur die Zeiten und das Wetter gut waren, sondern weil auch das Beziehungsklima in Ordnung war.
Mit feuchten Augen sanken sich die Freunde in die Arme, lachten und sangen froh.
Ach ja! Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

EIN HERRENABEND
Das Fenster des Konferenzraums entließ die Rauchschwaden guter Zigarren in die Abendluft, während die Konkurrenzteilnehmer noch den zweiten oder dritten Cognac schlürften. Dr. Gier, der Wortführer, wollte sich vor Lachen schier ausschütten. Seine Vorstands-Kollegen Zins, Schrapp und Klemm schlugen ihm unter Gelächter von links und rechts auf die Schulter. „Ja, meine Herren,“ grölte Dr. Gier, „sehen Sie, so einfach geht das!“ Und alle zusammen mochten nicht aufhören, Gesprächspassagen der nachmittäglichen Debatte zu wiederholen, in der es Dr. Gier und seinen ehrbaren Kollegen Schrapp und Klemm gelungen war, den Arbeitsdirektor, den Betriebsrat und einen Gewerkschaftssekretär zu einer für die Belegschaft nachteiligen Betriebsvereinbarung zu bewegen. Daß es dabei Herrn Schrapp gelungen war, bezüglich der Auftrags- und Ertragszahlen falsche und verwirrende Angaben zu machen, war für die Herren Grund zu einer außerordentlichen Freude.
Solch einen Tag mochten die Herren nicht so einfach ausklingen lassen; der Tag schrie sozusagen nach einem Höhepunkt.
Um Vorschläge waren die Herren nicht verlegen; lachend wurde Dr. Giers Vorschlag, einen Vergnügungspark aufzusuchen, von allen Seiten akzeptiert.
Die Herren ließen sich von ihren Chauffeuren an den Rand des Parks fahren, dann wurden die Fahrer nach Hause geschickt. „Wer weiß, was uns heute Abend noch alles einfällt ...!“ schmunzelte Klemm süffisant. Schrapp kicherte wie ein Pennäler, als Dr. Gier ihm kumpelhaft in die Seite stieß. Polternd stürmten sie gefolgt vom schwerfälligen Zins den Park und hatten bald die ersten Buden erreicht. Zwischen den Karussel- und Geisterbahnfahrten gönnten sich die Herren an den Ausschank-Buden manches Glas Pils und einige gute Genever.
Plötzlich wurden sie von einer Losbude angelockt, die kaum beleuchtet war, deren Auslagen aber im Dunkel des Abends um so interessanter erschienen.
Der Losverkäufer stand anscheinend teilnahmslos im hinteren Teil seines Unternehmens und schien von den Herren keine Notiz zu nehmen.
„HOLLA, WIRTSCHAFT! LOSE FÜR UNS ALLE!“ POLTERTE SCHRAPP LOS.
„Warum interessieren Sie sich denn gerade heute für ein Los?“ entgegnete der Losverkäufer ohne irgend ein Mienenspiel oder eine Bewegung.
„HEUTE AMÜSIEREN WIR UNS!“ LALLTE KLEMM.
„Jawohl, wir haben heute viel geleistet. Wir haben unserer Firma viel Geld gespart und Personal freigestellt. Das war der Clou des Jahres!“ drängte Schnapp.
Dr. Gier wurde ungeduldig, mit einem Tausender in der Faust haute er auf die Theke. „Los, komm schon her, du Subjekt! Wieviel Lose kriegen wir für dieses Geld?“
„Heute kriegt jeder ein Los, das er verdient. Und das ist sogar umsonst!“ gab der Losverkäufer bekannt und stellte einen randvoll mit Losen gefüllten alten Sektkübel auf die Theke.
Zins griff ungestüm hinein. Seine Hand umklammerte das Los. Seine Kollegen schauten über seine Schulter, als er es umständlich öffnete. „Gnadenlos!“ las er vor.
„DAS WIRD EIN TROSTPREIS SEIN, MEHR NICHT!“ PLATZTE DR. GIER HERAUS.
„Gnadenlos verliert!“ teilte der Losverkäufer mit und zeigte auf ein Schild mit den Geschäftsbedingungen.
„KOMM, DU ALS NÄCHSTER!“ MURRTE GIER UND DRÜCKTE SCHRAPPS HAND IN DEN KÜBEL.
Der las auf seinem Los das Wort „Herzlos“ und wollte ein goldschimmerndes Herz aus der Auslage nehmen.
„HERZLOS VERLIERT!“ MIT EINEM HANDZEICHEN VERWIES DER VERKÄUFER WIEDER AUF DAS SCHILD.
Klemm wollte nicht nachstehen und griff zu. Als er auf seinem Los „Kinderlos“ las, wollte er nach der schönen Kinderpuppe greifen, die ihm sofort ins Auge gefallen war.
„Kinderlos verliert!“ murrte der Verkäufer lakonisch. Gier zückte erbost seine Lesebrille. Aber alles half nichts: so stand es auf dem Schild.
Mit den Worten „Jetzt ich!“ griff er sich ein Los, öffnete es und rief: „Witzlos! Ich habe es ja gewußt, das schöne Witzbuch da vorne ist für mich! Her damit!“ Er griff nach dem Buch mit dem schönen Einband, das ihm sofort aufgefallen war. Der Losverkäufer aber entwand es seiner Hand mit den Worten: „Witzlos verliert!“
„UNMÖGLICHES VERHALTEN!“ TÖNTE GIER. „DAVON WAR NICHTS AUF DEM SCHILD ZU LESEN!“
Aber als der Losverkäufer ihm das Schild mit einem mokanten Lächeln vorhielt, erschien die Zeile „Witzlos verliert“ vor seinen Augen wie von Geisterhand geschrieben.
Mit groben Verwünschungen auf den Lippen entfernten sich die Herren gestikulierend. Die Laune war dahin, die Zusammenkunft wurde rasch beendet.
WIE ES WEITERGING?
Nun:
Zins verfiel am nächsten Tag durch einen unerklärlichen Gehirnschlag in Stumpfsinn.
Schrapp brach am nächsten Tag im Büro zusammen, kam ins Krankenhaus und verließ die Intensivstation als toter Mann.
Klemm wurde am nächsten Tag impotent.
Dr. Gier konnte nicht einmal darüber lachen. Gerade als er die Nachrichten über die Befindlichkeiten seiner Kollegen vernahm, verbreitete sich auf seinen Wangen eine schmerzhafte Gesichtslähmung.

IST DAS ALLES WAHR?
Der Rabbi sitzt in der Synagoge und will gerade nach Hause gehen, als ein mißmutig dreinschauender junger Mann vor ihm erscheint mit der Bitte, nur eine Frage stellen zu dürfen.
Diese Bitte wird freundlich gewährt. Der junge Mann fragt vorsichtig:
„WERTER RABBI, IST ALLES WAHR, WAS IM TALMUD STEHT?“
„Selbstverständlich, mein Sohn und Bruder!“ antwortet der Rabbi ungeduldig. „Seit zweitausend Jahren beschäftigen wir uns mit diesem Kraft- und Weisheitsbuch und mit dem Sohar, dem Buche des Glanzes. In diesen Büchern steht alles so klar, daß wir uns spirituell und auch im Alltag danach richten!“
„Ja, aber ... !“ gibt der junge Mann zu bedenken, „Die Kommentare dazu, stimmen die denn auch alle?“
„Was für eine Frage!“ stöhnt der Rabbi mißmutig. Dann erklärt er aber fürsorglich: „Selbstverständlich stimmen die Kommentare auch! Schließlich befassen wir uns seit neunzehnhundertfünfzig Jahren mit den Kommentaren in den Synagogen. Im Laufe der Zeit kamen Antworten aus allen Lebensbereichen für jede Gelegenheit zu Papier. Das Dunkel jeder Frage wird dadurch erhellt!“
Die Miene des jungen Mannes bleibt weiter dunkel und mißmutig. Weil der Rabbi ein gutes Herz hat, gibt er den Gedanken an einen Nachhauseweg auf und sagt voll Mitleid: „Mein lieber Junge, ich sehe doch, daß etwas nicht stimmt. Ich will mir gerne für dich Zeit nehmen; was ist dir nicht klar geworden?“
Der junge Mann nimmt all seinen Mut zusammen und erklärt:
„Ich habe im Talmud nach dem Sinn der Arbeit und des Lebens gesucht und viele mir unverständliche Aufsätze und Kapitel gefunden!“
Der Rabbi tröstet: „So etwas kommt vor, mein Lieber! Das Studium des Talmud setzt Lebenserfahrung, langes Studium und eben auch Unterweisung voraus. Längst nicht alles erschließt sich dem Leser sofort. Kann ich Dir vielleicht beim Verständnis einer ganz bestimmten Stelle helfen?“
Dankbar blickt der junge Mann zu ihm auf: „Ja, also, im Kommentar ist unter anderem sinngemäß folgende Situation und Schlußfolgerung beschrieben: Wenn man sich ein Butterbrot mit Marmelade schmiert und einem das Butterbrot mit der Marmelade nach unten zu Boden fällt, dann ist man reich und hat eine tolle, liebe Frau zu Hause!“
Der Rabbi legt die Stirn in Falten, überlegt ein paar Minuten, faßt sich an den Bart und spricht: „Jawohl, mein Sohn, so ist es bei uns! So halten wir es seit Jahrtausenden! Was soll denn daran nicht klar sein?“
Der junge Mann entgegnet: „Das ist es doch gerade! Ich habe mir ein Marmeladebrot geschmiert und es ist mir mit der Marmeladenseite nach unten auf den Boden gefallen!“
Der Rabbi gerät vor Freude ganz außer sich und nimmt den jungen Mann in den Arm. „Ich gratuliere dir herzlich, soviel Glück ist wirklich ganz selten!“ sagt er.
Mit verhangenem Blick bekennt der junge Mann: „Das ist ja gerade der Punkt, verehrter Rabbi! Ich habe keinen Schekel in der Tasche! Und meine Rebekka zu Hause?! Nun, ich will lieber nicht darüber sprechen ... !“
Der Rabbi bläst erstaunt die Backen auf und wehrt ab: „Das muß ich klären, das heißt, ich muß diese Stelle lesen, neu überdenken und mit anderen diskutieren, damit ich dir einen klaren Bescheid geben kann!“
Der junge Mann bedankt sich laut und herzlich und geht nach zahllosen Verbeugungen von dannen.
Als er am nächsten Tag wieder erscheint, wehrt der Rabbi ihn stirnrunzelnd und händerudernd ab, weil er das Thema mit Amtskollegen diskutiert.
Dann aber, am übernächsten Tag nach der ach so wichtigen Unterredung nähert sich der junge Mann dem Rabbi vorsichtig und mit einer freundliche Geste.
Da geschieht es: Der Rabbi hat das Lächeln der klaren Erkenntnis im Gesicht und winkt den jungen Mann freundlich herbei, strahlt ihn an, breitet die Arme aus und spricht: „Nun ist endlich alles klar: Du, mein Sohn, hast die falsche Seite bestrichen!“
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Ein Klosterschüler drängt seinen Meister:
„Verehrter Meister, nun bin ich schon so viele Wochen im Kloster! Ich will jetzt endlich meditieren lernen!“
„Hast Du gegessen?“ fragt der Meister. „Ja!“ antwortet der Schüler.
Darauf der Meister: „Mach’ deine Schale sauber!“

Sie wissen, was ein Jauchzer, ein Jubelschrei ist? Haben Sie schon mal in einem Wald einen Jubelschrei ausgestoßen? Die Welt will uns manchmal glauben machen, wir hätten keinen Grund dazu ...
Das Gedicht will Ihnen Gründe liefern!
Yawp oder Joop oder Urschrei oder was Ihnen zum Thema einfällt ...
Wann sollst Du einen YAWP!!! tun?
Gleich h e u t e !!! Weil ein schöner Tag
Dich dazu inspirieren mag!

Weil G o t t Dich hat geschaffen -
ganz anders als die Affen!

Weil eine Seele Dir geschenkt,
die fühlen darf - uneingeschränkt!

Weil Regen auf die Wiesen fällt
und Wasser durch die Bäche schnellt!

Weil eine Lerche für D i c h singt
und deren Lied D i c h ganz durchdringt!

Weil Du wie auf Wolken schwebst
und gerad’ ein H o c h g e f ü h l erlebst!

Weil der D i c h liebt gerad’ bei Dir ist,
und weil Du heut’ so m u n t e r bist!

Denn: D u darfst unter M e n s c h e n sein!
Du weißt: So v i e l e sind a l l e i n !


C A R P E D I E M !!! (lat.: Nutze den Tag!)

Wer jemals w a h r h a f t i g g e l e b t
will’s s o - und nie mehr anders! - haben!

Wer auch mal losläßt - gern mal s c h w e b t -
d e m schickt Fortuna ihre Gaben!!!

D u suchst das G l ü c k ? Sei nur z u f r i e d e n !
D a n n ist ihr Füllhorn D i r beschieden!

Ein C A R P E D I E M !!! sag’ ich D i r !
D u weißt w o h l , was ich meine ...!

Du glaubst Du hast ‘ne Chance verpaßt?
Fortuna s c h i c k t Dir wieder eine?

Das G l ü c k ist n i e von s e l b s t erschienen!
F O R T U N E ??? D a s muß man sich v e r d i e n e n !!!

Noch nie hat jemand Glück verbucht,
wenn er nicht s t ä n d i g hat gesucht!

Drum wird, wer sich vorm Glück v e r s t e c k t ,
recht h ä u f i g auch von ihm geneckt!

Denk an den „Club der toten Dichter“,
der eine muntere Satzung hatte!

Das Leben r a s t an Dir vorbei
und nieder liegst Du auf der Matte!

Recht häufig stehst Du vor der Frage:
„Willst Hammer, willst Du Amboß sein?
F L I E G E N sollst Du - wie ein Adler!
Drum: Mach’ Dich n i e von selber k l e i n !


DAS PERGAMENT

Der Stadtschreiber Hieronymus saß ratlos in der Bibliothek und fühlte sich wie ein alter Mann. Einen Auftrag wie den durch einen Kurier überbrachten hatte er noch nie erhalten. Verlangten doch sein König und seine Königin von ihm etwas, daß selbst Mönch Anselm, der kluge Mann am Hof, nicht geschafft hatte. Zum Ergötzen und zur Belehrung des jungen Prinzen und der lieblichen Prinzessin sollte eine Geschichte über Vorkommnisse aufgeschrieben werden, die sich zugetragen hatten und die das von ihrem Fürsten so geliebte Volk in Sorge, Unruhe und große Aufregung versetzt hatten. Damit er für die Aufzeichnung der Geschichte die nötige Ruhe hatte, war er im Auftrag des Königs durch einen Hüter des Gesetzes in die große Bibliothek des Palastes gebracht worden, wo er jetzt, einem vergrämten Einsiedler gleich, vor einem schrecklich leeren Pergament saß, eine in Tinte getunkte gut gespitzte Gänsefeder in der Hand - aber nicht eine einzige Idee im Kopf . . .

Ihm graute bei dem Gedanken, ohne eine Niederschrift seinem gültigen König unter die Augen treten zu müssen. Das Geschehen, das er aufschreiben sollte, war ja auch zu eigenartig, um es einfach in Worte zu fassen. Hatten doch aufgeregte Reisende berichtet, daß weit vor der Stadt ein riesiger Drache die Felder verwüstete. Daraufhin war Miraco, der stadtbekannte Zauberer und Märchenerzähler mit seinem bunten Wagen vor die Stadt gezogen und hatte den großen Drachen zur Rede gestellt und versucht, ihn zur Abreise zu bewegen. Der aber fauchte ihn in allen gängigen Drachensprachen wie Feuer, Schwefel, Krumpeln und Grollen an und machte Miraco schnell klar, daß hier mit Zaubersprüchen, Konfetti und ein paar ein paar Zündplättchen nichts zu machen war. So trieb Miraco seinen Maulesel zur Eile an und alle beide waren recht froh, die relativ sicheren Stadtmauern erreicht zu haben. Hinterm Stadttor erwartete eine große Menschenmenge die Rückkehr des Zauberers, der sie so oft mit Zaubertricks verblüfft und entzückt hatte. Um so erschreckter waren alle, als Miraco von der angstvollen Begegnung und der Nutzlosigkeit der Zauberei berichtete.

Da bat Ratio, der Philosoph, ein im ganzen Reich bekannter weiser Mann ums Wort und schlug laut vor, Laetitius, den Hofnarren, herbeizuholen und ihn um Rat zu fragen. Dieser wurde rasch herbeigeschafft, erfaßte die Situation sehr schnell und kleidete sich mit seinem allerbuntesten Harlekinkostüm ein. Dann ermunterte er die Ratlosen, ihm vor Stadt zu folgen. Draußen auf dem Feld stürmte der gewaltige Drache auf die verzagte Menschenmenge zu und vollführte all die Dinge, die Drachen eben so zu tun pflegen um Menschen zu verunsichern. Da trat Laetitius vor, schwenkte seinen Hut seinen spitzen Hut und schickte dem Riesendrachen ein glockenhelles Lachen hinüber. Dem verging das dramatische Schnauben und Nebelwerfen sofort. Die Leute staunten, denn der Riesendrache war vor ihren Augen obendrein etwas kleiner geworden.

Als Laetitius seine Begleiter animierte, in sein Gelächter einzustimmen, schrumpfte der Drache immer mehr. Ob aber dieser nun sich heimlich aus dem Staub gemacht hat oder ganz einfach an dem Gelächter erstickt ist, ist nicht näher berichtet worden. Wohl aber, daß eine Regenwolke erschien und die Menge zum Schluß noch durch einen üppigen Regenschauer durchnäßt wurde. Laetitius animierte alle: "Freut euch, wenn´s regnet! Wenn ihr euch nicht freut, regnet es auch!"

Ja, liebe Leser, liebe Zuhörer, was soll ich groß erzählen? Hieronymus wußte zwar immer noch nicht, wie er die Geschichte beginnen und beenden sollte. Aber er blies die Wangen auf, prustete vergnügt los und begann, über das leere Pergament zu lachen ...


Allen LeserInnen wünsche ich eine schöne Zeit!

winkt
Bernd
astromant

http://astromant.de

Imprint

Text: @astromant bzw. @Bernd Schiele
Publication Date: 01-07-2009

All Rights Reserved

Dedication:
Erdbeermund gewidmet

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