Downstairs
“Du willst wirklich gehen, nicht wahr? Ja mach das, es ist vielleicht auch besser so.
Du bist eine Frau, die das Unglücklichsein braucht wie die Luft zum Atmen.
Nur damit gibst du dir selbst deine Bedeutungsbehaftung und bewunderst dich jetzt auch noch selbst für deinen Großmut zu gehen, weil ich ohne dich besser dran bin.
Leiden kannst du dich selbst nicht, aber du bewunderst dich. Das ist das einzige,
woran du dich klammern kannst. Du hast furchtbare Angst davor, dass wenn du dich
ändern würdest, du das verlierst, was dich zu etwas Besonderem macht.
Das Unglücklichsein macht dich nicht besser als alle anderen, glaube mir.
Es macht dich nur unglücklich.”
Irgendwo stand geschrieben die Wahrheit macht frei, aber dann stellt sich die Frage wovon sie befreit und überhaupt wofür. Und war seine Wahrheit überhaupt ihre Wirklichkeit?
Als sie aufstand und zur Tür ging, schaute sie ihm noch ein letztes Mal ins Gesicht.
Würde er verstehen? Sie versuchte es in seinen Augen zu erkennen. Aber auch diesmal blieb er ohne Regung. So wie es so oft in der ganzen Zeit war, wo die Ratio die Oberhand gewann.
“Du irrst dich, ich bewundere mich nicht. Stolz trifft es eher. Ich bin mir selbst noch nicht einmal wichtig. Meine Bedeutung habe ich nur gesucht. Und was man nicht hat kann man nicht verlieren.”
Sie hatte ihm viel aufgehalst, viel abgeladen von dem Morast, der ihre Mauern umspülte. Vielleicht wusste sie selbst nicht wohin mit dem ganzen Schweren, in dem Raum wo die Schwerelosigkeit sich im Nichts aufgelöst hatte.
Kein anderer als er sprach ihre Sprache. Und sie hatte keine Ecke eines jeden Zimmers ausgelassen um den Müll abzuladen, der schwer wog mit der Zeit.
Sie hatte ihm die Schlinge hingehalten, die sich langsam um ihren Hals schloss, damit er sie lösen konnte, nur dass sie zu Atem kam.
Wie oft hatte sie seine Nerven im Unverständnis zerrissen, wenn sie nicht schlafen konnte und vor seiner Tür stand, und er sie in den Arm nahm um sie zu halten. Und immer wieder ihre Sucht nach Trost, wenn die Melancholie sie packte , theatralisch sich selbst ergebend und von der Suggestion in den heillosen Wahn getrieben.
So viele Knoten hatte sie ihm in die Finger gegeben, weil ihre schon wund waren und sie
keine n Sinn darin sah das Wirrwarr zu lösen.
Und sie schwamm in seinem Fahrwasser mit, weil er die Wogen glättete und sie Angst hatte vor dem nächsten Sturm, der unweigerlich kam, weil der Orkan selbst in ihr tobte.
Ihren Wahn verstand er und ihre Rastlosigkeit, die sie vorantrieb und ihr den Atem nahm und zuweilen die Kraft.
Aber er sah auch sich selbst und das was er wollte, nicht immer im Einklang mit ihrem Sein stehend.
Sein Streben galt der Unabhängigkeit von jeglichem Gefühl und damit die eigene Neutralität suchend, bei der Frau, die ihm nur das alleine geben konnte, welche sie nicht war.
Auch wenn er sie nicht immer verstand, schwieg er oft oder es fehlten ihm die Worte. Dann rückte er sie ein Stück von sich ab und stand außen vor mit der Distanz, die er brauchte um zu leben, so wie er es wollte, und welches sein Leben war in dem sie nie einen Platz fand.
Er konnte ihre Schlinge nicht lösen, dafür war er nicht da. Denn das Drehbuch war unveränderbar und der Henker stand schon unbestechbar bereit. Jedes Gnadengesuch war bereits abgelehnt und die Kaution unbezahlbar.
Sie wäre gerne geblieben, dort wo er stand. Aber genau dort loderte die Glut, die sie auffraß. Und er konnte ihr nicht die Schmerzen nehmen, dafür war er erst recht nicht da.
Durch ihn hatte sich lediglich ihre Zeit verlängert, und den Sand in der Uhr konnte man nicht aufhalten, welch ein Trugschluss.
Erinnerungen konnte man nicht verkaufen, sie hatte ihm schon so übermenschliches abverlangt, und er hatte ihr gegeben was sie verdiente.
Sie sah in sein Gesicht bevor sie ging. Sie hätte gerne ein Sehnen darin erkannt oder zumindest ein Gefühl.
Aber er konnte nichts ungeschehen machen, sie nur mit der Wahrheit verschonen.
Und die Wahrheit kannte er nicht, so entging sie seinem Fluch.
Das war der gerechte Preis den sie zahlte.
Er würde ihr fehlen, denn er war der Einzige vor dem sie jemals splitternackt gestanden hatte, dem sie gestattete in ihr Ich zu schauen um ihm zu offenbaren, wer sie war.
Nur er berührte sie auf jede Distanz und fing sie auf wenn sie fiel.
Deswegen hätte sie ihm gerne etwas gegeben, für all das was er war.
Nur ein wenig von der Wahrheit, die sie nun kannte und in sich einbrannte.
Und es würde sie weiter begleiten zum Trost für alle Zeit danach.
Gerne hätte sie ihm wenigsten im Gehen einmal über die Haut gestrichen und Danke gesagt, und ihm gezeigt wie wichtig er war all die Zeit.
Vielleicht wusste er es, und es war nur nicht wichtig.
Und damit ging sie und nahm alles mit. Auch das Geheimnis, das sie verband.
Elfenbeintürme
Ich habe immer versucht,
in einem Elfenbeinturm
zu leben,
aber es brandet
eine solche Flut von
Scheiße gegen seine Mauern,
dass er einzustürzen droht.
[Flaubert]
Es war zu einer Zeit der Dunkelheit. Die Welt fischte im Trüben, regiert vom Unverständnis und gedrückt von der Last des Zuviel und Zuwenig, vom Auf und Ab der Unliebe im Diesseits auf der Flucht vor der Ewigkeit hin zum Endlichen.
Sie waren nur Wenige, nicht auserwählt, eher der Rest des Lebendigen noch nicht erkaltet und zu Staub
zerfallen.
In Lumpen gehüllt und mit Gnade versehen machten sie sich auf, um das Verstehen zu suchen, barfüßig auf dem Grat wandernd, der von Ungeduld bestückt war um damit der Schwerkraft entgegenzuwirken.
Kein Licht leuchtete den Weg, und nur der Hauch von Sehnsucht im Blickwinkel trieb voran.
Kalt war es zu jener Zeit und nur eine Melodie erklang im luftleeren Raum, sanft und dennoch fordernd nach Gleichklang verletzter Seelen, die übrig blieben vom großen finalen Gefühl im Meer der Unendlichkeit.
Aus den einzelnen Tönen erwuchs der letzte wärmende Strahl der in sie drang, und damit eine Glut entfachte, die immer weniger Nahrung fand.
Unfassbare Mauern wuchsen am Wegrand empor, imposant und gewaltig aber dennoch den sicheren Halt gebend. Stein für Stein trugen sie davon ab, um den letzten Elfenbeinturm zu errichten um sich darin in der Not zu verschanzen, weil der Atem knapp wurde mit jedem weiteren Schritt.
Das Verstehen war das Ziel und dennoch war nur das Rauschen des Meeres zu hören, welches alles
übertönte.
So musste Odysseus sich gefühlt haben, als er dem Gesang der Sirenen lauschte, die jetzt nicht mehr lockten sondern dem Meer die Flut gaben und deren Töne vom Schluchzen überjauchzt wurden.Jedes Verstehen war mit der verronnenen Zeit abhanden gekommen, weil jeder mit Tunnelblick nur sich selbst sah in all der Einöde, die sich mal Welt nannte bevor sie im Unrat versank.
Neid, Missgunst und Hass aufeinander hatten leuchtende Farben geschwärzt und den Boden aufgeweicht in dem alles Lebenswerte an Bedeutung verlor und darin versank.
Am Anfang hatten sie noch nach Verstehen suchend, versucht zu graben, dann aber aufgegeben, weil sich bald die Schwäche des Einzelnen zeigte und man lieber resignierte anstatt Energien zu bündeln.
Und sie gingen weiter, die Unsicherheit im Gepäck und dennoch nicht umkehrend, weil das Gefühl um Verständnis bat, nicht abhanden zu kommen um immer wieder neue Nahrung zu erhalten, weil dies alles war, was noch blieb.
Und es trieb voran, nur dieses einzige Gefühl, mit dem Feuer in sich, weil nur dies wärmte und die Bedeutung in sich trug, während alles andere sich im Nichts auflöste und nur Dunkelheit blieb.
Sie zogen einander und warteten wenn einem die Puste ausging, hauchten sich Atem ein oder rieben die Haut, die genauso geschwärzt war wie die Nacht um sie herum.
Noch verstanden sie sich nicht, denn die eigene Sprache war nicht die des anderen, aber ihre Sinne ließen sie fühlen vor allem die Wärme im Blick.
Gegenseitig gaben sie sich Mut um nicht stehenzubleiben, weil der Morast alles überspülen würde und die Angst war groß, vor allem vor der Einsamkeit, die die Dunkelheit mit sich brachte.
Froh waren sie nicht alleine zu sein und hofften dass es so bliebe und die Melodie nicht verstummte, bevor sie sie verstehen würden.
Keiner wusste wer der andere war und doch war Dankbarkeit und Wärme in ihrem Blick füreinander.
Und sie spürten es, weil es ehrlich war in jeglicher Hinsicht.
Hin und wieder gab es Rückschritte, weil der Unglaube groß war aber dennoch nicht am Weitergehen
hinderte.
Denn die Melodie wurde lauter aus ihrer eigenen Kraft heraus geboren und sie lauschten ihr fasziniert in aller Sinnlichkeit, weil sie ihnen den Weg wies, den sie breit waren gemeinsam zu gehen.
Und sie würden weitergehen Schritt für Schritt auf diesem schmalen Grat, der geblieben war. Immer von diesem Sehnen getrieben nach Erfüllung suchend und dem Willen einander und sich selbst zu verstehen.
Sie waren sich sicher, sie würden finden, weil es nichts anderes gab als immer und immer wieder in Liebe sich selbst das Verstehen als Lohn zu geben.
Elfenbeintürme würden sie irgendwann nicht mehr brauchen, weil darin die eigene Unfreiheit verborgen und ein Verschanzen nicht mehr nötig war.
Und es würde heller werden mit jedem gesagten Wort, weil sie es selbst verstanden und nachfragten aus jeder Einsicht heraus und der eigene Atem langsam ruhiger wurde mit der Angst, die sich verlor.
Mit jedem Ton dieser Melodie wuchs die Zuversicht und vor allem Geduld die notwendig war um den nächsten Schritt zu gehen in der Symbiose gemeinsamer Kraft.
[dankend]
Alltägliches
Jeden Tag dem Besonderen zuführen, ohne ihm die Alltäglichkeit im Besonderen zu entziehen…
Deine Küsse schmecken gut. Immer ein wenig nach Pfefferminz, diese kleinen weißen Kugeln, die Du so gerne isst.
Ich mag es, wenn Du mich morgens mit einem zärtlichen Kuss auf die Schultern weckst, während ich mich noch wohlig in Deiner linken Armbeuge räkele.
Dazu Deine leise geflüsterten Worte in den Nacken, die Silbe für Silbe unsere Geheimnisse enthüllen.
Der Duft von Oleander weht zum Fenster rein und die ersten Sonnenstrahlen machen das Aufstehen leicht.
Hier in diesem weißen Dorf am Atlantik haben wir unsere neue Heimat gefunden.
Ab und zu noch ein wenig Heimweh nach kühleren Zeiten, Großstadtlärm und Bürokratie in der Superlative, aber auch das gedenkt sich zu legen, alles zu seiner Zeit.
Unter azurblauen Himmel lebt es sich beschwingt und das Meer legt das Salz auf die Haut und ist so das Mehr in der Suppe.
Langsam ist die nötige Ruhe eingekehrt, alles im richtigen Takt und es gefällt mir, wie Du morgens pfeifend unter der Dusche stehst, während ich noch meinen nächtlichen Träumen hinterher blicke.
Hier ist alles so ganz ohne Hektik und das Haus ist mit so viel fröhlichem Lachen gefüllt, welches wir morgens zu viert bei gemeinsamen Kaffee und Brötchen genießen.
Orangen werden wir heute Abend pflücken. Ihre Farbe leuchtet wärmend im Grün der Bäume um uns herum und addiert sich zu den Sonnenstrahlen im Quadrat zu unserer eigenen inneren Glut.
Es ist früh genug für einen Ausritt am menschenleeren Strand, um die Abbrasionswirkung des Sandes auf der Haut zu spüren, die durch den frischen Atlantikwind noch verstärkt wird.
Hier gehen die Uhren eh anders und wir damit auch.
Der Schulbus kommt um 9:00 Uhr und die Kinder geben den Kuss mit einem Lächeln und ich spüre die Zuneigung, die uns verbindet.
Ich weiß, das wird immer bleiben, weil wir gemeinsam es wollen ohne es zu erzwingen.
Sie beide haben die Entscheidung mitgetragen und heute erfüllt es sie mit Stolz zu wissen und sicher zu sein, das Richtige getan zu haben.
Die Arbeit in der Klinik wartet und ich fege die paar Brötchenkrumen zusammen, die wir auf dem Tisch hinterlassen haben.
Dein Abschiedskuss schmeckt nach Pfefferminz und diesmal ist es die Zahnpasta, die nach Mehr schmeckt.
Du flüsterst mir was ins Ohr und für einen Moment lehne ich mich gegen Dich, mit dem Wissen, dass Du mich hältst.
Draußen auf der Terrasse trinke ich noch ein paar Schlucke Kaffee und schau aufs Meer runter, auf dem sich die Sonne widerspiegelt.
Auch diese kurze Zeit am Tag mit mir alleine auf diesem herrlichen Stück Erde genieße ich, weil wir es zu etwas Besonderem machen.
Auch die vorhergehenden Irrwege hatten was, jeder für sich aus der Distanz betrachtet, der eine mehr der andere weniger.
Mein Schreibtisch wartet im Garten, etwas abseits im Schatten.
Ein neues Kapitel will geschrieben sein, zeitnah, mit nichts anderem als die Wahrheit und nur die Wahrheit. Genährt von Erlebten, manchmal schön und manchmal auch vergessen wollend, Gerades hin und wieder mit Unebenheiten.
Alles in allem im Heute mit Lust auf Mehr.
Der Tanz auf dem Vulkan wurde abgelöst durch die Schneeschmelze und der Funkenregen der im Bauch aufeinanderschlagenden Steine wärmte von innen und fliegen ging auch, sogar in aller Leichtigkeit beflügelt, dann auch mal gewichtig erschwert.
Der Funkenflug machte oftmals etwas zu Asche, was bereits an Bedeutung verloren hatte.
Und auch das fügten wir im Nachhinein wieder zusammen um daraus Neues zu schaffen, dem wir Werte beimessen konnten, je nach Bedarf und Gefühlsverlangen.
Somit schufen wir selbst die Basis um darauf die Säulen zu stellen, die unser Jetzt zeichneten und gelangten dorthin, wo wir wussten, dass unser Fundament auf festem Boden in aller Stabilität anwachsen konnte.
Im Hier und Jetzt wissen wir, dass wir für uns immer wieder das Besondere in aller Alltäglichkeit besitzen, weil wir selbst es dazu machen.
Arrived
Ich war mein Leben lang auf der Flucht. Hin und wieder sogar vor mir selbst, was mir vielleicht oder ganz sicher am wenigsten gelang.
Es war immer diese Unruhe in mir, die mich voran trieb, als Motor für diese Stetigkeit, die so vorhersehbar war, wie das nicht bleiben zu können.
Es blieb eh nie so wie es war, und es war nie etwas wie es ist oder sein würde.
Und dann diese wiederkehrenden Träume in dieser Schlaflosigkeit, die mich laufen ließen ohne jemals zu Atem zu kommen.
Und ich laufe und laufe und laufe, gejagt von meinen hämmernden Gedanken im Kopf mit neuen Visionen vor Augen ohne den Blick rückwärts zu richten. Und doch wusste ich immer dass da etwas war, was mich verfolgte im Schatten meiner selbst.
Immer wieder ging es durch Berg und Tal, ohne Unterlass dafür mit Adrenalin als peitschender Trieb, dem selbst kein Ende zu setzen.
Mal waren es dunkle Einöden, wüstenartige Gebilde, schwarz in grau, wo der Durst die Eingeweide ausdorrte und das Herz sich vor Schmerzen zusammenkrampfte.
Dann wieder lief ich durch braun grüne Wälder, durch die der Sturm wehte und sich der Regen in meinem Haar verfing. Das weiche Moos tat meinen wunden Füßen gut und dennoch flüchtete ich vor diesen Stimmen, die sich in den rauschenden Blättern verfingen und damit zum Echo mutierten.
Manchmal erklomm ich Eisberge und ich spürte nicht einmal den Schmerz des Erfrierens.
Dem folgten Lavaströme, die zwar die Glut in mir entfachten, dafür aber nicht wärmten, weil sie doch wieder erloschen.
Ich lief weiter und immer weiter vom Unsichtbaren gejagt, weil mich nichts festhielt in dieser verdammten Bedeutungslosigkeit, der ich mich freiwillig stellte.
Es war nie an der Zeit anzukommen oder zumindest zu rasten, um endlich mal ein wenig zur Ruhe zu kommen.
Zuweilen war es auch der bequemere Weg einfach wegzurennen, dann wenn das Fell nicht ausreichte und schützte, weil es zu undicht war und zuviel Ungemach hindurchließ. Erdrückende Enge konnte ich noch nie ertragen, also floh ich so schnell ich konnte, nicht nur um des Laufens willen.
Und es war gut zu laufen.
Heute ist es hell um mich. Mein Blick ist klar und alles ist in ein helles Licht getaucht, wenn ich in deine Augen schaue.
Es tut so gut zu Atem zu kommen und zu spüren, wie sich alles um mich herum in helle Farbigkeit verwandelt . Sogar der Blick über den Tellerrand gelingt ohne jegliche Angst, dafür mit Neugier auf alles was kommt.
Da sind keine Gedanken mehr, die mich verfolgen und jagen.
Du hältst mich nicht fest, aber du hältst mich.
Ich laufe immer noch, angezogen von deinem Dasein, bin aber nicht mehr auf der Flucht.
In Gedanken höre ich gerade diese Melodie, die sich wie warmer Regen auf meiner Haut anfühlt und ich spüre Deinen Atem in meinem Nacken.
Sie beginnt so ruhig im Anlauf und erhebt sich dann zu diesem gemeinsamen alles bedeutenden Flug durch eine einzigartige sternenklare Nacht. Du spielst sie für mich und jeder Takt besteht aus einer Geste mit Gefühl vertont, wo Worte nicht mehr notwendig sind.
Und ich fühle mich eingehüllt von diesen Tönen, die mich in deinen Armen gleiten lassen ohne Angst vor dem Fall.
Ich weiß, dass ich angekommen bin.
Because of
Ende der Zeit, vier Uhr morgens. Schlaflos aus einem bedeutungsschwangeren Schlaf gerissen. Schweiß, der in Rinnsalen als blutbefleckte zu Eis gefrorene Masse an mir runtertropft.Ich schreibe Dir, weil ich wissen will, ob es Dir jetzt besser geht, da wo die Ruhe nach dem Sturm wie Watte sich in den Raum gelegt hat und friedvoll vor sich hin grinst.
Hier in meiner Oase ist es kalt, aber mir gefällt es hier. Der Sandberg ist der Abbrasion bereits zum Opfer gefallen und die rote Lava glüht schon lange nicht mehr.
Zwingende Determinanten habe ich längst abgestreift, küsse bereits meine eigene Muse und gebe mich betont autark.
Dein Bild vor Augen habe ich den Geiern zum Fraß vorgeworfen, gewürzt mit dem Salz ein paar nicht geweinter Tränen und habe ihnen gut zugeredet aus rotumrandeten Lippen mit schwarzem Trauerflor.
Der Narr im Hintergrund spielte auf dem Waschbrett die Ode Freude und ich tanzte dazu den letzten Blues für Dich als Geschenk.
Ich habe gehört, dass Du Dir jetzt ein Haus in der Wüste baust.
Du lebst jetzt ohne besonderes Ziel, außer Deinem Eigenen in jener Unabhängigkeit gewinnbringender Rationalität.
Letzterer wegen habe ich Dich geliebt, gab sie mir doch die Möglichkeit der eigenen gelebten Dramaturgie abzuschwören, jegliches Selbstmitleid zu eliminieren und das eigene Heil in einer abstrusen Mischung aus Selbstironie und Zynismus zu suchen.
Hoffentlich weißt Du, was Du tust, ich weiß es schon lange.
Den Tisch, den Du damals rein gemacht hast, habe ich wie die restliche Kulisse der Vergangenheit übergeben.
Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, zollten wir bereits Deiner Distanz Tribut,
schenkten uns den letzten Akt der Kopulation wissend, dass die Unabhängigkeit in der Freiheit der seelenlosen Masturbation liegt.
Schade dass es erst jetzt so ins Gewicht fällt, wie ähnlich wir uns doch sind, auch wenn ich Dir Deine fehlende Empathie mehr als nachtrage.
Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen übergab ich bereits eine phantastische Episode aus Nichts und wieder Nichts einem fischigen Maul zum Fraß, nicht ohne vorher als verantwortliches Opfer dem schuldlosem Täter ein grinsiges Chapeau zuzurufen.
Was kann ich Dir noch erzählen, mein Lieber - oder soll ich besser sagen
“mein rettender Killer”?
Manchmal bei Vollmond überkommt mich immer noch ein Gefühl von Sehnsucht, aber das hat nichts zu sagen, denn meine lautlosen Schreie mutierten schon längst
zu feuerspeiendenden farbigen Naturkatastrophen um der apokalyptische Exekution zu entgehen.
Trägst Du eigentlich immer noch die Rose zwischen Deinen Zähnen in bedeutungsbehafteter Eloquenz um nichtgesagter Worte Ausdruck zu verleiben?
Keine Sorge, ich bin nicht nachtragend.
Ich bin überhaupt ganz froh darum, und trage meinen Anteil an den Dir zustehenden standing ovations, die Du Dir allemal mehr als verdient hast.
Eins noch, ich danke Dir, dass Du es geschafft hast meinen Blick so derart wieder freizuschalten. Ich hatte tatsächlich gedacht, dass der Schmerz immer darin bleiben würde, also habe ich es selbst nie richtig versucht.
Somit wünsche ich Dir für Deinen weiteren Weg natürlich selbstlos alles das, was Deinem Anspruch genügt, Du hast meinem zu genüge geleistet, wie auch immer.
Hochachtungsvoll
[…]
Black
Dann wenn man mich sieht bin ich. Dann wenn ich gehe, war ich. Nur wer ich war ist danach unwesentlich. Deswegen ist es auch nicht wesentlich wer ich bin oder wer ich sein werde. Ich bin schon vergänglich, bevor man mich sieht.
Und dann erscheint mir wieder im Traum dieses weiße sterile Zimmer wo dieses monotone Geräusch des Apparates mich fast um den Verstand bringt.
Meine Gedanken legen mühelos weite Strecken zurück ohne jegliches Hindernis im Weg, verfangen sich selbst und geben sich den Dope für die nächste Runde.
Und dieser schwarz gekleidete düstere Mann steht immer am Fenster und beobachtet mich hämisch grinsend. Er begreift es einfach nicht Und dennoch greift er schnell zu den Wolken um mir den Mund zu stopfen
Irgendwie bin ich zu schnell in mir und hab Mühe mir selbst zu folgen.
All diese nutzlosen Jahre, wo dieser Mann gewartet hat auf etwas, wo er genau wusste, dass es nie passiert. Er hat verlernt sich selbst zu bedauern und konnte nie danke sagen, weil der Hass stärker war, als das was er bekam. Unruhig wischt er sich das Blut aus den Mundwinkeln und geißelt sich selbst. Dann nahm er mich in seine Arme und seine Hand drang bis zu diesem viel zu schnell schlagenden Herz um ihm den richtigen Takt zu zeigen.
Und draußen scheint dieser Mond, der dich auch nur anlügt, und trotzdem schlägt mein Herz immer noch, laut und viel zu schnell.
Liwa erzählt mir die Geschichte von seiner Mutter, die noch einmal im Meer baden wollte, bevor sie starb und ich halte einen Stein in den Händen in den ich mein Herz für dich einmeißel und sentimentale Worte einritze .
Hier im Zimmer ist es still und der Mann steht immer noch am Fenster und klagt mich an, dass ich Schlangen getötet hätte. Ich hab nie Schlangen getötet oder ich habe es vergessen. Oder waren es die Lämmer, die schon schwiegen, weil die Luft zum Ersticken trocken war.
Und dann schau ich ihn an, präge mir jeden Zentimeter seines Gesichts ein, um nicht zu vergessen. Und er wusste doch wovon ich rede, denn er drehte sein Gesicht weg bevor sich seine Hände um meinen Hals legten.
Und im Traum sehe ich, dass alles um mich herum zu Eis gefriert und ich sehne mich nach dir und nach der Glut des Feuers.
Und dann sehe ich dich am See unten und wir starren in den Himmel wo 6 Flugzeuge ein Hexagramm zeichnen, die Gitterstäbe hinter denen wir uns verstecken.
Und wir flüstern von Gefühlen und ich glaube dir.
Im Traum höre ich die Sterne lachen und ich weiß, dass ich keine Angst mehr vor diesem schwarz gekleideten Mann mehr zu haben brauche.
Und all diese Sterne am Himmel sind gefallene Könige und eigentlich sind sie nicht mehr als Licht.
Das Surren des Apparates wird leiser und immer leiser und ich spüre, dass alles um mich herum in der Stille versinkt.
Und nur diese eine Stimme, die ich so liebe hält mich fest.
Danach
Und dann wünsch ich mir heute eine Vision.
Ich bräuchte noch etwas mehr Mut
und sehr viel mehr Zeit.
Und ein Leben danach
in diesem anderen Land
und dann wieder Luft zum Atmen.
Ich brauch diese Gedanken an Dich
schon heute für morgen.
Seltsam.
Er sprach mit leiser Stimme, so als sollte sie gar nicht verstehen, was er ihr mitteilen wollte.
Sie blickte auch nur kurz auf, weil genau diese medizinische Kühlheit ihm schon lange vorausgeeilt war.
Sie wusste, für ihn war sie auch nur eine von vielen, der er die Wahrheit schonungslos ins Gesicht sagen musste. Keine Worte mit Bedacht gewählt, eher begleitet von stoischer Ruhe.
Sie war es gewohnt.
Sie stellte auch keine Fragen, vor allem nicht nach dem wie lange noch.
Es wäre eh nie genug gewesen.
Eine Weile schaute er sie noch stumm an, als warte er auf eine Reaktion, vielleicht auf Tränen oder Wut, weil das Leben so ungerecht war und sie noch so viel vorhatte , nur das Leben das nicht mehr hergab.
Als er ging, atmete sie auf. Er würde später diesen weißen Kittel ausziehen und leben. Er würde nach Hause gehen, und vielleicht würde seine Frau schon warten und ihn fragen wie der Tag war. Und während einer Umarmung würde er von Stress erzählen und von keinen besonderen Vorkommnissen.
Sorgen machte sie sich nur um ihn. Er wird es nicht so leicht zu akzeptieren wissen, auch wenn sie gemeinsam schon einige Zeit damit lebten.
Sie würde ihn stark machen müssen, ihn trösten für die Zeit danach.
Das war sie ihm schuldig.
Vielleicht könnten sie sich gegenseitig helfen. Bei ihm war sie sich nur nicht so sicher.
***
Er kam mit Blumen, so wie immer. Und es waren immer Orchideen, nur die Farbe wechselte.
Nur ihre Ruhe machte ihn etwas unsicher.
Woher nahm sie nur diese gottverdammte Ruhe? Gerade jetzt wo alles im Nichts entschwand und jeder Atemzug quälend sich durch einen ausgemergelten Körper zog.
“Wir sollten noch in eine andere Klinik. Es kann nicht sein, dass Du jetzt aufgibst. Nicht jetzt. Wie kannst Du nur da so ruhig liegen ? Wir müssen doch etwas unternehmen.”
Fast trotzig kamen seine Worte über die Lippen. Sie wusste wie es in ihm aussah. Immer dann wenn er etwas nicht akzeptieren wollte, sah es so aus, als wolle er wie ein Kind mit dem Fuss aufstampfen.
Sie lächelte ihn an.
“Gebe ich denn auf? Ich will einfach nur nicht mehr. Kannst Du das nicht verstehen?
Ich bin müde, siehst Du das denn nicht.
Das Problem ist aber, ich liege hier und es geht um mich. Du kannst nicht akzeptieren, weil Du Angst vor dem Danach hast. Angst vor Deiner eigenen Einsamkeit, vor dieser Leere, die sich vielleicht irgendwann in Dir einnisten wird, wenn Du nichts dagegen unternimmst.
Verdammt, schau mich an. Siehst Du was ich nicht mehr will?”
Sie wusste, dass die Wut ihnen beiden half. Es wäre nicht das Richtige sich jetzt gegenseitig mit Mitleid zu überhäufen.
Sie befanden sich ja schon jetzt im freien Fall ohne Rettungsseil nur sie hatte keine Angst mehr davor.
Sanft ergriff sie seine Hand.
***
“Erinnerst Du Dich noch an unser erstes Treffen? Mein Gott, was hab ich Dich begehrt.
Und Du trugst dieses schreckliche schwarze Kleid, wo ich Dich lieber nackt bis ins Innerste gesehen hätte.”
“Ich weiß. Ich möchte keine große Beerdigung. Du weißt wie ich die Stille liebe. Ich will nicht diese große Show mit traurig dreinblickenden Heuchlern. Ich will keine Reden über mein Leben und über mich.”
Mit der Faust hämmerte er auf den Tisch. “Hör verdammt noch mal damit auf. Red nicht so. Ich will das nicht hören.”
Fast hatte sie den Eindruck als wolle er sie schlagen. Nur um ihr etwas von seinem Schmerz abzugeben.
“Wirst Du bei mir sein, wenn es so weit ist? Ich will nicht alleine sein. Ich glaube nur davor habe ich Angst. Nicht vor dem Danach.
Ich möchte, dass wir noch einmal dann miteinander schlafen, Dich ganz nah spüren, Deine sanften Hände auf mir. Wirst Du da sein? Und mir helfen, wenn es nicht mehr geht”
***
Zärtlich strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ein paar Schweißperlen hatten sich auf der Stirn gebildet und rannen ihre Schläfe hinab.
Er dachte an damals, als sie ihn schon einmal verlassen hatte.
Da hatte er lange um sie gekämpft und sie doch gehen lassen, auch wenn er nicht wusste ob sie wiederkam.
Jetzt war alles anders.
Langsam fast wie in Zeitlupe legte er sich zu ihr aufs Bett und schob seinen Arm unter ihren Kopf und seine Hände strichen sanft über ihren schmalen Körper.
Als er den schnellen Schlag ihres Herzens spürte, schloss er die Augen ohne an das Danach zu denken. Genau wie es ihr Wunsch war.
Das Puzzle
A DREAM WITHIN A DREAM
Take this kiss upon the brow!
And, in parting from you now,
Thus much let me avow-
You are not wrong, who deem
That my days have been a dream;
Yet if hope has flown away
In a night, or in a day,
In a vision, or in none,
Is it therefore the less gone?
All that we see or seem Is but a dream within a dream.
Edgar Allan Poe
Als sie den ersten selbst entworfenen und grob skizzierten Stein in die Hand nahm, wusste sie schon, dass es alles andere als leicht werden würde.
Eine Herausforderung, der es entweder galt sich zu stellen oder einfach die ersten skizzierten Versuche zu verwischen.
Inspiriert allein durch Worte, aneinander gereiht zu Konstrukten, um selbst ein Bild in die fließenden Gedanken einzuflechten.
Kein Stein lag irgendwie verstreut, eher malte sie ihn sich selbst und versuchte ausgehend vom Rand jeden einzelnen anzupassen um ein Gesamtbild nur für ihre eigenen Augen bestimmt zu kreieren.
Schon jetzt, da sie erst wenige Puzzlesteine vor ihren Augen sah, wusste sie, dass dieses Bild niemals der Vollständigkeit bestimmt war und vieles als Geheimnis im Raum weiter umherschwirren würde je näher sie sich kamen. Für sie war es der Traum von einem Traumbild, zusammengesetzt einzig aus Worten und dennoch konnte sie darin selbst sehend versinken.
Alles war nicht vorhersehend erklärbar und der Beginn waren ein paar Worte, distanziert und dennoch nicht weniger eindringend.
Unwissend, nicht der Erwartung ergeben und durch diese gehemmt.
Und doch der Drang mehr zu erfahren, umso wie der Komponist die Melodie bereits im Kopf die erste Note zu setzen.
Ein paar gelesene Worte ergaben den ersten Stein des Bildes von ihm, der sie von da an in Traumbildern verfolgte.
Keine Äußerlichkeiten, eher die Interpretation Geschriebenes ließen die Hand den Pinselstrich vollziehen.
Sie wusste nichts von ihm, stellte auch keine Fragen und dennoch verharrte sie in Freude auf jedes weitere Wort, welches ihn auch weiter im Nebel verharren lassen würde.
Auf der einen Seite hätten Fragen vielleicht das Bild genauer entstehen lassen aber auf der anderen auch womöglich zerstört.
Und gerade bei ihm, nur dessen Worte sie kannte, sollte die eigene Interpretation den Pinselstrich führen und die eigene Hand die Kontur formen.
Nicht immer passte sofort ein neuer Stein zum Gefüge der anderen, auch wenn sie ihn drehte und wendete.
Mal mußten die Konturen nachgebessert werden, dort wo sie eine Ecke vermutete, paßte die Rundung besser. Dann wieder paßte die farbliche Abstimmung nicht ins Konzept.
Im Grunde genommen wußte sie aus Gelesenem genug um jeden einzelnen Stein mit Gefühl zum Leben zu erwecken.
Dennoch ließ die Anziehungskraft alles so nah erscheinen dem Nichtwissen zum Trotz.
Oft fragte sie sich selbst, ob man ein Bild entstehen lassen kann, dessen Umrisse man gar nicht kennt, nur spürt wo im Inneren die Wärme ist, dadurch den Fokus setzt um neue Verbindungslinien zu zeichnen.
Mal entstand ein einzelner Stein in Schwarz-Weiß, dann wiederum ein paar wenige in leuchtend bunten aber dennoch warmen Farben.
Durch einen Satz ergab es sich, dass sie ihn als Lehrer sah, der ihr zeigte wie das Leben spielte, ihr neue Wege durch seinen Vorsprung an Evolution aufzeigte, deren Begehung in ihrem eigenen Ermessen lag.
Die Tiefe seiner Worte sog sie auf und vermochte sie in eigene Energie umzuwandeln.
Sie spürte, dass er schon längst ein Stück des Weges voraus war und ohne Zwang und Berechnung ihr zeigen konnte die eigenen Schritte in die gewünschte Richtung zu lenken.
Sein Humor, nicht ohne ein paar Tropfen Selbstironie, gewürzt mit etwas Sarkasmus fesselten sie und zeigten auf, dass es Mittel der Selbsterkenntnis waren, die nach außen getragen vieles leichter machten.
Und immer wieder wußte sie, dass er sein letztes Geheimnis auch ihr niemals offenbaren würde..
Immer wieder sah sie den Mann in ihm, nach dem es sie gierte.
Ein Mann, der sie mit Verlangen berührte selbst dem Wahnsinn der Gier nahe.
Es war immer ein sehr verschwommenes Bild und dennoch vermochte sie es seine feste Hand auf ihrem Körper zu spüren, manchmal sogar die Perlen des Schweißes tropfen sehen, die sich dann mit den Ihren vereinten.
Sie wusste, dass es niemals ein klares Bild ergeben würde.
Aber spielte es eine Rolle?
Oftmals ist es schön sich sein eigenes Puzzle zu malen, mit eigenen Formen und Farben, nicht wissend woher es kommt, wie lange es bestehen bleibt und ob es überhaupt jemals ein vollständiges Bild ergeben wird.
Wichtig war, dass sie jeden einzelnen Stein liebte, denn alle zusammen ergaben ihn in seiner Gesamtheit.
der Glutschweif des Phönix
Sie schloss die Augen. Dunkelheit war immer gnädig, obgleich sie wusste dass es diesmal kein Entrinnen gab.
Worte peinigten sie, aus tausend Stimmen genau die eine heraus erkannt. Jedes Wort einzeln für sich so harmlos und doch aneinander gereiht schlagend wie Peitschenhiebe, die eindrangen und die Haut in Fetzen rissen.
Die Wirkung schaffte Distanz, in erster Linie zu sich selbst.
Und dann kam der immer wiederkehrende Traum, unbarmherzig und ohne Gnade.
In Ketten gebunden stand sie vor dem höheren Gericht und sollte sich zu ihren Sünden bekennen. Und schon tat sich der Boden auf und sie konnte das Höllenfeuer erkennen, welches bereits auf sie wartete. Sie sah die anderen armen Kreaturen, die nach ihr riefen und die Hände ausstreckten um sie dorthin zu holen,wo man für Sünden büßt.
Ein Schauern erfasste ihren Körper und gleichzeitig legte sich der eiserne Ring um ihren Hals.
Sie sah das Gesicht vor sich, welches sie mit den Fingerspitzen berührt hatte um sich alles einzuprägen, weil sie sich erinnern wollte, dann wenn nichts mehr blieb.
Sie sah den Mund, und die Lippen, die ihre berührt hatten, als der Phönix aus der Asche hoch in die Lüfte flog und stolz dort seine Runden zog. denkend er könnte der König der Lüfte sein und preisend seine Auferstehung.
Wie ein Orkan tobte es in ihr, und entfachte ein Feuer, welches innerlich alles verbrannte.
Es schmerzte und sie spürte, dass nichts es aufhalten konnte.
Die Nacht war so schwarz und doch wünschte sie sich gerade in diesen Gefilden einen Lichtstrahl, der sie nach oben führen konnte, um dem Phönix zu folgen.
Aber da war es wieder dieses kleine glutrote Buch mit den geheimnisvollen Zeichen aus ihrem eigenen Blut. Sie hatte es selbst geschrieben mit dem Hauch ihres Atems und jedes Kapitel war sie.
Und jetzt nahm er dieses Buch zur Hand und las darin. Er suchte und er fand sie nicht, weil nichts stimmte, zumindest nicht für ihn.
Jeder einzelne Seite nahm er zur Hand, die sie allein ihm offenbarte, und er zerriss sie, weil es nicht das war, was er sah oder sehen wollte.
Und dann schaute er sie ungläubig an und es war eine Fremde, die da vor ihm stand, weil er nie gefragt hatte, wer sie sei und was sie wollte.
Sie spürte es am eigenen Leib, und flehentlich sah sie umher. Aber die Geschworenen hatten bereits ihr Urteil gefällt.
Schuldig in allen Punkten der Anklage.
Dunkelheit kann manchmal gnädig sein und dennoch wünschte sie sich die Erkenntnis durch das Licht.
So wie früher, wenn sie einfach gelaufen ist zu einem Ort der ihr gehörte um dem zu entfliehen was nicht mehr zu ertragen war.
All die Nebelschwaden um sich herum vergessend um die Distanz zu sich selbst zu verringern.
Sie hatte immer Angst vor dem endgültigen Urteil gehabt und wusste doch, dass es nur die Hölle bedeuten konnte.
In aller Gelassenheit sprach er es aus und sie senkte dabei den Blick.
Der Phönix flog höher und höher und kannte dabei nicht die Angst sich zu verbrennen.
Da war dieses große Labyrinth, in dem sie schon immer den Ausgang gesucht hatte und den es vielleicht gar nicht gab.
Und der Phönix hätte ihr zeigen können, wie man allem entflieht, indem man ohne Angst sich erhebt im Vertrauen zu sich selbst in der Symbiose der haltenden Hand, einfach weil sie halten will und nicht aus der Forderung heraus.
Selbst jetzt kam der Irrgarten ihr wie ein viel zu enger Käfig vor mit vergitterten Türen und Fenstern, durch die kein Lichtstrahl drang.Als der Phönix sich erhob, sagte sie nichts von ihren Gedanken, weil nichts es ändern konnte, auch wenn sie es noch so wollte.
Worte können so peinigen und wie Pfeilspitzen eindringen, um dann spiralförmig sich drehend den Schmerz noch erhöhen, fast tödlich in der Wirkung.
Er hatte nie etwas gewusst von ihren ruhelosen Nächten, in denen Stimmen ihr den Schlaf raubten und sie sich selbst am lautesten hörte, wenn sie sich selbst zurücknahm um nicht zu erdrücken.
Er wusste nichts von ihren Ängsten und Selbstzweifeln und dem Wunsch gehalten zu werden in der Nacht, wenn alle schliefen und keiner ihren Schlaf bewachte der nie als Erlösung kam.
Niemand konnte sie vor diesen Nächten bewahren, in denen sie ruhelos die Schuld bei sich suchte, weil niemand anderer in der Verantwortung stand.
Sie schaute ihm stumm nach um nicht zu zeigen was sie fühlte. Er hätte auch nicht hingeschaut, weil er nur gelesen hat in diesem verdammten Buch, welches ihr Leben war.
Und es stand so viel zwischen den Zeilen, was er hätte lesen können, wenn es ihn interessiert hätte..
Sie hätte ihn gerne noch ein letztes Mal berührt, so wie er sie berühren konnte ohne alle Gegenwärtigkeit.
Viel zu schnell flog er davon um das Urteil mit sich zu nehmen in der Feuerglut die er hinter sich herzog.
Die Asche prasselte auf ihr Haupt noch vor Morgengrauen und sie nahm es hin, weil sie schuldig war.
Denn es stand in diesem Buch und nichts konnte die Zeilen löschen, weil jedes einzelne Blatt schon zerrissen im Staub lag und sich niemand die Mühe machte es aufzuheben um das Puzzle zu kleben, weil sie es vielleicht wert hätte sein können aber es wohl nicht war.
Distanz
Zärtlich strich sie ihm über sein entspanntes Gesicht. Er schlief noch und hatte seinen linken Arm fest um sie geschlungen, so als wolle er sie hindern wegzugehen. Draußen lag der Morgennebel über dem See, der im Kontrast zu dem in ihr tobenden Orkan, in Ruhe und Stille sich dem Tag hingab. Sie wünschte, er würde etwas davon abgeben können, um diesen rasenden Blutfluss in ruhigere Bahnen und das Hämmern im Kopf vom Prestissimo zum Largo zu lenken. Sein Atem ging langsam ganz im Gegensatz zu der Frequenz in der Nacht. In ihr war eher diese Unruhe, wie tosendes Gewässer, welches als Gischt im Sturm hochgepeitscht wurde. Nichts vermochte dem Einhalt gebieten, weil die Gedanken wirbelten und sich dem Sog nicht entziehen konnten.
Für diese Nacht hätte er alles gegeben. Entblößt seiner Worte, frei von der Unschuld seiner Träume. Er stand auf zog die Jalousien nach oben und blickte hinaus. War es nur ein kleiner Augenblick, der durch Wolken verhangen ihn ansah? Er blinzelte in die Morgensonne. Ihr Parfüm gedachte er auf seinem Körper zu tragen. Sinnliche Gedanken die an seinem Oberkörper kleine feine Spuren zeigten. Auch sein Gesicht trug noch den Kuss in roter Farbe.
Wie ruhig und entspannt er dort am Fenster stand. Fast beneidete sie ihn ein wenig für dieses vertrauensvolle Fallenlassen in die eigene Gedankenfreiheit. Sie hatte ihre Rastlosigkeit, die stets ihren Raum suchte und Gedanken, die sie vereinnahmten ohne dass sie sich dagegen wehren konnte. Zu oft hatte sie sogar in der körperlichen Nähe die Distanz gespürt, die gewollt sich aus der Angst ergab. Sie hatte ihm nichts davon erzählt, von diesen Stimmen, die lautlos nach ihr riefen aus diesem unbekannten Niemalsland, was selbst ihr unerreichbar schien und doch so erstrebenswert. Manchmal nutzte sie diese Unrast als Lebenselixier, welches sie antrieb gegen die Wellen des Stroms in dem sie schwamm. Sie fühlte seinen Blick auf ihrem nackten Körper und hoffte, dass er dieses Hämmern gegen ihre Schläfen nicht bemerken würde.
Niemalsland schrieb sie in der Nacht unsichtbar auf seine Haut. Ihre Fingerspitzen vergruben sich in seinem Haar und vermochten nicht sein Begehren zu mindern. Sie nahm ihn mit, dorthin wo alles von neuen beginnt. Sie gab ihm zum trinken dem Dürstenden, stillte sein Verlangen in dem sie schwieg. Sein Körper nahm was er begehrte.
Sie dachte an die Stunden zuvor, wo das Schwarz der Nacht die Stimmen verhüllte. Sie spürte seine Kraft, die sie sanft umfing und hielt für diesen kurzen Augenblick, in dem sie ihre Angst vergaß. Die Wärme seiner Hand schien auf einmal so vertraut und vermochte die Distanz zu verringern, weil er den Schritt tat, zu dem ihr der Mut fehlte. Wortlos gab sie ihm was er nicht verlangte und dennoch so intensiv in seinen Augen zu erblicken war. Zärtlich unterstrich seine Stimme was er von innen nach außen zu dringen zuließ, weil er so viel mutiger war und nichts Vergangenes ihn hemmte. Sie liebte diese Stimme, mit der er ihr Geschichten erzählte, die sie berührten, weil sie von ihm gelebt waren. Vielleicht erahnte er etwas von ihrem Geheimnis, von diesem Höllenfeuer welches in ihr tobte, wenn die Glut der Angst in ihr zehrte und immer wieder ihre Schritte lenkte.
Sie blickte ihn an, sah den Fremden und vertraute seinem geschwungen Mund und seine Lippen flüsterten Worte in einer anderen Sprache. Noch immer stand er am Fenster und sah hinaus. Sie berührte ihn dort an der Stelle, wo er her kam. Es war die Berührung an seinem Herzen, dort wo Wellen die Träume in der Nacht an Land trugen und die Zeit endlos im Sand verläuft.
Als sie ihm am Fenster stehen sah, wünschte sie sich er würde ihr Gedanken als Hieroglyphen gemalt, entschlüsseln können um diesem Sturm in ihr Einhalt zu gebieten. Es war eine Gleichung mit so vielen Unbekannten und doch war da seine Hand, die er reichte. Ein leichter Windzug wehte vom Fenster herüber. Langsam lichtete sich der Nebel und es schien als tanzte der See einen langsamen Blues. Zu gerne wüsste sie gerade wohin seine Gedanken ihn trugen.
Nur wenige Schritte trennten ihn vom Bett. Die morgendliche Kälte legte sich auf seinen muskulösen Körper. Ihr Haar bedeckte das Gesicht und ihr sanfter Augenaufschlag ließ sein Atem schneller gehen. Er nahm sich die Zeit an ihre Seite zurückzukehren. Ein Traum der wiederkehrend ihn nochmals dorthin mitnahm wo sie wartete.
Sie wusste so wenig von ihm, erst recht nicht wohin er wollte. Sie würde nicht fragen. Es stand ihr frei ihm zu folgen oder in ihre Neutralität zurückzukehren, die immer ein sicheres Land war, welches sie für sich selbst geschaffen hatte. Die Wahl gab ihr für einen Moment etwas Ruhe und das Hämmern im Kopf ließ nach. Als sie in sein Gesicht schaute hoffte sie auf die Regung irgendeines Gefühls aus ihm heraus, was ihr selbst Bedeutung schenkte, die sie brauchte um zu bleiben.
Er kehrte zurück in ihre Arme und schlief ein. Er spürte ein sanftes Streicheln auf seinem Gesicht und durch die Jalousien drang das Licht der aufgehenden Sonne. Es war der Anfang, und jeder von ihnen war bereits einen Schritt gegangen, jeder auf seinem eigenen Weg dem anderen entgegen.
Publication Date: 10-11-2008
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Dedication:
...gewidmet, den Menschen, die meinen bisherigen Weg begleitet haben.
Besonderen Menschen, die mich gelehrt haben, dass Freundschaft auch Liebe und Liebe auch Freundschaft ist.