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Fortsetzung von

Können Engel auch reiten..?

Die Hände und Füße prizzeln als wären sie wie von Ameisen gebissen, kaum bekomme ich die dicken Stiefel aus und kann mich aus meinem Zwiebelmuster von
4 – Lagen Bekleidung herausschälen, es ist und bleibt eisigkalt.



Die Kälteste Nacht in diesem Jahr sollte die Letzte angeblich gewesen sein, wer’s glaubt wird selig, aber die Zeitungen und der Wetterbericht brauchen ja neuen Gesprächsstoff und müssen etwas aussagen und schreiben um ihre Seiten zu füllen.
Selbst meine Kamera bibbert und fröstelt habe ich den Eindruck als ich sie vorsichtig aus der Manteltasche herausziehe und auf den Tisch lege.
Der Speicher ist voll, so viele Bilder habe ich auf meinem letzten Schneespaziergang gemacht.
Es ist aber auch eine Traumlandschaft da draußen. Mir ist, als wollte ich sie festhalten damit sie meinem durstigen Auge nicht davonschwimmt.
Sobald man einen Fuß in sie hineinsetzt fühlt man sich verwunschen als wäre man in einer anderen Welt.
Wäre es nicht so kalt, könnte man sich auch vorstellen noch länger in ihr zu verweilen, aber so, friert die Nasenspitze ein, sofern man sie länger als 5 Minuten an die frische Luft hält.
Still ist es, meine vom dichten Schnee gedämpften Schritte, die sich durch den Schnee schieben sind kaum zu hören, es klingt wie durch einen Wattebausch, ein leises Knirschen nur und um mich herum nur Stille.
Stille und Weiß.
Gibt’s so was noch in der Stadt?
Nein, nicht mal im Dorf kann man sich diese Landschaft hier vorstellen.
Es gibt nichts was das Auge bremsen könnte, nichts - was einer Einschränkung des Sehens auch nur im Entferntesten ähneln würde, nur Weite, Stille, Weite….und dieses unglaubliche schneeeigige Weiß das den Blick fest bannt wie an einem Stück magisch angezogen.
Stille, die man nicht in Worten beschreiben kann.
Selbst die Vögel, habe ich den Eindruck, sie schweigen voller Ehrfurcht vor dem was der Herr für sie geschaffen hat.
Vor der sie umgebenden unendlichen Weite des Himmels in dessen Bläue sie sich verlieren.
Sie streben an die Wolken zu erhaschen und erreichen sie doch nie.


Vor meinem Blick eine eingezäumte ehemalige Wiese, die nun, bedeckt vom tiefen Schnee sich weit in all ihrer Schneepracht ausbreitet.
Vereinzelt Fußspuren, längst wieder vom Schnee verweht und nur noch zu ahnen wer hier einmal entlang gelaufen ist.
Zwei braune Gestalten, 4 Hufe, lange, sehr hohe Beine, ein gerader Rücken, schöne Gesichter mit freundlichen Augen.
Ein kleiner Schneebart ziert ihr Gesicht unter den kurzen Haaren.
Eine Mähne, ein langer Schweif, sie erscheinen aus dem dichten Schnee wie von Geisterhand
Doch sie leben.
Große traurige ruhige Augen blicken mich an und erzählen von kalten, langen einsamen Nächten im tiefen Schneegestöber.
„Wo ist denn Euer Herrchen? frage ich sie und ziehe aus meiner Manteltasche trockene Brötchen.
Lautes erfreutes Schnauben antwortet mir und während der kleine dunkel gestreifte Kater mitten durch sie hindurchwetzt, füttre ich sie.
„War es einer von Euch, der mich gestern sicher ins Dorf hinunter brachte?“
Eine helle Nase bohrt sich in meine Achselhöhle und eine warme Nüster schnuppert an mir.

Kleine Engel auf vier braunen Beinen.
Und um sie herum nur der Schnee, die Weite der Wiese und des Himmels über ihnen.




„ Spürt ihr auch die Kälte wie ich?“, frage ich sie und nur die Stille und ein leises Schnauben antwortet mir, ach könnten sie nur reden und mir erzählen, wie es ihnen hier so hoch oben, geht.



Ihr Fell zittert, doch sie scheinen gut gefüttert, doch kann man das den Pferden wirklich am Gesicht ablesen?
Kein Heu liegt am kleinen Unterstand, der nach allen Seiten offen ist.
Spärliche Grasreste verraten, hier hat jemand vor Kurzem noch mit den Hufen gescharrt und gesucht.
„Engel müssen Engeln helfen“,...
flüstere ich ihnen zu, drehe mich um und stapfe mit schweren Schritten meinem Zuhause zu.

Dort packe ich zwei dicke, aber nicht zu schwere Wolldecken zu einer Rolle zusammen und mache mich zurück auf den Weg zu ihnen.
Der Weg wird mir mit meiner Last lang und beschwerlich.
Der Schnee, so tief, die Schuhe so schwer…
doch mein Blick ist leicht.

Fragende Augen erwarten mich und dort zwänge ich mich unter den vor sich hin surrenden Drähten hindurch und werfe die erste Decke über einen braunen Pferderücken.


Bewegt Euch, flüstere ich...

Das Zweite große Tier drängt sich eng an mich und bringt mich fast zum Fallen.



„ Du bekommst auch eine“, murmele ich ihm zu und wage mich samt Decke auf den breiten Rücken.
So hoch oben, mit dem breiten sicheren Rücken unter mir, kann uns nichts passieren.
Mit leichtem Schaukelgang setzt sich mein Hellbrauner in Bewegung und während sich das erste Tier uns anschließt und sich meine zur Faust geballten Hände in der Mähne festhalten -wagen wir uns sogar in den ruhigen Schritt.
Ich kann es, ich kann es wieder, was mir früher so viel Freude bereitete.



Eine viertel Stunde, oder war es sogar eine halbe, die mir wie Stunden vorkommen - bewegen wir uns, die Wiese auf, die Wiese ab, bis die Tiere warm geworden sind.



Dann lasse ich mich sacht vom Pferderücken in den Schnee gleiten und reibe beide mit der Decke ab was sie mit zustimmendem Prusten begleiten.
Noch eine Karotte, ein Apfel und ein Stück Brot zum Abschied, dann lasse ich zwei zufriedene Gesichter hinter mir.

Und morgen komme ich wieder flüstere ich ihnen zu, während meine Stimme im Wind verklingt.
Denn Engel die nicht fliegen können, müssen reiten.




© Angelface


Imprint

Text: copyright Angelface
Publication Date: 01-27-2010

All Rights Reserved

Dedication:
für die Tiere die diesen Winter draußen überstehen

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