Dankbarkeit
Dankbarkeit schreibe ich um diese Jahreszeit in ganz großen Lettern, nur meinem jüngsten Sohn muss ich das noch beibringen, er versteht noch nix davon.
Die Kombination „ eisige Kälte und azurblauer Himmel“ vor meinem Fenster lässt mich mit einem wonnigen Gefühl des Gelassenseins noch einmal kurz unter meiner warmen Bettdecke verschwinden.
Ich genieße, ich genieße intensiv und mit allen Sinnen, sehr bewusst – mit einem Blick aus dem Fenster
was?
Ja was...
Dass ich nicht aufstehen muss, um am frühen Morgen schon Eis von meinem Wagen zu kratzen,
dass ich nicht in Dunkelheit und bibbernder Kälte schon 14 Kilometer fahren muss, um irgendwo rechtzeitig zum Dienst da zu sein.
Dass ich nicht jeden Vormittag den schlechten Launen Unausgeschlafener begegnen muss, sondern die gemütliche Wärme meiner Wohnung genießen kann.
Ich bin für so vieles dankbar was man weder greifen noch beschreiben kann.
Für den Anblick des wolkenblauen Himmels vor meinem Fenster, als ich täglich in die Stadt fuhr, hatte ich nie Zeit zu ihm aufzusehen.
Für die Morgenspiele meiner Katzen, als ich um 6°° noch täglich aus dem Bett musste, hatte ich nie die Zeit mich damit zu befassen.
Für mein gemütliches 2. Frühstück am Morgen, das war - undenkbar noch vor einem Jahr.
Für die Zeit, die ich nun habe, um auch einmal in mein eigenes Innerstes zu schauen.
Und was ich dabei entdecke, erstaunt selbst mich, die ich doch dachte, dass ich mich kenne.
Ich genieße es, nicht mehr täglich dem Zeitstress und Druck anderer ausgesetzt zu sein
“ hast du dies schon gemacht, jenes bedacht?“
Für all die Bücher, die ich jetzt – endlich lesen kann.
Für die Tatsache, dass ich mir den Tag einteilen kann, so wie ich es möchte, welch ein Luxus, ich kann das kaum beschreiben.
Ich bin dankbar, Zeit und Aufmerksamkeit für meine Freunde zu haben, selbst wenn sie mich nicht brauchen, ich wäre da, wenn sie es täten.
Ich bin unendlich dankbar für die Tatsache 12 Stunden am Tag mit allen Ecken und Kanten ICH sein zu können.
Kann man all dies greifen, anfassen, kaufen?
Nein, denn es ist nichts, was auf einem Ladentisch herumliegt.
Und dennoch bin ich dankbar, denn es ist mehr, als man jemals mit Geld erwerben könnte.
Heute las ich ein Buch über das Alter und das älter werden, das scheint in der heutigen Zeit für viele Menschen aus unterschiedlichen Gründen ein Problem zu sein.
Alter, ist das nicht nur eine Jahreszahl?
Ist es nicht nur ein Gefühl, dass man nun, da man ein gewisses Alter erreicht hat, nicht mehr an allem teilhaben kann?
Wer sagt, dass das so ist?
Kann man nicht, solange man es möchte, an allem teilhaben, wenn man gesund und fit ist?
Sich interessiert und informiert über all das, was neu im Leben ist?
Wo bleiben die Werte, die man hat?
Solange man jung ist, macht sich natürlich keiner große Gedanken darüber, doch wie lange ist man jung? Wann beginnt denn das Alter?
Früher sah man 40jährige schon oft als alt an, heute sind die Alten oft mehr fit als die Jungen und Junge oft früher verbraucht als die Alten, es hat sich doch alles verschoben. Nichts stimmt mehr in unserem Gefühl, wie das Wetter und die Welt um uns herum.
Meine Großmutter starb im Alter von 96 Jahren, quasi an Altersschwäche, das empfand ich als normal, heute sterben 50 jährige und weitaus Jüngere am Alkohol und Drogenmissbrauch, auch das wird fast schon als normal angesehen, doch was ist schon als normal zu bezeichnen?
In unserer Wegwerfgesellschaft in der fast alles auf Druck, Eile, Hetze und Konsum ausgerichtet ist, haben die Alten nicht viel zu sagen, sie sind dennoch eine Stütze der Gesellschaft und erzählen als Zeitzeugen davon, dass vieles einmal anders war.
Die neuesten Meldungen sagen aus, auch Quelle musste Insolvenz ansagen, 150.000 Mitarbeiter wurden entlassen und stehen auf der Straße, ein Schicksal das viele kleine und große Firmen in der Zeit der Globalisierung trifft, sind sie nunmehr alles Alte?
Verbrauchte Menschen vielleicht, die auf dem Arbeitsmarkt keine Chance mehr haben. Und das - egal wie alt sie sind.
Rentner die noch eine Arbeit haben sollen bis 67 arbeiten, 40 jährige werden aus Altersgründen ausgemustert, ist das alles noch normal in unsrer Zeit?
Alt zu sein, das ist ein Thema in vielen Foren, viele haben Angst davor - es zu werden, doch ist es nicht vielmehr - die Angst davor nicht mehr gebraucht und beachtet zu werden?
Nicht mehr mitzukommen mit dem Strom der Zeit der uns oft überrollt?
Was bedauern wir eigentlich, wenn wir älter werden? Die, die wir vielleicht „Ängste davor haben.
Dass wir vielleicht etwas verpasst hätten?
Oder, dass wir nicht mehr „jung“ sind, oder dass unsere äußere Schönheit - so wir sie hätten, verblassen könnte?
Das alleine älter werden ist sicherlich ein wenig schwerer zu (er) tragen, als wenn wir einen Menschen an unserer Seite haben, das glaube ich, ist unbestritten.
Denn zum Alter kommt oft die Einsamkeit.
Und die ist schwer zu tragen.
Menschen, die ihren Erfolg im Leben nur auf ihre äußere Attraktivität aufbauen und sich daran messen, werden immer einsam und wahrscheinlich allein im Alter sein.
Ich glaube, uns fehlt eine ganze Portion Dankbarkeit.
Dem Gefühl gegenüber - gesund zu sein, und etwas tun zu können gegen viele Ungerechtigkeiten die wir sonst tatenlos mit ansehen müssten.
Ein Glück werden wir alle alt, Arme und Reiche, früher oder später, der eine mehr, der andere weniger, wir wissen es nicht – ein Glück wissen wir es nicht, doch wir sollten dankbar sein, wenn wir es bewusst und gesund erleben dürfen.
Ich habe eine gute Bekannte, die gut 15 Jahre älter ist als ich, die jammert und meckert gerne herum, ist aber topfit und gesund,...
ein anderer quält sich seit über 2 Jahren mit dem bösen Krebs herum, lebt mehr oder weniger beschwerlich, ...
ein Dritter hat eben Bekanntschaft mit demselbigen gemacht, man weiß noch nicht was aus ihm wird, meine Mutter lebt noch mit 88, ...
da habe ich noch viel Zeit zu altern bis ich Ihres erreiche, so weiß ich ganz genau was ich meine - wenn ich von meiner Dankbarkeit dem Leben gegenüber erzähle.
Ich werde jetzt im Oktobersonnenschein auf die Bäume klettern und die letzten Pflaumen pflücken ehe sie zuende reifen...
© Angelface
Text: Text by Angelface
Publication Date: 10-21-2009
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für meine Mutter