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Ultraschall

 

Ich habe sie auf dem Schirm, empfange die Viererclique. Ich sehe sie. Sie sind auf einer Wellenlänge, so sagt man doch.

Ich gehe hinter ihnen her. Neben ihnen dann. Manchmal öffne ich den Mund. Ich spreche. Doch sie können nicht hören, ohne taub zu sein. Andere Wellenlänge.

Soll ich es weiterversuchen? Bin ihnen zu hoch, Ultraschall. Alles verschwendet. Unempfangene Freuqenzen, die nie abgehört werden, auf denen sendet man doch nicht.

Gar nicht zu senden ist auch keine Lösung. Schweigen, Reinfressen – ne, keine Lösung, keine Lösung.

Jetzt sickert es durch, dämmert herauf – keine Lösung, aber eine, eine andere! Raus in die Weiten es Alls sende ich Botschaften der Hoffnung auf andere Aliens einsamer Gestirne.

Ich bleibe stehen, hinter ihnen, bis ich ihn nicht mehr empfange, den Störfunk. Sie gehen weg. Ich sende weiter Ultraschall.

 

 

 

Der Dunkle

Schwarzbärtig, mit Zylinder, singt er düstere, schmerzlich rührende Worte. Er ist die dunkelste, gebeugteste und bewegendste Gestalt.

Niemand versteht ihn, alle bewundern ihn. Jeder will sein Freund sein, keiner berührt ihn wirklich. Er scheint zu leben, spricht und lacht. Aber zu Bett geht er alleine.

Wirklich leben kann er nur, wenn er dort oben steht, dunkel und mit Zylinder, wenn er singt, düster, von Schmerz, rührend.

Glück? Was ist es für ihn? Die Kunst ist nicht Glück, Glück ist Gegenstand der Kunst, seiner Kunst, die die Menschen staunen und zittern lässt. Doch das macht ihn noch nicht zu einem mit diesseitigem Glück, er bleibt einer, der danach strebt, nach dem diesseitigen.

Wie gerne er staunen würde! Das wäre auch ein Glück für ihn, etwas zu finden, dass ihn staunen ließe, etwas Fremdes. Doch bewundern scheint nur zu können, wem es noch nicht eingefallen ist, sich selbst bewundern zu lassen.

Glück, das ist frei sein von und frei sein zu, entfesselt sein, leidbefreit – so denkt er einmal.

So lässt er Fiktion über Realität, Gedachtes über Gemachtes triumphieren, opfert das Glück, nur das diesseitige, kein anderes, trägt es zu Grabe, mit einem Lächeln, dem einzigen, gibt es und sich hin, an die Quelle allen Seins, lässt Überflüssiges los, – erwacht, erscheint zum zweiten Mal.

Zurückgekehrt nach Ithaka, Reichtum und Glanz des Sieges hinter sich, verstehend, unverstanden, fasst er wieder an, Mut – steigt hinauf, singt düstere, schmerzlich rührende Worte, tritt nicht mehr ab, sondern ins Sein und ins Bleiben, und ist doch absolut und lächelt dabei.

 

Der Beschränkte

Es war eigentlich kein besonderer Tag. Aber es war der, an dem Herr B. starb.

Kurz vor seinem Tod – ihm war für einige Sekunden ganz und gar klar, dass es sterben würde – zog an ihm vorbei, was er alles nicht getan hatte.

Er hätte zwar erwartet, sich eher an etwas zu erinnern, aber das war nicht der Fall. Er sah nur nicht eingetretene Dinge.

Beispielsweise erblickte er sich selbst auf einem schweren Motorrad, er fuhr gerade zur Arbeit. Ohne Umweg ging er ins Büro seines Chefs und knallte ihm an den Kopf, was für ein Opportunist und fachlicher wie menschlicher Fehlschlag er war.

Er sah sich kehrtmachen, eine Zigarette im Mundwinkel, obwohl das im Haus verboten war, und gegen den Rat seines Arztes.

Er sah sich selbst, wie er nicht seine Frau ins Pilates begleitete, sondern zuhause blieb und eine Flasche Bier nach der anderen leerte.

Er sah sich mit seinem Motorrad ins Bordell fahren, dort traf er sich mit einem Dutzend Biker-Kollegen, sie feierten die ganze Nacht.

Er sah sich selbst triumphieren, einen riesigen Koffer Geld auf dem Motorrad, wie er von aller Welt anerkannt oder wenigstens gefürchtet wurde.

Er sah sich als den Mann, der nie auf andere gehört hatte, nicht Abitur gemacht und danach Jura studiert hatte, nicht ständig Diät hielt und sich von einem Fitnessprogramm ins nächste prügelte, der nicht auf Gewalt und Drogen verzichtete, weil es das Gesetz wider seiner Natur vorschrieb.

Er sah sich als einen unbeschränkten Mann – der gelebt hatte, bevor er ebenfalls gestorben wäre wie jedermann.

Bevor Herr B, zuende denken konnte, war er schon tot. 

Der Verflixte

Ein Mann spaziert an einer Sommerwiese entlang. Er setzt sich hin. Als er sich erhebt, ist er ein Junge von elf Jahren. Er kommt nach Hause. Seine Frau bringt seiner Lage kein Verständnis entgegen. Auf der Arbeit bringt er alles durcheinander, stellt Fragen und Autoritäten in Frage. Ewigkeiten verschwendet er damit, eine Fliege zu beobachten, die an einem Klebestreifen hängengeblieben ist. Schließlich gewinnt das Mitleid Macht über ihn und er entscheidet, sie zu retten. Aber die Flügel und der halbe Körper bleiben kleben und er reißt sie in Stücke, unabsichtlich. Schlimme Erfindungen, diese Klebestreifen. Entweder sie werden zerrissen oder sterben ganz langsam. Arme Fliegen. Wem das wohl eingefallen ist? Er hat Durst. Er bekommt bloß Kaffe, der ihm nicht schmeckt. Schließlich isst er etwas Süßstoff, geht nach Hause. Wen kümmert schon die Arbeit? Er kommt an seiner Sommerwiese vorbei. Er bleibt stehen. Dort ist nun ein Parkplatz, dahinter ein Supermarkt. Er will sich da nicht hinsetzen. Furchtbar. Alles zerstört, all die Blumen, als das blühende Leben. Er geht weiter, sieht nicht zurück. Arme Wiese.

Der Tiger unter Wölfen

Es war einmal ein Wolfsrudel.

Als eine der Wölfinnen Junge bekam, fand sich darunter eines, das gar kein Wolf war, sondern ein Tiger. Wie genau es dazu kommen konnte, dass sich in dem Wurf ein artfremdes Tier befinden konnte, das ist nicht überliefert, und auch damals hat es niemand verstanden, und es kümmerte auch keinen.

Die Wölfin aber liebte alle ihre Jungen, und auch das mit den gelben Streifen, und zwar mit der Liebe einer Mutter gegenüber hilfosen, liebenswürdigen kleinen Jungtiere. Denn so verschieden waren sie ja gar nicht, ihre Nachkommen: Alle hatten sie scharfe Zähne, alle liebten sie wilde Spiele, alle brannten sie auf die fette Milch der Wölfin. Das Tigerchen wuchs dadurch ebenso wie die anderen heran.

Und doch gab es Unterschiede. Es stellte sich heraus, dass der Tiger, sowohl im Jugendalter als auch später, schneller rennen konnte als alle seine Geschwister, aber schon nach kurzer Zeit ermüdete und

stehenbleiben musste, während die anderen es verstanden, lange Läufe zu ertragen, wie das typisch ist für Wölfe. Während sie heulten, gab der Tiger fremdartiges Gebrüll von sich, das aber nicht weit in die Nacht hinausreichte. Er wurde auch viel größer als alle anderen, und weder seine Brüder noch seine Eltern wären nach dem ersten Jahr in der Lage gewesen, es mit ihm aufzunehmen, doch er blieb stets zurück bei der Jagd, weil seine Ausdauer schnell erschöpft war, sodass er nur wenig von der Beute abbekam; und darum blieb er dünn, trotz seiner Größe; und seine Stärke konnte sich nie ganz entwickeln, da er immer Hunger litt.

Wenn es darum ging, ein Wild zu Tode zu hetzen, war er nicht zu gebrauchen. Aber er besaß anderes Geschick: Beispielsweise konnte er sich recht nahe an einen Hirsch anschleichen, aus dem Gebüsch hervorbrechen, das Opfer mit wenigen Sprüngen erreichen und reißen; und das konnte ihm kein Wolf nachmachen. Da er immer hungrig war, musste er häufig allein auf die Jagd gehen und verfeinerte in dieser Hinsicht seine Fähigkeiten, während in alle anderen Wölfe für einen miserablen Jäger hielten. So begann er früh, eigene Wege zu gehen, und er musste es.

Aber die disziplinierten, ordentlichen Wölfe hielten ihn stets an, an seinen Hetzjägerfähigkeiten zu feilen; und er tat es, denn er wusste nichts davon, dass er ein Schleichjäger war; und obwohl er sich oft in seinen Übungen verausgabte, brachte er es zu nichts, und bald verlor er ganz die Lust daran, hinter Tieren herzurennen, von denen er wusste, dass er sie ganz leicht hätte fangen können, hätte man ihn nur seinen Weg gehen lassen.

So hielt man ihn zwar für eine einigermaßen gewöhnliche Person, weil mit ähnlichen Organen ausgestattet und von ähnlichen Gelüsten bewegt, und doch für seltsam, weil er immer eigene Wege ging und es nicht verstand, die eigenen großen Kräfte so einzusetzen wie es jeder andere tat, was – wie alle dachten - ihm mit ein wenig Anstrengung leicht hätte gelingen können!

Obwohl man den Tiger aktzeptierte und es niemand wagte, über ihn zu lästern, weil man seine Kraft fürchtete, war er in dem verschworenen Rudel der einzige Einsame; und als er und seine Brüder in das entsprechende Alter kamen, fand er keine Wölfin für sich; und er wagte es nicht, eine zu zwingen oder mit List zu überzeugen, obwohl ihm vielleicht beides geglückt wäre. Aber das sah er nicht als sein Recht an.

Natürlich wünschte er sich jemanden an seiner Seite. Aber er hatte keine Hoffung und gar keine Vorstellung von etwas, das ihm glich, aber weiblich war. Wäre es größer oder kleiner, stärker oder schneller, sanfter oder gröber, träger oder unruhiger als er? Konnte es etwas wie ihn überhaupt ein zweites Mal geben?

Der Tiger steht einsam im Licht des Mondes, den er nicht anheulen kann, und reckt ihm zornig eine Tatze entgegen, auf eine goldene Zukunft hoffend und doch voller Furcht und Trauer.

 

 

 

 

 

 

Der Verneiner

Ich hörte einmal von einem Bekannten eine fürchterlich dumme Geschichte.

Der Bekannte, der sie mir erzählt hat, traf einen, von dem er wusste, dass er gerade seinen Abschluss gemacht hatte, und deshalb wünschte er ihm viel Glück bei der Berufswahl, einen guten Job.

„Abgelehnt.“, erwiderte der mit dem Abschluss.

„Wie?“, fragte der Bekannte.

„Die guten Jobs, das sind die stressigen. Stress ist schlecht für den Schlaf, schlägt auf den Magen und macht das Herz krank. Was habe ich dir getan, dass du mir solche Übel wünschst?“

Da dachte der Bekannte nach, auch wenn er innerlich den Kopf schüttelte, und er erwiderte: „Dann wünsche ich Erfolg in allen Unternehmungen und ein gutes Auskommen.“

„Abgelehnt! Ein gutes Auskommen sorgt nur für Luxus, und der ist der Nährboden für alle Laster und der Feind der Selbstdisziplin.“

Da dachte der Bekannten nach und erwiderte: „Dann... dann wünsche ich eben ein langes Leben!“

„Abgelehnt! Abgelehnt! Ein langes Leben heißt viele Sorgen, viele Schicksalsschläge. Was soll ich mit einem langen Leben?“

Da dachte der Bekannte ein letztes Mal nach und rief: „Hälst du dich vielleicht für weise? Du bist bloß ein Verneiner des Lebens!“

„Abgelehnt. Es ist mir gleich, ob du mich für weise oder für abgrundtief dumm hälst. Deine Anerkennung und deine Bewunderung, beides lehne ich gleichermaßen ab.“

Da lief der Bekannte kopfschüttelnd davon und kam zu mir.

Was soll das alles? Jetzt kommen die Leute schon zu einem und erzählen derartig dumme Geschichten! Wohin soll das führen? Will er bemitleidet werden, meinen Spott für den Verneinern hören? Oder meinen klugen Rat? Will er mir seine Seele offenbaren? Abgelehnt! Abgelehnt! Abgelehnt!

α! _-_-_ c h a o s _-_-_- ? ώ

 

 

 

 

Open –

 

 

Caro, Hopp, Alle OpferStiere – Caro, Hopp, Alle OpferStiere – Caro, Hopp, Alle OpferStiere – Caro, Hopp, Alle OpferStiere – Caro, Hopp, Alle OpferStiere – Caro, Hopp, Alle OpferStiere – Caro, Hopp, Alle OpferStiere – Caro, Hopp, Alle OpferStiere – Caro, Hopp, Alle OpferStiere

 

-- End 

 

Der Beobachter

Eines Tages im Weltall, wo es weder Tag noch Nacht gibt. Da sitzt ein Erzengel auf einer Gaswolke, einer der ganz Mächtigen, die der Normalunsterbliche nur von weitem sieht, normalerweise. Er sieht auf die Erde hinab. Was sagt er?

„Unglaublich. Nichts als Geld im Sinn. Den kenne ich doch. Ein Aspekt Luzifers. Er ist auf die Erde hinabgefahren und in sie gefahren. Wie? Kapitalismus in der Sprache der gebildeten Menschen. Was für eine Langeweile hier! Ich will ein wenig mit ihm spielen. Gegen ihn.“

Da erscheint er einem Menschen im Traum, Zoroaster heißt er, und noch einem ganzen Haufen anderer, verteilt über die Jahrhunderte, und er sagt ihnen, sie sollen den Menschen vom Geld und vom Vergnügen abraten und es als den Willen Gottes verkaufen, damit es besser klingt. Jahrtausendelang mühen sich die Gottesmänner ab, aber die Leute lassen sich nicht bekehren.

Da lächelt der Erzengel, das Spiel gefällt ihm, und er schickt eine ganze Armada kluger Köpfe in die Welt, die ein für alle Mal mit dem Geld abrechnen. Marx heißt einer, Brecht ein anderer, und es sind noch viel mehr. Seht doch! Diese Typen sind erfolgreicher. Besser platziert, besser ausgerüstet. Sie schaffen es, einen Teil der Welt zu bekehren. Aber sie müssen Gewalt anwenden. Hier verlieren sie, dort gewinnen sie. Es scheint ausgewogen... oh, nein, die Chinesen lassen sich verderben! Sie halten sie für Rot, sind es aber bloß politisch, aber sie arbeiten ganz wie der Kapitalismus-Luzifer es verlangt, dieser iGod, dieser CocaCola-Avatar, dieser...

Ach, diese Erzengel und Dämonen, wenn sie spielen, schlimmer als kleine Kinder! Jetzt ist es Luzifer langweilig geworden und er hat seinen Aspekt die ganze Erde zerstören lassen, mit Klimawandel, Atomkatastrophen, und all die Menschen hat er kaputtgemacht– pfui! Und der Erzengel lacht darüber, sie fliegen aufeinander zu und gehen wahrscheinlich zusammen einen trinken.

Was glauben Sie denn? Dass diese Menschen irgendwas hätten ändern können? Nicht, wenn Dämonen ihren Spaß haben wollen. Ach, nehmen Sie´s nicht so schwer! Die Sonne hätte er nur noch vier Milliarden Jahre gehalten! 

Ursprung

Altdeutsch. Altbacken. Nemme recht bacha. Altdeutsch halt. Komisch.

„Wer war das?“

Seltene Stille, die ihre Stimme da druchbricht. Ihre so sorgfältig artikulierten Worte. So hoch entwickelt.

„Niemandem ist geholfen, wenn ihr es nicht sagt. Das hat nichts mit Petzen zu tun.“

Wenn nicht das – was dann?

„Ich frage noch ein Mal: Wer hat das geschrieben? Wer hat das Video gemacht? Wer hat es hochgeladen?“

Kunstpause.

„Wenn ihr nicht redet, wird das zur Chefsache. Ein letztes Mal: Das hat nichts mit Petzen zu tun.“

Blicke. Nicht verschwörerisch. Eher verräterisch. Aber nur für die Eingeweihten. Sie wissen es. Alle. Es ist kein Geheimnis, überhaupt nicht. Alle wissen es. Alle.

Schade eigentlich, dass das Nibelungenlied aus dem Lehrplan geflogen ist. Die Spannung langweilt mich, darum lasse ich meine Gedanken wandern. War es denen zu altbacken? Zu nationalistisch? Als Deutscher stolz auf seine Herkunft zu sein ist nicht leicht. Sogar gefährlich. Für den Ruf sogar. Also blenden wir sie ganz aus, die Herkunft, die Vergangenheit. Wir schweigen darüber, indem wir schwafeln, bis wir jeden Gedanken vergessen haben. Indem wir aufklären. Indem wir so verdammt klug geworden sind aus der Historie.

Wir schweigen darüber, wie wir über das Video schweigen, das mit dem Hakenkreuz und dem Geschrie und allem. Nicht, weil wir es guthießen. Nur, weil wir nibelungentreu sind. Oder es gerne wären. Deutsche Treue. Wo sind sie, Wein und Sang? Nicht mehr da. Weg. War alles eine Missinterpretation, missverstanden, missbraucht. Aber da. Was bleibt einem Volk, wenn es die Vergangenheit verschämt ausblenden muss? Ist das noch eine Nation? Muss dieses Plebiszit nicht eines Tages scheitern?

Ach, Vergangeheit. Da muss doch mehr sein als Geschrie und Hakenkreuz!

Wie ich einen Diamanten auf Scheiße schwimmen sah

 

 Ich war ziemlich schlecht drauf.

Ich bin oft schlecht drauf. Und wenn Glück, wie Camus gedacht hat, nichts ist als die einfache Übereinstimmung eines Wesens mit der Existenz, die es führt, dann ist das auch kein Wunder: Ich bin ein durchschnittlicher junger Mensch, Schüler, der sich in letzter Zeit zu einem durchschnittlich langweiligem jungen Mitteleuropäer mit einem nicht ganz durchschnittlichen Hobby entwickelt hat, was er erschrocken feststellt, wenn er sich einmal im Spiegel betrachtet; ich schreibe diverse Texte, an denen die Umwelt ein denkbar geringes Interesse zeigt, und ich weiß nicht einmal, ob sie damit im Recht liegt; ich habe Kurzgeschichten, Essays und ganze Romane verfasst, die mich in der Regel erschrocken und ziemlich enttäuscht nach Luft schnappen lassen, wenn ich sie nach längerer Zeit erneut lese; und einen Teil davon habe ich auf einer dafür vermutlich unpassenden Internetplattform der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, die sich aber eher für Vampire, Fantasy und Erotik zu interessieren scheint, kurzum: Ich bin in einer kreativitätsfeindlichen Zeit auf die falsche Weise kreativ.

Das ist nicht der Moment, um mein albernes Schicksal zu beweinen, was man sich, im Hinblick auf die Millionen, denen es viel viel viel schlechter geht, in der Regel sowieso verbietet.

Jetzt zur versprochenene Story: Wie Millionen Deutsche täglich betrat ich einen Supermarkt. Ich kam vom Buchladen, wo ich nichts erworben hatte, und hatte eigentlich alle Kauflaune verloren. Anders als die meisten Leute, die so verrückt nach Büchern sind wie ich, stehe ich kein bisschen auf Buchläden. Ich verabscheue sie. Das hat jetzt keine philosophischen Gründe, liegt nicht daran, dass ich die Degradierung des Kunstwerkes zur Massenware verachte oder dergleichen. Buchläden tun mir einfach weh. Einerseits entmutigen mich die wahnsinnig vielen supererfolgreichen Bestseller aus Premium-Deluxe-Verlagen. Andererseits machen mir die nachdenklichen, kritischen Sachbücher, in denen das Bildungssystem, die Weltwirtschaft, die Politik und so ziemlich alles kritisiert wird, und zwar nicht so: „Insgesamt okay, an dem und dem müssen wir aber noch arbeiten“, sondern eher so: „Grundsätzlich falsch mit katastrophalen Folgen ohne Hoffnung auf Verbesserung, also einreißen, neuplanen, neubauen.“

Versteht ihr?

Außerdem machen mir die riesigen Mengen Bücher ein schlechtes Gewissen. Obwohl ich selbst keine Rechtfertigung dafür erkenne, fühle ich mich ein wenig schuldig, wenn ich hundert vielversprechend klingende und aussehende Bücher in die Hand nehme und am Ende doch nur einen Bruchteil davon kaufe. Es kommt mir wie ein großes Verbrechen vor, nur aufgrund des Covers, des Klappentextes und so weiter das eine dem anderen Buch vorzuziehen. Man müsste sich minuten-, stundenlang mit der Frage auseinandersetzen, warum man sich für oder gegen ein Werk entscheidet, an dem oft mehrere Menschen Jahre gearbeitet haben! Aber wer macht das, hat die Zeit, die Energie dazu?

Wie so oft ist es auf eins hinausgelaufen: Ich habe gar nichts gekauft.

Und danach ging es eben in den Supermarkt. Ich dachte Dinge wie: Massenware, wohin man schaut, Industrienahrung, Billigpreise, auf Ausbeutung der Natur und der Bevölkerung wirtschaftlich schwächerer Länder basieren sie, hier kauft jeder das gleiche, haben den gleichen Geschmack, standardisiert ist der, genormt, wohlerforscht, geformt; von zu fettem Chemiefraß aufgedunsene Körper schieben sich zwischen hässlichen Regalen entlang, vom ganzen Plastik im Essen werden wir noch alle krank, davon und und von der sich mit Schadstoffenden anreichenden Luft, vom Wasser ganz zu schweigen, alle werden wir krank werden, aber an irgendwas müssen die ja sterben, die Menschen, bevor sich den ganzen Planeten totmachen; da erreichte ich die Reagle mit den Spiegel-Bestsellern und so, ein winziger Fetzen des Buchmarktes, und denke weiter: Himmelarsch, wer das kaufen und fressen kann, also ich, dem kann auch alles andere egal egal, der kann auch noch seinen literarischen Geschmack standardisieren lassen; und wie aus Trotz, wie einer, der weiß, dass er alkoholsüchtig ist und noch mehr Schnaps kauft, nahm ich mir irgendeinen der (wie ich damals dachte) einfach konsumierbaren, flachen, überhypten und von einer eintönigen Kritikerlandschaft überschätzen Romane.

Es handelte sich um Das Schicksal ist ein mieser Verräter von John Green.

Irgendwann, ich hatte den Supermarkt längst verlassen, fing ich an zu lesen, etwa mit der inneren Einstellung, die man hat, wenn man wider besseres Wissen eine schlechte Currywurst oder einen Hamburger bestellt hat, einfach, weil man nichts Besseres gefunden hat.

Irgendwie hat schon die erste Seite, es geht da vor allem um Depression und ums Sterben, etwas an meiner Grundstimmung geändert, und der Galgenhumor, den die Protagonistin wohldosiert und zielsicher von sich gibt, vermittelte gleich das literarische Schwergewicht des Werkes, das ich da vor mit hatte; und in dem Moment schaltete sich eine bis dato inaktives Areal meines Bordcomputers ein: Es war der für Erzählkunst im weiteren Sinne, für alles von Mythen über Theater über Romane bis zu Zeitungsartikeln und Kurznachrichten zuständige Hirnbereich, und er verfügt über einen beträchtlichen Anteil meines begrenzten geistigen Budgets. Wenn mein Hirn die USA sind, dann ist dieses Areal alle amerikanischen Geheimdienste zusammengenommen.

Meine Stimmung war trotzdem nicht besser geworden, im Gegenteil. Aber die etwas zynische, geringschätzige Art, mit der die Erzählerin das Leid der anderen Figuren schildert (vermutlich ihrem eigenen Schmerz geschuldet), war mir irgendwie sympathisch. Einer, der stirbt, hat vielleicht das einzige Recht, das Leiden und auch Sterben anderer nicht ganz so ernst zu nehmen, wobei die Protagonistin sicher kein emotionaler Eisblock ist: Ihre allzu verständliche Angst ist aus beinahe jedem Absatz herauszuhören.

Als sie in der Theraphiegruppe vom Ende der Menschheit und so weiter anfangen und Hazel die ganze Sache ergreifend auf den Punkt bringt, treten mir Tränen in den Augen, was noch bei keinem Buch, an das ich mich erinnern kann, das verdammte erste Kapitel geschafft hat. Vielleicht war es nur ein Ausdruck meiner ohnhin miesen Stimmung, vielleicht hat gerade sie mich etwas dünnhäutiger, sensibler werden lassen. Vielleicht war es auch nur ein sentimentaler Moment. Aber das glaube ich nicht.

 

Was die ganze (wahre) Geschichte für mich zeigt: Es bringt nichts. Vorurteile zu haben. Das zu beklagen, was man nicht ändern kann. Das nicht zu ändern, was man ändern könnte. Nichts mehr zu tun, weil man sieht, dass die Menschen die Arschlöcher sind, die alles kaputtmachen.

Von jeder historischen Epoche bleibt eigentlich nichts übrig als Tote, Städte und riesige Kothaufen.

Doch da ist die Kunst.

Das bisschen Dichtung, das uns die Epoche des Dreißigjährigen Krieges beschert hat; der eine einzelne Mensch Shakespeare, der in einer elend blutigen Zeit der Kriege und der Unterdrückung seine Dramen verfasst hat und so weiter und so weiter, zu allen Zeiten in allen Ländern, DASist es, was bleibt! Das sind die Diamanten in der Scheiße.

Auch Greens Bücher sind Diamanten in der Scheiße, die Scheiße eines Buchmarktes, auf dem 100% Gewinn zu zählen begonnen hat und auf dem es sowas wie Mischkalkulationen kaum mehr gibt, und zwar ein Diamant, der oben schwimmt, bei den Bestsellern. Und wenn die Scheiße einmal verrotet sein wird, dann werden diese Bücher und alle anderen Diamanten immer noch da sein und glänzen wie am ersten Tag.

Womit wir mal wieder bei Nietzsche wären, genauer, bei seinem Dichter-Propheten Zarathustra, der also spricht: „Glück? Was liegt am Glücke? Ich trachte lange nicht mehr nach Glück, ich trachte nach meinem Werke.“

Ein edler und etwas trotziger Gedanke. Denn die Zeit, in der man gelebt hat, kann scheiße gewesen sein, die Leute, die es gelesen haben, können Idioten gewesen sein, das Papier, auf das man geschrieben hat, kann aus den letzten Regenwäldern gewonnen worden sein, aber das WERK ist und bleibt; und wenn die Erde irgendwann vom homo sapiens, besser gesagt, von unserer Zivilisation in ihrer jetzigen Form, geheilt sein wird; wenn Außerirdische die Erde besuchen und nichts mehr finden als die von uns zurückgelassenen Verschmutzungen und Verwüstungen, dann werden sie irgendwie inmitten der Trümmer Dinge finden: Mozarts Requiem, Shakespeare-Sonette und -Dramen, Rimbaubs Gedichte, Ovids Metamorphosen, den Film Titanic, Dostojewskis Schriften und Iron Maiden- und AC/DC-Platten und Wagners Opern und eben dieses Buch Das Schicksal ist ein mieser Verräter und noch ein paar tausend Objekte mehr, praktisch nichts im Vergleich zu dem, was sonst an Abfall rumliegt; und die Außerirdischen werden wissen, das diese Gattung Mensch nicht von Grund auf Böse gewesen sein kann beziehungsweise es nicht geschafft hat, alles Edle und Gute und Göttliche in sich abzutöten, was sie zu ihrer Zeit versucht hat, weil sich die guten Eigenschaften wirtschaftlich nicht gerechnet haben.

Und das wird’s dann gewesen sein.

 

Und jetzt – was tun? Was tun?

Ich werde das Buch fertiglesen. Ich werde es wahrscheinlich nochmals lesen. Ich werde den Film anschauen, ich werde mich nicht wundern, wenn es noch mehr Kriege und Katastrophen und Aufstände gibt und sich alles beschissen aufs allgemeine Wohlbefinden auswirkt. Ich werde ziemlich selbstgefällig: „Ich hab's ja gewusst!“ denken, wenn die roten oder grünen oder welche Revolutionäre auch immer bald wieder die Straßen bevölkern, und ich werde vielleicht an sowas wie das Lamm Gottes glauben, das nach dem großen Endzeitkatastrophen auftaucht und das Böse ein für alle Mal erledigt.

Vielleicht.

 

 

 

 

Die Tage am und weg vom Meer

Im Urlaub. Da war das. Da hab ich das geschrieben. Ich berichte nicht darüber. Urlaubs- und Reiseberichte sind nicht mein Stil. Glaubt also nicht, ich sei nur zwei Tage unterwegs gewesen, darauf kommt es auch nicht an. Ich schreibe und beschreibe in idealisierter Form. Das ist alles. 

Der Tag am Meer

- Ätherischer Erzähler - 

 

 

 

Der Sohn hat begonnen, seine Idee umzusetzen. Er wird immer zufriedener.

 

 

Es war Morgen.

Die Mutter, der Vater und der Sohn gehörten zu den ersten Strandbesuchern. Sie bestiegen den Deich und blieben oben stehen. Von dort sahen sie das Meer. Mit verzückten Gesichtern deuteten sie darauf. Als sie damit fertig waren, zogen sie die Schuhe aus und gingen ein wenig auf dem Sand. Nach siebzig Metern breiteten sie ihre Handtücher aus. Daneben bauten einen Sonnenschirm auf.

„Fürn Schatten”, erklärte der Vater, „soll ja heiß werden heut.”

Die Mutter schloss währenddessen einen der Strandkörbe auf, den sie am Vortag gemietet hatte. Darin fanden die Eltern Platz.

„Sehr schön, diese Sonne”, sagte die Mutter.

„Wirklich sehr schön”, erwiderte der Vater.

Die Mutter: „Und dieser Blick aufs Meer.”

Der Vater: „Ja. Ganz was Tolles.”

Menschen kamen und brachten mehr Sonnenschirme, Handtücher, Essen und ihre lauten Stimmen mit.

Der Strand füllte sich. Gegen Mittag war er übervoll.

Nachdem er einmal im Wasser gewesen war und zweimal geschlafen hatte, sah der Sohn auf seine bis 25 Meter wasserfeste Uhr.

Sie zeigte halb eins.

Technik und Feinmechanik in allen Ehren, dachte der Sohn, doch zum 25-Meter-Runtertauchen müsste ich, wir sind hier ja an dieser Ostsee, gut und gern 25 Kilometer rausschwimmen, wobei ich zum 25-Meter- Runtertauchen sicher 25 Monate Training mit 25-Stunden-Tagen bräuchte, somit eine Risikoinvestition mit Verlust, ein Fehler, indes selbstredend: Technik und Feinmechanik in allen Ehren.

Ein Eiswagen fuhr vorbei und der Junge, der ihn schob, läutete.

„Eis?”, fragte die Mutter den Sohn und dachte: Das ist ja mal was, Strand Sonne Meer Eis, auch fürn Jungen was; grade bei all den hübschen Mädeln, ob der schon viel gerissen hat bei den Frauen, wahrscheinlich nicht, wobei, auch gut, wenn er kein Weiberheld ist, sicher sucht der nach was Richtigem, die sind ja heut auch weiter als wir damals, hatten ja auch keinen blassen Schimmer, Eltern haben nienicht drüber gesprochen, heute wollen die ja immer was Dauerhaftes, zeigen Umfragen, von wegen Generation Porno.

Der Sohn schüttelte den Kopf.

Der Eiswagen wird weitergeschoben, bis die Familie das Glockenläuten, das der Wind ins Landesinnere trägt, nicht mehr hört.

So kann das, dachte der Junge eine halbe Stunde später, als er sein Buch ausgelesen hatte, jawohl nicht weitergehen, das ist ja der Tod, schlimmer als das, Hölle, Konsum ohne Genuss Langeweile ohne Erholung ohne jemanden Ganz Nahen, und die Zwei da sind keine Ganz Nahen, lediglich Geldgeber für sowas wie bis 25 Meter wasserfeste Risikoinvestitionen ohne Rendite, dabei suche ich nicht das, nur jemand Ganz Nahen, wobei, welchen besseren Ort hierfür gibt es als einen Strand voller Leute?

„Komm gleich wieder”, sagte der Junge, löste seine feuchte Badehose vom sandigen Handtuch und marschierte ab.

„Bis dann”, rief ihm die Mutter hinterher.

Er reagierte nicht. Er hatte den Weg im Blick. Er passierte tausende von Sonnenschirmen auf wenigen hundert Metern. Oft konnte er nicht am Wasser laufen, da sich dort zu viele Menschen tummelten. Das Meer war von einem öligen Film bedeckt. Die Sonne verbrannte die Haut zehntausender Urlauber.

Meine Damen und Herren, ich darf Ihre Aufmerksamkeit auf ein zu schmales Subjekt mit sandigen Füßen lenken: meine Wenigkeit. In der Absicht, aus dem Zustand der Langeweile auszubrechen, einmarschiere ich in fremde Strandabschnitte, die sich als dem Heimatstrand erschreckend ähnlich erweisen; es macht im Grunde keinen Unterschied, ob ich zehn oder hundert oder tausend Meter gehe; überall die gleichen deutschen Worte, die Kann-ich-mal-Sonnencreme-haben's und die Mach-mich-nicht-sandig's und Wer-kommt-mit-ins-Wasser's, das ist ja nicht zum Aushalten, und wohin man schaut die gleichen geröteten, teigigen Bier- und Brezelgesichter, selbst die Kinder, die kleinen, sind nicht garantiert hübsch, drei Jahre und Übergewicht, da hilft kein Kindchenschema mehr, und ich gehe gehe gehe es kann ja nicht sein das da GAR NICHTS kommt, aber nichts Überraschendes erlebe ich, alle paar hundert Meter ein heißes Mädchen, aber wenn man zum zweiten Mal hinsieht, springt ihr Freund oder ihr Rudel Freundinnen aus dem Gebüsch/dem Sand/dem Wasser; Scheißpech oder Schicksal, auf jeden Fall nicht zum Aushalten!

Der Sohn erreichte einen Hundestrand. Zwei kleinere Hunde sprangen aus dem Wasser und kläffend auf ihn zu.

Shit was jetzt, dachte er.

Das Herrchen pfiff die Kläffer zurück und sagte entschuldigend: „Wolln bloß spielen.”

Der Sohn ging weiter.

Wenn das so ne Art Abenteuer sein sollte, na danke, zwei Sekunden Spannung für mich, zwei Sekunden keine Langeweile, scheiße bin ich fantasielos, denkt der Junge. Nach weiteren hundert Metern kühlte er sich an einer Stelle ab, an der weniger Menschen schwammen. Zweihundert Sonnenschirme danach erreichte er einen FKK-Strand.

Nichtmal hier wird's kompliziert oder so, überhaupt nicht, es läuft die Hälfte angezogen rum, das kann ich mir ja auch leisten, da komm ich nicht mal in inneren Zwiespalt oder so.

Er ging bis zur Hälfte des Strandabschnitts.

Ach vergisses als ob hier noch was kommt ich geb's auf...

Er drehte um und kehrte zu seinen Eltern zurück.

Scheißgefühl. Vielleicht weniger sagen und mehr zeigen, hä? Ich aufgeben aufgeben, was anderes bringt's doch nicht.

„Da bist du ja“, sagte die Mutter, „Papa ist im Wasser.“

„Okay.“

„Willst du auch?“

„Nein. Danke.“

„Okay. Vielleicht eine Currywurst?“

„Danke. Nein.“

„Okay. Okay. Sag, wenn du...“

„Okay.“

Der Junge legte sich aufs Handtuch, schloss seine Augen und dachte nach.

Reflexion des Scheiterns/Zurückgeschlagenwerdens/Unternehmen Barba-Latte abgebrochen, Italo-Neologimsmen so gar nicht mein Ding (übrgens: himmelwasserblau sandstrandweißheiß sOuntrack irgwas mt clcha candlea)) mangels Sprachkenntnis Buhmannmache kein Zweck sich über vergosseneMilchBartzuärgern (nunmehr: himmelwassergrauschwarz sandstrandschwarzkohlHohlzombie sUnDtrack (devolution) iwas mt schbert/bAch/pzolla woher das kam? kp;) :(dann bleibt's Rasieren erspart ganz einfach;)

 

 

Der Tag weg vom Meer

- Schöpfungsgeschichte des Ätherischen Erzählers - 

 

 

 

Heute hat der Sohn geschrieben. Er ist zufrieden.

 

Ein Ort voller Kleiderläden und Restaurants. Die Menschen hier leben vom Essen und vom Angezogensein. Scheinbar.  

Es ist Abend. Kühler Seewind bläst. Ein Mückensturm erschüttert uns. Blutige Kämpfe zwischen Mensch und Insekt.

Hunger, Durst – Chips, Rotwein.

Langeweile – fernes Feuerwerk.

Dämmerung deckt die Lande wie der salzige Kuss des Meeres. Nebst Rotwein segelt Störtebecker Bernstein-Weizen, ein vorzügliches Craft-Bier, so Werbemaßnahmen und fremdes (richtiges?) Zeugnis, also Mundpropaganda.

Karaokeklänge in der Ferne. Interessiert nähert man sich an, doch Polizeistreife. Wir sind zu laut, piept eine Partymaus, wissen wir machen schon leise.

Das Feuerwerk bricht aus.

Dem Feind schwere Verluste beigebracht, doch Mückensturm ungebrochen –

Heimwärtsgehen, wo's schon auf Halbzwölfe geht?

Wind kühlt ab –

Ans Meer auf paar Bier zischn?

Heimwärstgehen, heimwä –

Wind nimmt zu!

Trinken aufm Balkon vorm Haus?

Also heimwärstgehen!

Heimwärtsgegangen im tropischen Zimmer salzig schmeckende Verdunstungen inhalieren, ins Bett gefallen todmüde und nachdenken.

 

Ich habe das letzte Fegefeuer betreten.

Ich gehe einen endlosen Weg. Vor mir und hinter mir unterscheidet sich nichts. Rechts liegt das Meer. Zur Linken, in Büchern und in Luftspiegelungen tanzen, weinen, fluchen, schreien, singen und beten gesalbte, ungesalbte, unentdeckte, hochgelobte und überschätzte gefallene Engel, regiert von unsichtbaren Königen, und jeder davon träufelt mir Honig ins Ohr, giftig, fürchte ich, Worte der Werbung.

Ich weiß nicht, was tun. Ich weiß nicht, wohin. Ich weiß nicht, weshalb.

Ich habe das letzte Fegefeuer betreten.

 

 

Notiz: Idee

Der Ätherische Erzähler

Keine Wertung

Innen/Außensicht: nicht festgelegt

Durch der Charaktere Augen – Hypotaxen: wertende narrative Passagen; Reflexion.

„Von außen“ durch des Erzählers Augen – einfacher Satzbau, bevorzugt Parataxen, emotionslose, sachliche narrative Passagen; keine Reflexion.

Springen zwischen Charakteren erlaubt.

→ eine Abart einer multiperspektivischen Montage entsteht.

 

 

 

Der Bodden schweigt uns an. Die Luft ist erdrückend. Die Gedanken sind schwer. Sonst schwerelosmachende Substanzen normalisieren mich. Ich kann gehen. Ich gehe ins Bett. Dort mache ich mich zum Gebären bereit. 

 

(Den nächsten Tag verbringe ich am Meer. Siehe "Der Tag am Meer.)

Imprint

Text: Alastor Typewriter
Images: Cover: Lave
Publication Date: 02-07-2014

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