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Vorwort

Verwirrt öffnete er seine müden Augen. Etwas hatte ihn geweckt. Verwundert sah er sich um. Wo war er? Dunkler Stein, schroff und feucht, glänzte im Schein der sterbenden Flamme der am Boden liegenden Fackel. Langsam setzte er sich auf. Es fröstelte ihn in seinem zerrissenen Leinenhemd auf dem kalten Boden. Zitternd stand er auf. Seine nackten Füße trugen seinen ausgemergelten Körper schlurfend durch die Höhle. Seine Gedanken versuchten einen Sinn in den Bildern zu finden die durch seinen Geist jagten. Das letzte woran er sich erinnern konnte, war das er mit der Schlinge um den Hals vor dem Richter stand um hingerichtet zu werden. Das Klacken des Hebels und dann der kurze Fall bis er mit einem heftigen Ruck im Genick in der Luft baumelte. Das Gefühl hilflos, mit gefesselten Händen und in völliger Verzweiflung nach Luft ringend um sein Leben zu kämpfen, ließ sein Herz immer noch wie wild schlagen. Plötzlich griff die Erkenntnis. „Ich bin tot!“ griff er sich mit den Händen an seinen Hals, die Würgemale waren noch deutlich zu spüren. Die Erinnerung wie sich das grobe Seil in seine Haut geschnitten hatte und der darauffolgende Schmerz, verdeutlichten ihm das zusehends. „Bin ich nun in der Hölle?“, sprach er mit sich selbst und sah sich verängstigt um. „Nein seid ihr nicht!“, erklang eine belustigte Stimme hinter ihm. Verschreckt drehte er sich um und starrte auf einen ovalen roten Stein, der in der Felswand steckte. Gebannt von der Schönheit des Kristalls und dessen Aura, vergaß er all seinen Schmerz und Ängste. „Ihr seid gestorben um mir fortan zu dienen“, sprach die mehrstimmige männliche Stimme weiter. Wie in Trance ging er auf den Stein zu und riss ihn mit bloßen Händen aus dem Felsen. Blut rann von seinen Fingerkuppen, doch er vernahm keinen Schmerz. Im Gegenteil er spürte gar nichts mehr. All die Angst, Pein und der Hass aus seinem vergangenen Leben waren tiefster Ergebenheit und Ruhe gewichen. Als hätte er keinen eigenen Willen mehr, als wenn er sich nur von dieser allumfassenden Macht leiten lassen könnte. Wie eine leere Hülle nahm er die Aura und Energie in sich auf die ihm der Kristall gab. „Suche nach weiteren verlorenen Seelen und bring sie zu mir. Es ist Zeit für Veränderungen“, säuselte die Stimme und es als gäbe es nicht schöneres für den Mann als dieser Bitte nachzukommen. „Wie ihr wünscht, mein Herr!“  

 

Vergessene Leidenschaft

Der Regen prasselte unaufhörlich auf die Erde nieder. Kalter Wind pfiff durch die Baumkronen und kündigte den herannahenden Winter an. Es war typisch für diese Gegend, gerade um diese Jahreszeit. Die Bäume des Laubwaldes verloren schon ihre bunte Pracht. Die kahlen Kronen boten kaum noch Schutz vor der wideren Witterung. Der Wald erstreckte sich wie ein breiter Gürtel über die Landschaft und fing die Wucht des Sturms ab, der so schnell aufgezogen war. Den Mantel eng um meinen Körper gezogen, versuchte ich meine gesammelten Pilze in dem Weidenkorb vor dem Regen und mich vor der Kälte zu schützen. Jeder Schritt meiner Stiefel hinterließ tiefe Spuren in dem immer matschiger werdenden Boden und ich hatte meine liebe Mühe mich daraus zu befreien. Fluchend durch den stärker werdenden Sturm stapfend, läuterte ich mich, dass ich trotz der Vorzeichen doch noch los gegangen war. „Warum höre ich nicht einmal auf mich selbst?“

 

Eine heftige Windböe die durch das spärliche Blätterdach fuhr und die letzten roten Blätter des vergehenden Herbstes durch die Luft wirbelte, zerrte an meiner Kapuze und riss sie mir von meinem Kopf. Meine roten Haare wirbelten wie züngelnde Flammen im Wind, Regentropfen benetzten mein Gesicht. Verzweifelt versuchte ich es mit meinem Arm zu schützen, doch es war vergeblich. Mit zusammengekniffenen Augen erkannte ich in einer naheliegenden Felswand eine dunkle Öffnung in dem grauen Gestein. Endlich Schutz findend vor der lähmenden Kälte und Nässe, eilte ich auf die Höhle zu. Sie versprach Schutz vor dem reißenden Wind und dem peitschenden Regen zu versprechen. Dort würde ich ausharren bis sich das Wetter beruhigt hatte, denn bis zu meiner warmen Hütte waren es noch eine gute Wegstunde. Der Gedanke an das warme knisternde Feuer in meinem Kamin ließ mich sehnsüchtig seufzen, was würde ich jetzt dafür geben meine durchnässten Kleider gegen ein heißes Bad und eine warme Mahlzeit einzutauschen. Zitternd zog ich meinen völlig durchnässten Mantel aus, als das Getöse um mich herum nachließ. Mit einem Blick durch das Blätterdach in den schwarzen Himmel und den schnell vorbeiziehenden grauen Wolken, ließ die Gewissheit mein Herz ein Stückchen tiefer sinken. Es würde noch eine Weile dauern. Seufzend wand ich mich von dem tosenden Sturm ab um die Höhle zu erkunden.

 

Sobald ich mich abwand und nur wenige Schritte in das dunkle Innere tat, wurde es ruhiger und deutlich kälter. Wie angewurzelt blieb ich stehen, ein ungutes Gefühl überkam mich und eine Gänsehaut lief mir den Rücken herunter. In der Dunkelheit der Höhle konnte man kaum zwei Schritt weit sehen, dennoch wollte sich das unbehagliche Gefühl nicht verflüchtigen, obwohl nichts zu erkennen war. Sie war stockdüster. Ich hielt den Atem an, irgendetwas oder jemand war hier. Ob ich nun in Gefahr schwebte konnte ich noch nicht erahnen, doch falls es böse Absichten gehabt hätte, hätte es mich wahrscheinlich schon angegriffen. Ich sah mich schnell nach etwas Holz um und fand ein paar abgebrochene Zweige. Einen dicken Zweig in den Händen haltend, hielt ich ihn vor meinem Mund und mit einem gemurmelten „Naur“ entflammte sich das trockene Stück Holz. Das nun erhellende Licht ließ die Dunkelheit zurückweichen und warf einen flackernden hellen Kreis um meine Gestalt. Die Höhle war nicht besonders groß. Knapp über meinem Kopf endete die Decke, so dass ich auch nur wenige Schritte hineingehen konnte, bevor sie steil abfiel und vor einem winzigen Durchgang endete, durch das nur ein Kaninchen gepasst hätte. Grobe Wände, Geröll auf dem Boden und ein paar wenige Hölzer, waren das was die Höhle auszeichnete. Doch was mich erstarren ließ, war ein dunkler Schatten der regungslos auf dem Boden lag. Meinen Mut zusammennehmend, ging ich ein paar Schritte auf diesen zu um ihn im Schein der kleinen Flamme besser erkennen zu können.

 

Es war ein Mann der sich aus den Schatten löste. Seine rote Rüstung war vom Schlamm verkrustet. Die langen schwarzen Haare klebten feucht an seinem blassen Gesicht. Ich war fasziniert von seinen edlen Gesichtszügen. Sie strahlten etwas Erhabenes, elegantes aber auch gefährliches aus. Im Zwiespalt ob ich einfach weg rennen soll oder bei ihm zu bleiben um herauszufinden wer er war, starrte ich ihn einfach nur an. Er schien zu schlafen, doch sein Atem war kaum sichtbar. Ich kniete mich neben ihn auf den harten Steinboden und begutachtete ihn genauer. Feine Schnittwunden und Dreck zierten sein Gesicht, sein Schwert lag neben ihm auf dem Boden, blutverschmiert. Auf den ersten Blick war nichts zu finden was seinen Zustand erklären könnte. Die helle Flamme der Fackel beleuchtete seinen Körper, als mir ein getrockneter großer Blutfleck an seiner linken Flanke auffiel. Vorsichtig hob ich eine Rüstungsplatte hoch um zu sehen woher er kam. Er musste im Kampf verletzt worden sein und sich in diese Höhle geschleppt haben. Solch eine schwere Verletzung hatte ich noch nie gesehen. Rohes Fleisch hing in Fetzten von seinem Körper, ausgerissene Wundränder die sich langsam grau verfärbten. Sie musste zudem sehr tief sein, damit er so viel Blut verlieren konnte.

 

Irritiert setzte ich mich wieder auf. Er lebte noch, sein Brustkorb hob und senkte sich, doch die Verletzung schien ihn so sehr geschwächt zu haben, dass er in Ohnmacht gefallen war. Es verirrten sich selten Ritter oder Krieger in diesen Wald. So tief im Eryn lebten nur Elben und die heimische Fauna. Menschen oder andere Wesen trauten sich meist gar nicht in diesen Teil des Waldes. Aber vielleicht war auch genau, dass der Grund warum er sich hierhergeschleppt hatte. Ob das nun etwas Gutes oder Schlechtes Bedeutete vermochte ich noch nicht zu sagen. Meine Gedanken rasten, doch ich fasste einen Entschluss. Ich riss einen Streifen meines Mantels ab und versuchte die Wunde so gut wie es nun mal mit der Rüstung ging, zu verbinden. Sobald der Verband sich fest zog stöhnte er leise auf. Erschrocken hielt ich kurz inne und sah in sein schmerzverzerrtes Gesicht. Für einen Moment öffneten sich seine Augen einen Spalt und ließ Blick auf weiße Pupillen frei. Sie sahen mich an, ohne Ausdruck. Dann schlossen sie sich wieder und er blieb ruhig. Weiße Augen? Was zur Hölle war er? Schoss es mir durch den Kopf, doch egal wer oder was er war, ich würde ihn nicht zurücklassen. So hockte ich mich auf eine Seite, setzte ihn auf und legte seinen Arm um meine Schulter. Unter größter Anstrengung zog ich ihn auf seine Füße. Bei den Göttern betend das ich es schaffen würde ihn durch den Sturm zu tragen, verliehen sie ihm Kraft, so dass er auf den Beinen blieb. Es dauerte deutlich länger als gedacht, doch in der kalten und feuchten Höhle hätten wir nicht bleiben können. Der Sturm wütete stärker als zuvor, aber er würde es nicht überleben, wenn ich ihn dort ließe. Der Wind zerrte an uns und der Regen durchnässte mich bis auf die Haut. Das Leder seiner Rüstung wurde glatt und schmierig, so dass meine Finger kaum Halt an seinem Arm fanden. Durch den Matsch stolpernd, mit eiskalten Fingern, zerrte ich den Mann weiter voran. Die warmen Lichter meiner Hütte schimmerten zwischen den Baumstämmen hindurch. Es war bald geschafft.

 

Wie einen nassen Mehlsack ließ ich ihn auf meine Liege vor dem Feuer fallen. Zitternd vor Kälte und durchnässt lehnte ich mich an den Kamin und kam erst mal zu Atem. Nach Wärme sehnend, versuchte ich meine eiskalten und verkrampften Finger an dem prasselnden Feuer im Kamin zu wärmen. Sie waren steif, unfähig sich zu rühren, während meine nassen Haare und Kleider eine Pfütze auf dem Holzboden hinterließen. Den schweren Mantel ließ ich klatschend auf die Erde fallen und wrang meine Haare aus, bevor ich mich wieder dem ohnmächtigen zuwand. Er war verdammt schwer, wobei seine Rüstung wohl das meiste wog. Nach einer kurzen Pause fing ich an ihn Stück für Stück aus der Rüstung zu befreien. Das dicke Leder war nass und verdreckt. Die Schließen ließen sich schwer öffnen, schlammverkrustet wie sie waren. Sein Schwert legte ich auf den Boden vor dem knisternden Feuer. Je mehr ich seine Rüstung ablegte umso mehr zeigte sich der Mann darunter. Er war gut gebaut, groß und er schien schon eine Weile auf Reisen zu sein, denn er roch. Doch das war nebensächlich, denn als ich ihn nur noch in seinem weißen Leinenhemd und den Lederhosen vor mir liegen sah, zog ein riesiger roter Blutfleck an seiner Flanke meine Aufmerksamkeit auf sich. Vorsichtig zog ich es ihm aus um mir die Verletzung besser ansehen zu können und sog scharf die Luft ein. Ein tiefer Schnitt zog sich von seiner Seite über die Rippen bis zu seinem Steiß. Das Blut war getrocknet, doch die ausgefransten Wundränder waren frisch und glänzten. Ich holte schnell frisches Wasser und ein sauberes Tuch und fing an die Wunde zu reinigen. Ich hatte nicht viel Besuch in meiner kleinen Hütte und schon gar nicht von solch stattlichen und gutaussehenden Männern. Meist kamen Elben oder die Bewohner aus dem Dorf vorbei die meinen Rat suchten, doch meistens war ich alleine. So genoss ich es ein wenig ihn in Ruhe betrachten zu dürfen, so lange er noch schlief.

 

Nachdem die Wunde gereinigt war, holte ich ein paar getrocknete Kräuter aus meinem Medizinschrank und rührte sie zu einer grünen wohlriechenden Paste zusammen. Vorsichtig drückte ich diese in die Wunde, vernähte sich vorsichtig so gut wie es ging und verband sie abermals. Seufzend setzte ich mich vor ihm auf den Boden und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Endlich, war es geschafft. Müde und abgekämpft schälte ich mich aus meinen nassen Kleidern und legte sie zu dem Mantel. Der Mann schlief weiterhin, während warmes Wasser in die Wanne lief. Seufzend streckte ich meine kalten und müden Glieder, als ich mich der Wärme hingab und schloss genüsslich die Augen wärend die Wärme des Wassers sich einen Weg in mein innerstes bahnte. So viele Fragen geisterten mir durch den Kopf, dessen Antworten noch auf sich warten lassen würden. Wahrscheinlich würde es mehrere Tage brauchen, bis er sich von einer derartigen Verletzung erholen würde, solange müsste ich mich noch gedulden. Ein trockenes warmes Kleid und eine warme Mahlzeit würden die restliche Kälte aus meinen Knochen vertreiben. Der warme Brei aus Hafer, Holunder und Beeren wärmte mich von innen und füllte meinen Magen. Während ich aß beobachtete ich den schlafenden Krieger. Sein entspanntes Gesicht hatte sich zu einer schmerzverzerrten Grimasse verzogen, Schweiß lag wie ein dünner Film auf seinem gesamten Körper und seine Muskeln waren zum Bersten gespannt. Ich stellte die Schüssel zur Seite und eilte mit einem kühlen Tuch auf ihn zu. Vorsichtig ihm die Stirn abzutupfend, riss er plötzlich seine Augen auf, richtete sich auf und drückte mir mit einer Hand die Kehle zu. Erschrocken quietschte ich auf und versuchte mich aus seinem eisernen Griff zu befreien. Meine Finger krallten sich in seinen Unterarm und hinterließen auf seiner kühlen Haut leichte Kratzspuren. Hass, Schmerz und Verzweiflung lagen in seinem Blick. Doch er sah nicht mich an, sein Blick war trübe und er murmelte irgendetwas unverständliches vor sich hin, was ihn noch wütender zu machen schien. Verzweifelt versuchte ich mich aus seiner Umklammerung zu befreien, doch sein Griff war unerbittlich. „Stopp...bitte!“ Versuchte ich krächzend seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Nach ein paar Sekunden klärte sich sein Blick und er sah in mein verzweifeltes Gesicht. „Wer seid ihr?“ Zischte er und sah mich böse an. In seinem sich lockernden Griff, hatte ich endlich die Möglichkeit zu sprechen. „Bitte, lasst mich los! Ihr seid in Sicherheit!“ Er wand den Blick von meinem Gesicht ab und sah sich kurz um. „Wo bin ich?“ Seine Stimme war dunkel und schneidend. „Lasst mich endlich los, dann erkläre ich euch was passiert ist“, keuchte ich. Er sah mir wieder in die Augen, abschätzend und ließ mich tatsächlich los. Nach Luft ringend strauchelte ich rückwärts und fiel auf meinen Hintern und griff mir an meine schmerzende Kehle. Es brauchte eine Weile bis ich mein rasendes Herz wieder unter Kontrolle hatte. Er setzte sich auf, blickte an sich hinunter als er den Verband bemerkte und sah dann wieder zu mir. „Wart ihr das?“ fragte er misstrauisch und deutete auf sich und seine Rüstung. Wieder zu Atem gekommen, baute ich mich jetzt vor ihm auf und sah auf ihn hinab. „Ja das war ich, doch es wäre nett, wenn ich erfahren dürfte wem ich das Leben gerettet habe“. Antwortete ich ihm aufgebracht. Er sah mich für einen kurzen Augenblick überrascht an, als er wieder seine Fassung fand und mich finster anfunkelte. Sein Blick war eisig und er machte mich nervös. „Mein Name ist Sir Raziel und wer seid ihr?“ Mein Blick wanderte von seinen Augen über seinen Oberkörper und wieder zurück. Er bemerkte es und lehnte sich genüsslich zurück. Ein leichtes Grinsen lag auf seinen Lippen. Sein plötzlicher Stimmungswandel verwirrte mich und brachte meinen aufkommenden Unmut in Wanken.

 

Erwischt wand ich meinen Blick ab, nahm meine Schüssel wieder auf und setzte mich auf einen Stuhl ihm gegenüber. „Mein Name ist Lady Ray und das ist mein Haus.“ Vorsichtig löffelte ich den heißen süßen Brei und versuchte nicht auf den halbnackten Mann vor mir zu starren. „Sehr erfreut Lady Ray. Nun sagt mir was passiert ist!“ Sein befehlender Ton stieß mir übel auf. Genervt musterte ich ihn und deutete auf seine Rüstung. „Ich habe euch in einer Höhle in der Nähe gefunden. Ihr wart bewusstlos und verletzt, so habe ich euch hierhergebracht und eure Wunde versorgt.“ „Das wars?“ fragte er etwas argwöhnisch. „Was soll denn sonst noch gewesen sein?“ Er runzelte die Stirn und ließ mich nicht aus den Augen. „Meine Rüstung!“ Er schien es nicht für nötig zu halten mir eine ganze Frage zu stellen, aber ich wusste worauf er hinauswollte. „Bildet euch nichts ein. Ich musste sie euch abnehmen um eure Wunde zu versorgen!“ Antwortete ich säuerlich. Stille breitete sich aus in der ich meine Schüssel leerte und sie in meine kleine Küche brachte. Seinen Blick immer auf mir spürend, kribbelte es regelrecht auf meiner Haut. „Dann schulde ich euch wohl Dank“, seine Stimme war plötzlich honigsüß und aufreizend. Ich wand mich ihm wieder zu und musste mich zwingen zu atmen. Wie er da saß im Schein des Feuers, seine Haut so blass, schien sie in Flammen zu stehen. Die Konturen seiner Muskeln wurden dadurch noch mehr betont und sein verruchter Blick machte mich nervös. „Möchtet ihr etwas essen?“ versuchte ich die Stille zu unterbrechen und meine Stimme wieder zu finden. Er legte den Kopf etwas schräg. Sein Blick wanderte von meinem Gesicht zu meinem Hals. „Jetzt wo ihr es sagt, ich bin ziemlich ausgehungert“. Als er grinste fielen mir zum ersten Mal seine Reißzähne auf.

 

Panik stieg in mir auf. „Ihr seid ein Vampir!“ stellte ich mit erstaunlich fester Stimme fest. Er grinste noch mehr. „Gut erkannt und ich danke euch, dass ihr euch so nett zur Verfügung stellt!“ Er stand in einer fließenden Bewegung auf und ging langsam auf mich zu. Wie ein Raubtier fixierte sein Blick mich, wie ich langsam um ihn herum Richtung Kamin ging ohne ihn aus den Augen zu lassen. „Ich habe mich weder angeboten noch würde ich es euch gestatten mein Blut zu trinken!“ Wie konnte es ihm einfallen von mir trinken zu dürfen, nachdem ich ihn gerettet hatte? Er ließ mich nicht aus den Augen und sein Grinsen wurde lasziver. „Oh das werdet ihr noch, das verspreche ich euch. Ihr werdet danach betteln das ich euch beiße.“ Verachtung stieg in mir auf und die anfängliche Panik wandelte sich in Wut. „So dankt ihr es mir? Das ihr mich beißen und mich aussaugen wollt?“ Er schien kurz verletzt zu sein, denn er zog einen Schmollmund der ihn unschuldig aussehen ließ. „Glaubt mir ich bin euch dankbar, sonst wärt ihr schon längst tot. Nein ich habe andere Pläne für euch.“ Meine Hand fand den Schürhaken auf den ich es abgesehen hatte. Sein Blick folgte meiner Bewegung und ein verächtliches Grinsen überzog sein hübsches Gesicht. „Glaubt ihr wirklich das ihr mich mit diesem Ding aufhalten gar töten könnt?“ „Irgendetwas scheint euch aber verletzten zu können“, und deutete auf seine Wunde. Das Grinsen verschwand und Wut loderte in seinen Augen auf. Sie wurden kalt wie Eis und ich konnte mein zusammen zucken nicht unterdrücken.

 

Er stand nur noch wenige Schritte von mir entfernt. Sein betörender Duft, der mir erst jetzt in die Nase stieg, vernebelte meinen Geist. Er sah zum anbeten aus, diese Muskeln, dieses wunderschöne Gesicht mit den durchdringenden Augen, seine sinnlichen Lippen. Obwohl er etwas wackelig und geschwächt auf den Beinen stand, strahlte er immer noch diese überlegene Macht aus. Noch bevor ich wusste wie mir geschah, schien ich ihm voll und ganz verfallen zu sein. Doch mein sechster Sinn riss mich aus meinen Gedanken und wie aus einem Traum wachte ich auf. Die Wut des Vampirs war verflogen als er mich in meinen Gedanken beobachtete und ein verächtliches Grinsen trat an seine Stelle. „Ihr braucht euch nicht dagegen zu wehren, das ist meine Natur der ihr nicht widerstehen könnt“. Seine Stimme war wie das Säuseln im Wind, sie umgarnte meine Sinne und wie er jetzt direkt vor mir stand schmolz ich regelrecht dahin. „Meine Stimme, mein Aussehen, mein Geruch, alles an mir wirkt betörend auf euch. Ihr könnt mir nicht widerstehen, egal wie sehr ihr euch dagegen wehrt“, schwang Verachtung in seiner Stimme mit. Langsam trat er auf mich zu und je näher er kam umso mehr lud sich die Luft zwischen uns auf. Nur noch eine Handbreit lag zwischen uns, sein Gesicht zu mir heruntergebeugt, war mir für meinen Geschmack viel zu nahe. Im Zwiespalt, sich ihm hinzugeben und der Gewissheit das er ein Monster war, ein Vampir, ließ meinen Körper erzittern. Er hob eine Hand an mein Kinn und zwang mich ihm in die Augen zu sehen. „Lasst es zu, es zerreißt euch sonst. Glaubt mir ich weiß wovon ich spreche!“ Sein Atem auf meinen Lippen spürend, schien ich mich in dem Sog seiner Augen und dem Singsang seiner Stimme zu verlieren.

 

Mit einem Ruck, riss ich meinen Kopf aus seinem Griff und trat noch einen Schritt zurück. Der Kaminsims drückte sich in meinen Rücken, ich brauchte Abstand zu diesem verführerischen Mann. Unter Aufbringung all meiner übrig gebliebenen Kräfte riss ich meinen Blick von ihm los und starrte auf den Boden. „Ihr werdet mich nicht dazu bringen, dass ich mich euch hingebe. Wenn ihr so dringend Blut braucht um zu heilen, dann empfehle ich euch in den Wald jagen zu gehen.“ Meine Stimme brüchig und kraftlos, versuchte ich ihn höflich abzuwimmeln. Aus den Augenwinkeln konnte ich seine Überraschung in seinem Gesicht erkennen. Er legte den Kopf schief, nachdenklich und skeptisch musternd streifte mich sein Blick, wand sich dann aber von mir ab. Endlich, wie eine Last die von mir abfiel, atmete ich durch. Ich hatte nicht mal gemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte. Er setzte sich wieder auf die Liege und starrte auf seine Rüstung die immer noch verstreut am Boden lag. „Wenn es denn so einfach wäre.“ murmelte er vor sich hin, gerade so laut, dass ich ihn verstehen konnte. „Bringt mir ein Tuch und etwas Wasser“, befahl er mir ermattet und ich gehorchte ihm, endlich etwas tun zu können. Nachdem ich ihm gab was er verlangte, schürte ich das schwächer werdende Feuer. Erschöpft von der Gewalt meiner Gefühle lehnte ich mich an die Mauer neben dem Kamin. Sein Ton gefiel mir zwar überhaupt nicht, aber ich würde mich nicht mit einem Vampir anlegen. Viele Wesen hatten schon meinen Weg gekreuzt, auch einige wenige dieser dunklen Rasse waren dabei. Doch diese waren skrupellos und blutdürstig gewesen. Ich habe gesehen wie sie jagen und fressen, unbarmherzig, egal ob Kind oder Frau. Wenn sie hungrig waren, schien ihr menschlicher Verstand abgeschaltet und das Tier in ihnen hatte freien Lauf. Meistens lebten sie wie dieser Vampir als Söldner oder Krieger unter den Königen und Herrschern dieser Welt. Sie waren dazu geboren zu töten und zu kämpfen, da war dieser Stand perfekt um sich in dieser Welt einzuordnen. Es gab Abtrünnige die ihr eigenes kleines Reich bildeten, mit eigenen Gesetzten und Regeln die sie streng verfolgten. Dorthin sollte sich niemals ein Mensch verirren, denn dort wurden sie gehalten wie Vieh. Einer dieser Vampirhorte war Sorinta und wurde angeführt von Lord Welish. Es lag weit im Norden in den Bergen von Arkanto. Das Zeichen welches sie trugen, war ein umgedrehtes Kreuz in einer Dornenranke und genau dieses Zeichen erhaschte ich in diesem Moment auf der Rüstung des Vampirs.

 

Er hatte angefangen seine Rüstung zu säubern und unter dem Dreck leuchtete die rötliche Farbe des Leders im Schein der Flammen und das schwarze Symbol trat umso deutlicher hervor. Ein scharfes Luftholen entfloh meinen Lippen, als ich das Familienwappen der Welish´s entdeckte. Der Vampir hielt inne, hielt den Kopf gesenkt. „Ihr wisst wem ich diene!“ Es war keine Frage. „Dann wisst ihr auch das, wenn jemals ein Vampir dem Lord untreu oder abtrünnig wird, dieser bis aufs Blut gejagt wird“. Nun setzte sich alles für mich zusammen und ein eisiger Schauer überkam mich. Wenn das was ich dachte was mit ihm passiert ist, stimmte, dann war ich in größerer Gefahr als ich dachte. „Wieso?“ war das einzige was ich über die Lippen bekam. Er sah nun zu mir auf und Schmerz lag in seinen Augen. „Das würdet ihr wahrscheinlich nicht verstehen. Ihr müsst nur wissen, dass ich meinem Herrn nicht mehr diene und ihm den Rücken zugekehrt habe. Ich habe keine Absicht mehr für ihn zu kämpfen und möchte nur so weit weg von ihm kommen wie es geht“. Mein Herz raste und meine Ohren zuckten unaufhörlich, achtend auf die Geräusche um uns herum. Doch der Sturm tobte noch und das einzige was zu hören war, war das Kratzen der Äste an dem Dach der Hütte und der Wind der an den Fensterläden riss. „Ihr werdet nicht vor ihm fliehen können, er wird euch jagen bis er euch irgendwann gefunden hat“. Meine Stimme war fest und ernst. Die Angst war verflogen und Wut stieg erneut in mir auf. „Wieso?“ schrie ich ihn regelrecht an. „Wieso ausgerechnet ich? Hätte ihr nicht woanders zum Sterben hingehen können? Warum zu mir?“ In seinem Blick lag ein flüchtiges Entsetzten, welchem Zorn wich. Er warf den Brustpanzer den er gerade noch in den Händen gehalten hatte auf den Boden und stand in weniger als einem Wimpernschlag vor mir. Sein Gesicht schwebte gefährlich nahe vor meinem. „Glaubt ihr das ich mich mit Absicht in diese Gegend geschleppt habe? Glaubt ihr wirklich das ich mir nichts Besseres vorstellen könnte als einer Hexe zu begegnen?“ Sein heißer Atem streifte meine Lippen und es stockte mir der Atem ihn so in Wallung zu sehen. Die Energie die er ausstrahlte war überwältigend. „Woher?“ hauchte ich gebannt in sein Gesicht starrend. „Ihr macht mir nichts vor Magierin. Eure Energie ist so wahrnehmbar wie die Hitze des Feuers!“

 

Mein Herz raste, sein süßer schwerer Duft hüllte mich regelrecht in einen Kokon ein und raubte mir die Sinne. Seine Wut galt nicht mir, dennoch konnte ich sie regelrecht auf mir spüren. Ich hielt seinem Blick stand, in der Hoffnung, dass er nicht zu weit gehen würde und versuchte mich zusammen zu reißen. „Ihr solltet euch vielleicht besser wieder hinlegen, eure Verletzung ist zu schwerwiegend als dass ihr euch mit mir streiten könntet!“ Er rührte sich kein Stück, so versuchte ich ihn von mir weg zu schieben. Als meine Handflächen seinen nackten Oberkörper berührten, durchfuhr es mich wie ein Schlag. Mein Herz raste wie ein galoppierendes Pferd, meine Hände kribbelten und ein unergründliches Gefühl der Leidenschaft durchfuhr mich. Überrascht von meinen Emotionen starrte ich fasziniert in seine Augen, in denen ich für einen kurzen Moment dasselbe Verlangen aufblitzen sah. Dennoch blieb mein Versuch ihn auf Abstand zu bringen vergebens, er rührte sich kein Stück. Obwohl er sichtlich angeschlagen war und leicht schwankte, war er immer noch standhaft wie ein Fels.

 

Als ich bemerkte das meine Hände immer noch auf seiner Brust lagen, versuchte ich sie von seiner kühlen Haut zu nehmen, doch sie waren wie festgewachsen. „Ich glaube das war ein Fehler“, seine Stimme war dunkel und belegt. Seine Augen halb geschlossen, hob er eine Hand an meine Wange, mit der anderen stützte er sich hinter mir an der Mauer ab. Gefangen zwischen diesem verführerischen Vampir und der lodernden Hitze des Feuers, beugte er sich immer weiter zu meinem Gesicht herunter. Unfähig mich aus seinem Griff zu befreien, konnte ich nur in seine Augen starren und schmolz regelrecht dahin. Was machte dieser Mann nur mit mir? Als seine Lippen, die meinen streiften, schloss ich in lustvoller Erwartung meine Augen. Eine Hitze die aus meinem tiefsten Inneren aufstieg, durchflutete meinen Körper und ließ mich regelrecht brennen. Wie ein warmer Sommerwind legten sich seine Lippen auf die meinen und wie zuvor traf es mich wie ein Schlag. Ich traute mich nicht mich zu bewegen, erstarrt genoss ich die ungewohnte Liebkosung. Seine Hand an meinem Gesicht zog mich noch enger an sich heran so dass seine Lippen sich enger auf die meinen pressten und ich drohte keine Luft mehr zu bekommen. Gefühle des Glücks und der Leidenschaft überkamen mich und ich erwiderte seinen Kuss. Meine Hände wanderten an seiner Brust weiter hinauf und krallten sich in seine Schultern, mein Körper presste sich verlangend nach mehr an den seinen. Mein Mund öffnete sich von selbst und er kam der Einladung direkt nach. Seine Zunge stupste erst die meine an und plötzlich waren sie in einem wilden Tanz ineinander verschlungen.

 

Der Kuss wurde wilder und leidenschaftlicher, den einen Arm um meine Taille geschlungen zog er mich noch enger an sich heran, so dass ich seine Erektion an meinem Unterleib spüren konnte. Sein Körper war kühl und hart wie Marmor, welcher im starken Kontrast zu seinen glühenden Küssen stand. Meine Erregung steigerte sich ins unermessliche, sein Duft und sein unverkennbarer und unwiderstehlicher Geschmack ließen mich wahnsinnig werden. Mein Unterleib zog sich schmerzhaft zusammen und verlangte nach mehr. Ich stand regelrecht in Flammen, wild auf seine Küsse und seine Berührungen. Seine Hände wanderten von meiner Taille zu meinem Rücken und weiter hinunter zu meinem Hintern. Stöhnend und nach Luft ringend holte ich zwischen den einzelnen Küssen Luft um mich ihm hungrig wieder hinzugeben. Meine Gedanken rasten und schalteten sich gänzlich ab. Meine Libido gewann die Oberhand und frohlockte. Als seine Lippen von den meinen über mein Kinn zu meinem Hals wanderten, ließ ich meinen Kopf in den Nacken fallen und genoss die prickelnde Spur der Küsse auf meiner Haut. An einer Stelle über meiner Schlagader hauchte er einen Kuss auf die dünne Haut und raunte mit belegter Stimme: „Mhh, so bereit. Ich sagte euch ja, dass ihr euch mir hingeben werdet!“

 

Plötzlich war die Leidenschaft wie weggeblasen. Ich hasste es, wenn man mich bevormundete und mich als sein Eigentum betrachtete. Wut loderte in mir auf und mit einem Ruck, riss ich meine Augen auf und stieß ihn von mir weg. Lachend gab er meinem Stoß nach und ließ sich die wenigen Schritte rückwärts auf die Liege fallen. Wütend funkelte ich ihn an und stürmte auf ihn zu. „Wie könnt ihr es wagen mich dermaßen auszunutzen? Ihr werdet euch euer Blut anderweitig beschaffen müssen, doch ich werde euch den Gefallen nicht tun!“ Siegessicher lehnte er sich zurück und musterte mich von Kopf bis Fuß. „Sagt nicht es hätte euch nicht gefallen.“ Puterrot stemmte ich meine Fäuste in die Hüften und beugte mich zu ihm herunter. Mein Körper noch nach mehr lechzend, vermochte ich ihn mit meiner Wut nicht zu überzeugen. Wie auch? Alles in mir schrie nach ihm und seinen Berührungen, so wie mein Herz raste und meine Libido empört aufschrie. „Bildet euch bloß nichts ein, ich bekomme nicht oft Besuch, da wäre jeder überrascht“. „Überrascht“, lachte er amüsiert auf. „Wenn ihr so überrascht ausseht, wie seht ihr denn dann aus, wenn ich euch stöhnend unter mir liegen haben werde!“ Allein das Bild welches er mir in meinen Kopf setzte, er über mir, ich stöhnend vor Wonne unter ihm windend, wie er immer und immer wieder…Stopp! Er wusste ganz genau was sich in meinen Gedanken abspielte und sein Grinsen wurde lasziv und böse. Die Schamesröte stieg mir immer weiter zu Kopf und die Wut wuchs. Mit einem Schritt trat ich auf ihn zu und holte mit meiner Hand aus. Noch bevor sie jedoch sein Gesicht traf, hielt er sie in der Luft fest. Sein Griff um mein Handgelenk war fest und sein Blick amüsiert. „Na na wer wird denn da handgreiflich werden“, tadelte er mich. Ich versuchte mich aus seinem Griff zu befreien, doch er hielt sie eisern fest. Mit aller Kraft versuchte ich sie ihm zu entreißen, wärend er immer noch lässig da lag und mich schmunzelnd musterte. „Lasst mich los!“, versuchte ich meine Hand frei zu bekommen, wärend Frust und Verlangen miteinander kämpften, denn seine Berührung war wie ein Funke der ein wütendes Feuer in mir entflammte.

 

Er zog mich immer näher zu sich heran, sein Blick von meinem Gesicht über meine Brüste und Taille wandernd, lüstern und hungrig. Tränen des Frustes sammelten sich in meinen Augen und ich versuchte ihn nicht anzusehen. Doch er gab mir keine Chance. In einer Geschwindigkeit, die ich noch bei keinem Wesen gesehen hatte, hatte er mich unter sich auf die Liege gezogen und lag nun halb auf mir. Mit einem Arm neben meinem Kopf gestützt und mit der anderen immer noch mein Handgelenk umfasst schwebte sein Gesicht über meinem. Im Schein des knisternden Feuers leuchteten seine Augen und spiegelten nicht nur das Feuer, sondern auch seine Gier wider. Doch es war nicht nur der Blutdurst, der sie zum Leuchten brachte, auch ein Verlangen, welches in mir loderte. „Und nein, ich werde es mir nicht woanders besorgen. Warum gehen, wenn so ein wunderschönes und nach Lust riechendes Wesen so bereitwillig unter mir liegt“. Bei seinen Worten bekam ich eine Gänsehaut und ein starkes Ziehen machte sich von meinem Unterleib über meinen Körper breit. „Horcht in euch, ihr wollt es doch genauso wie ich!“ Seine Stimme veränderte sich und in seinem Blick konnte ich kurz Bedauern und Frust aufblitzen sehen. „Warum ist es euch so wichtig das ich mich euch hingebe? Ihr könntet euch doch einfach nehmen was ihr wollt und dann verschwinden!“ Zwang ich meiner Stimme zu gehorchen, während Tränen meine Wange hinunterliefen. Er hielt kurz inne. „Ihr wollt das ich gehe?“ Bei dieser Frage schrie alles in mir das er bloß bleiben sollte. Warum? Warum wollte ich das er blieb? Er sah das kurze Entsetzen in meinen Augen und ein Grinsen huschte über seine Lippen. „Dachte ich es mir doch. Und ja ich könnte euch einfach euer Blut nehmen, doch gegen die übliche Meinung mögen wir es, wenn unser Objekt der Begierde es genauso genießt wie wir es tun. Der Biss eines Vampirs ist ein sinnlicher und süßer Akt der Hingabe und Lust. Dieser sollte von beiden Seiten genossen werden, so schmeckt es auch am besten!“ Bei seinen Worten erzitterte mein ganzer Körper, ich konnte seinem Verlangen einfach nicht weiter widerstehen.

 

Meine abebbende Gegenwehr ließen seine Augen erstrahlen und mein Atem stockte als seine Lippen, die meine streiften. „Lady Ray, was wollt ihr?“ Als er meinen Namen aussprach überrollte mich eine Welle der Lust und ein Stöhnen brach sich bahn aus meiner Kehle. „Beißt mich!“ flüsterte ich leise. Sein Blick wurde dunkel und senkte sich von meinen Lippen auf meinen Hals. Ich konnte seine Reißzähne im Schein des Feuers weiß aufblitzen sehen, als er sich herunterbeugte. Sein heißer Atem streifte meine Haut, mein Herz schien zu zerspringen, sehnsüchtiges Verlangen überkam mich. Sein Kuss an meinem Hals brannte wie Feuer, ich reckte mich ihm entgegen, entblößte meine Kehle und schloss sehnsüchtig die Augen. „Wie ihr wünscht mei Lady“. Als seine Zähne meine Haut berührten und sie langsam durchstießen, erwartete ich Schmerzen. Doch es fühlte sich überwältigend an. Ein kurzer Stich und seine kühlen Lippen legten sich auf meinen Hals. Das leise saugende Geräusch als er mein Blut trank überraschte mich, doch ich war wie in einem Rausch. Unaussprechliche Glücksgefühle überrollten mich, mein Körper zitterte, verzehrte sich nach seiner Berührung, Heiß und kalt überkam es mich. Seine Arme schlangen sich um meinen Körper. Mit dem einen Arm zog er mich eng in eine Umarmung, wärend sich die andere abstützte. Meine Hände krallten sich in seine nackten Schultern. Seine Muskeln zum Zerreißen gespannt. Langsam wurde mir mulmig zu mute, mein Bewusstsein verschwamm. „Raziel…es ist genug“. Versuchte ich ihn flüsternd auf mich aufmerksam zu machen, doch er schien mich in seinem Rausch nicht zu hören. „Raziel!“ Rief ich etwas lauter. Meine Stimme lustgeschwängert, kaum ernst zu nehmen, doch dieses Mal hörte er mich. Er hielt inne, zog seine Zähne aus meinem Hals und fuhr mit der Zunge sanft über die kleinen Bisswunden. „Ihr seid einfach zu köstlich.“ Sein Blick lag verlangend und gierig auf mir. Von seinen Lippen tropfte noch etwas von meinem Blut. Er wischte es sich mit seinem Handrücken ab und legte mich sanft auf der Liege ab. Tatsächlich tat mein Blut sein gutes, seine Wunde schloss sich, seine Haut wurde warm, nahm etwas Farbe an und er wirkte deutlich gekräftigt. Nun strahlte er eine Macht und Anziehung auf mich aus, die mir den Atem raubte.

 

Der Biss hatte so viele Endorphine frei gesetzt das ich regelrecht zu schweben schien. Mir war es in diesem Moment egal wer oder was er war. Ich wollte nur ihn und seinen Körper. Ich wollte von ihm gebissen werden, von ihm genommen werden. Und genau das war in meinem Blick zu sehen, als er mich mit einem Knurren in die Arme zog und mich mit seinem Kuss regelrecht überfiel. Doch ich tat es ihm gleich. Etwas geschwächt zog ich mich auf seinen Schoß, nahm sein Gesicht in meine Hände und ließ meiner Gier freien Lauf. Unsere Küsse wurden wilder und leidenschaftlicher. Ich biss ihm verspielt auf seine Lippe und kicherte. Für einen kurzen Moment hielt er überrascht inne und sah mich belustigt an. „Ihr beißt mich?“ „Was ihr dürft darf ich schon lange“, antwortete ich ihm mit rauer Stimme und knabberte sanft an seinem Ohrläppchen. Meine Lippen wanderten seinen Hals herunter. Er schmeckte köstlich, wie konnte man da nicht zubeißen. Er stöhnte auf als ich ihn leicht zwickte und zog mich enger an sich heran. „Wenn ihr nicht bald damit aufhört, erlebt ihr noch euer blaues Wunder“. Keuchte er, doch mein triumphales Grinsen strafte ihn Lügen. „Versucht es doch!“ raunte ich und fand mich wenige Sekunden später unter ihm liegend wieder. Er zog den Rock meines Kleides hoch und drängte sich zwischen meine Beine. Heiß pochte es in meiner Mitte, wie lange hatte ich schon in Keuschheit gelebt. Nie vermochte es ein Mann mich so zu erregen und in seinen Bann zu ziehen. Doch dieser schien mich gar wild und ungezügelt frei zu machen und so gab ich mich ihm hin.

 

Sein Blick wanderte langsam von meinem Gesicht über mein Mieder. Mit einer Hand zog er an den Schnüren die es zusammen hielten und öffnete eine Schlaufe nach der anderen. Es löste sich und fiel von mir ab, so dass meine Brüste sich ihm entgegen reckten. Flammende Begierde trat in seine Augen, als er sich herunterbeugte und mit seinen Lippen sanft über die Wölbungen fuhr. Aufkeuchend schloss ich die Augen und genoss seine Berührungen. Als seine Lippen meine Brustwarze umschloss konnte ich das Stöhnen nicht unterdrücken. Seine süße Qual zog sich langsam von der einen Brust zur anderen und ließ mein Verlangen ins unermessliche ansteigen. „Ihr seid wunderschön, wie ihr wohl schmeckt?“ Meine Gedanken vermochten ihm nicht direkt zu folgen als sein Mund tiefer wanderte, über meinen Bauch zwischen meine Beine. Stürmisch und voller Gier eroberte er mich und es war ein leichtes für ihn mich so zu verzehren. Leicht erschrocken quietschte ich auf als er sich zwischen meine Beine kniete, meine Hüfte fest gepackt damit ich nicht vor ihm davonkommen konnte und seinen Mund auf meine Klitoris legte. „Ihr seid so bereit, so nass und ihr duftet einfach herrlich“. Hörte ich ihn sagen, doch ich war gefangen in meinen Gefühlen die er mit seinen Berührungen in mir auslöste. Eine Welle der Lust überrollte mich übermächtig als er mit seiner Zunge meine Klitoris umspielte. Zuckend und mich windend versuchte ich mich ihm noch weiter entgegen zu recken. Qualvoll zog sich mein innerstes zusammen. Er sog sanft und ich schrie auf vor süßem Verlangen. Keuchend und zitternd sehnte ich mich nach Erlösung und ihm schien es genauso zu gehen. Er ließ mich los, stand auf und ließ seine Hosen fallen. Mit verklärtem Blick musterte ich sein erigiertes Glied und zog scharf die Luft ein. Er war groß und seine Spitze zuckte vor Verlangen. Ein Seufzen entfuhr mir bei seinem Anblick, ich konnte meinen Blick nicht davon abwenden. Wie lange wartete ich schon darauf, wie lange hatte ich meine Gedanken von Sex abgewandt. Immer auf der Suche gewesen und nach zu vielen Enttäuschungen hatte ich irgendwann aufgegeben.

 

„Seht mich nicht so an!“ knurrte er gefährlich. Gespielt schmollend riss ich meinen Blick los zu seinem Gesicht und erstarrte als ich seinen animalischen und gierigen Ausdruck sah. „Warum nicht? Gefalle ich euch nicht?“ feixte ich. In den Tiefen seiner weißglühenden Augen versprach er mir, welche Lust ich ihm bereiten würde. Er kniete sich zwischen meine Beine, soweit das sein Glied direkt vor meiner heißen Pforte schwebte. Sein Blick hielt den meinen gefangen. „Weil ich euch sonst so lange nehmen werde bis ihr vor Erschöpfung zusammenbrecht.“ Ohne Vorwarnung stieß er zu und drang in mich ein. Stöhnend drückte ich meinen Rücken durch und beugte mich ihm entgegen. Er war groß und füllte mich aus. Wie zwei Teile eines Puzzles schmiegte sich mein Körper perfekt an den seinen. Er zog mich mit einem Arm unter meinem Rücken enger an sich heran während er sich mit dem anderen abstütze. Meinen Hals entblößt, den Kopf nach hinten fallend und die Augen geschlossen, genoss ich das Gefühl wie er sich langsam in mir bewegte. Seinen heißen Atem an meinem Hals und der schneller werdende Rhythmus des immer stärker werdenden in mich hineinstoßenden Vampirs, trieb mich immer weiter. Unbeschreibliche Gefühle füllten mich aus, raubten mir meine Sinne bis auf das was wichtig war und er trieb mich immer höher und höher. Mein Körper erzitterte, sein Atem kam stoßweise. Heiß und hart trieb er sein Glied weiter in mich hinein. Wimmernd vor Verlangen, endlich erlöst zu werden, drückte ich meinen Rücken durch damit er noch weiter in mich eindringen konnte. Die Hitze in mir verbrannte mich regelrecht und meine Libido frohlockte, tanzte freudig umher und stöhnte mit mir. „Bitte...erlöse mich!“ Hauchte ich zwischen zwei unbändigen Wellen der Lust. „Wie ihr wünscht!“ knurrte er und biss sanft in meinen Hals. Auf dem Höhepunkt des unermesslichen, auf der Spitze der gestauten Lust zündete er damit einen Funken der ein wütendes Feuer entfachte. Sofort spannte sich mein Körper an, mein Inneres zog sich um seine harte Männlichkeit zusammen, ein Beben das meinen Körper durchströmte. Mein Orgasmus traf mich hart und ich schrie voller Erlösung. Mit wenigen Stößen folgte auch er stöhnend an meinem Hals. Kaum hatte ich mich von meinem Höhepunkt mitreißen lassen, schwappte die nächste Welle über mich ein und es traf ihn genauso hart. Erbarmungslos riss ich ihn mit und ertrank in der Erlösung.

 

Wir brauchten beide ein paar Sekunden um uns wieder zu sammeln. Ich wimmerte leise und noch immer fuhren Zuckungen durch mein Inneres. Wie ein enger Samthandschuh umschloss ich sein immer noch hartes Glied. Keuchend, schweiß gebadet und erschöpft zog er sich aus mir zurück und legte sich neben mich. Ich war völlig ausgelaugt, aber glücklich. Wie konnte ein Mann, den ich erst seit ein paar Stunden kannte solche Gefühle in mir wecken? Er würde mein Untergang sein.

 

Verpasste Gelegenheiten

Man sagt, nach einem Trauma würde der eigene Geist einen schützen wollen um die Qualen erträglicher zu machen. Doch woher soll der Geist wissen was Qual und was Leidenschaft ist. Zumal der Grad dazwischen sehr schmal ist und man zumal von einer Seite auf die andere wankt. Auch so hin und her gerissen riss ich meine Augen auf wie nach einem Albtraum. Schwer atmend versuchte ich die Bilder, die in meinem Kopf wild durcheinander aufblitzten, zu sortieren. Das muss alles nur ein Traum gewesen sein? Hektisch sah ich mich um. Es war alles wie immer. Ich lag zugedeckt, in derselben Kleidung wie am Vortag, auf meinem Bett vor dem noch knisternden Kamin. Die Wärme des Feuers belebte meine müden Glieder. In meiner kleinen Küche stand noch die leere Schüssel. Auf der gegenüberliegenden Seite nahmen die Bücherregale und mein Schreibtisch den Rest der kleinen Hütte ein. Das offene kleine Badezimmer mit der freistehenden Kupferwanne lud zum Baden ein. Immer noch konfus zwischen Realität und Traum wankend versuchte ich meine Gedanken zu ordnen, doch es schien mir einfach nicht zu gelingen. 

 

Es war ruhig, ich war alleine. Der Sturm hatte sich gelegt. Vereinzelte Regentropfen prasselten noch gegen die beschlagenen Fenster. Langsam setzte ich mich auf und sah auf meine zittrigen Hände. Leichter Schwindel ließen die Bilder von dem Vampir noch unwirklicher erscheinen. Beim Gehen zuckte ich schmerzhaft zusammen. Meine Muskeln rebellierten gegen die Anstrengung und mein Unterleib zog sich schmerzlich süß zusammen. Um den Kopf frei zu bekommen, wank ich langsam zu dem kleinen Waschbecken. Der Blick in den Spiegel ließ mich zurückschrecken. Ich war extrem blass, ja fast weiß. Meine roten Haare leuchteten mit meinen blauen Augen um die Wette. Einer Vorahnung nachgehend, fummelte ich hektisch meine Haare vom Hals und drehte mich um besser sehen zu können. Auf den ersten Blick waren keine Veränderungen zu erkennen. Die Haut war ebenmäßig wie eh und je. Aufatmend wollte ich mich schon wegdrehen, als zwei kleine fast verheilte Narben im Spiegel aufleuchteten. Fasziniert beugte ich mich über das Waschbecken und strich vorsichtig über die leicht vernarbte Haut. Selbst bei der vorsichtigen Berührung, überrollten mich meine Gefühle in Erinnerung an den Biss. Mein Herz raste als wollte es aus meiner Brust springen. Ein unsagbares Kribbeln machte sich in meinem Bauch breit, bei der Erkenntnis, dass alles war kein Traum.

 

Auf den Rand des Beckens abstützend versuchte ich mich zu beruhigen. Leichte Panik stieg in mir auf. Um mich abzulenken füllte ich es auf magische Weise mit Wasser und wusch mich. Das kalte Nass kühlte meine erhitzte Haut und ordnete meine Gedanken. „Er hat von mir getrunken“, flüsterte ich. „Er hat mich benutzt!“ Die Panik wich der Wut. „Dieser...dieser Vampir!“ spie ich das Wort aus und eilte zu meinem Kleiderschrank. Schnell tauschte ich das einfache Kleid gegen Hose, Stiefel, Bluse und Korsage. Ich würde ihn suchen und zur Rede stellen. Was bildete er sich eigentlich ein? Ich war zwar „nur“ eine einfache Magierin, oder wie der Volksmund sagt Hexe, dennoch wusste ich wie man mit einem Dolch umzugehen hatte. Das silbernen mit Runen verzierte lange Messer schob ich griffbereit in meinen Stiefelschaft. Gegen den Regen warf ich mir noch einen langen dunklen Umhang mit Kapuze um die Schultern. An meinem Gürtel baumelten bereits verschiedene Lederbeutel in denen ich die wichtigsten Arzneien, Tränke, Zauberutensilien, Münzen, eine kleine Landkarte, Proviant und andere wichtige Dinge aufbewahrte. Durch einen Zauber konnte man sie unendlich befüllen ohne auch nur ein Mehrgewicht zu spüren. Also perfekt für längere Reisen. Wer weiß wie lange ich unterwegs sein würde.

 

Ein leises Geräusch ließ mich innehalten. Es kam von draußen. Immer noch wütend und in der Annahme das der Vampir zurückgekommen war, stürmte ich durch die Tür und blieb wie angewurzelt stehen. Auf der kleinen Lichtung vor meiner Hütte standen drei Soldaten in schwarz roter Rüstung. Verblüfft von meinem rasenden Erscheinen, starrten sie mich genauso irritiert an wie ich sie. Das gab mir Zeit sie genauer zu betrachten. Ihre Rüstungen waren aus Leder und sahen fast so aus wie die des Vampirs. Auf der Brust trugen sie das Familienwappen der Welish. Vampire! Schoss es mir durch den Kopf. Natürlich, sie suchen ihresgleichen. Aus der Starre erwacht stellten sich im Halbkreis um mich herum auf. Ihre Gesichter waren von ihren Helmen verborgen, so dass sie nicht zu unterscheiden waren. Als der, der direkt vor mir stand sprach, zuckte ich zusammen. Trotz des Helmes und des prasselnden Regens, vernahm ich seine Stimme als würde er direkt in mein Ohr flüstern. „Wo ist er?“ Seine Frage hatte nichts Bittendes. Die Stimme, kalt und schneidend, ließ mir einen Schauer den Rücken herunterlaufen. Seine rotglühenden Augen waren fest auf mich gerichtet.

Meine Gedanken rasten. Sie würden mich töten, egal was ich tat, sie würden mich töten. Ich versuchte so gelassen wie möglich zu bleiben, was bei der aufsteigenden Panik unmöglich zu sein schien. „Ich weiß es nicht“, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Er ist einfach verschwunden!“ Verblüfft ihm ohne zu stottern geantwortet zu haben, wartete ich darauf was er als nächstes tun würde. „Durchsucht die Hütte“, befahl er ohne den Blick von mir abzuwenden. Sie eilten schnell durch die Tür, bis ich sie aus den Augenwinkeln verlor. „Ihr wisst wohl nicht wem ihr Obdach gegeben habt, Lady?“ Seine abschätzende Frage verwunderte mich nicht. „Er trug das Wappen der Welish, des Vampirkönigs, genauso wie ihr es tragt. Er wird wohl einer der euren sein“. „Ihr wisst mehr als euch guttut“, schnaubte er. „Wer war er?“ war nun ich diejenige die ihn fordernd anstarrte. „Warum sollte ich euch das verraten?“ Ein freches Grinsen huschte über meine Lippen. „Weil ich ihn selbst umbringen möchte!“ In diesem Moment tauchten die anderen beiden Vampire wieder neben mir auf. „Keine Spur von ihm“. Die Stimmung verfinsterte sich und die Anspannung wuchs. Ich rechnete mit dem Schlimmsten. Ich hatte keine Chance gegen gleich drei königliche Vampirsoldaten. Meine Angriffs- und Verteidigungszauber waren eher mäßig.

 

Meine Gedanken rasten verzweifelt auf der Suche nach einem Ausweg. „Das ist schade“. Ein hämisches Lachen drang an mein Ohr. „Dann werden wir die Information doch noch aus euch aussagen müssen!“ Ein Lufthauch und zwei starke Arme legten sich wie Klauen um meine Arme. Eine Hand bog meinen Kopf gewaltsam an meinen Haaren nach hinten und entblößte meinen Hals. Der Soldat hatte sein Visier hochgeschoben und war im Begriff seine Zähne in meinen Hals zu schlagen. Verzweifelt versuchte ich mich mit aller Kraft aus seiner Umklammerung zu befreien, doch sein Griff war wie zwischen zwei Schraubstöcken und gab nicht nach. Gewaltsam durchstießen seine Zähne meine Haut. Ein unsagbarer Schmerz zuckte durch meinen ganzen Körper und raubte mir den Atem. Das hatte nichts mit dem zu tun was ich am Vorabend erlebt hatte. Das schmatzende Geräusch wie er mein Blut trank ließ mich würgen. Schlaff und bewegungslos hing ich in seinen Armen. Meine Lebensgeister wichen wie Wasser aus einem zersprungenen Glas aus meinem Körper. Kälte durchzog mich und erreichte bald mein Herz. Als er von mir abließ, leckte er sich genüsslich die Lippen und ließ mich fallen. „Sie hat die Wahrheit gesagt. Sie ist nutzlos. Labt euch an ihr und brennt die Hütte nieder. Wir sind hier fertig!“ Seine Befehle bekam ich nur am Rande mit. Mir verschwamm die Sicht, es drehte sich alles in meinem Kopf. Jetzt war es vorbei, ich würde sterben. Die Kälte hielt mich fest in ihrer eisigen Umarmung, bereit mich der Welt zu entziehen. Das letzte was ich sah, eine aufblitzende Klinge und spritzendes Blut, bevor alles schwarz wurde.

 

Die letzten Schreie des Lykaner´s verhallten zwischen den schwarzen Steinsäulen der Gruft. Dunkelrotes noch warmes Blut troff von den Mundwinkeln des Vampirs der vornüber gebeugt vor dem Altar stand. Blaue Flammen setzten die Gruft in ein unwirkliches Licht. Langsam richtete sich der weißhaarige Vampir auf, legte den Kopf in den Nacken und genoss mit geschlossenen Augen die Kraft die ihm das Blut gab. „Mein König, bitte verzeiht die Störung, aber der Kundschafter ist zurückgekehrt!“ Eine Frau in einer weiß grauen Kutte trat aus den Schatten und verbeugte sich. Die Runenmale auf ihrem kahl geschorenen Schädel leuchteten, in dem kalten Licht der Fackeln silbern auf. Der Vampir stieg von dem Podest, auf der der Opferaltar stand, auf die Priesterin zu. Seine schwarze Teilrüstung glänzte matt, als er sich auf sie zu bewegte. „Sprecht weiter, Lady Ännlin!“ Diese erhob sich und sah ihn mit milchig weißen Augen an. „Sie haben ihn gefunden im Wald von Eryn. Eine Magierin bot ihm Obdach und heilte ihn“. „Eine Magierin?“ lachte er hämisch. Weiße Fangzähne blitzten auf und bildeten einen starken Kontrast zu den fast schwarz glühenden Augen. Seine dunkle Stimme hallte dumpf durch die Gruft. „Wie ist er nur so weit gekommen ohne, dass meine Späher ihn finden konnten?“ Wurde er wieder ernst und stieg, mit der Priesterin die ihm wie ein Schatten folgte, die Treppenstufen empor. Den toten schlaffen Körper des Lykaner’s auf dem Altar liegen lassen. Einer seiner Bediensteten würde sich dem seinen annehmen. Ihn kümmerte es nicht was mit den Leichnamen nach dem Ritual geschah, ihn ekelten die verrenkten Körper und die schmerzverzerrten Grimassen einfach nur an. Leise hallten ihre Schritte von den glatten Wänden, sonst war nichts zu hören. Die Frau folgte ihm erhaben, sie war weder eine Kriegerin noch eine Dienerin, sie war eine Krey. „Er ist Raziz Sohn, er hat unentdeckte Macht“, schlussfolgerte sie. Der Vampir verzog wütend das Gesicht. „Dennoch sollten meine Männer ihn finden können. Schließlich hat er sie ausgebildet!“ „Das mag sein, aber vielleicht gerade deswegen!“ Er hielt auf dem Treppenabsatz an und musterte sie von der Seite. „Wie meint ihr das?“ Sie trat an seine Seite und sah ihm direkt in die Augen. Das bräuchte sich niemand anderer wagen, er würde sofort geköpft werden. Er musste sich immer noch daran gewöhnen, dass sie so direkt zu ihm sprach. „Nun wer mag schon denjenigen töten der einem alles beigebracht hat. Der einem in Kriegen angeführt und verteidigt hat. Sie haben ihm ihr Leben zu verdanken. Sie sind ihm zu loyal!“ Er verstand und knurrte genervt. „Ihr klingt als hättet ihr eine Idee?!“ Ein verschlagenes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Das habe ich mein König. Schickt jemanden unabhängiges, jemanden der sich darauf versteht jene wie euch zu jagen!“ Irritiert drehte er sich nun zu ihr um. „Ihr wollt das ich einen Vampirjäger beauftrage?“ Sie nickte unbeeindruckt und sah wieder zu ihm auf. „Ich kenne jemanden. Er stammt aus einer jahrhundertealten Jägerfamilie und tut alles für Gold“. „Na gut, beauftragt ihn. Gebt ihm nur die nötigsten Informationen, ich brauche den Prinzen lebend!“ Die Priesterin nickte und wand sich zum Gehen.

 

Er sah ihr noch kurz hinterher wie sie eilig um die nächste Ecke bog und wand sich selbst zum Gehen. Grübelnd lief er die unzähligen Gänge des Schlosses entlang. Schwarzer glatter glänzender Stein, achteckige Säulen, eingerahmte spitz zulaufenden Torbögen, fensterlose Gänge und das blaue kalte Licht der magischen Fackeln säumten seinen Weg. Dunkelrote Läufer dämpften seine Schritte. Je weiter er in Innere des Schlosses schritt umso mehr Diener und andere Vampire seines Hofstaates kamen ihm entgegen. Sie verneigten sich ehrfürchtig, wenn er ihren Weg kreuzte. Doch er bemerkte sie kaum. Seine Gedanken kreisten allein um Raziel, den Sohn des verstorbenen Königs Raziz. Seinem besten Kriegsherren der jemals durch diese Hallen geschritten war. Innerlich verfluchte er das er das Problem nicht eher angegangen war. Doch er hatte ihn damals gebraucht. Er blieb vor einem der wenigen Gemälde Raziz´s stehen. Drei Mann hoch prangte es in dem verschnörkelten bronzefarbenen Rahmen an der Wand. In prächtiger Gewandung und wissendem Blick schien der Vampir, mit dem langen glatten schwarzen Haar, auf ihn hinab zu blicken. Strafend und richtend für seine Vergehen. Das Gemälde wirkte lebensecht, als würde er im nächsten Augenblick aus seinem Rahmen steigen und durch die Flure und Hallen wandeln. Selbst er bekam bei dem stechenden Blick des verstorbenen Königs noch eine Gänsehaut. Doch es waren Wut, Verzweiflung und Selbsthass die seine Furcht übermannten.

 

Ohne dem Gemälde eines weiteren Blickes zu würdigen schritt er in sein Arbeitszimmer. Hier konnte er seinen aufgebrachten Gefühlen freien Lauf lassen. Fluchend riss er die Pergamentrollen von seinem Schreibtisch, trat gegen seinen Sessel der polternd auf den Holzboden fiel und zertrümmerte einen gläsernen Kelch der in tausend kleine Splitter zersprang. Der plötzlich aufwallende Zorn übermannte ihn und drohte ihn zu verschlingen. Er musste sich beruhigen, denn sonst würde seine Macht alles verwüsten was ihm im Weg stand. Insgeheim genoss er es, das Gefühl, wenn sie durch seinen Körper strömte und er all das tun konnte was auch immer ihm beliebte. Doch andererseits fürchtete er sich vor ihr und dem Wissen, dass es nicht die seine war. Er starrte auf seine Finger, die sich krallenartig zusammengezogen hatten und besann dich darauf seine Wut zu dämpfen. Hier an diesem Ort war es ihm gestattet kurz seine Maske fallen zu lassen, Schwäche zeigen zu dürfen. Kurz schloss er seine Augen und besann sich auf sein aktuelles Problem, welches zu lösen galt. Das Arbeitszimmer war einer der wenigen Räume mit einer Fensterfront. Gegen die weitläufige Meinung verbrannten Vampire nicht im Sonnenlicht, doch sie mochten es nicht besonders. Ihre Sinne waren für die Dunkelheit gemacht. Und auch wenn sie Jahrhunderte überdauern konnten, so waren sie nicht unsterblich. Nur wenige hatten das Wissen und die Fähigkeiten einen Vampir zu töten. Er wusste wen Lady Ännlin meinte, er kannte die Familie der Imetra. Er war lange genug mit ihnen im Krieg gewesen bis König Raziz einen Waffenstillstand vereinbarte. Fluchend erinnerte er sich an diesen Tag. Unverständnis schürte seine Wut über den Frefel den sein König begangen hatte. Er war der königliche Kriegsherr und wusste um die Gefahr und die Bedrohung die von den Vampirjägern ausging. Er war derjenige der ihnen im Kampf gegenüberstand. Er war es der ihre tödlichen Fähigkeiten einzuschätzen wusste. Seiner Meinung nach gehörten sie alle ausgerottet, eine Gefahr weniger in dieser Welt. Doch Raziz schien andere, törichte Pläne für das Vampirvolk zu verfolgen. Die Jahre vergingen, der Hass verlor sich und in den friedvollen Zeiten zwischen den Völkern, wurden die Dienste der Jäger nicht mehr benötigt. So erhielten nur noch wenige Mitglieder der Imetra das Privileg das Handwerk zu erlernen. Er setzte seine ganze Hoffnung nun auf den letzten noch lebenden Nachfahren. Er musste Raziel einfach finden und töten, denn sonst war seine Regentschaft und seine Pläne in Gefahr. Doch darüber zu grübeln brachte nichts. Er setzte sich an seinen großen, aus Mooreiche geschnitzten, Schreibtisch und versuchte sich mit dem königlichen Papierkram abzulenken. Er hasste es zu warten, doch würde ihm nichts anderes übrigbleiben. Der Schein musste gewahrt werden, niemand außer ihm und der Priesterin durfte etwas über sein Vorhaben erfahren. Nicht einmal der Vampirrat, dafür würde er sorgen.

 

Stöhnend versuchte ich aus dem tiefen Schwarz welches mich umschloss aufzuwachen. Schmerzen durchfluteten immer noch meinen Körper und lähmten meine Glieder. Was war nur passiert? Langsam blitzten Bilder des Angriffs vor meinem inneren Auge auf. War ich jetzt tot? Wenn das der Tod war, erwartete mich noch schlimmeres in der Hölle. Warum war er so schmerzhaft? Ich dachte immer wäre friedlich und leicht. Es fühlte sich seltsam an. Nein, ich war nicht tot, noch nicht. Müdigkeit ließ meine Gedanken zäh wie Honig fließen. Ich musste aufwachen. Meine Muskeln reagierten schwerfällig und nach und nach fühlte ich meine Arme und Beine. Das Gefühl in meinem Gesicht kehrte zurück und mit größter Mühe konnte ich meine schweren Lider zwingen sich zu öffnen. Noch verschwommen nahm ich meine Umgebung war. Es war dunkel, eine warme Lichtquelle neben mir war mein einziger Anhaltspunkt. Langsam schärfte sich meine Umgebung und ich konnte mich orientieren. Ich lag an einem Lagerfeuer, welches knisternd in der Stille der Nacht das einzige war was Sicherheit versprach. Vorsichtig drehte ich meinen Kopf, welches mir höllische Halsschmerzen bereitete. „Ihr solltet euch noch nicht bewegen!“ Die dunkle Männerstimme ließ mich erstarren. Vertraut und doch so fremd. Meine Augen suchten vergeblich in der Dunkelheit um meine helle Oase der Sicherheit, doch sie waren zu müde um in den schwarzen Schatten der Bäume überhaupt etwas zu erkennen. Krächzend versuchte ich ihm zu antworten, doch meine Stimme war nicht mehr als ein leises Fiepsen. Eine Bewegung aus meinen Augenwinkeln erkennend, trat der Vampir in mein Blickfeld. In seiner Rüstung im Schein des roten Feuers, wirkte er noch bedrohlicher als am Tage. Panik stieg in mir auf, doch ich war wie in meinem Körper gefangen, unfähig mich zu bewegen. In seinem Blick blitzte Sorge auf, doch verschwand schnell wieder und machte Wut platzt. Dass er mich damit noch mehr verwirrte und verängstigte schien ihn nicht zu stören. Er kniete sich neben mich. Er musste meine Panik in meinem Blick gesehen haben, denn er seufzte, setzte sich und starrte in den Wald. „Wenn ich gewusst hätte das sie mir so nahe auf den Versen waren, hätte ich es nicht zugelassen das ihr mich findet.“ Seine Lippen aufeinandergepresst, schien er sich über etwas zu ärgern. „Das passiert nun mal, wenn man seinen eigenen Männern entkommen muss!“ Verächtlich lachte er auf und richtete seinen Blick wieder auf mich. Stumm starrte ich ihn an. Fragen über Fragen irrten durch meine zähflüssigen Gedanken. Doch meine Stimme war nicht fähig auch nur eine Silbe über meine Lippen zu bringen. „Ihr fragt euch bestimmt warum ich gegangen bin? Was ich verbrochen habe weswegen sie mich suchen? Warum er euch gebissen hat und warum ich euch gerettet habe?“ Mit einem kleinen Nicken bestätigte ich seine Vermutungen. „Ich wollte euch nicht in Gefahr bringen, deswegen bin ich so schnell wie möglich wieder gegangen. Leider war es mir nicht möglich gewesen euch einfach so zu verlassen.“ Lüstern blitzte etwas in seinen Augen auf und ein fieses Grinsen huschte über seine Lippen. „Ich nehme an euch hat die Nacht genauso gut gefallen wie mir!“ Ich versuchte ihn wütend an zu funkeln, doch er ignorierte es. „Dennoch habe ich sie direkt zu euch gebracht und als ich sie am Rande des Waldes gewittert hatte, musste ich zurückkommen. Ihr seid am wenigsten daran Schuld und ihr habt mir das Leben gerettet, da war ich es euch schuldig das ich zu euch zurückkomme.“ Also war er die aufblitzende Klinge gewesen. Ich hatte ihn gespürt, kurz bevor ich mein Bewusstsein verloren hatte, doch ich hatte es auf meinen sterbenden Verstand geschoben.

 

„Wisst ihr Vampire können die Erinnerungen und Gedanken einer Person miterleben, wenn sie deren Blut trinken. Der Soldat hat euch gebissen um die Wahrheit herauszufinden.“ Angeekelt verzog er seine Miene und sah auf meinen Hals. „Eine brutale und sehr schmerzhafte Methode um sein Opfer zu verhören. Ich persönlich habe da andere Methoden, aber das Wohlbefinden ihrer Opfer ist diesen Monstern egal!“ Monstern, sprach er absichtlich theatralisch aus. „Glaubt mir, nicht alle Vampire sind blutrünstige, unbändig nach dem Blutrausch suchtende und brutale Monster.“ Er verachtete jene seiner Art und allein der Gedanke daran schien ihm zuwider zu sein. „Ich war einer der ihren. Ihr Kriegsherr, doch die Machenschaften des Königs, Ameron Welish, gehen mich nichts mehr an.“ In seine Gedanken versunken spiegelten sich seine Gefühle auf seinem Gesicht. Wut, Enttäuschung, Trauer und Rache, bis seine Miene zu einer undurchdringlichen Maske erstarrte. Er verheimlichte mir etwas, das spürte ich. „Ihr habt viel Blut verloren. Ihr braucht Ruhe, ich werde euch zu dem Dorf bringen. Dort solltet ihr sicher sein!“ Seine Stimmung hatte sich verändert. Als er aufstand und wieder in den Wald ging, blieb er noch einen Moment mit dem Rücken zu mir gedreht stehen. „Ihr könnt von Glück sprechen, das ich euch noch gefunden habe!“ Damit verschwand er endgültig und ließ mich mit meinen Schmerzen und den wirren Gefühlen zurück.

 

Der nächste Morgen war wolkenverhangen und windig. Der Regen hatte aufgehört und machte einer ungewöhnlichen Kälte Platz, der Winter nahte. Bald würde die bunte und leuchtende Pracht der Blätter gänzlich verschwunden sein und dem weißen Schnee platzt machen. Langsam taumelte ich hinter dem Vampir hinterher. Der Schlaf hatte gutgetan, dennoch war es mir als hätte ich Nächte lang nicht geschlafen und seit Wochen nichts mehr gegessen. Es war mir schwer gefallen aufzustehen. Meine Muskeln rebellierten und starker Schwindel ließ meinen Gang wanken. Doch es blieb mir keine Wahl, der Vampir war unerbittlich und würde mich wohl doch noch alleine in der Wildnis zurücklassen. Auf dem kalten Boden konnte ich nicht liegen bleiben, etwas anderes trieb mich noch voran. Über seine Worte nachdenkend starrte ich auf den gepanzerten Rücken des Mannes der vor mir lief. Seine langen schwarzen Haare trug er offen und wurden vom aufkommenden Wind umher geweht. Fasziniert sah ich dem Schauspiel zu und vergaß für einen Moment meine Sorgen. Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen ihm heute die Leviten zu lesen wegen der gestrigen Nacht, doch meine Konzentration war auf das Gehen gerichtet. Das Dorf welches er meinte war wohl Nimet, welches direkt am Rande des Waldes lag. Ich kannte mich gut in den Wäldern Eryn´s aus und wusste das unsere Wanderung bald ein Ende fand. „Woher kommt ihr eigentlich?“ Kaum mehr ein Flüstern kam über meine Lippen. Er ging weiter, drehte sich nicht zu mir um. Luftholend in der Annahme das er mich nicht gehört hatte, wollte ich meine Frage wiederholen als er stehen blieb. Wenn ich nicht auf seinen Rücken gestarrt hätte, wäre ich wohl direkt in ihn hineingelaufen. „Was bringt es euch zu wissen woher ich komme? Ihr werdet mich eh nie wiedersehen!“ Seine Worte versetzten mir einen Stich in die Brust. Ich wollte nicht das er einfach verschwand. Ich hatte noch so viele Fragen an ihn, um ihn, seinem Stand und der Vampirfamilie. Mich faszinierten andere Wesen und ihre Kulturen, aber das war nicht der einzige Grund. „Ich möchte meinem Retter eine Geschichte geben können.“ „Wohl eher eurem Peiniger“, wand er sich verbittert an mich. Die Stille die nun zwischen uns herrschte brachte mein Herz zum Rasen. Ich musste irgendetwas sagen, doch alles was mir in den Sinn kam klang kindlich und naiv. So trat ich von hinten an ihn heran, schlang meine Arme um seine Taille und legte mein Gesicht auf die kühle glatte Rüstung. Überrascht von meiner eigenen Reaktion blieb ich einfach so stehen und wartete. Er war stocksteif und hielt den Atem an. „Danke. Danke für alles. Ihr seid mehr als nur ein Vampir.“ Damit ließ ich von ihm ab und schritt an ihm vorbei, weiter den Waldweg entlang.

 

Überrascht von meinen Gefühlen versuchte ich das Chaos zu unterdrücken, während ich weiterlief und mich auf den Weg konzentrierte. Er war stocksteif stehen geblieben, sein Blick durchbohrte regelrecht meinen Rücken. Was hatte ich da nur gerade getan? Hatte ich den Verstand verloren? Beschämt senkte ich den Kopf, als neben mir ein Paar Stiefel auftauchten. Einen Blick riskierend sah ich auf und war überrascht ihn neben mir her laufen zu sehen. Er war noch da! „Ich komme aus Sorinta!“ Stur geradeaus blickend blieb er an meiner Seite. „Danke!“ Er nickte nur und sein Gesicht entspannte sich wieder.

 

Den Rest des Weges liefen wir schweigend nebeneinander her. Das Dorf kam bald in Sicht. Es war ein kleines und ruhiges Städtchen. Steinhäuser mit strohgedeckten Dächern lagen kreuz und quer am Rand der Klippe auf der man einen herrlichen Ausblick auf das Tal hatte in dem der Fluss Nimeneth verlief, der dem Dorf seinen Namen verlieh. Auf einem kleinen Platz mitten im Dorf ragte ein herrlicher Brunnen aus dem mittlerweile kahl gewordenen Gras. Glasklares Wasser sprudelte heraus und war dem Vieh und Mensch eine lebensspendende Wasserquelle. Vor den Häusern waren Gemüsebeete, Pferche für Gänse, Hühner, Ziegen und Schafe angelegt. Die Dorfbewohner liefen zwischen den Häusern hindurch und taten ihr Tagwerk. Raziel blieb im Schatten der Bäume stehen. „Wollt ihr nicht mitkommen?“ fragte ich unüberlegt. Er warf einen kurzen Blick über das Dorf und schüttelte dann mit dem Kopf. „Ich würde zu sehr auffallen!“ Er hatte Recht. „Geht ihr alleine“. Unsicher blieb ich vor ihm stehen. Wenn ich jetzt gehen würde, würde ich ihn wohl nie wiedersehen. Er musste meine Gedanken gelesen haben, denn er sah mich an. „Keine Sorge, ich werde hier warten. Nicht dass der König einen zweiten Trupp geschickt hat.“ „Versprochen?“ Überrascht über meine Forderung, zog er eine Augenbraue hoch und musterte mich mit seinen weißen Augen. Sein Gesicht wurde ernst, als er meine Angst, dass er mich verließ, aus meiner Stimme hörte. „Versprochen!“ „Ich werde mich beeilen“, versicherte ich ihm und wand mich zum Gehen.

 

 

Mit einem mulmigen Gefühl ging ich zwischen den Häusern hindurch und sah nochmal zurück auf den Punkt wo Raziel noch vor wenigen Augenblicken noch gestanden hatte, doch er war nicht mehr zu sehen. Wieder zog sich mein Herz seltsam zusammen. Wie konnte ich nach nicht einmal zwei Tagen, solch starke Gefühle für ihn haben? Nun gut, ich musste mich auf mich konzentrieren. Ich suchte eine Heilerin namens Lanee auf. Sie kam des Öfteren in den Wald und besuchte mich mit ihren köstlichen Törtchen und Broten. Sie war fast sowas wie eine Freundin und ich hoffte das sie mich schnell wieder auf die Beine bringen würde. Ich musste schlimm aussehen, so wie die Dorfbewohner mich misstrauisch von der Seite beäugten. Kein Wunder, wo wie ich wank und mich an jeder Wand abstützen musste, musste ich für sie aussehen als käme ich gerade aus der nächsten Kneipe. Meine Kräfte schwanden und ich betete noch bei Lanee anzukommen, bevor ich gänzlich zusammenbrach. Der Marsch hier hin hatte meine Kräfte restlos aufgebraucht. Ich fand sie am Rande des Dorfes auf der gegenüberliegenden Seite. Je weiter ich von dem Vampir wegkam, umso mehr zog es mich wieder zu ihm zurück, was mich sehr verwirrte. Als ich an ihre Tür klopfte wurde sie direkt geöffnet. Als sie mich sah verflog das anfängliche Lächeln und sie sah mich geschockt an. „Ray, was um alles in der Welt ist mit euch passiert? Kommt schnell rein, nicht das euch noch einer so sieht“. Eilig zog sie mich in die warme Stube und setzte mich auf einen Hocker. „Lanee, ich bin so froh, dass ihr zu Hause seid. Bitte ich brauch etwas was mich wieder auf die Beine bringt“. „Ja natürlich“, antwortete sie mir mit besorgtem Blick und eilte zu ihren Kräutern und Elixieren. „Doch sagt mir, was ist mit euch passiert?“ Abwägend ob ich ihr die Wahrheit sagen konnte oder mir lieber eine Notlüge ausdenken musste, entschied ich mich für beides. „Meine Hütte wurde von Vampiren angegriffen und ich wurde gebissen. Ich habe viel Blut verloren!“ Überrascht eilte sie mit ihren Utensilien wieder auf mich zu und hätte sie fast erschrocken fallen gelassen, wenn ich nicht ein paar Teile aufgefangen hätte. „Was ist euch passiert? Wie kommen Vampire überhaupt nach Eryn? Was wollen die von euch und was wollt ihr jetzt tun?“ Ihre Fragen überforderten mich und ihr aufmerksames Mustern lies mich unruhig werden. „Ich kann es euch nicht sagen, aber ich werde es herausfinden. Doch zuerst müsst ihr mich wieder zusammenflicken, bitte!“ Mein flehentlicher Blick ließ sie einfach nur nicken, sie schien zu verstehen das ich ihr nicht alles sagen konnte. „Hauptsache euch geht es gut.“ Sie musterte meine Kleidung, als sie eine Brühe aus Kräutern und Elixieren kochte. „Ihr seht aus als würdet ihr länger verreisen wollen!“ Ihr war auch nichts entgangen. „Ich weiß nicht wie lange ich weg sein werde, ich bin einfach für alles gewappnet“. Sie nickte wissend. „Ihr solltet auf jeden Fall einen Abstecher nach Olinera machen, dort findet ihr auf alles eine Antwort und eine Freundin von mir wohnt dort, ihr könntet ihr etwas von mir vorbeibringen. Ich wollte sie schon längst mal besucht haben, aber ihr kennt das ja. Unkraut bleibt an einem Ort“. Zwinkerte sie mir zu und gab mir eine Schüssel mit dampfendem Sud, der köstlich nach Minze und etwas anderem was ich nicht zuordnen konnte, roch. „Trinkt das und ruht euch aus, in ein paar Stunden seid ihr wieder fit. Währenddessen bereite ich ein kleines Paket vor!“

 

Der Sud schmeckte köstlich und belebte meine Geister wieder. Wärend sie mir von Olinera und ihrer Freundin erzählte, wie fortschrittlich diese Stadt des Wissens sei und das ihre Freundin einen kleinen Blumenladen besäße, schlief ich auf einer kleinen Liege ein. Die Kräuter taten ihre Wirkung und während ich im Land der Träume versank, musste ich an den Vampir denken. Ich hoffte das er noch da war, ich wüsste nicht was ich tun würde, wäre er verschwunden. Ich hatte keinen Ort mehr wohin ich konnte. Meine Hütte war abgebrannt, mit all meinen Büchern, Erinnerungsstücken, Kräutern und Pflanzen. Trauer überkam mich, doch ich musste mich zusammenreißen. Erst einmal mussten wir von hier verschwinden.

 

Lautes Scheppern, Kreischen und der unverkennbare Gestank von verbranntem Holz weckten mich aus meinem heilenden Schlaf. Mit schweren Lidern versuchte ich meine Augen zu öffnen und dem Lärm auf den Grund zu gehen. Wüst wurde ich aufgerüttelt und als ich meine Augen öffnete sah ich den panischen Blick Lanee´s. „Schnell Lady Ray, ihr müsst von hier verschwinden. Sie suchen nach euch!“ Verwirrt und noch immer benebelt sah ich sie unsicher an. „Wer sucht mich und warum?“ „Vampirsoldaten, sie brennen das Dorf nieder und sie fragen nach euch. Ihr müsst von hier verschwinden!“ Plötzlich war ich wach. Fluchend eilte ich zu einem Fenster und erblickte das Dorf in schwarzem Rauch vor dem wolkenverhangenen Himmel. Menschen liefen schreiend und nach Erbarmen flehend umher. Tiere flohen vor den gierigen Flammenzungen die nach den Strohdächern lechzten. Und in all dem Chaos, Soldaten. Wieder diese dunklen Rüstungen mit dem Familienwappen der Welish´s auf der Brust. „Los ihr müsst fliehen. Ich habe euch schon die Pferde gesattelt. Nehmt sie und verschwindet“. Sie drückte mir noch einen Beutel in die Hand. „Aber warum? Kommt mit mir?“ Kopfschüttelnd schob sie mich durch eine andere Tür auf der Rückseite ihrer Hütte. „Nein das kann ich nicht, ich muss mich hier um die Menschen kümmern und solange ihr hier seid werden sie nicht aufhören.“ „Sie werden nicht aufhören bis sie mich gefunden haben. Wir müssen was gegen sie unternehmen!“ Versuchte ich sie vom Gegenteil zu überzeugen. Doch sie beachtete mein Flehen nicht. „Sie heißt Nina Grimfort. Ihr Blumenladen ist einzigartig ihr werdet ihn auf jeden Fall finden!“ „Ihr?“ fragte ich dümmlich nach. „Na ihr und der Mann der schon die ganze Zeit hinter dem Haus wartet. Jetzt los, sonst finden sie euch!“ Raziel, er hatte tatsächlich auf mich gewartet. Dankend umarmte ich sie noch einmal kräftig, als sie mich endgültig aus der Tür schob. Das Päckchen unter meinem Arm geklemmt, eilte ich auf die beiden gesattelten Pferde zu die Raziel festhielt. „Ihr seid noch da!“ Er nickte nur finster und reichte mir die Zügel eines schicken Rappen. „Wir müssen uns beeilen“, er war angespannt mit der Hand am Griff seines Schwertes, huschte sein Blick über das Geschehen. Er ließ das Geschehen nicht aus den Augen solange ich mich aufs Pferd schwang. Im schnellen Galopp verließen wir das Dorf durch den Wald an der Klippe entlang. Mit einem letzten Blick nach hinten zerfraß mich regelrecht die Schuld. Doch der kalte Wind der uns entgegen wehte, ließ meine Tränen versiegen und so wand ich den Blick ab und folgte Raziel.

 

Adrenalin schoss durch meine Adern, während wir entlang der Klippe flohen. Blut rauschte in meinen Ohren und klärte meinen leicht vernebelten Geist, als wir einen schmalen Weg hinunter in das Tal fanden. Im Schritttempo liefen unsere trittsicheren Pferde den Pfad entlang. Loses Geröll rutschte die hohe Klippe hinab und ich hatte meine liebe Mühe im Sattel zu bleiben, wenn sich der Rappe vertrat und wegsackte. Ich konnte reiten, doch das letzte Mal saß ich auf einem Pferd als ich ein Kind war. Ich kam nie weg aus dem Wald, alles was ich brauchte war innerhalb eines Tagesfußmarsches zu erreichen. Endlich im Tal angekommen hielt ich an und drehte mich zu dem Vampir um. „Woher? Woher wussten sie das wir da waren? Warum jagen sie uns immer noch? Wir hätten bleiben und kämpfen sollen!“ Wut stieg in mir auf und Tränen rannen mir mein gefrorenes Gesicht hinunter. Raziel sah mich ausdruckslos an. „Ich sagte ja, dass sie mich jagen und wenn wir da geblieben wären hätten sie uns beide getötet.“ Etwas versöhnlicher fuhr er fort. „Ihr hättet nichts für diese Menschen tun können und euer Tod hätte das nicht verhindert“. Das Schluchzen unterdrückend wischte ich die Tränen weg und wand das Gesicht ab. Er hatte Recht, aber es fühlt sich trotzdem falsch an. „Und was nun?“ fragte ich ihn. „Eure Freundin hat euch doch etwas gegeben was wir nach Olinera bringen sollen, stimmts!“ Es war keine Frage. Mein Nicken war deswegen unnötig. „Außerdem habe ich einen Plan der uns eh dorthin gebracht hätte.“ „Das heißt ihr hattet eh geplant mich mit auf die Reise zu nehmen?“ fragte ich dann doch überrascht. Ein schiefes Grinsen huschte über sein Gesicht. „Nun ja, ich brauche auch Proviant!“ Auch wenn das nur ein Witz gewesen war, so stieg wieder die alte Wut hoch. „Von wegen Proviant. Ich habe sowieso noch ein Hühnchen mit euch zu rupfen“. Lachend ritt er an mir vorbei und trieb sein Pferd an. In einem gemächlichen Galopp ritt er nach Westen. „Hey, ihr könnt mich doch nicht einfach hier stehen lassen“, doch er war schon außer Hörweite. Schnell trieb ich mein Pferd an um ihn einzuholen.

 

Bis nach Olinera waren es zwei Tagesritte, doch wir musste noch einige Kilometer zwischen uns und Nimet bringen und so ritten wir die Nacht durch. Wir rasteten nur kurz damit sich die Pferde etwas erholen und saufen konnten, doch richtige Erholung würden wir erst am nächsten Tag finden. Ich hatte Raziel meine Meinung gegeigt, doch er hielt nicht viel davon und tat sie frech grinsend ab. „Stellt euch mal nicht so an. Euch hat es doch genauso gefallen.“ Puterrot hatte ich mich abgewandt mein Pferd getränkt und war ihn ignorierend weiter geritten. Er hatte mich zwar schnell wieder eingeholt, doch meine Stimmung blieb mies. Sie wurde auch nicht besser als er im Licht der untergehenden Sonne sich zu mir beugte und mit einer Hand meinen Mantel an meinem Hals zur Seite schob. Er schien nach meiner Verletzung schauen zu wollen, doch sein Blick wurde wieder gierig und ich wusste sofort woran er dachte. „Wagt es nicht mal daran zu denken. Ich bin nicht euer Abendessen!“ „Ah ihr habt ja doch nicht eure Stimme verloren.“ Verhöhnte er mich. Ich schlug seine Hand weg und sah stoisch gerade aus über die weite fast waldlose Ebene. „Warum hätte ich euch sonst mitgenommen?“ Abschätzend ob er es ernst meinte oder mich wieder aufs Korn nehmen wollte, rümpfte ich die Nase. „Ich werde euch sicherlich nicht das geben was ihr wollt.“ „Das habt ihr beim letzten Mal auch gesagt!“ Zwinkerte er mir wissend zu. „Das war auch was ganz anderes...“ versuchte ich mich raus zu reden, doch er unterbrach mich auflachend. „Wir werden sehen“, damit steuerte er auf ein kleines Wäldchen zu. Um nicht gesehen zu werden mussten wir auf ein wärmendes Feuer verzichten. Die Pferde grasten auf einer kleinen Lichtung wärend ich mich am Rand des Waldes auf ein Fleckchen vertrockneten Mooses setzte. Ich schloss meine Augen, murmelte einige wenige Worte und konzentrierte mich auf den Weg den wir genommen hatten. Eisiger Wind kam auf. Er fuhr durch meine Haare und meinen Mantel, ließ mich frösteln. Mit einer einfachen Handbewegung schickte ich ihn fort, knapp über dem Boden verwischte er die Spuren unserer Pferde. Der Boden war zwar gefroren und man hätte so schon Probleme die Hufabdrücke der unbeschlagenen Pferde zu erkennen, doch ich wollte auf Nummer sicher gehen. Auf einen weiteren Überraschungsangriff war ich nicht gerade scharf. Der Wind raste über die Ebene bis hin zu den Hängen an der Waldgrenze.

 

„Gar nicht so eine dumme Idee!“ raunte der Vampir direkt an meinem Ohr das ich erschrocken aufschrie. „Müsst ihr mich denn so erschrecken?“ keifte ich wütend zurück. Ich drehte mich um und sah in das unschuldige Gesicht des Mannes. Er hob gespielt beleidigt die Hände, wärend er neben mir hocken blieb. Sein Gesicht immer noch nahe an dem meinen. „Bitte verzeiht, es war so faszinierend euch bei eurem kleinen Zauber zu beobachten.“ Ohne eine Antwort stand ich auf und ging zurück in den Wald. Unter dem spärlichen Dach der Nadelbäume war es etwas wärmer, wobei das noch übertrieben war, denn es war eiskalt. Die Atemwölkchen die im Schein des Mondes vor meinem Gesicht waberten, machten diese Tatsache umso deutlicher. Ich suchte mir ein moosbewachsenes Stück Waldboden in der Hoffnung es möge mich vor der Kälte des Bodens schützen. „Soll ich mich zu euch legen, damit ihr nicht so friert?“ Ich hatte mich gerade in meinen Mantel eingerollt um wenigstens den Anschein von Wärme zu wahren, dass ich fast wieder aufgesprungen war. „Wehe. Euch mag die Kälte nichts ausmachen, aber bevor ich mich an euch wärme, muss noch einiges passieren“. „Wie ihr wünscht“, damit legte er sich etwas von mir entfernt auf den Boden und schlief ein. Ich beneidete ihn um diese Fähigkeit, doch das musste man wohl können, wenn man unterwegs war mit einem Feind im Nacken. Da hatte ich deutlich größere Probleme. Eine Weile drehte ich mich von einer auf die andere Seite in der Hoffnung endlich Schlaf zu finden, doch der harte Boden und die Kälte die sich schmerzhaft wie eine Decke um mich legte machten es mir nicht einfacher. Die Schreie der Menschen und das Tosen des wütenden Feuers hallten immer noch in meiner Erinnerung wider. Sobald in meine Augen schloss blitzten die Bilder der brennenden Strohdächer, panikerfüllten Gesichter, die in flammenstehenden sterbenden Tiere und die Soldaten vor meinem inneren Auge auf. Ein dicker Knoten der Schuld bildete sich in meiner Brust, der mich zu ersticken drohte. Ich atmete schwer und zwang mich diese für den Moment zu vergessen, ich brauchte den Schlaf, sonst würde mir die Kraft fehlen den morgigen Tag zu überstehen. Irgendwann musste ich wohl eingeschlafen sein, denn ich wachte mitten in der Nacht zitternd und mit tauben Gliedmaßen wieder auf. Raziel hockte vor mir und sah mich besorgt an. „Was ist?“ fragte ich ihn überrascht. „Euer Zähne klappern hält mich wach,“ stellte er fest. „Bitte…entschuldigt“, stotterte ich und presste meine Zähne aufeinander damit sie aufhörten zu zittern. Kopfschüttelnd zog Raziel seinen Brustpanzer aus und legte sich vor mich auf den Boden. Seine Arme schlangen sich um meinen Körper und zogen mich, ohne Widerworte zu dulden, eng an seine Brust. Normalerweise hätte ich wohl lauthals protestiert, aber in meiner jetzigen Lage hätte ich mich auch wohl in einen Pferdekadaver gekuschelt. Meine eiskalten Hände lagen auf seiner warmen Haut und es war als würde ich mich verbrennen. Es prickelte, doch es tat gut. Mit einem zufriedenen Seufzen kuschelte ich mich noch enger an seinen warmen Körper. Nach und nach hörte das Zittern auf und ich konnte noch ein wenig schlafen.

 

Mich wohlig in der Wärme aalend wachte ich relativ ausgeruht im Morgengrauen auf. Als ich meine Augen aufschlug, erstarrte ich. „Guten Morgen, ich hoffe ihr habt gut geschlafen?“ Die belustigte Stimme des Vampirs drang sanft an mein Ohr. Als mein Blick den seinen traf, traf es mich wie ein Schlag. Ich hatte die ganze Zeit an seiner Brust geschlafen! Hin und her gerissen ob ich ihm danken oder beschimpfen sollte, starrte ich ihn weiterhin an. „Ihr wart so am Zittern ich musste mich zu euch legen, sonst hätte ihr wohl den nächsten Tag nicht erlebt“. Er hatte Recht. „Auch wenn es mir missfällt, muss ich mich wohl bei euch bedanken.“ Räusperte ich mich und genoss noch für wenige Sekunden die enge Umarmung als er sie löste und mir auf die Beine half. Stöhnend streckte ich mich und dehnte meine verspannten Muskeln. Dabei zuckte ich merklich zusammen als der Schmerz wieder aufflammte. Er hatte mich beobachtet und runzelte die Stirn. „Das wird noch eine Weile dauern bis das verheilt ist“ und deutete mit einem Finger auf meinen Hals, wärend er sein Pferd sattelte. Seufzend tat ich es ihm gleich. „Warum war es bei eurem Biss nicht so schlimm?“ fragte ich ihn ohne den Blick von dem Sattel abzuwenden. „Nun je verspannter das Opfer ist, umso schmerzhafter ist der Biss. Und er hat euch gegen euren Willen gebissen, das hinterlässt eine noch negativere Prägung“. Sachlich erklärte er mir den Unterschied und ich musste ihm Recht geben. Bei der Erinnerung an seinen Biss musste ich in der Bewegung innegehalten haben, denn er sah mich verwirrt an. „Ist alles in Ordnung?“ Eilig zäumte ich mein Pferd weiter auf und vermied es ihn anzusehen. „Ja es geht schon. Wir sollten aufbrechen, ich würde gern Olinera vor dem nächsten Morgen erreichen!“ Damit saßen wir auf und machten uns auf den Weg.

 

Das dumpfe Trommeln der Hufe auf dem harten Boden und das gelegentliche Schnauben der Pferde waren die einzigen Geräusche die ich an diesem wolkenverhangenen Morgen vernehmen konnte. Zwischendurch beobachtete ich die Umgebung auf irgendwelche Anzeichen von Verfolgern oder Angreifern. Auch Raziel lauschte ab und an und blickte oft zurück, wo ich seinem Blick folgte und nichts als die kahle Ebene erkennen konnte. Der eiskalte Wind peitschte unsere Mäntel und die Mähnen der Pferde auf. Meine Finger drohten abzufrieren und es wurde immer schwieriger die Lederzügel zu halten. Darum war ich umso glücklicher das unsere Pferde so lieb und folgsam waren. Auf einem naheliegenden Hügel machten wir am Nachmittag eine kurze Rast. In einem Steinkreis, der allein und mitten in der Landschaft lag, hatten wir ein wenig Deckung, dass wir uns umsehen konnten. Es war so ruhig und friedlich hier. Er wirkte surreal mit seinen hohen und fast gleichmäßigen Hinkelsteinen, die auf dieser weiten Fläche so fehl am Platz zu stehen schienen. Der kleinste der im Zentrum stand, hatte etwas von einem Altar. Neugierig sah ich sie mir genauer an. Der graue mit Moos und Flechten bewachsene Stein, schien aus der Erde zu wachsen. Verwitterte Runen, die ich noch nie gesehen hatte, zierten jeden einzelnen von ihnen. Es schien als würde die Luft zwischen ihnen vibrieren und sich im Zentrum ballen. Wie in Trance trieb es mich auf den Altar zu. Als meine Handflächen den Stein berührten schrak ich zusammen. Er war trotz der Kälte warm. Es schien in seinem Inneren regelrecht zu pulsieren. Tief durchatmend gab ich mich dieser Energie hin und war überrascht als etwas Reines nach mir zu greifen schien. Eine Bilderflut überrollte meinen Geist, als ich die Berührung zuließ. Nichts was wirklich zu erkennen war. Unscharf, verschwommen rauchten sie an mir vorbei bevor diese Energie mich wieder losließ. Doch es hinterließ ein Gefühl der bösen Vorahnung und der Gewissheit, dass uns ein großes Unheil bevorstand. „Ist alles in Ordnung“, Raziel stand plötzlich neben mir und sah mich forschend an. „Ich weiß nicht“, blinzelte ich ein paar Mal und trat von dem jetzt kühlen Stein zurück. „Wir sollten weiter reiten“, nuschelte ich perplex und wand mich zum Gehen.

 

Olinera war schon in der Ferne zu erkennen, zu mindestens der Hafen. Hell erleuchtet warf er sein warmes Licht in der herannahenden Abenddämmerung in unsere Richtung, er schien zum Greifen nahe. Doch der Schein trügt, wir würden noch ein paar Stunden brauchen bis wir dort waren. Wir ritten bereits wieder als Raziel unruhig wurde und dauernd auf einen Punkt südlich von uns sah. „Was ist?“ er musste meine Sorge raus gehört haben, denn er wand den Blick sofort von dem Punkt ab und sah mich zwinkernd an. „Macht euch keine Sorgen, wir werden es vorher schaffen!“ Noch bevor ich fragen konnte wovor wir es schaffen würden, trieb er sein Pferd zu einem scharfen Galopp an, dem ich folgte. Er hatte es wirklich eilig und so ritten wir schweigend und konzentriert der Nacht entgegen. Je näher wir den Lichtern Olinera´s kamen umso angespannter wurde der Vampir. Selbst die Pferde schienen etwas gewittert zu haben und liefen schneller. Nur noch wenige hundert Fuß und wir hätten unser Ziel erreicht, als ich drei Gestalten auf uns zu rennen sah. Sie waren zu Fuß, doch das minderte ihre Schnelligkeit nicht. Sie holten schnell zu uns auf und fixierten uns mit ihren rotglühenden Augen. Im Schein des aufsteigenden Mondes am wolkenklaren Himmel, erkannte ich ihre Rüstungen und mir lief wieder ein eisiger Schauer über den Rücken. „Reitet weiter!“ befahl der Vampir mir und ritt mit gezogenem Schwert in einem Bogen auf die Angreifer zu.

 

Panik stieg in mir auf als ich sah wie zwei der Soldaten sich auf Raziel stürzten und einer sich in meine Richtung wandt. Raziel schlug einem im vollen Galopp den Kopf von den Schultern und war gerade dabei dem zweiten dasselbe Schicksal nahe zu legen. Als die rotglühenden Augen neben mir auftauchten, musste ich hilflos zusehen wie er zum Sprung ansetzte um mich vom Pferd zu ziehen. Doch im letzten Moment schlug mein Pferd einen Haken, so dass der Vampir ins Leere sprang und ich fast vom Rücken des Tieres rutschte. Mit Mühe und Not krallte ich mich mit tauben Fingern in die Mähne das Rappen und behielt die Lichter des Hafens im Auge. Doch der Soldat war wieder an meiner Seite und schlug mit seiner Hand nach meinem Bein. Ein unsagbarer Schmerz durchfuhr meinen Oberschenkel, als er mit seinen Krallen meine Hose zerfetzte und das Fleisch traf. Angestachelt von dem Blutgeruch, setzte er abermals zum Sprung an und dieses Mal würde er mich kriegen, das wusste ich. Noch bevor ich mit meinem Leben abschließen konnte, zurrte eine silberne Klinge durch die Luft und der Vampir fiel in zwei Hälften klatschend auf den Boden. Feiner Blutnebel benetzte mein Gesicht und der Anblick der umherfliegenden Gedärme ließen mich würgen. Doch bevor ich einen weiteren Blick auf den zweigeteilten Kadaver werfen konnte, trug mich mein Pferd außer Sicht. Raziel erschien an dessen Stelle und sah mit gierigem Blick auf mein Bein. Noch bevor er etwas sagen konnte, mussten wir die Pferde zügeln, denn wir ritten direkt in den Lichtkegel des Hafens. Endlich in Sicherheit.

 

 

Olinera

Das leise Surren des Zeppelin´s war einschläfernd. Trotz der kalten einfachen Holzbank hätte ich direkt einschlafen können. Stöhnend bedeckte ich meinen Oberschenkel mit meinem Mantel, damit niemand Fragen stellte, aber eigentlich damit der Vampir nicht noch weiter gequält wurde, doch vergeblich, der Blutgeruch schwängerte die Luft. Ich bemerkte das er von Stunde zu Stunde mehr mit seinem Blutdurst zu kämpfen hatte, dass ich jetzt auch noch zusätzlich verletzt worden war, besserte seine Laune nicht. Der Hafen Olinera´s war ein Lufthafen. Diese fortschrittliche Stadt hatte so einige Überraschungen die mir den Atem raubten. Ich hatte nur Gerüchte und Geschichten von diesem Ort gehört, doch war selber nie da gewesen. Wobei mein Interesse und mein Wissensdurst mich längst hätten hertreiben müssen. So hatte ich die vielen Zeppeline mit den Gondeln unter den Ballonen bestaunt und sogar für einen Moment meine Schmerzen und den Vampir vergessen. Über verschiedene Anleger, die über die in den Klippen gehauen Treppen zu erreichen waren, kam man über Hängebrücken auf diese seltsamen Schiffe. Aber nur so kam man nach Olinera, da die Stadt auf einen einzigen riesigen Bergplateau erbaut wurde. Mit den Pferden waren wir an Bord gegangen. Raziel schien nicht besonders beeindruckt zu sein. Er führte mich zielorientiert an ein etwas kleineren Zeppelin der nur uns mit nur wenigen weiteren Passagieren transportieren würde. Er hatte mich auf eine Bank gesetzt, die Pferde gesichert und dann den Obolus für die Überfahrt bezahlt. Nun saß er neben mir, starrte geradeaus auf die andere Seite der Kabine und versuchte so wenig wie möglich zu atmen. Sobald er mich ansah verzog er gequält das Gesicht. Ich wusste was ich machen müsste. Doch wir waren nicht alleine. In der Gondel saß noch ein junges Pärchen, welches mit ihren Koffern uns gegenübersaß. Neugierig betrachtete ich die beiden und ließ den älteren Herren, der in einem Buch las, außen vor. Die Frau hatte ihre braunen Haare hochgesteckt und unter einem Filzhut mit breiter Krempe gesteckt. Ihr braunes langes Kleid mit den hübschen Blumenstickereien lag glatt über ihre übereinander geschlagenen Beine. Sie hatte sich in den Arm des Mannes eingehakt und ihren Kopf auf seine Schulter gelegt. Leise flüsterte er ihr Worte ins Ohr die sie Kichern ließen. Sein dreiteiliger schicker Anzug war gut unter seinem Mantel aus Fell zu erkennen. Beide strahlten Reichtum aus, sie waren glücklich und schienen frisch verliebt zu sein.

 

Dagegen mussten der Vampir und ich ein seltsames Paar abgeben. Ich die ausgemergelte und verletzte junge Frau mit den zerzausten offenen roten Haaren und dem verdreckten Gesicht, die sich gerade noch aufrecht sitzend halten konnte. Und er der gutaussehende Mann der wie eine Statue neben mir saß, konzentriert nicht über mich herzufallen in seiner Lederrüstung und seinem Schwert an seiner Seite. Doch wir schienen ihnen nicht einmal aufzufallen, denn sie konnten die Augen nicht voneinander lassen. Auch nicht als der Kapitän die Leinen löste und der Zeppelin ohne weitere Geräusche sich von dem Anleger löste und gen Himmel schwebte. Ich genoss den Moment der Stille und sah aus dem Fenster. Das Schwarz der Nacht wich langsam einem Kobaltblau und kündigte den Sonnenaufgang an. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass wir die ganze Nacht gebraucht hatten um an Bord eines der Luftschiffe zu gelangen. Ich hatte am Fuße des Berges auf Raziel gewartet und mir notdürftig das Bein verbunden. Der Vampir hatte mich und die Pferde allein gelassen um den Hafen auf mögliche Gefahren auszukundschaften. Am Fuße des Plateaus hatte ich mir ein ruhiges Fleckchen gesucht um mich auszuruhen und sogar ein wenig zu schlafen. Der Zwischenfall im Steinkreis und die Verfolgung der Soldaten hatten mir mehr Energie geraubt als mir lieb war. Die Stunden waren verronnen wie der Nimeneth der stetig durch das Land floss. So genoss ich jetzt die kurze Zeit der Ruhe und bewunderte den frühen Morgen. Diese magische Blaue Stunde gehörte zu meiner Lieblingstageszeit. Es war immer so ruhig und friedlich, so wie die Sterne langsam verblassten und die aufgehende Sonne sich den Himmel für einen kurzen Moment mit dem Mond teilte. Schnell wich das Blaue einem strahlenden Gelb. Als die ersten Sonnenstrahlen seit langem mein Gesicht berührten, schloss ich die Augen und genoss die letzte Wärme der aufgehenden Herbstsonne. In diesen wenigen Momenten der Ruhe konnte ich meine Gedanken ordnen und die letzten Stunden Revue passieren lassen. Wärend wir Meter um Meter weiter in die Lüfte stiegen und dem Plateau immer näherkamen, schloss ich meine Augen und genoss das schwebende Gefühl.

 

Mit einem sanften Ruckeln hielt das Luftschiff an und wir wurden vom Kapitän gebeten noch einen Moment sitzen zu bleiben, bis der Zeppelin vertäut sei. Der Vampir sah mich nicht mal mehr von der Seite an, so sehr musste er sich auf seinen Blutdurst konzentrieren. „Ihr hättet euch keinen besseren Ort aussuchen können, als eine riesige Menschenmasse auf einem unerreichbaren Berg, um jetzt Hunger zu bekommen!“ raunte ich ihm zu während wir die Pferde losbanden und über die kurze Brücke führten. „Wir haben keine Wahl“, grummelte er zurück. „Habt ihr überhaupt einen Plan wohin wir jetzt gehen können?“ fragte ich ihn sarkastisch. Seine Antwort nicht mehr abwartend stiefelte ich an ihm vorbei auf einen Mann zu der die Tickets neuer Passagiere kontrollierte. „Entschuldigen sie Sir“, setzte ich ein honigsüßes Lächeln auf und strahlte den älteren Herren an. Dieser kurz überrascht von meiner übertriebenen Freundlichkeit am frühen Morgen hielt kurz inne und lächelte mir ebenfalls freundlich zurück. „Guten Morgen mei Lady, was kann ich für euch tun?“ Mit etwas Augen klimpern trat ich von einem Fuß auf den anderen. „Mein Mann und ich sind auf Hochzeitsreise und eine Freundin von mir hat uns von Olinera und einem ganz bestimmten Laden berichtet, in dem es außergewöhnliche Blumen geben soll. Leider haben wir uns noch kein Bild von der Stadt machen können und sind hoffnungslos verloren“. Meiner aufgesetzt theatralischen Miene schien er zu glauben, denn er erklärte mir wie selbstverständlich und meinen Zustand geflissentlich übersehend, dass er den Laden kenne und wie ich am besten dorthin komme. Ich dankte ihm mit einem erleichterten Lächeln und strahlte ihn ein letztes Mal an, er hatte nicht einmal die Chance sich nach dem Vampir umzusehen.

 

Winkend verabschiedete er sich von uns und ging seiner Arbeit wieder nach. „Ging das nicht auch ein wenig unauffälliger?“ „Dafür waren zu wenig Menschen auf dem Steg, so hat er uns im Guten in Erinnerung, außerdem habe ich einen Plan, also was beschwert ihr euch!“, giftete ich zurück und folgte der Beschreibung des Mannes. Noch bevor ich mich überhaupt orientieren konnte, erschlugen mich regelrecht die Eindrücke die diese Stadt mir gab, dass ich selbst die schmerzende Wunde vergaß. Neben dem steinernen Weg der auf ein riesiges schmiedeeisernes Tor führte, durch das ein ganzes Haus gepasst hätte, lagen unendliche Blumenwiesen. Trotz der Kälte und dem Bodenfrost, blühten sie in allen Farben und Formen. Das Gras sah weich und saftig aus und lud zum Picknicken ein. Trotz der frühen Morgenstunde war die Stadt schon voller Menschen. Je weiter wir dem Weg folgten umso mehr reihten sich ein Haus an das nächste. Eiserne Laternen in denen es leise Surrte erleuchteten die noch dunklen Straßen. Ich versuchte heraus zu finden was sie erhellten. Es standen keine Kerzen in ihnen, nur eine hell leuchtende Flamme tanzte in dem gläsernen Lampenkopf. Sie faszinierten mich, doch wir mussten weiter. Moderne schicke Häuser mit farbigen Gemäuern und verzierten und verschnörkelten Fenstern und Türen waren in symmetrisch angelegten Blöcken angelegt. Auf den sauberen und gut gepflasterten Straßen fuhren Kutschen ohne Pferde. Sie tuckerten leise die Straßen entlang und zogen Dampfschweife hinter sich her. Wir kamen an Bäckereien, Schmieden, Juwelieren, Uhrmachern, Bibliotheken, Lederwaren und Bekleidungsgeschäften vorbei. Ihre bronzenen Aushängeschilder erstrahlten in der aufgehenden Sonne und jedes war anders gestalten. Am faszinierendsten fand ich eine riesige mechanische offene Uhr die leise surrend an der Wand, über dem Eingang eines Uhrmachers hing. Die einzelnen Zahnräder drehten sich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und ließen die riesigen Zeiger der Uhr langsam weiter ticken. Elegant gekleidete Männer und Frauen in kostbaren Gewändern kreuzten unseren Weg und nickten uns freundlich grüßend zu. Der Duft nach frischen Brötchen, gebratenem Essen und frischem Leder schwängerten die frische Morgenluft. Obwohl uns auch Pferde entgegenkamen, roch es weder nach Pferdemist, Urin noch nach anderem Unrat und Dreck wie in den üblichen Städten die ich bereits besucht hatte. Alles wirkte sauber, freundlich und strotzte nur vor Reichtum. Als uns eine Brigade Wachmänner entgegenkam, wurde mir doch für einen kurzen Moment mulmig zumute, doch auch sie grüßten freundlich und gingen weiter. Man bekam das Gefühl das hier die Welt in Ordnung war, keine Gefahr, keine Kriminalität, alles schien sicher.

 

Meine Bewunderung für diesen Ort ließ mich meine Schmerzen und Sorgen gänzlich vergessen. Wie ein Kind erkundete ich mit großen Augen die Läden und Plätze und beobachtete die Menschen. Sonderbare Maschinen flogen und fuhren dampfgetrieben durch die Straßen. Unseren Pferden schienen diese nicht ganz geheuer zu sein, so dass wir uns schnell wieder auf die Suche nach dem Blumenladen machten. Raziel überließ mir die Führung und so standen wir schon bald vor dem Blumenladen von Lanee´s Freundin. Sie behielt recht, er war etwas Besonderes. Wir hatten uns von der Beschreibung des Fahrkartenkontrolleurs leiten lassen und waren in den äußeren Bereich angekommen, wo die Gebäude nicht so groß und pompös waren. Kleinere Häuser standen dicht an dicht in engen kleinen verwunschenen Gassen aneinander. Kleine Gärten zierten Innenhöfe und Häusereingänge. Feine in sich verschnörkelte Gusseiserne Zäune rahmten Wege und Flächen ein. Selbst Bäume blühten noch in voller Pracht und vermachten einem das Gefühl von Frühling.

 

 

 

Eingerahmt von dieser idyllischen Kulisse lag der kleine Laden in einer schmalen Seitengasse. Eingerahmt von einem Kuriositätenladen und einer Schmiede fiel er durch die bunten Farben und außergewöhnlichen Formen der verschiedenen Blumen und Pflanzen auf, die in Stufen auf kleinen Tischen vor dem Laden ihren Duft verströmten und einen einluden. Eine wahre Geruchsexplosion vernebelte den Geist und ließ die Stadt um einen herum vergessen. Vor dem Laden banden wir unsere Pferde an bronzenen Ringen an. Hier war es deutlich ruhiger, es waren kaum Menschen unterwegs und so konnten sich unsere treuen Gefährten ausruhen. Beim Betreten des Ladens erklang ein helles Glöckchen und ließ die Frau, die hinter dem Tresen stand aufblicken. Unglaublich grüne Augen strahlten uns freundlich entgegen und wurden von braunen Locken eingerahmt. Die Frau war unglaublich hübsch mit ihren feinen Gesichtszügen und den kleinen Sommersprossen. „Guten Morgen, kann ich Ihnen vielleicht schon behilflich sein?“ Kam sie um ihren Tresen direkt auf uns zu. Ihr hellblaues Kleid schwang bei jeder ihrer Bewegungen mit und streifte leicht die umstehenden Blumen in ihren Vasen und Töpfen. „Guten Morgen“, räusperte ich mich, um meine Stimme wieder zu finden und lächelte freundlich zurück. „Wir sind auf der Suche nach Nina Grimfort. Meine Freundin Lanee hat mich gebeten ihr etwas vorbei zu bringen!“ Ich hätte nicht gedacht, dass das möglich war, aber als die Frau Lanee´s Namen hörte, leuchteten ihre Augen noch mehr. Freudestrahlend kam sie auf mich zu und stand direkt vor mir, aufgeregt auf und ab wippend. „Ihr kennt Lanee? Wie geht es ihr? Ich habe sie schon ewig nicht mehr gesehen. Was führt euch zu mir?“ Ich überreichte ihr das kleine Päckchen, welches ich gut verstaut in meiner Manteltasche mit mir trug. Ihre zarten Finger nahmen es mir ab und sie riss sofort das Papier darum auf. Wie ein ungeduldiges Kind an Weihnachten war ihre Neugierde größer als das Geheimnis des Päckchens. Ehrfürchtig hielt sie ein kleines Buch in den Händen und blätterte abwesend darin herum. Als sie aufsah, lagen Tränen in ihren Augen. „Ich dank euch, vielen Dank dass ihr mir diesen Schatz vorbeigebracht habt, das bedeutet mir sehr viel“. Nicht auf eine Umarmung vorbereitet, wäre ich bei ihrem überschwänglichen Dank fast umgekippt. „Kein Problem, das habe ich gerne gemacht.“ „Bitte verzeiht meine Unhöflichkeit, wir haben uns noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Lady Ray und mein Gefährte ist Sir Raziel“. Sich die Tränen von den Wangen wischend, löste sie sich eilig wieder von mir und trat verlegen einen Schritt zurück. „Bitte verzeiht, ich bin manchmal ein wenig zu stürmisch. Freut mich euch kennen zu lernen. Ihr müsst müde sein von der Reise. Habt ihr schon eine Bleibe für die Nacht?“ Ihr Blick war nur auf mich gerichtet, was auch gut war, denn wenn sie sich Raziel genau angesehen hätte, hätten wir uns wahrscheinlich verraten. „Nein haben wir noch nicht.“ „Oh bitte dann seid meine Gäste. Eure Pferde könnt ihr in den Innenhof bringen, dort habe ich einen kleinen Stall“. Dankend nickte ich ihr zu und wir gingen wieder hinaus. Der Vampir wankte geschwächt hinter mir her. „Bleibt drinnen, ich kümmere mich um die Pferde“, versuchte ich ihn noch ein wenig zu schonen, doch er wank ab. „Lasst mich nicht mit ihr allein“, flehte er mich regelrecht an. Seine Augen glühten rot. „Ok, dann beeilen wir uns!“

 

Nina hatte uns ihre Wohnung gezeigt und uns in das Gästezimmer gebracht. Sie lag über dem Blumenladen und bot einen atemberaubenden Ausblick auf die Klippen und das umliegende Land. Sie war klein, aber gemütlich eingerichtet. Selbst hier roch man die Blumen aus dem Laden. Ein paar hatte sie zu dekorativen Gestecken gebunden und sie in der Wohnung aufgestellt. „Es tut mir leid, dass ihr euch ein Bett teilen müsst, aber das dürfte kein Problem sein, fühlt euch einfach wie zu Hause“, zwinkerte sie uns zu und wand sich zum Gehen. „Ich koche uns mal ein Mittagessen und dann müsst ihr mir alles über Lanee erzählen“, damit verschwand sie und ließ uns in dem kleinen Zimmer allein. Seufzend ließ sich Raziel auf das Himmelbett fallen und blieb für einige Sekunden liegen. Den Kamin anzufeuern war kein Problem, eine Formel gemurmelt und schon lechzten leuchtende Flammen nach dem trockenen Holz. Neben einem schmalen Kleiderschrank, einer Sitztruhe und einem Schreibtisch war kaum noch Platz in dem Raum. Große schmale Fenster zum Innenhof ließen Blick auf den Stall und einen kleinen Garten sowie auf die Nachbarhäuser frei. Seufzend legte ich meinen Mantel, den Gürtel und die Korsage auf der gepolsterten Sitztruhe ab. Der bunt gemusterte Teppich lud zum Barfußlaufen ein, welchem ich gerne nachkam. Es tat gut, sich endlich ein wenig frei zu machen. Vorsichtig half ich auch Raziel aus seiner Lederrüstung und legte sie an der mit Gold Intarsien geschmückten Tapete an der Wand ab. Sein Gesicht war noch blasser als zuvor und sein hungriger Blick ließ nichts Gutes erahnen. An den Bettpfosten gelehnt sah er mich an wie ich ihm seine Stiefel auszog. Sein Blick durchbohrte mich regelrecht, so dass ich eine Entscheidung traf. Meinen Ärmel meiner Bluse aufgeknöpft rückte ich näher an ihn heran und hielt ihm mein Handgelenk hin. „Trinkt!“ befahl ich. Der Zwiespalt in seinen Augen überraschte mich. „Ihr seid zu geschwächt, als dass ihr mir eine Hilfe seid und auf die Schnelle jemanden zu finden von dem ihr trinken könnt ist unmöglich. Also trinkt!“ Seine kühlen Hände umschlossen meine Hand unsicher. Mit einem letzten Blick bat er um Verzeihung, doch ich hielt ihm stand. Als seine Zähne meine Haut durchbohrten durchfuhr mich wieder dieses Kribbeln, längst nicht so ergreifend und machtvoll wie beim letzten Mal, doch es war auch längst nicht so schmerzhaft wie der Biss des Soldaten. Gierig trank er mein Blut, vereinzelte Rinnsale der warmen Flüssigkeit rannen über mein Handgelenk und tropften auf meine Hose. Nach anfänglicher Zurückhaltung sog er immer gieriger, bis ich ihn stoppen musste. Wenn er es darauf angelegt hätte, wäre mir das nicht gelungen, doch er spürte wie sehr es mich schwächte und so ließ er von mir ab. Keuchend und nach Luft ringend lehnte er sich zurück an den Bettpfosten und leckte sich die Lippen. Ungewiss was ich nun empfinden sollte, rückte ich von ihm ab und band mir ein Stück Stoff um mein blutendes Handgelenk. „Ich werde ein Bad nehmen, ruht euch aus.“ Geschwächter als gedacht stand ich auf und wäre fast über meine eigenen Füße gestolpert, hätte er mich nicht im letzten Moment aufgefangen. „Lasst mich euch ein Bad einlassen“, bat er reuevoll. Er hob mich auf seine Arme und trug mich durch den Flur in das hübsch eingerichtete Badezimmer. Wärend das Wasser in eine auf bronzenen Krallenfüßen stehende Emaille Wanne lief, half er mir mich aus meiner Kleidung zu schälen. Wie eine Puppe aus Porzellan behandelte er mich und setzte mich dann in das schäumende warme nach Blumen duftende Wasser. Seine Schuldgefühle machten mich wütend und traurig zugleich. „Bitte schaut nicht so drein“, legte ich eine Hand an seine Wange als er sich mit gesenktem Kopf neben die Wanne kniete und nach Worten zu suchen schien. Ich hob sein Kinn an so dass er mich ansehen musste. „Ich habe es freiwillig getan. Ohne euch wäre ich schon längst tot, ihr habt mir vorhin das Leben gerettet“. Verächtlich entzog er sich meinen Blick. „Wenn ich nicht gewesen wäre, wärt ihr gar nicht erst in einer solchen Lage!“ Sanft streichelte mein Daumen über seine glatte weiche Wange. Seine Haut bekam wieder Farbe und seine Wärme kehrte zurück. „Glaubt mir, ich hätte euch so oder so getroffen. Manche Dinge sind einfach vorherbestimmt. Grämt euch nicht, ihr habt mir das Leben gerettet, da zahle ich den Preis gerne“. Langsam verschwand der reuevolle Blick und etwas anderes, etwas Sanftes trat an seine Stelle. „Ruht euch aus, ich werde euch etwas zum Anziehen besorgen.“ Als er ging schrie alles in mir, dass er bleiben sollte. Verzwickt in dieser Situation gefangen wusste ich weder was ich denken noch machen sollte. Egal wie ich es auslegte oder was ich dachte zu fühlen, kam ich immer zu demselben Ergebnis. Ich hatte mich in ihn verliebt. Seufzend schloss ich meine Augen und gab mich der Wärme des Wassers hin. Der Duft der Blumen benebelte meinen Geist und trieben mich in ferne Gefilde.

 

Das heiße Bad und etwas Schlaf hatten ihr Gutes getan. Langsam kamen meine Lebensgeister wieder zurück und tatsächlich lag auf dem kleinen Hocker neben der Wanne ein einfaches langes Kleid. Es konnte nicht Nadine gehören, dafür war sie einfach zu klein und schlank. Ohne darüber weiter nachzudenken woher er es hatte, stieg ich aus der Wanne, trocknete mich ab und zog es an. Es passte perfekt. Etwas beschämt, das er mich so gut kannte um zu wissen welche Größe ich hatte, setzte ich mich noch vor den Spiegel und bürstete meine langen Haare. Wärend die weiche Bürste durch meine mittlerweile wieder geschmeidige Mähne fuhr, kam ich mal wieder nicht umhin über Raziel nachzudenken. Er hatte zwei Seiten an sich die im Ungleichgewicht zueinander zu stehen schienen. Diese weiche und fürsorgliche Art die er in den wenigen seltenen Momenten zeigte, machte ihn regelrecht verletzlich. Doch sie wurde jäh von dem dominanten und selbstgefälligen Krieger abgelöst, der mich umher scheuchte und mir lüsterne Blicke zuwarf. Im Kampf gefiel mir dieser Vampir eindeutig besser, so würde ich ihn auch noch des Öfteren brauchen. Dennoch sehnte ich mich bei Zeiten nach dem Raziel, der neben mir niederkniet und sich vor Reue und Selbsthass läuterte.

 

„Ihr seht so wunderschön aus“, eine Frauenstimme riss mich brüsk aus meinen Gedanken. Überrascht, dass sie sich so leise an mich herangeschlichen hatte, sah ich in die sanften Augen Nadine´s die im Türrahmen stand. „Oh bitte entschuldigt, ich wollte euch nicht stören. Ich wollte euch nur Bescheid geben, dass das Essen fertig ist“. Wurde sie rot und verneigte sich leicht. „Nein, nein alles in Ordnung. Ich danke euch für dieses schöne Kleid“. Wollte ich meinen Verdacht beweisen, dass Raziel anscheint doch Geschmack hatte was Kleider angeht. Beeilte ich mich die Bürste zur Seite zu legen und ihr in die Küche zu folgen. „Das ist nicht von mir“, musterte sie den grünen Samtstoff. „Das muss Sir Raziel euch besorgt haben. Er sieht übrigens viel besser aus, egal was ihr mit ihm gemacht habt, es hat wahre Wunder gewirkt!“ Zwinkerte sie mir verschwörerisch zu. Wusste sie etwa was? Verstohlen warf ich einen Blick auf mein Handgelenk, welches wohl bewusst von den langen Ärmeln des Kleides verdeckt wurde. „Es steht euch übrigens hervorragend, er hat einen guten Geschmack“, zwinkerte sie mir noch zu und deutete auf den gedeckten Tisch. In einem kleinen Wandspiegel im Flur hatte ich einen Blick darauf werfen können und war wirklich überrascht. Sie hatte Recht es stand mir wirklich sehr gut, umschmeichelte meine Figur und brachte meine Augen zum Strahlen. Raziel, der bereits am Tisch saß musste grinsen als er mich sah. „Ah sehr schön. Ich war mir nicht ganz sicher ob es euch passen würde, aber wie ich sehe steht es euch sehr gut und ihr passt jetzt besser in diese Gesellschaft“. Ein fieses Funkeln blitzte in seinen Augen auf. „Was soll das denn jetzt heißen?“ giftete ich ihn an, vergessen seine liebe Geste. Abwehrend hob er die Hände. „Ich sage nur das eine Lady wie ihr es seid in dieser Stadt auffällt, in Lederhosen und dreckigem Mantel. Ihr solltet mir lieber danken“, verzog er säuerlich den Mund und senkte seine Hände. Er hatte ja Recht, auch wenn ich es ungern zugab. „Bitte entschuldigt, ihr habt ja Recht.“ Setzte ich mich mit gesenktem Blick ihm gegenüber an den Tisch. „Danke, für das schöne Kleid!“ Sein selbstgefälliges Grinsen war mir trotzdem zuwider.

 

Das Essen welches Nadine gekocht hatte war einfach köstlich. Sie war wirklich eine gute Köchin und erzählte uns das sie auch vorgehabt hatte eine zu werden, als sie ihre Liebe und Gabe zu den Blumen entdeckte. Sie erzählte uns von den verschiedenen Sorten und Züchtungen, wobei ich die Hälfte schon wieder vergaß. Raziel war ein Gentleman, er hörte zu, sagte an den richtigen Stellen genau das Richtige und half ihr sogar beim Abwasch, während ich nochmal zu den Pferden ging. Eifersucht biss sich in mein Herz, als ich die beiden nebeneinanderstehend und witzelnd vor dem Spülbecken sah. So stellte ich mir eine richtige Beziehung vor, doch dafür war einfach keine Zeit, noch nicht. Auch das Eingerede, dass wir sie wahrscheinlich nie wiedersehen würden und das Wissen das er Frauen nur zum Spielen mit ins Bett nahm und er wahrlich kein Beziehungstyp war, machten es nicht besser. Wütend über mich selbst stapfte ich über das Kopfsteinpflaster des Innenhofes zu dem Pferdestall. Dort konnte ich mich das erste Mal wieder beruhigen. Der Duft der Pferde, des frischen Strohs und Heus, entspannten mich. Mein Rappe, der mir jetzt über seine Boxentür den Kopf entgegen reckte, lenkte mich weiter ab. Er war eine Stute und ihren Namen hatte mir Lanee vor unserer Flucht auch noch zugerufen, doch er wollte mir nicht mehr einfallen. Die braunen Augen des Pferdes schienen in meine eigene Seele blicken zu können, als ich ihre Stirn streichelte und über den Namen senierte. Ilmare, fiel er mir wieder ein. Ilmare bedeutete in der Elbensprache die himmlische Schönheit und das war sie wirklich. Ihr schwarzes Fell schimmerte im Schein der Laternen die den Stall in ein gedämpftes Licht warfen. Ihre braunen Augen hatten etwas tröstendes, die samtweichen Nüstern schnoberten an meinem Gesicht und der warme Atem roch nach Heu und Möhre. Unter nicht Pferdemenschen schien das alles nichts Besonderes zu sein, doch ich vermisste es sehr.

Ein Räuspern ließ mich aufschrecken. „Ich habe euch bereits gesucht“, die Stimme des Vampirs erklang weit entfernt und schien nicht hier her zu gehören. Er stand in der offenen Stalltür und schien mich beobachtet zu haben. „Wie lange steht ihr schon da?“ giftiger als gewollt fauchte ich ihn an. „Bitte verzeiht, ich wollte nicht stören“, damit wand er sich ab zum Gehen. „Nein, bitte...“ ließ ich von der Stute ab und trat einen Schritt auf ihn zu um dann doch wie angewurzelt stehen zu bleiben. Verwundert drehte er sich wieder zu mir um und wartete ab. „...es tut mir leid. Ich wollte euch nicht so angehen“. Und so standen wir uns für eine gequälte Sekunde gegenüber, keiner traute sich etwas zu sagen. „Ich wollte mich eigentlich nur nochmal bei euch bedanken, dass ihr mir geholfen habt“. Die Erinnerung an den Biss, diese intime Zweisamkeit die dieses unbändige Verlangen in mir ausgelöst hatte, ließ mich erröten. Geistesgegenwärtig rieb ich mir die Stelle an meinem Handgelenk. Innerhalb eines Wimpernschlages stand er vor mir. Die Luft anhaltend wartete ich ab was er tun würde. Sanft hob er meine Hand zu seinem Gesicht. Er schob den Ärmel langsam zurück, so dass die beiden Einstiche im Schein der Laterne rosa aufleuchteten. Ich war immer noch fasziniert wie schnell solche Wunden mit Vampirgift heilten. Doch ich wurde je aus meinen Gedanken gerissen, als sich seine Lippen darauflegten und er diese sanft küsste. Sein Blick lag in meinem. Diese einfache Geste der Reue ließ mein Herz rasen. Alles um mich herum verschwamm, nur Raziel in dessen Augen ich versank, war das einzige was ich wahrnahm. Wie in Trance beobachtete ich wie er die verblassenden Narben liebkoste und mich dabei nicht aus den Augen ließ. Ja es gefiel mir, es gefiel mir sogar sehr. Sofort blitzten Bilder in meinem Geist auf wie er mich liebte, wie wir uns küssten und all die anderen Fantasien die man sich als Frau mit so einem Mann vorstellen konnte. Und genau das schien er zu sehen, denn sein Blick wurde dunkler und ich konnte sein Verlangen regelrecht spüren. Meine Lippen leicht geöffnet, hielt ich die Luft an als er sich langsam zu mir vorbeugte. Er wird doch jetzt wohl nicht?! „Verzeiht ihr mir?“ fragte er mit belegter Stimme und die Starre löste sich augenblicklich, da ich erkannte das er das aus Reue tat. „Ihr braucht euch nicht zu entschuldigen“, rückte ich ein wenig von ihm ab, um klarer denken zu können. „Ich habe das getan, weil ich ohne euch nicht mehr am Leben wäre und ich es auch nicht lange bleiben würde, wenn ihr nach Blut lechzend in dieser Stadt bliebet.“ Versuchte ich ihm klar zu machen, dass er sich nicht dafür entschuldigen brauchte für das was er getan hatte. „Zumal ich euren Zustand so nicht ertrage, ihr leidet und ich gebe euch gerne mein Blut“. Errötend da ich zu viel von mir Preis gegeben hatte, senkte ich meinen Blick und wartete auf seine Reaktion. Er ließ meine Hand los und wand sich zum Gehen. „Euch hat es gefallen, richtig?“ Überrascht über seinen Stimmungswechsel sah ich wieder auf. Wieder standen dieser Selbsthass und Ekel in seinem Blick. Sofort eilte ich zu ihm hin, legte meine Hände auf seine Brust und suchte nach seinem Blick. „Das habe ich damit nicht gemeint.“ Versuchte ich verzweifelt die richtigen Worte zu finden. Auch wenn ich es nicht zugeben würde, es tat mir weh, wenn er sich so von mir abwand. „Ich tue das gerne für euch, damit ihr nicht so leiden müsst. Ich kenne euch jetzt schon ein wenig und ich weiß das euch das Vampirdasein nicht besonders gefällt. Dennoch könnt ihr nichts dagegen unternehmen. Auch wenn sich das jetzt sehr egoistisch anhört, ich brauche euch als Vampir.“ Meine Worte schienen langsam zu ihm durchzudringen. „Und ich mag euch sehr sowie ihr seid.“ Als er seinen Blick hob um in dem meinen eine Lüge und List zu erkennen, schien er überrascht nichts dergleichen zu finden. Für mich war es heikel ihm so meine Gefühle darzulegen, doch es war die Wahrheit und es fühlte sich richtig an. Er nickte und sein Blick wurde wieder weicher. „Ihr habt wohl Recht“, seufzend atmete ich durch und bemerkte erst jetzt das meine Hände immer noch auf seiner Brust lagen und er nur ein Hemd trug. Errötend stellte ich fest wie warm und lebendig er war. Seine Muskeln waren fest und ich konnte seine Haut durch das Hemd durchschimmern sehen. Als hätte ich mich verbrannt, zog ich sie weg und hätte mich am liebsten dafür geohrfeigt. Sofort hatte er wieder dieses laszive Grinsen auf den Lippen. „Aber dennoch gefällt euch mein Biss“, seufzend verdrehte ich die Augen und hob die Hände. „Wie ihr meint. Ich habe meine Aufgabe hier in Olinera erledigt, mir stellt sich jetzt nur die Frage was ihr hier noch sucht?“ Wurde ich wieder ernst und sah ihm fest in die Augen. „Wir müssen einen Weg finden Lord Welish zu töten!“ Die Offenbarung seines Plans schockierte mich für einen Moment. „Ihr habt vor den Vampirkönig zu töten?“ musste ich mich zurück halten ihn nicht anzuschreien. Sein Blick verfinsterte sich. „Er ist nicht der König, er ist nur der Lord der dem rechtmäßigen König den Platz warm hält“, spie er aus. „Er ist nicht der wahre König?“ fragte ich dann doch etwas begriffsstutzig. „Nein, nicht mal ansatzweise. Er war der Berater und beste Freund von König Raziz.“ Dann fiel bei mir der Groschen. „Ihr wisst wer der wahre König ist!“ Für einen Moment blitzte etwas in seinen Augen auf, was ich nicht ganz beschreiben konnte, doch ich hatte genau ins Schwarze getroffen. „Ja ich weiß es. Lord Welish hat Raziz getäuscht und ihn verraten und ich will dem rechtmäßigen König seinen Thron wiederholen. Welish wird den Thron niemals freiwillig abgeben, im Gegenteil. Er will den Anwärter tot sehen, den letzten Nachfahren von Raziz. Deswegen muss ich ihn töten.“

 

Das alles ergab Sinn für mich. Dennoch war mir nicht entgangen, dass er mir irgendetwas verheimlichte. Ich hatte schon viele Gerüchte gehört über den König der Vampire. Und eines schien der Wahrheit zu entsprechen. „Ich habe gehört das er unsterblich sei, stimmt das?“ Raziel wand sich knurrend ab und lief gereizt auf und ab. „Ja das stimmt, ich habe bereits mehrere Male versucht ihn zu töten. Doch egal was ich ihm antat, es schien ihm nichts auszumachen. Deswegen versuche ich hier eine Antwort zu finden“. Ihn so ratlos zu sehen tat mir weh. „Ich werde mit dir mitkommen und dir dabei helfen!“ Wie angewurzelt blieb er stehen und sah mich entgeistert an. „Auf gar keinen Fall, ihr werdet schön wieder zurück in euer Wäldchen gehen und euch aus dieser Angelegenheit raushalten“. Wut stieg wieder in mir hoch. „Schon vergessen, dass ich kein Zuhause mehr habe?! Außerdem sind sie auf der Jagd nach mir, denkt ihr ich werde es alleine zurückschaffen?“ Funkelte ich ihn an. „Außerdem habt ihr mir schon euren Plan verraten, wenn ihr mich nicht dabei hättet haben wollen, dann hättet ihr das nicht getan“, setzte ich triumphierend einen nach und verschränkte siegessicher meine Arme vor der Brust. Nach Worten suchend starrte er mich an. „Ihr habt Recht. Ihr dürft mitkommen, aber wenn ihr mir ein Klotz am Bein seid, werde ich euch zurücklassen“. Damit ging er an mir vorbei zurück in das Haus. „Ein Klotz am Bein?“ stürmte ich ihm wütend hinterher um ihm meine Meinung zu geigen. 

Vertrauensvorschuss

 

Man sagt nur redenden Menschen kann geholfen werden, doch je länger ich gezetert hatte umso mehr hatte sich Raziel amüsiert. Aber seine Art wie er mich behandelte zu mancher Zeit, machte mich einfach rasend. Um mich abzulenken und wieder runter zu kommen hatte ich Nadine gefragt wie wir am einfachsten ins Stadtbibliothek gelangen würden. Freudestrahlend schwärmte sie von dem Archiv mit den unzähligen Büchern, den wunderschönen Hallen und den wissbegierigen Menschen. Mit einer kurzen Wegbeschreibung schickte sie uns auf den Weg. Die Straßen waren deutlich voller als noch am frühen Morgen. Menschen aus aller Herren Länder liefen eilig umher, Pferdekutschen und dampfbetriebene Wagen schlängelten sich einen Weg durch sie hindurch. Die meisten waren in schicken und aufwändigen Roben gekleidet. Raziel hatte seine Rüstung bei Nadine gelassen, um nicht aufzufallen. Dagegen wirkte ich geradezu adrett mit dem grünen Samtkleid. Wenn man mich und den Vampir so sah, könnte man meinen wir wären ein ganz normales Paar. Der große, gutaussehende, etwas zu blasse Mann mit ernster Miene und den weißen Augen und die rothaarige Frau mit der kurvigen Figur und dem wissbegierigen neugierigen Blick. Immer noch staunend huschte dieser von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten. Am meisten faszinierten mich die schwebenden Züge, wie ich sei nannte. Sie hingen an Schienen die in der Luft befestigt zu sein schienen und glitten fast geräuschlos über die Dächer der Stadt. Raziel schien unbeeindruckt und starrte nur geradeaus um nach dem nächsten Wegpunkt von Nadine´s Beschreibung zu suchen.

 

„Ihr seid ein Spielverderber, wisst ihr das eigentlich?“ Schmollte ich ein wenig, als er mich regelrecht am Arm weiterzog, als wir an einem riesigen Springbrunnen vorbei kamen in dem sich durch eine versteckte Mechanik, bronzefarbene Figuren zum Klang einer Spieluhr, durch das Wasser bewegten. „Und ihr benehmt euch wie ein Kind!“ Schlussfolgerte er aus meiner Reaktion. „Na gut, wenn ihr das so meint, werde ich mich auch so verhalten“, verschränkte ich die Arme und lief weiter tonlos hinter ihm her. Genervt blieb er abrupt stehen und rieb sich mit der Hand übers Gesicht. Unvorbereitet lief ich auch prompt in ihn hinein. „Bitte entschuldigt, dass ich euch beleidigt habe“. Seufzte er, wand sich an mich und sah mir fest in die Augen. „Doch wir haben einfach keine Zeit um uns hier großartig zu amüsieren. Wir müssen so schnell wie möglich weiter.“ Versuchte er mir den Ernst der Lage zu erklären. „Wir werden immer noch gejagt, vergesst das nicht!“ Flüsterte er noch hinterher und wand sich wieder um zum Gehen. Natürlich verstand ich den Ernst der Lage, dennoch war gegen ein wenig Spaß doch nichts auszusetzen. Eilig folgte ich ihm und lief neben ihm her. „Ich verstehe schon unsere Lage“, entgegnete ich ihm ernst, meinen Blick auf die Straße vor uns gerichtet. „, dennoch ist gegen ein wenig Spaß und Ablenkung nichts einzuwenden. Wie oft kommt man denn schon an einen Ort wie diesen?“ „Nun gut“, schien er sich geschlagen zu geben. „sobald wir gefunden haben wonach wir suchen, zeige ich euch ein wenig die Stadt bei Nacht“. Freudestrahlend nickte ich ihm zum Einverständnis zu und freute mich auf das was kommen mag.

 

Dank Nadine´s Beschreibung fanden wir das Stadtarchiv schnell, trotz der Menschenmenge, den unzähligen Straßen und Kreuzungen. Es war aber auch nicht zu übersehen. Mitten im Zentrum der Stadt stand das hundert Fuß hohe Gebäude mit der weißen Steinfassade und den bronzefarbenen Kuppeldächern. Riesige Glasfenster ließen das Licht regelrecht herein fluten. Unzählige Torbögen ließen die Gelehrten und Wissbegierigen aus allen Himmelsrichtungen hinein. Olinera war der Knotenpunkt allen Wissens. Egal aus welchem Teil des Landes man kam, man kam an dieser Stadt nicht vorbei. Jede Straße führte nach Olinera. Staunend liefen wir auf dieses beeindruckende Bauwerk zu, gefolgt von Mönchen, Nonnen, Doktoren und Professoren oder auch einfach nur Menschen wie wir es waren, die nach einer Antwort suchten. Sobald wir die Gänge des Archivs betraten herrschte Ruhe. Draußen auf den Straßen hatte man die Geräusche der Menschen, Pferde, Fahrzeuge und Händler die ihre Ware anpriesen nicht für laut empfunden. Doch jetzt in dieser unglaublichen Stille, die von Geflüster, dem Rascheln von Papier oder dem Hallen der Schritte auf dem steinernen Boden unterbrochen wurden, war es regelrecht ohrenbetäubend. In der runden Eingangshalle stand im Zentrum eine riesige goldene Erdkugel die sich langsam unter dem Druck des Wassers, auf dem sie stand, drehte. An den mit goldenen und bronzefarbenen Intarsien verzierten Marmorwänden standen grüne Palmen und andere bunte exotischen Pflanzen und Blumen in prunkvollen Blumentöpfen. Raziel nahm meine Hand und zog mich weiter aus der Eingangshalle in das Herz des Archivs. Dort verlief sich die Anzahl der Menschen die zuvor durch die Torbögen hineingeströmt waren. Wie eine lange und schmale Kathedrale, zog sich das Gebäude in die Länge. In der Mitte standen dunkel glänzende Holztische aufgereiht einer nach dem anderen bis auf die gegenüberliegende Wand, die wohl gesagt kaum erkennbar war. An den Wänden reihte sich Bücherregal hinter Bücherregal bis zur Decke hochgezogen. Leise pfiff ich anerkennend als ich die Unmengen an gesammelten Wissen erblickte. „Ich frage mal nach wo wir am ehesten das finden was wir wissen wollen“, ließ er mich einfach stehen und ging direkt auf einem Pult zu der mitten der Tische stand. Allein gelassen stand ich nun zwischen den Männern und Frauen die Bücher auf ihren Armen trugen und sich leise unterhielten.

 

Geistesabwesend ging ich die Treppen hinunter zu den Regalen und fuhr mit den Fingerspitzen über die Buchrücken. Anfangs las ich die Titel noch interessiert mit. Von „Die Bibel des Baden“, über „Kampftechniken und ihre Entstehung“ bis hin zur „Lyrik des Drachen“ war alles zu lesen. Doch nach und nach stumpfte mein Geist ab und ich fuhr noch gedankenverloren über die mehr oder weniger abgenutzten und staubigen Buchrücken. Das Raziel sich noch mit dem Mönch unterhielt der sich um die Archivierung kümmerte bekam ich nur noch aus den Augenwinkeln mit. Er schien mit ihm zu diskutieren oder ihm etwas zu erklären, denn der Mann mit der Glatze in der schwarzen Kutte sah nur verständnislos drein, bis er zu verstehen schien was genau der Mann vor ihm suchte. Auf dem Absatz kehrt gemacht eilte er auf die gegenüberliegende Wandseite mit Raziel im Schlepptau. Interessiert was genau sie gefunden hatten wand ich mich von den Büchern, deren Rücken ich gestreichelt hatte ab und wollte zu ihnen hinüberlaufen, als es mich wie ein Blitz traf und ich wie angewurzelt stehen blieb. Wie festgeklebt hielten meine Finger sich an einem Buchrücken fest. Irritiert starrte ich auf den dunkelgrünen Ledereinband mit den goldenen Ornamenten. Auf dem Buchrücken selber stand kein Name, so zog ich es zwischen den staubigen alt aussehenden Schriftstücken heraus. Wie durch einen Zauber erschienen goldene geschwungene Lettern auf dem Buchdeckel. „Kampf gegen die Unsterblichkeit“, glommen diese auf dem Grün auf. Interessiert schlug ich es auf und las die erste Seite des vergilbten Papiers. „Unsterblichkeit währt nicht ewig. Sammlung und Zusammentragung der tödlichen Gegenstände, Gifte und Zauber aller Lebewesen. Autor: Nicolas Rabenstein“. Es schien als wenn das Buch mich genau hierhergelockt hatte und nachdem ich es kurz durchgeblättert hatte, verstand ich auch warum. Es beschrieb Möglichkeiten wie man jedes Lebewesen töten oder gar in seine ursprüngliche Form zurück zu verwandeln konnte. Es schien eine Lösung für unser Problem zu sein. Aufgeregt eilte ich auf Raziel und den Mönch zu, die anscheint ebenfalls fündig geworden waren. Als ich nach dem Vampir rufen und ihm freudig mitteilen wollte, welch sensationelle Entdeckung ich gemacht hatte, versagte meine Stimme und mein Arm ließ sich nicht mehr bewegen mit dem ich das Buch hielt. Erschrocken über mein eigenes Versagen, versuchte ich ihm wieder das Buch unter die Nase zu halten, doch es schien so als wenn es nicht wollte das Raziel es sah. Kopfschüttelnd blickte ich auf den grünen Einband nieder und steckte es in meine Manteltasche. Manchmal hatten verzauberte Bücher so ihr Eigenleben und es hatte meist einen Grund, dass sie sich einem verwehrten.

 

 

Als Raziel mich kommen sah, hob er eine Augenbraue und musterte mich argwöhnisch, doch der Mönch beanspruchte wieder seine Aufmerksamkeit. Als ich in Hörweite war vernahm ich nur noch wenige Wortfetzten. „…damit solltet ihr erst einmal finden was ihr sucht“ und hielt ihm einen Stapel Bücher hin. Nickend wand er sich von dem Mönch ab und deutete mir an ihm zu folgen. „Habt ihr noch was gefunden?“ flüsterte er mir fragend zu. Ohne drüber nachzudenken schüttelte ich mit dem Kopf. „Wenn ihr Wissen wollt wie man eine Knoblauchsuppe kochen wollt oder wie man einen Bergtroll erlegt, dann ja.“ Ein Grinsen huschte über seine Lippen, so schnell, dass ich es mir auch eingebildet haben könnte. Er hatte Humor. Wir setzten uns an einen der Tische und er teilte die Bücher, die der Mönch rausgesucht hatte, zwischen uns beiden auf. „Wonach soll ich denn genau gucken?“ fragte ich leicht überfordert als ich die dicken Bücher und unzähligen Seiten sah. „Nach den Krey!“ blätterte er schon in Gedanken durch das erste Buch. Also wieder etwas was er mir vorenthalten hatte. Die Krey. Ich hatte von ihnen gehört. Ein Orden dessen Priester sich dazu berufen fühlten die Geschicke der Welt in die, ihres Gottes Ansichten, richtigen Bahnen zu lenken. Mit den unheilvollsten und nicht ganz moralischsten Mitteln und Wegen setzte sie ihre Pläne und Vorhersagungen durch. Man munkelt sogar, dass sie unsterblich wären. Als mir dieser Gedanke kam, wog das kleine Buch in meiner Manteltasche umso schwerer. Ich zog es langsam heraus und legte es in eines der aufgeschlagenen Bücher und blätterte schnell darin herum. Raziel war zu sehr in seine Lektüre vertieft, als dass er meine Heimlichtuerei entdeckte. Wie von selbst schlug das Buch seine Seiten auf und blieb bei einem Eintrag über die Krey offen. Schnell überflog ich die Beschreibung der Kreatur und fand dann endlich die richtige Textstelle. „Die Erzfeinde der Krey, obwohl sie ursprünglich Menschen waren, sind die Basilisken. Durch die Magie die sie wirken um unsterblich zu sein und die Fäden der Geschicke der Welt zu ziehen, ziehen sie Energie aus den Tiefen der Erde. Diese Energie ist Gegensätzlich mit dem Ursprung der Riesenschlangen. Um einen Priester zu töten, reicht das Gift des Basilisken, dessen Giftdrüsen in seinen Zähnen sitzen. Selbst ein kleiner Schnitt mit einem Basiliskenzahn reicht um einen Krey zu töten. Das Gift muss in die Blutbahn des Magiers kommen, denn damit…“ Die genaue Beschreibung wie das Gift wirkt war uninteressant, so schlug ich das Buch wieder zu und sah zu Raziel auf. „Ich glaube ich habe etwas gefunden“, raunte ich und wollte ihm gerade das kleine Buch zeigen, welches sich immer noch wehrte unter den Augen des Vampirs zu geraten, als sich dieselbe Textzeile in der Mitte des Buches, welches ich als Deckung benutze, glimmend aufleuchtete. Kurz überrascht über die List, drehte ich es zu ihm um und deutete auf die Textzeilen. Erleichterung blitzte in seinen Augen auf und er schlug das Buch, welches er noch offen in seinen Händen hielt, zu. „Das sollte reichen, gute Arbeit“, nickte er mir zufrieden zu. „Warum eine Krey?“ fragte ich ihn nun doch misstrauisch. Er stapelte die gesammelten Bücher wieder aufeinander und hielt bei meiner Frage inne. „Weil Lord Welish eine Priesterin an seiner Seite hat die ihn mit neuer Lebenskraft versorgt und ihn manipuliert“. Wut und Verachtung las ich in seinem Blick. „Nun gut, wie gehen wir jetzt weiter vor? Es ist ja nicht mal eben so einfach einem Basilisken seinen Zahn zu entledigen!“ Triefte Sarkasmus in meiner Frage. Ich hatte selbst noch nie einen Basilisken zu Gesicht bekommen, doch ich hörte nur schreckliche Geschichten von ihnen. „Sie leben in den Höhlen von Wadum“. Stöhnend lehnte ich mich auf dem Stuhl zurück und sah ihn flehend an. „Ist das euer Ernst? Wir müssen den ganzen Weg wieder zurück!“ Er lachte bitter auf. „Wenn das eure einzige Sorge ist“, wie auch immer er das gemeint hatte, er behielt es für sich. Ich half ihm die Bücher wieder zu dem Mönch zurück zu bringen und wir verließen das Archiv. Das kleine Buch behielt ich als meinen persönlichen Schatz.

 

Die Sonne versank bereits in einem glühend roten Meer aus Wolken, als wir aus den Torbögen heraustraten. Die Menschenmenge hatte sich gelichtet. Die die jetzt noch unterwegs waren, waren auf dem Weg in die nächste Kneipe oder in die zahlreichen Freudenhäuser. Eine Patrouille kreuzte unseren Weg und nickte uns grüßend zu. Trotz des warmen Samtkleides und des Mantels fröstelte mich der frühe Winterabend. Raziel schien dies nichts auszumachen, er stand in seinem leichten Hemd neben mir wie an einem lauen Sommerabend. „Nun gut, ihr wolltet die Stadt sehen und ein wenig Spaß haben. Woran habt ihr gedacht?“ „Ihr kennt euch hier besser aus als ich“, überlegte ich und wurde von einem Grummeln aus meiner Magengegend unterbrochen. „aber vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn wir etwas essen gehen würden!“ Sein schiefes Grinsen und sein Blick auf meinen Hals ließ das Kribbeln in meinem Bauch, welches immer da war sobald ich in seiner Nähe war, noch stärker werden. „Ihr hattet schon eure Mahlzeit“, wand ich mich empört zum Gehen. Lachend schloss er zu mir auf und lotste mich in eine Straße in der sich ein Restaurant nach dem anderen aufreihte. Große Schaufenster ließen tiefe Einblicke in die unterschiedlichsten Szenarien frei. Von tanzenden Menschen zu rhythmischer exotischer Musik, edlen kleinen Tischen an denen Paare in extravaganten Kleidern saßen und Getränke aus schmalen Gläsern schlürften mit Geigenmusik im Hintergrund bis zur Schlägerei vor einer dunklen Kneipe aus der Männerchöre lauthals Lieder von Frauen und Alkohol schmetterten, war jedes Metier vertreten. Doch er zog mich in eine kleine Nebenstraße und hielt vor einem kleinen Lokal welches kaum ausgeleuchtet und eher wenig einladend aussah.

 

 

Wenn kein Schild über dem Eingang gehangen hätte, auf dem ein Hirsch mit goldenem Geweih abgebildet war, so hätte ich es nicht als das solche erkannt. Raziel hielt mir die Tür auf und ich trat in eine gemütliche Stube ein. Der Holzfußboden gab leicht bei jedem meiner Schritte nach, es roch nach gebratenem Fleisch und Zigarrenqualm. Die Bar war der Hingucker und nahm den meisten Platz im Raum ein. Dunkles Holz, geschwungene und runde Kanten und Verzierungen, ein riesiges Regal an der Wand in dem die unterschiedlichsten Flaschen in skurrilen Farben und Formen standen, dessen vergilbte Etiketten sich langsam lösten und ein nett aussehender alter Mann der die Theke mit einem Lappen abwischte. Zögerlich trat ich ein paar Schritte hinein um Raziel Platz zu machen und sah mich um. In einer Ecke spielten Musiker auf einem Kontrabass, einem Saxophon und einer Geige. Die Musik war entspannt und schien von fröhlichen Zeiten zu spielen. An den runden Tischen die noch in den freien Ecken Platz fanden, saßen weitere Gäste. Ich konnte ein Pärchen ausmachen, welches sich innig küsste. Peinlich berührt sah ich weg, die Berührungen waren einfach zu intim. Er küsste ihren Hals, sie ließ den Kopf mit geschlossenen Augen entspannt nach hinten fallen und schien seine Berührungen zu genießen, während ihre Hände auf seiner Brust lagen. Er hatte einen Arm um sie gelegt und zog sie enger an sich, während sie zu kichern schien. Erst beim näheren Hinsehen, erkannte ich das er ein Vampir war und sie gerade biss. Rot werdend und mit rasendem Herzen sah ich weg und beobachtete die anderen Gäste. Raziel war meinem Blick gefolgt und flüsterte mir leise ins Ohr: „Du musst nur fragen“, sofort schrie meine Libido auf die ich mit größter Mühe wieder zurück drang. Raziel´s lüsternes Grinsen verriet mir, dass er genau wusste woran ich gedacht hatte und zog mich in eine lauschige Ecke mit Blick über die gesamte Bar. Sofort kam ein Kellner und Raziel bestellte etwas für uns beide. Neben dem Pärchen saßen noch ein Elb mit einer Pfeife und einem Buch in der Hand am Tresen, ein Mensch mit Zeitung, zwei gackernde Frauen, drei Männer mit riesigen Rauschebärten und ein Mönch mit dampfendem Tee an den anderen Tischen. Wärend mein Blick über die Gäste wanderte, fiel mein Blick auf einen einzelnen Mann der direkt am Eingang saß auf. Ich hatte ihn zuerst nicht gesehen, da wir direkt an ihm vorbeigelaufen waren, doch seine blonden langen Haare mit den wunderschönen Locken stachen einem auffällig von seinem schwarzen Mantel ins Auge. Ich hatte ihn erst für eine Frau gehalten mit seiner schlanken drahtigen Figur und den feingliedrigen Händen. Er war bestimmt ein Klavierspieler, war ich in Gedanken versunken, während Raziel noch Getränke bestellte. Er blätterte in einem kleinen Buch und schien konzentriert dessen Inhalt zu studieren, als er plötzlich aufsah. Mir war gar nicht aufgefallen das ich ihn angestarrt hatte, als er mir zulächelte und sich wieder seiner Lektüre zu wand. Peinlich berührt sah ich schnell wieder weg und versuchte mich wieder auf Raziel zu konzentrieren, doch der Mann hatte eine so starke Präsenz, das er selbst mit Raziel´s konkurrieren konnte.

 

Als der Kellner uns jeweils einen Teller mit dampfendem und herrlich duftendem Essen vor die Nase stellte, lief mir das Wasser im Munde zusammen. „Was ist das?“ fragte ich ihn und begutachtete das saftig aussehende Stück Fleisch mit dem bunten Gemüse. „Das ist Mintofilet an einer Weinsoße mit Ofengemüse“, sagte der Kellner stolz und wünschte uns noch einen guten Appetit. Raziel sah mich abwartend an. „Nun esst schon, es ist wirklich köstlich und es gibt keinen besseren Koch der dieses Fleisch so gut zubereiten kann“, überrascht das er ein Feinschmecker war, schnitt ich ein Stück von dem Fleisch ab und schob es mir vorsichtig in den Mund. Entzückt kaute ich auf dem zarten und saftigen Stück herum und seufzte bei dem himmlischen Geschmack. „Das ist das leckerste was ich jemals gegessen habe“, schwärmte ich. „Habe ich ja gesagt“, er selbst aß ebenfalls was mich verwunderte. „Es tut mir leid, wenn ich das so frage, aber könnt ihr das überhaupt schmecken?“ Er hielt in seiner Bewegung inne und mied meinen Blick. „Nein, aber ich stelle es mir gerne vor.“ Beschämt senkte ich meinen Blick. Ihm schien richtiges Essen zu fehlen, selbst wenn er es nie hatte kosten dürfen. Und ich war so taktlos und schwärmte ihm etwas vor. „Es tut mir leid“, flüsterte ich reuevoll. „Das muss es nicht, ich kenne es nicht anders“, schob er sich das Gemüse auf die Gabel und schob es sich in den Mund. „Das heißt ihr seid ein reinblütiger Vampir?“ Er nickte nur zur Antwort und tupfte sich mit der Serviette den Mund ab. Ich aß meinen Teller auf und bedankte mich bei dem Kellner für das leckere Essen. Raziel schien auf einen Punkt in der Bar zu starren und ich folgte seinem Blick. Das Pärchen mit dem Vampir hatte immer noch nicht genug. Sie schien es wirklich zu genießen wie er sie immer und immer wieder Biss, ihr leises Gestöhne reichte sogar bis zu unserem Tisch. Die anderen Gäste schien es nicht zu stören. „Ist das normal?“ fragte ich ihn leise, während ich an meinem Getränk nippte. Es schmeckte süß und gleichzeitig sauer, sehr erfrischend. Er wand seinen Blick von den beiden ab und sah mir direkt in die Augen. In den seinen las ich ein Verlangen welches ich sehr gut nachvollziehen konnte. „Was meint ihr?“ „Nun ja“, druckste ich ein wenig herum. „, dass ein Vampir in der Öffentlichkeit einfach so seine Freundin beißt!“ Er schien sich über meine Unbeholfenheit zu amüsieren. „Hier ist es das auf jeden Fall“, nahm er einen kräftigen Schluck aus seinem Glas. Er wank dem Kellner zu und zahlte unsere Speisen und Getränke. „Kommt wir müssen wieder zurück, morgen geht es früh raus!“ Damit stand er auf und ich folgte ihm unauffällig. Als ich bei dem Mann mit den blonden Haaren vorbeikam, sah er auf und ich bewunderte seinen unglaublich blauen Augen. Er lächelte mir freundlich zu und tippte an einen imaginären Hut. Ein Lächeln konnte ich mir nicht verkneifen.

Der Schein trügt immer

 

„Ich möchte aber noch nicht zurück“, protestierte ich vor der Tür. Raziel stöhnte genervt auf, blieb aber stehen. „Ihr habt versprochen mir die Stadt zu zeigen. Habt ihr es etwa schon vergessen? Wir wollten Spaß haben“. Meine übertrieben gespielte Freude verfinsterte sein Gesicht noch mehr. „Reicht euch unser Abendessen nicht?“ „Das ist nicht euer Ernst?“, musterte ich ihn mit verschränkten Armen. „Das versteht ihr unter Spaß?“ „Woran habt ihr denn gedacht?“, schien er nachzugeben. „Ihr kennt die Stadt besser als ich, wo kann man als Mensch hier Spaß haben?“ Seinem verständnislosen und genervten Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schien er noch nie auch nur einen Gedanken an solch ein Vergnügen verschwendet zu haben. Jetzt regelrecht dazu gezwungen zu werden, schien ihn tatsächlich ein wenig zu verunsichern. „Lasst uns gehen, mir fällt gerade was ein“, lotste er mich aus der dunklen Gasse auf die belebte Straße. Voller Vorfreude folgte ich ihm wie ein kleines Kind. Die Straßen waren trotz der fortschreitenden Nacht voller Menschen die volltrunken durch die Nacht torkelten oder sich einfach nur ihres Lebens erfreuten. Trotz der Kälte genoss ich die frische Abendluft. Der Weg führte uns weg von den urigen Kneipen und überfüllten Bars hinaus aus dem überfüllten Zentrum mit der lauten Musik und der dröhnenden Menschenmenge. Die Bürgersteige wurden leerer und die Nacht ruhiger. „Wohin führt ihr mich?“ Konnte ich meine Neugierde nicht mehr verbergen und sah mich suchend um. Die Häuser die die Straße säumten waren klein und sahen unscheinbar aus. Es war ruhig und die Straßenlaternen warfen ihr surrendes Licht über den gepflasterten Weg. „Hört genau hin?“ zwinkerte er mir verschwörerisch zu und ich blieb verwirrt stehen. Er lief einfach weiter ohne zurück zu blicken, als eine leise Melodie an mein Ohr drang. Es klang wie aus einer Spieluhr, freundlich einladend und vergnügt. Der Geruch von gebrannten Mandeln und geschmolzenen Zucker wurde von einer leichten Brise getragen und eine Ahnung beschlich mich. „Kommt ihr nun endlich oder wollt ihr hier Wurzeln schlagen?“, rief Raziel mir von der anderen Straßenseite zu. Eilig schloss ich zu ihm auf und folgte dem Vampir auf einen Wald zu, der mitten in der Stadt zu wachsen schien. Bunte blitzende Lichter flackerten durch die dicken Baumstämme hindurch und ein wildes Fauchen hallte durch den Wald. Die Musik wurde immer lauter und der Geruch nach Süßigkeiten nahm zu. Da ich direkt hinter Raziel herlaufen musste, da der Weg immer schmaler wurde, konnte ich außer seinem breiten Rücken nichts weiter erkennen.  „Ist das etwa?“ versuchte ich meine Frage zu stellen, doch wurde ich von Raziel unterbrochen. „Willkommen im Cirque de Exiles“, mit einer raumgreifenden Armbewegung wand er sich zu mir um und strahlte mich mit einem geheimnisvollen Grinsen um. Durch ein rundes Tor viel mein Blick auf ein kleines Kassenhäuschen welches in bunten Farben leuchtete und in dem ein kleiner Mann mit einer Glöckchen besetzten Mütze saß. Im Gegensatz dazu nahm er grummelnd und desinteressiert die Münzen aus Raziel´s Hand und winkte uns nickend durch. Bunte Spitzzelte waren wie eine kleine Stadt auf der großen Lichtung mitten im Wald aufgebaut und schienen wie aus dem Boden gewachsen standhaft ihren Platz gefunden zu haben. Die Spieluhrmusik die über die Lichtung hallte, schien von überall und nirgendwoher zu kommen. Narren in bunten Kostümen und mit klimpernden Mützen und Schuhen tanzten um uns herum und schienen ihre Späße zu machen. Bunte Lichter und kleine Fackeln wiesen uns den Weg durch die Zeltstadt und beleuchteten die sich im Wind aufblähenden Vordächer und Wimpel. Aus einer der hinteren Ecken ertönte wilde Schreie und Gebrüll, ein Feuerspucker blies eine riesige blaue Flamme in den nachtschwarzen Himmel. Die im Wind wehenden Zelteingänge ließen kurze Einblicke in ihr Inneres. Aus tiefster Dunkelheit hallte aus einem, verängstigte Schreie gefolgt von nervösem Gekicher und wildem Gequietschte. Neugierig versuchte ich bei jedem Zelt herauszufinden was darin verborgen lag. Ich war nicht die einzige, weitere Schaulustige eilten von Stand zu Stand um die neuesten Kuriositäten, die verstörendsten Wesen und die skurrilsten Gerätschaften zu bestaunen die der Zirkus einem bot. „Wie sollen wir alles nur an einem Abend bestaunen?“ Raste mein Blick von einem Zelt zum nächsten, nicht sicher ob das was ich sah meiner Fantasie entsprang oder nur reine Hirngespinste waren. In einem dachte ich einen Drachen mit drei Köpfen gesichtet zu haben, der die Schaulustigen mit seinem glühenden Feuer erstaunte. In einem weiteren herrschte völlige Dunkelheit. Im Vorbeigehen schienen mir meine Augen etwas vorzugaukeln als kleine irisierende Punkte in der Dunkelheit tanzen zu schienen und sich zu einer leuchtenden Gestalt zu formen. Noch bevor ich mir das Schauspiel genauer ansehen konnte zog mich Raziel am Arm weiter. „Das Zelt solltet ihr besser meiden!“ Raunte er mir ins Ohr. Unschuldig riss ich mich von dem hypnotisierenden Anblick los und sah in sein ernstes Gesicht. „Aber es sah so schön aus, es schien nach mir zu rufen?“ sah ich verzückt zurück und wäre am liebsten umgedreht. „Ihr fallt genauso darauf rein wie jeder andere auch, bleibt lieber an meiner Seite. So schön wie der Zirkus auch aussieht, so tückisch ist er.“ „Wie meint ihr das?“, stand ich nun vor einem Zuckerwarenwagen und ließ mir ein wohlduftendes und saftig aussehendes Stück Gebäck reichen. „Seht genau hin, was seht ihr?“ Während ich genüsslich in das mit einer süßen Creme und Früchten gefüllten Plunderstück biss, wanderte mein desillusionierter Blick über das bunte Treiben. Die umherlaufenden und Rad schlagenden Clowns und Narren wirkten mit ihren gestellten Fratzen unheimlich und fies. In den dunklen Ecken des Zirkus trieben dunkle und Zwielichtige Gestalten ihr Unwesen und wenn man hinter die Wagen mit all den Leckereien blickte, wurden still und heimlich Gläser mit seltsam aussehenden Zutaten versteckt. Die Magie die hier herrschte und die ich erst jetzt wahrnahm, schien die Schaulustigen wie in einen Bann zu ziehen und sie Dinge sehen und fühlen lassen, die sie von ihrem tristen Leben ablenkten. „Das alles ist gar nicht echt?“ Enttäuscht von der falschen Glitzerwelt und beraubt von der glücklichen und schillernden Illusion sah ich was wirklich hinter dem Glanz steckte. „Nur der erste Glitzer und der Charme“, grinste mich der Vampir neben mir an, während wir auf ein großes Zelt zuliefen welches im Mittelpunkt des wilden Treibens stand. „Aber die Magie die hier herrscht und all die wundersamen Wesen und Dinge, sind echt“. Ein kleines Zwinkern seinerseits ließen mein Herz für einen Moment höherschlagen. „Lasst euch nicht vom ersten Eindruck verzaubern, denn dieser trügt immer“. Mit diesen Worten sah ich die Dinge nun anders, was meiner Begeisterung für die seltsamen und beschaulichen Dinge die ich sah, nicht minderte.

 

„Traut ihr euch eurem eigenen Ende entgegen zu sehen?“ Die plötzliche Frauenstimme sich neben mir durch das Stimmengewirr gehör verschaffte, ließ mich zusammenzucken. Mein Blick hatte hatten ihren Ursprung noch nicht gefunden, als sich Raziel´s Arm um mich legte und der Frau mit angespanntem Kiefer antwortete. „Vielleicht ein anderes Mal, Zigeunerin!“ „Na na, warum denn gleich so ablehnend“. Nun erkannte ich die Frau die am Eingang eines kleinen Zeltes stand und genüsslich an einer kleinen schmalen Pfeife zog. Ihre stechenden eisblauen, fast silbernen Augen, hielten meinen Blick gefangen. Im Normalfall wäre das nichts unnormales, aber diese standen in einem solch starken Kontrast zu ihrer dunkelbraunen Haut, dass sie einen regelrecht hypnotisierten. Mit der Art wie sie die Pfeife zwischen ihren mit unzähligen goldenen Ringen und Ketten geschmückten Hand hielt und den weißen dicken Rauch zwischen ihren vollen Lippen ausstieß, verstärkte sie den Eindruck von Exotik. Ihr kahlgeschorener Schädel zierte ein bunt gemustertes Kopftuch an dessen Troddeln goldene Münzen baumelten. Aus ihren Lippen lag ein sinnliches Lächeln und unterstrich ihre gesamte anziehende und entspannte Ausstrahlung. Raziel schnaubte und wollte mich weiterziehen, als sie sich von dem Zeltpfosten, an dem sie lehnte, löste und die kurze Distanz zu mir in wenigen Schritten überwand. Ihr dünnen zierlichen Finger griffen nach meiner Hand und hielten mich beharrlich fest. Aus dem ersten Affekt heraus versuchte ich ihr diese zu entreißen, doch sie hielt sie fest und starrte mich mit einer undurchdringlichen Maske an. Verschwunden war die exotische Schönheit die mich mit einem koketten Lächeln und ihrer erotischen Art eingefangen hatte. Ihre Augen waren milchig weiß und ihre Stimme kalt wie Eis. „Er wird kommen, er wird aus euch kommen und die Welt in die Finsternis stürzen. Und der Vampir wird euer Ende sein!“ Erstarrt sah ich sie an, musterte ihre harten Züge und die leblosen Augen. „Was soll dieser Unsinn, Zigeunerin? Drängt euch jemand anderen auf, aber lasst uns mit euren Spielchen in Ruhe!“ Wütete Raziel an meiner anderen Seite und entriss mich der festen Umklammerung der Wahrsagerin. Diese schien wieder zu sich zu kommen und sah mich wehleidig ja fast mitfühlend an, während Raziel mich von ihr wegzog und wir um die nächste Ecke bogen. Fluchend nuschelte er was vor sich hin und schleifte mich hinter sich her. Wie der Griff einer eiskalten Klaue die sich um mein Herz schloss, so schmerzte ihre Vorhersehung für meine angebliche Zukunft. „Wie hat sie das gemeint? Wer wird kommen?“ Der Vampir blieb abrupt stehen, legte seine Hände auf meine Oberarme und zwang mich ihn anzusehen. „Was habe ich euch vorhin gesagt? Traut niemals dem ersten Schein.“ Seine Stimme klang fest und ernst. „Ich kenne diese Art Menschen, sie sind manipulativ und machen sich gerne einen Spaß daraus andere zu verunsichern und sie mit ihren Vorhersagen zu verunsichern und Unruhe zu stiften, bitte tut mir den Gefallen und lasst das Gesagt nicht an euch heran!“ Seine Stimme wurde sanfter und sein Griff lockerte sich. Er musste ahnen wie sehr mich das alles getroffen hatte und legte eine Hand an meine Wange. Sanft streichelte sein Daumen meine erhitzte Haut, so dass ich unter seiner Berührung erschauderte. „Wahrscheinlich habt ihr Recht“, versuchte ich meine gute Laune wieder zu bekommen und mit einem Blick in das verschmitzt grinsende Gesichts Raziel´s gelang mir dieses auch zur Hälfte. Erst als er bemerkte mit welch sanfter Geste er mein Gesicht immer noch liebkoste, nahm er seine Hand schnell wieder herunter und wand sich mit einem letzten Nicken ab.

 

Nach der kleinen Aufregung gingen wir in das große Zelt welches von leicht bekleideten und barbusigen koketten Frauen mit Flyern für eine Show warb. Raziel würdigte den hübschen Damen die ihn offensichtlich anhimmelten, keines Blickes und ging einen Flyer entgegennehmend, mit mir im Schlepptau hinein. „Kuriositäten und Monster aus aller Welt“, prangte es in silbern schillernder Schrift auf dem schwarzen Papier. „Staunen und bewundern sie unsere Monster und Wesen aus aller Herren Länder. Von wunderschönen Meerjungfrauen aus den Meeren vor Melanien bis hin zu dem Wendigo aus den verschneiten Bergen der Appalachen. Staunen Sie und stellen Sie sich ihren schlimmsten Albträumen.“ Raziel tat den Flyer spöttisch ab und überließ es mir das aufwendig gearbeitete Papier zu begutachten. Ich hatte zuvor noch nie von derartigen Wesen gehört und war neugierig auf das was mich erwarten würde, doch nachdem Fiasko mit dem trügerischen Schein und der Wahrsagerin, war ich auf der Hut. „Woher hat der Zirkus seinen Namen?“ raunte ich in Raziel´s Richtung während wir uns Plätze auf den gepolsterten Bänken, um das runde Areal in der Mitte des Zeltes, suchten. „Nun genaueres weiß ich auch nicht, aber man sagt sich das nur jene Ausgestoßenen hier ihre wahre Heimat finden, egal welche Vergangenheit sie und was sie verbrochen haben. Es gibt viele Legenden um ihn und ich glaube nur die Hälfte davon ist wahr. Doch was man ihm nicht abschlagen kann ist, dass er die Menschen verzaubert und sie in eine andere Welt entführt, in der sie ihre Sorgen gänzlich vergessen können“. Dem konnte ich nichts entgegen setzten. Seitdem wir hier waren, hatte ich weder an unsere Aufgabe noch an die Vampirsoldaten gedacht. Dennoch hatte dieser Ort etwas Dunkles anhaften und einen bitteren Nachgeschmack. Es konnte nie etwas Gutes heißen, wenn andere verzaubert werden müssen um sich anders fühlen zu können und Dingen einen Glanz geben der ihnen nicht inne wohnt. So war ich etwas unentschlossen was diese Vorführung anging und ein ungutes Gefühl machte sich in meinem Magen breit.

 

Mein Blick schweifte über die tuschelnde und aufgeregt wartende Menschenmenge die die Ränge langsam füllten. In der Mitte des Zeltes hoch oben unter dem Dach hing ein riesiger Kerzenleuchter der sein gedämpftes Licht über die Menge warf. Zwischen den Schatten konnte ich Gestalten wahr nehmen die geschäftig ihre Vorbereitungen zu treffen schienen. Der Wind blähte die Wände und das Dach des Zeltes auf und ließ die Szene noch unwirklicher und unheilvoller erscheinen. Mein Blick fiel gedankenverloren auf die Menschenmenge und blieb an etwas leuchtend Goldenem hängen. Er stach aus der Masse heraus wie eine Fackel in der Dunkelheit, der Mann aus der Bar. Seine goldenen Locken schienen das gedämpfte Licht regelrecht aufzusaugen und warfen einen unwirklichen Schein um das feine Gesicht zu werfen, welches auf mich gerichtet zu sein schien. Seine Augen lagen in tiefer Schwärze, so dass sein Gesicht, trotz des leichten Lächelns, unheimlich aussah. Raziel der es sich gelangweilt neben mir bequem gemacht hatte, schien ihn ebenfalls gesehen zu haben und verspannte sich für einen kurzen Moment. Doch bevor wir uns weitere Gedanken machen konnten, erstrahlte der Kronleuchter und warf sein warmes Licht über die gesamte Manege. Ein seltsames Gefühl überkam mich, als wenn sich Magie sammeln und elektrisch aufladen würde. Mit einem lauten Knall und einer schwarzen dichten Rauchwolke in der Mitte des Rondells, trat eine Frau mit Zylinder und einem schwarzen Frack aus den Schwaden. Ihre grünen lockigen Haare quollen regelrecht unter ihrem Zylinder hervor und würde ihr im Normalfall ein ulkiges aussehen verleihen, doch das Augenmerk lag bei ihr eindeutig auf ihrem üppigen Busen, der aus dem Frack herauszufallen drohte. In einem kurzen Rock und mit hochhackigen Stiefeln ließ sie viel Bein zeigen und machte den männlichen Zuschauern keine Mühe mehr sie sich gänzlich ohne Bekleidung vorzustellen. Ihr Blick, aus den wunderschönen lilafarbenen Augen, den schwarz geschminkten Wimpern die ihr einen atemberaubenden Aufschlag verliehen, glitt langsam über ihre Zuschauer des heutigen Abends. Ihre vollen schwarz geschminkten Lippen verzogen sich zu einem frechen Grinsen, als sie ihre wohl bekannte Wirkung auf die Menschen, genugtuend wahrnahm. Lasziv zog sie eine Augenbraue hoch und leckte sich langsam über die Lippen, als sie sich umdrehte und mit beiden Armen in die Höhe halten ein Bein kokett anwinkelte so das ihr Hintern unter dem Rock fast gänzlich aufblitzte. Dass die umsitzenden Männer nicht sofort von ihren Bänken sprangen um sie zu begatten, lag wohl nur daran das ihre begleitenden Frauen sie mit giftigen Blicken töteten.

 

„Herzlich Willkommen meine Damen und Herren im Cirque de Exiles.“ Langsamen Schrittes und mit einem enormen Hüftschwung schritt sie in einem weiten Bogen durch das Areal. Ihre Bewegungen und die offensichtlichen Reize ihres makellosen Körpers bannten meinen Blick. „Heute Abend werden Sie die wundersamsten und schrecklichsten Kreaturen und Naturschauspiele kennen lernen, so dass Sie Ihrem eigenen Verstand nicht mehr trauen können. Machen Sie sich gefasst auf eine Reise zu gehen, von der Sie vielleicht nicht mehr wiederkommen!“ Mit einem koketten Lächeln tippte sie mit einem Finger an ihren Zylinder und war mit einem lauten Knall wieder in einer pechschwarzen Rauchwolke verschwunden. Das Licht ging aus und das Zelt lag in völliger Dunkelheit. Leises Tuscheln ging durch die Reihen, während alle gespannt darauf warteten was als nächstes geschehen würde. „Lauscht auf euer Herz“, säuselte die Stimme der Direktorin durch das Zelt. Als wäre sie der Wind der durch das Zelt wehte, schien sie überall und nirgendwo zu sein. „, spürt die Gefahr. Es lauert in der Dunkelheit, wartet geduldig auf jene die mutig genug sind sich in seinen Wald zu verirren.“ Eine Gänsehaut lief mir über meinen Körper, als ein leichter Windhauch durch mein Haar fuhr. „Es jagt euch, treibt euch in den Wahnsinn. Spürt wie euer Herz rast. Ihr habt keine Möglichkeit zu entkommen, es spielt mit euch“. In ihrer Stimme lag etwas Selbstgefälliges welches von einem leisen Lachen untermalt wurde. Mein schlug wirklich ein wenig schneller und obwohl ich Raziel´s Knie an dem meinen spürte, hatte ich das Gefühl als säße ich allein in der Dunkelheit und die Stimme redete nur auf mich ein. Wieder ein Windhauch der um meine Wangen zu streicheln schien, „ihr wisst von welchem Wesen ich spreche.“ Erstarrt starrte ich in die Dunkelheit vor mir. Dieses Mal schien die Frau direkt vor mir zu stehen, ihr warmer Atem streifte meine Lippen. „Jene die die Menschen verzücken und verzaubern, jene die sie aussaugen und das mit der Hingebung und Wonne ihrer Opfer.“ Schien ihre Stimme nun von der gegenüberliegenden Seite des Zeltes zu kommen. „Meine Damen und Herren darf ich Ihnen vorstellen, einen wilden Vampir!“

 

Das Licht ging blitzartig wieder an und richtete sich auf einen sich in Ketten wehrende Kreatur die sich mit wilden Augen umsah und laut zischte und knurrte. Ein Raunen ging durch die Menge und die Zuschauer reckten ihre Hälse nach dem was unter ihnen geschah. Sie schienen hier an diesem friedvollen und sicheren Ort derartige Kreaturen nicht zu kennen, ihre Begeisterung sprach für sich. Schnell inspizierte ich das Wesen welches sich bei dem Anblick der vielen Menschen wie wild aufbäumte und seine riesigen weißen Fangzähne aufblitzen ließ. Seine wilden weißen Augen stierten umher und seine zu scharfen Klauen gebogenen Hände rissen Löcher in die Luft. Die graue fahle Haut und das wilde zerzauste Haar standen im starken Kontrast zu seiner sonst edlen und sauberen Garderobe. „Ja ich weiß meine Damen und Herren, er sieht nicht aus wie jene aus den Büchern und Erzählungen. Nichts an dieser Kreatur würde einem Menschen dazu bringen sich ihm freiwillig zu opfern“. Die Frau lief entspannt und außer Reichweite des wütenden Vampirs auf und ab. Auf ihrem Gesicht las ich Genugtuung und regelrechte Langeweile. Sie zog aus einer Tasche ihres Fracks einen flachen Beutel und warf sie der Bestie hin. Wie auf ein Kommando fing es diesen auf und zerriss ihn samt dem Beutel. Rotes dickflüssiges Blut quoll heraus und für einen kurzen Moment schien der Vampir seine Umgebung zu vergessen und trank gierig das lebenspendende Elixier. Übelkeit kam mir hoch, wie ich ansehen musste wie es sich um seinen Mund sammelte, seine Klauen benetzte und mit welcher Geschwindigkeit er den Beutel geleert hatte. Auch den anderen Zuschauern schien es ähnlich zu gehen, denn sie schienen die Luft anzuhalten, hielten sich ihre Hand oder Taschentücher für die Münder, mancher musste sich auch übergeben. Mit einem verstohlenen Blick auf Raziel´s Gesicht und mir gefror das Herz. Sein Blick war düster, seine Kiefer angespannt, seine gekreuzten Hände krallten sich in seine Oberarme, seine Wut war regelrecht zum Greifen. Noch bevor ich ihm jedoch mein Mitgefühl kundtuen konnte, sprach die Direktorin weiter. „Ja eine wirklich albtraumhafte Bestie, nun wollen wir dieses arme Wesen von seinem Leid befreien?“ Hielt sie einen hölzernen Pflock in die Höhe und sah in die aufgebrachte Menge. Diejenigen die sich von dem ersten Schock erholt hatten buhten laut auf und hoben ihre Fäuste siegessicher in die Höhe. Einige wenige schüttelten entsetzt und Unverständnis bekundend mit dem Kopf. „Doch dann wären wir nicht besser als dieses Wesen selbst, nein ich habe da eine bessere Lösung.“ Warf sie den Pflock zur Seite und zog eine kleine Phiole aus ihrem Frack welches sie in die Höhe hielt.

 

Das kleine gläserne Fläschchen mit der hellblauen Flüssigkeit im Inneren glänzte leicht im Schein des Kronleuchters. „Lasst uns das arme Wesen heilen“, in einer schnellen Bewegung stand sie vor dem Vampir, packte die Kette die um seinen Hals geschlungen lag und flößte ihm das angeblich magische Elixier ein. Raziel´s abfälliges Schnauben unterbrach die aufkommende Stille und auch der blonde Mann der mir jetzt wieder in das Blickfeld geriet schüttelte mit einem ungläubigen Lächeln den Kopf. Doch unerwartet bäumte sich der Vampir unter Krämpfen und sichtlichen Schmerzen auf. Seine schrillen Schreie und krächzenden Rufe hallten durch das mittlerweile mucksmäuschenstille Zelt, als die Zuschauer gebannt dem Schauspiel folgten. Unter den erstaunten Augen aller zogen sich die langen Fangzähne zurück, die Haut wurde wieder rosafarben, die gebogenen Krallen erschlafften zu Händen und in den toten weißen Augen trat wieder ein menschlicher Blick und braunen Augen. Wie in Zeitlupe schien sich der blutrünstige Vampir wieder in einen Menschen zurück zu verwandeln. Das Publikum fing an zu tuscheln und ein ungläubiges Schweigen machte sich breit. Der Mann der nun von seinen Ketten befreit wurde stand ungläubig in der Manege und starrte auf seine Hände. Das Blut tropfte noch von seinen Fingern auf den hellen Sand und in seinen Augen stand Unglaube. Die Frau trat langsam auf den Mann zu und sprach mit beruhigender Stimme auch ihn ein. „Es ist vorbei, Sie brauchen keine Angst mehr zu haben, ich habe sie geheilt“, erschrocken sah er auf und schien erst jetzt zu realisieren wo genau er gerade war und was gerade eben geschehen war. „Was ist passiert?“ stammelte er in die erdrückende Stille. „Wieso bin ich wieder ein Mensch?“ Während die Frau ihn aufklärte und zu beruhigen versuchte sah ich in ungläubige Gesichter. Selbst Raziel starrte mit offenem Mund auf das was dort vor seinen Augen geschehen war.

 

„Das ist nicht möglich“, hauchte er zu sich selbst und kniff seine Augen für einen Moment zusammen um dann wieder ungläubig auf den immer noch verwirrten Mann unter uns zu starren. Auch der blonde Mann wirkte erstaunt, schien aber längst nicht von alle dem überzeugt zu sein. Der Mann wurde unten mittlerweile von den Helfern der Direktorin in eine Decke gehüllt und aus der Manege geführt. „Traut euren Augen, es ist wirklich geschehen“, schien sie kurz aufzuatmen das alles wie geplant zu funktionieren schien wie sie es gedacht hatte. „Es gibt eine Heilung, wenn Sie weitere Fragen zu unserem geheimen Elixier haben kommen Sie gern am Ende der Vorstellung zu mir wir beantworten Ihnen gerne alle Fragen.“ Das Tuscheln wurde lauter und lauter, doch die Menge wurde prompt wieder zur Ruhe gebeten. „Nun ich hoffe Ihnen hat unser kleiner Auftakt gefallen.“ Lief sie wieder in die Mitte der Manege, während die Ketten zur Seite geschafft wurden und ein riesiger viereckiger mit einem Tuch verdeckter Kasten auf Rollen hinter ihr hereingeschoben wurde. „Bitte verzeihen Sie meine Unhöflichkeit, bei all der Aufregung habe ich vergessen mich vorzustellen“, überging sie die Arbeiter die sich in ihrem Rücken zu schaffen machten und lenkte die Augen aller wieder auf sich und ihre anziehenden Lippen. „Mein Name ist Mimi, ja ich weiß keine besondere Attraktion, aber glauben Sie mir ich habe mehr zu bieten als nur einen Namen“, diese Ansprache schien tatsächlich mehr zu versprechen und sprang natürlich eher auf die männlichen Zuschauer an die ihr wie gebannt an ihren vollen Lippen hingen. „Ich hoffe Sie haben den ersten Schrecken verdaut, denn nun gibt es etwas Schönes und Glänzendes zu bewundern.“ Doch was als nächstes kam bekam ich gar nicht mehr richtig mit, denn meine gesamte Aufmerksamkeit wurde von Raziel beansprucht. Er schien noch blasser geworden zu sein als vorher. Ich konnte seine Gedanken regelrecht rasen hören. „Das war nur ein Trick“, versuchte ich ihn leise flüsternd zu beruhigen. „Ihr wisst besser als jeder andere, dass das alles hier nur Trug und Schein ist und dass es nicht möglich ist einen Vampir in einen Menschen zu verwandeln.“ An letzterem musste selbst ich zweifeln da mir die Aussage aus dem Buch wieder in den Sinn kam, doch ich es lies es mir nicht anmerken. Der Vampir sah mich an und in seinen Augen konnte ich Unglauben und Abscheu lesen. „Er war echt!“ flüsterte er, während sein Blick über mein Gesicht wanderte. „Glaubt mir ich erkenne einen Vampir, wenn er vor mir steht und dieser war echt.“ „Trotzdem ist das kein Beweis, dass es ein Wunderheilmittel gibt, Mimi hat getrickst!“ Legte ich meine Hand auf die seine um ihn ein wenig zu beruhigen. „Ihr sagt doch selbst das nur jene sich täuschen lassen können die daran glauben oder den sehnlichsten Wunsch haben daran zu glauben. Ihr seid wer ihr seid und ihr solltet nicht in Selbsthass versinken, ihr seid nicht so ein Monster welches sie dort unten vorgeführt haben wie ein wildes Tier“.

 

Ich hatte genau ins Schwarze getroffen, denn in seinem Blick blitzte Erkenntnis auf. „Ich bin genauso wie jenes Wesen“, seine Stimme drang tonlos durch die raunende Menge, als sich das Tuch lüftete und ein Wassertank mit einer Meerjungfrau zum Vorschein kam. Für einen kurzen Moment ließ ich mich von ihr ablenken und bestaunte ihre glitzernde Flosse und die Art wie sie sich elegant in dem kleinen Tank bewegte. Doch auf den zweiten Blick sah ich ihren teilnahmslosen Blick und die Gleichgültigkeit wie sie ihre Tricks machte um das Publikum zu begeistern. „Du bist nichts dergleichen was hier vorgeführt wird“, nahm ich sein Gesicht in meine Hände und zwang ihn mich anzusehen. „Du magst dich und deinesgleichen hassen, doch ich werde an eurer Seite bleiben und euch als der Sehen der ihr seid und nicht als das was ihr denkt zu sein. Ihr seid mehr als nur ein Vampir, ihr seid Raziel der der mir das Leben gerettet hat, der mich für einen Moment von all dem Kummer abgelenkt hat und mir meine Lebensfreude wiedergegeben hat. Seitdem ihr in mein Leben getreten seid, habe ich mehr erlebt als in meinem gesamten vorherigen Leben.“ So viel Liebe und Zuneigung lag in meiner Stimme und trotz der Angst ihm zu viel von meinen Gefühlen preis zu geben, lies ich es zu. In seinem Blick las ich Verwunderung und Unglaube. „Wie könnt ihr jemanden wie mich nur so akzeptieren? Ihr habt gesehen wozu ich fähig bin und dennoch sitzt ihr hier und seht mich an als wäre ich das einzige Wesen auf der Welt dem ihr euer Vertrauen schenkt.“ Eine innige Wärme trat auf meine Wangen und ließ mein Herz höherschlagen. „Weil ich mehr in euch sehe, als nur das blutrünstige Monster!“ Damit schien er sich zufrieden zu geben und nickte mit einem entwaffnenden Lächeln. Erst jetzt wurde mir bewusst wie nahe ich ihm war und nahm meine Hände von seinem Gesicht und setzte mich wieder aufrecht hin.

Die Meerjungfrau war bereits wieder herausgerollt worden und Mimi machte eine weitere Ansage. Ich schenkte der Show keine Beachtung mehr, so sehr war ich in Gedanken um das was geschehen war und das was in dem kleinen Buch stand. War es wirklich möglich einen Vampir in einen Menschen zurück zu verwandeln? Ich würde diesen Alchemisten ausfindig machen müssen, nachdem wir unsere Aufgabe erledigt hatten. Die restliche Show ging schneller vorbei als gedacht, neben Wendigo´s, Feen, einem Einhorn, einer angeblichen echten Nymphe, einem Poltergeist und anderen Kreaturen aus aller Welt, verzauberten auch kleine Artistennummern die Zuschauer. Doch mein Blick war kaum noch auf die Attraktionen gerichtet. Ich beobachtete die Menschen die wie gebannt an den Lippen von Mimi hingen und die Wesen und Monster begafften. Die armen Kreaturen waren entweder nicht echt oder so aus dem Leben getreten, dass sie nur noch ihre seelenlosen Hüllen zur Schau stellten, doch den Zuschauern schien dies egal zu sein. Sie waren nur auf die neuesten Sensationen aus und das machte mich traurig als dass sie mich faszinierten. Raziel schien es genauso zu gehen und wir machten uns noch vor Beendigung von unseren Plätzen auf und verließen das Zelt.

 

Draußen war die Luft wieder klar und rein, ich hatte das Gefühl gehabt unter der dicken Zeltplane zu ersticken. „Wartet kurz hier, ich muss noch eben etwas erledigen“, wand er sich von mir ab, blieb aber noch kurz stehen und sah mich eindringlich an. „Und nicht verzaubern lassen“, zwinkerte er mir grinsend zu und verschwand zwischen den Zelten. Tosender Applaus erklang aus dem großen Zelt und die ersten Schaulustigen drangen aus der Manege und lief an mir vorbei hinter das Zelt. Aufgeregtes Gerede und begeisterte Rufen drangen an mein Ohr. Anscheint drängten sie zu dem Verkauf des Elixiers. „Welch törichte und beschränkte Menschen, glauben wirklich das was sie sehen und was man ihnen auftischt“, erschrocken sah ich mich nach der Männerstimme um, die direkt hinter mir ertönte. „Bitte verzeiht ich wollte sie nicht erschrecken“, lächelte mir der blonde Mann entgegen als er mein erschrockenes Gesicht sah. „Nein alles in Ordnung, ich habe nur nicht mit euch gerechnet.“ Lächelte ich ihm milde zu und beobachtete wie er mich musterte und sich umsah. „Wo ist euer Begleiter? Eine hübsche junge Frau wie ihr sollte gerade an so einem Ort wie diesen nicht allein sein!“ „Keine Sorge, er wird gleich wieder zurück sein.“ Antwortete ich ihm höflich und sah mich dennoch suchend um. „Ihnen hat die Vorstellungen anscheint nicht so gut gefallen?“ Fragte er weiter nach und beobachtete mich weiter. „Wie kommen Sie darauf?“ war ich doch ein wenig irritiert, der Mann kam mir seltsam vor. „Ihr habt sie nicht einmal zu Ende gesehen und habt das Zelt bereits vor Ende verlassen. Das lässt mich darauf schließen, wobei euch der Vampir am meisten zu beeindrucken schien!“ Argwohn keimte in mir auf, als ich meine Augen zusammenkniff und ihn inniger beobachtete. Er stand lässig und elegant vor mir, nichts wirkte bedrohlich auf mich. Sein leichtes entwaffnendes Lächeln und die freundlich dreinblickenden Augen weckten Vertrauen, doch irgendetwas an seiner Art wie er Sprach und mich musterte machte mich nervös.

 

Noch bevor ich ihm antworten konnte, spürte ich die bekannte und kribbelnde Aura Raziel´s der hinter mir auftauchte. „Lady Ray, belästigt der Mann sie etwa?“ Seine Stimme klang kühl und ernst. Der Blick des blonden Mannes wich von mir und fixierte sofort den Vampir. Etwas in seinem Blick verfinsterte sich kurz, doch sein Lächeln blieb. „Nein gar nicht, er wollte gerade gehen!“ Raunte ich und der Mann nickte entschuldigend in meine Richtung ohne Blick von Raziel abzuwenden. „Entschuldigen Sie Mam, ich wollte sie nicht belästigen. Ich wünsche noch einen schönen Abend!“ Damit wand er sich in einer eleganten Drehung mit einem Zwinkern ab. „Was wollte er von euch?“ knurrte Raziel, als der Mann außer Hörweite war. „Er hat nur bemerkt das wir eher gegangen sind und uns der Vampir gefallen zu haben schien. Lasst uns lieber gehen, ich möchte wieder zurück“, zog ich ihn am Arm Richtung des Ausganges. Ein ungutes Gefühl ließ meinen Magen schmerzhaft zusammenziehen. Der Mann machte mich nervös, auch wenn er mir niemals einen richtigen Grund dazu gegeben hatte. Doch irgendetwas an ihm war seltsam, als würde er sich verstellen um seine wahren Absichten zu verbergen. „Ich habe übrigens ein Geschenk für euch“, griff Raziel in seine Manteltasche und lächelte mir versöhnlich zu. Neugierig sah ich auf seine Hand in der er etwas verbarg und strahlte ihn freudig an. Er blieb stehen und hob einen Finger, „Augen zu“. Leicht empört kam ich seinem Wunsch nach und wartete ab. Er schob meine Haare beiseite und schien etwas in meinem Nacken zu befestigen, als sich schon etwas Kühles auf meine Haut legte. „Augen wieder auf“, befahl er mir und ich gehorchte brav. Etwas schweres lag auf meiner Brust und als ich es zwischen meinen Fingern drehte um es zu bewundern, war ich sprachlos. Es war ein wunderschöner grüner Stein der in einer silbergeschwärzten und verschnörkelten Fassung an einer langen Silberkette hing. Das bunte Licht und die flackernden Fackeln ließen den halbdurchsichtigen Stein aufleuchten und die Facetten tanzen. „Oh der ist wunderschön“, staunte ich ehrlich und konnte meine Augen kaum von dem Schmuckstück lösen. „Was ist das für ein Stein? Ich habe noch nie einen in der Art gesehen!“ Raziel grinste überheblich und flüsterte verschwörerisch. „Das ist ein Drachenauge, es soll böse Geister und Dämonen von dir fernhalten und dir ein Licht in der dunkelsten Stunde sein.“ Mit großen Augen sah ich zu ihm auf und sah etwas Spott in seinen Augen aufleuchten. „Zu mindestens wenn man daran glaubt“, zuckte er mit den Schultern und ging weiter. Schnell folgte ich ihm durch das Eingangstor und durch den dunklen Wald, immer noch den hübschen Stein bewundernd. Ich konnte immer noch nicht glauben das er mir ein Schmuckstück geschenkt hatte und war fasziniert wie er sich je nach Lichtstimmung veränderte. Je dunkler es um mich herum wurde, umso mehr schien der Stein von innen zu leuchten, doch das konnte ich mir auch einbilden. Doch eine gewisse Magie schien ihm tatsächlich inne zu wohnen. „Ich danke euch“, gestand ich ihm ehrlich und ließ den Stein an der Kette unter meiner Kleidung verschwinden. „Er ist wirklich wunderschön und egal was ihr von ihm haltet, ich werde ihn in ehren tragen“. Er warf einen kurzen Blick auf mich und nickte nur zufrieden. Der Zirkus mit seiner Musik, der Zuckerwatte und seinen Täuschungen verschwand zwischen den dunklen Bäumen und seine Erinnerungen und Eindrücke verblassten in der dunklen sternenklaren Nacht.           

 

Den Mantel eng um meinen Körper geschlungen liefen wir an einer mit Laternen beleuchteten Straße entlang. Es war ruhig, einzig ein Hund der in der Nähe kläffte und unsere Schritte waren die einzigen Geräusche der Nacht. Den dunklen Wald hatten wir schnell hinter uns gelassen und so liefen wir schweigend nebeneinander her. Jetzt im Licht der surrenden Straßenlaternen wirkte der Zirkus im Wald wie in Traum, ein bedrohlicher und verstörender Traum. Die Zigeunerin mit ihren düsteren Vorhersagungen und die leblosen Gesichter der Wesen gingen mir nicht mehr aus meinem Kopf. Einen bitteren Nachgeschmack und ein ungutes Gefühl ließen sich nicht leugnen. In Gedanken versunken folgte och Raziel´s Schatten den die Laternen auf das Pflaster warfen. Das warme Licht versprach Wärme und Sicherheit. Als wir über eine Brücke gingen musste ich kurz innehalten und die Aussicht genießen. Trotz der Schwärze der Nacht erstrahlten die Straßen und Häuser um uns herum. Auf dem Fluss der unter uns durchfloss hatte man kleine Schiffchen fahren lassen in denen Kerzen flackerten, die jetzt wie ein Meer von tausend Lichtern dahin zu schweben schienen. Der Anblick hatte etwas Magisches und Beruhigendes. Plötzlich schienen sie zu platzten denn aus ihnen stiegen, wie Glühwürmchen, helle Lichtpunkte auf die einen funkelnden Schweif hinter sich herzogen. „Das ist wunderschön“, hauchte ich und war völlig verzaubert. Ohne darüber nachzudenken kamen flüsternde Worte über meine Lippen und das Wasser fing an in bunten Farben zu erstrahlen. Als würden leuchtende Fische durch das Wasser schwimmen, glomm es dann und wann auf und verschwand wieder. Das, zusammen mit den Schiffchen und den fliegenden Lichtern erfreute mein Herz. Und ließ es für einen kurzen Moment die Tragik vergessen die uns seit dem Eryn zu verfolgen schien. „Oder nicht?“ sah ich zu ihm herüber. Der Vampir sah mich kurz bewundernd an um dann schnell wieder seine ausdruckslose Maske aufzusetzen und einfach nur zu nicken.

Wir würden bald wieder an Nadine´s Blumenladen ankommen, doch irgendwie hatte ich das Gefühl verfolgt zu werden. Abschätzend sah ich mich immer wieder um, auch Raziel schien unruhiger zu werden. Er hatte sein Schwert im Haus gelassen um nicht aufzufallen, was er jetzt zu bereuen schien. Wir bogen gerade in eine kurze Seitenstraße ein um eine Abkürzung zu nehmen, als sich zwei Gestalten aus den Schatten der Nacht schälten. Sofort wand ich mich um, während Raziel die beiden fixierte und erkannte hinter zwei weitere. „Wir haben schon lange nach euch gesucht, Sir Raziel“, sprach einer von denen und trat aus den Schatten ins Licht. Die rotglühenden Augen waren nicht zu übersehen, genauso wie das Wappen. Fluchend spannte sich Raziel an und machte sich bereit zum Kampf. „Ich bin enttäuscht“, sprach er mit gespielt verletzter Stimme. „Ich dachte ich hätte euch besser ausgebildet“, feixte er und ließ den anderen Vampir nicht aus den Augen, während sich die restlichen langsam auf uns zu bewegten. „Oh das habt ihr,“ beteuerte er wieder. „aber gut genug der Plänkelei. König Welish will euch lebend haben. Entweder folgt ihr uns jetzt freiwillig und wir lassen eure Bettgespielin am Leben oder wir töten sie und ihr werdet gefesselt und ohne Proviant hinter den Pferden hinterher geschleift!“ Raziel schien unbeeindruckt zu sein und entgegnete ihm gelassen. „Weder noch. Ihr werdet entweder sofort verschwinden und dem Lord“, betonte er das letztere, „sagen das er seinen verräterischen Hintern selbst zu mir bewegen kann oder er einfach darauf wartet das ich ihn umbringen kommen werde“. Der Vampir lachte auf und spie seine nächsten Worte nur so aus. „Ihr habt nicht einmal eine Waffe, das Weib ist eine schwache dumme Frau und wagt es nicht dem König zu drohen“. Ohne auf eine Antwort zu warten, griffen sie ohne ein Anzeichen an. Rücken an Rücken standen Raziel und ich in der schmalen Gasse. Mein Herz raste und meine Gedanken suchten verzweifelt nach einem Ausweg. Die beiden Vampire vor mir stürmten auf mich zu, als ich spontan meine Hand hob, in der Hoffnung, dass es mich beschützen würde, „Vaiwa“, rief. Sie flogen von dem Windstoß getroffen, den ich heraufbeschworen hatte, durch die Luft und landeten auf ihren Füßen ein paar Meter weiter. Raziel hatte sich auf seine Gegner geworfen und hatte dem einen bereits den Kopf abgerissen und wich dem Schwerthieb des Anführers aus. Bevor ich der Szenerie weiter folgen konnte stürzten sich meine Gegner abermals auf mich zu. Hilfesuchend sah ich mich um, doch Raziel konnte mir nicht helfen. Mal wieder sah ich, unfähig mich zu wehren, zu wie Vampire mich töten würden. Doch dieses Mal würde Raziel mir nicht aus der Patsche helfen können.

 

Wie ein schwarzer Schatten der sich vor mir aufbaute, stellte sich mir jemand in den Weg und trennte mit einem Schlag seiner silbernen Peitsche die Köpfe der beiden Vampire ab. Goldene Locken im starken Kontrast zu dem schwarzen Umhang fielen ihm ins ernste Gesicht. Er kniete, aus der Bewegung, vor mir und wickelte das Lasso auf. Der Kampflärm hinter mir war verebbt und mit einem Blick nach hinten, sah ich gerade noch wie der letzte überlebende Vampir über die Dächer der Häuser verschwand und Raziel ihm frustriert hinterher sah. „Eine gefährliche Nacht um unbewaffnet durch dunkle Gassen zu spazieren. Man sollte meinen ihr habt es darauf angelegt angegriffen zu werden. Was haben Soldaten des Vampirkönigs von euch verlangt?“ erklang nun eine bekannte Männerstimme. Der Mann der mir das Leben gerettet hatte stand nun vor uns und sah dem fliehenden Vampir hinterher. Es war jener der mir auch schon im Zirkus und in der Kneipe aufgefallen war. Aus der Nähe konnte ich ihn nun näher begutachten. Er sah sehr adrett aus. Schwarze enganliegende Hose, ein weißes Hemd unter einer lila schwarzen Brokatbluse und darüber ein schwarzer fein geschnittener Mantel. „Das hat euch nicht zu interessieren“, ranzte Raziel den Mann an und warf ihm einen bösen Blick zu. „Ich habe eurer Freundin gerade das Leben gerettet, ein wenig Dank wäre doch angebracht“, entgegnete er ihm mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen. Das schien Raziel noch mehr aufzuregen und bevor er meinem Retter den Kopf abriss, ging ich dazwischen. „Zuerst er ist nicht mein Freund, wir sind Reisegefährten“, stellte ich direkt klar. „Und zweitens, ich danke euch das ihr mir das Leben gerettet habt. Welch ein Zufall das ihr gerade im richtigen Moment erschienen seid oder habt ihr uns verfolgt?“ Schlussfolgerte ich etwas skeptisch. Er verneigte sich leicht und nahm meine Hand um ihr einen flüchtigen Kuss aufzuhauchen. „Es war mir eine Freude. Ich wünsche noch einen schönen Abend“, damit wand er sich von uns ab, ohne auf meine Frage einzugehen und ging seiner Wege. Diese, nun dritte, Begegnung an einem Abend lies mich nicht an Zufälle glauben. Es schien mir als hätte er mehr Interesse an uns als er zu gab und so hoffte ich ihn für den heutigen Abend das letzte Mal gesehen zu haben, denn er schien Ärger zu verursachen. Raziel schäumte immer noch vor Wut, obwohl der Fremde bereits gegangen war. Wärend wir in Sichtweite des Blumenladens kamen musste ich ihn doch rügen. „Ihr hättet euch ruhig bei ihm bedanken können“. Raziel blieb abrupt stehen und funkelte mich an. „Wenn er nicht da gewesen wäre hätte ich den Mistkerl noch gekriegt, so ist er mir entwischt.“ „Wenn er nicht gewesen wäre, wäre ich jetzt tot“, schrie ich ihn regelrecht an. Kein Argument mehr wissend, rempelte ich ihn schnaufend an und ging ins Haus.                            

 

Er folgte mir nach wenigen Minuten schweigend und etwas weniger aufbrausend. Nadine war noch auf und fragte uns wie unser Abend war, aber als sie merkte, dass wir im Streit waren ließ sie uns in Ruhe und wünschte uns eine gute Nacht. Etwas versöhnlicher ging ich noch einmal zu ihr und fragte sie nach ihrem Arbeitstag, welchen sie mir freudestrahlend und ausführlich berichtete, während Raziel in dem Gästezimmer verschwand. Ich erzählte ihr von dem Archiv, dem Essen und dem magischen Moment auf der Brücke, ließ den Überfall und den Zirkus aber wohl weißlich weg. Als ich ihr erzählte das wir morgen wieder abreisen würden, war sie etwas traurig. „Ich hatte mich schon an ein wenig Gesellschaft gewöhnt“, schmollte sie. „Wir werden euch bestimmt wieder besuchen, aber wir müssen wirklich weiter“. Sie wünschte mir nach dem Gespräch noch eine gute Nacht und ich begab mich ebenfalls zur Nachtruhe. So viel es mir auch nicht besonders leicht an diesem Abend einzuschlafen, nach den Ereignissen des Tages. Ein wenig chauffiert zog ich mich vor den Augen des Vampirs auf das Nötigste aus und huschte schnell unter die flauschige Bettdecke. Wir mussten uns notgedrungen ein Bett teilen, selbst wenn ich es gewollt hätte, gäbe es keine andere Möglichkeit, außer auf dem Boden zu schlafen. Und da Raziel nicht darauf verzichtete endlich mal wieder in einem richtigen Bett zu nächtigen und ich mir nicht die Blöße geben wollte ihm nachzugeben, war ich gezwungen es mit ihm zu teilen. Man verstehe mich nicht falsch, ich hatte kein Problem mich weder vor einem Mann auszuziehen noch mit einem die Nacht in einem Bett zu verbringen. Es machte mir nur etwas aus wie er mich feixend und lüstern dabei beobachtete wie ich mit meinem Gewissen rang. Er schien den Streit schnell wieder vergessen zu haben und wollte sich auf diesem Wege bei mir rächen. Dass ich mich zu ihm hingezogen fühlte wollte ich ihm nicht zeigen, wobei mir klar war das er es wissen musste. Allein der Gedanke neben ihm schlafen zu dürfen und an die letzte Nacht unter freiem Sternenhimmel, ließ meine Wangen erröten und mein Verlangen schmerzhaft steigen. „Wehe ihr kommt mir heute Nacht zu nahe“, rügte ich ihn abermals. Doch er hob die Hände, losch das Licht und schlief augenblicklich ein. Seufzend rückte ich mir mein Kissen zurecht und tat es ihm, trotz der Geschehnisse, gleich. So viel Trubel und neue Erkenntnisse waren zu viel für den Moment. Das letzte was mein müder Geist wahrnahm, war das Gewicht des kühlen Drachenauges auf meiner Brust.

 

In der Nacht verfolgten mich die Ereignisse der letzten Tage unserer bisherigen Reise. Vampire, die uns im Archiv jagten, verzauberte Bücher, die auftauchten und wieder verschwanden, wenn ich einen Blick darauf werfen wollte, dunkle Sirenen die mit schmerzverzerrten Gesichtern nach Hilfe riefen, das leise Klimpern von goldenen Münzen vor silbernen Augen und Raziel wie er mit dem unbekannten Gentleman kämpfte. All diese Bilder hatten etwas Bedrohliches und Dunkles an sich, selbst wenn ich selbst gar nicht in Gefahr war, so raste mein Herz in Panik, als hätte ich Angst etwas zu verlieren oder etwas zu übersehen. Eine leise Stimme hauchte mir unverständliche Worte ins Ohr. Verzweifelt versuchte ich sie zu verstehen, ihr zu sagen, dass sie mir doch verständlicher sagen soll was sie von mir will, denn sie schien mich zu etwas zu drängen das ich suchen oder herausfinden soll. Schweißgebadet riss mich eine Erinnerung aus meinem Traum und ich richtete mich schwer atmend im Bett auf. Den letzten Gedanken festhaltend versuchte ich mich wieder zu beruhigen. Mein Blick suchte das Zimmer nach Bedrohungen ab, aber außer mir war niemand im Raum. Meinen Atem beruhigend schwang ich meine Beine über die Bettkante und kramte in meiner Manteltasche nach dem kleinen Buch. Den Bildern in meinem Kopf folgend blätterte ich eilig durch die vergilbten Seiten und erstarrte regelrecht als ich die Abbildung fand, die ich suchte.

 

„Vampire“ stand als Überschrift über dem zweiseitigen Text. Eine handgemalte Zeichnung von einem Monster in Menschengestalt war auf die eine Seite gezeichnet, Erinnerungen an den wildgewordenen Mann in der Manege blitzten vor meinem inneren Auge auf. Rotglühende Augen, scharfe Fangzähne, eine Skizze eines Vampirschädels und anderer Körpermerkmale, zeigten einem deutlich wie gefährlich diese Wesen wirklich waren. Genauso furchteinflößend die Beschreibung, die Begründung des Blutrausches, die Wirkung auf Menschen und anderer Geschöpfe und wie sie zu töten waren. Bei der Beschreibung wie einfach es doch für einen Vampir sei, gerade die menschlichen Opfer, in ihren Bann zu ziehen, ließ mich würgen. Ganz genauso wie es mir erging und wie er auf mich wirkte, beschrieb das Buch die Wirkung. Ich konnte jetzt verstehen warum Raziel so angeekelt geguckt hatte. Klar war mir bewusst, dass Vampire diese Wirkung auf Menschen hatten, dennoch war ich davon ausgegangen, dass sie nicht so stark sein konnte. Jetzt erlebte ich es am eigenen Leib. Als es dann noch beschrieb das sie teilweise noch andere Fähigkeiten wie Telepathie, Gedankenlesen, Kontrolle über die Elemente und anderes haben konnten, wurde mir fast schlecht. Was wenn er tatsächlich meine Gedanken lesen konnte, Anzeichen dafür gab es viele. Doch ich war für ihn wahrscheinlich ein offenes Buch, schließlich war er bestimmt schon einige hundert Jahre alt und ich war bestimmt nicht die erste Frau die er bezirzte. Auch waren meine Kenntnisse wie man einen Vampir tötete wahrlich mangelhaft. Es gab nicht vieles was einen Vampir endgültig vom Antlitz der Erde löschen konnte doch unmöglich war es nicht. Die Geschichten über Knoblauch, Weihwasser, Feuer und Kreuze waren gelogen. Das einzige was wirklich half war entweder Silber oder der Biss eines Werwolfs oder auch Lykaner´s, da ihr Gift das Vampirgift neutralisierte und das infizierte Gewebe auflöste.

 

Zu diesem Punkt war eine kleine Randnotiz nachträglich hinzugefügt worden in der auf einen Alchemisten Namens Zacharias de Revue hingewiesen wurde, dem es anscheint gelungen war diesen Prozess zu unterbinden und Vampire wieder in Menschen zurück zu verwandeln. Überrascht sah ich kurz auf, um meine Gedanken zu sortieren. Das war unmöglich, niemand konnte einem reinblütigen Vampir in einen Menschen verwandeln, doch nach der gestrigen Vorstellung war ich mir da nicht mehr so sicher. Selbst wenn ich es für Raziel gewollt hätte, wäre es nicht möglich gewesen. Einer Zurückverwandlung muss die Prämisse gegeben sein das man vorher schon etwas anderes war und das war er nie. Hin und her gerissen ob ich es ihm erzählen sollte, entschied ich mich es erst einmal für mich zu behalten. Was würde es bringen ihm davon zu erzählen, er würde sein Ziel aus den Augen verlieren etwas hinterher zu jagen was vielleicht nichts brachte und ihn nur noch unglücklicher machen würde. Nach seiner gestrigen Situation zu urteilen, würde er einer Aussage aus einem Buch eh keinen Glauben schenken, wenn er nicht einmal einer Vorstellung glaubte die direkt vor seinen Augen geschah. Zumal er sein Wesen brauchte, um seine Aufgabe zu erfüllen. Ich wollte das Buch gerade wieder zuschlagen als mir ein letzter Absatz auf der Seite auffiel. Neugierig las ich mir die letzten Zeilen durch und war verblüfft. In diesen Zeilen stand detailliert wie man zu einem Vampir wurde. Egal welche Art Wesen man vorher war, war es möglich zu einem Vampir zu werden, wenn man sein Gift in seinem Körper hatte, sein Blut trank und dann starb. Teilweise würde man seine angeborenen Fähigkeiten behalten, was der Autor aber nicht versichern konnte da es noch keine stichhaltigen Beweise gab. Warum sollte ich diese Zeile nun lesen sollen? Was sollte mir das bringen? Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen und legte es frustriert wieder zurück in meine Manteltasche. Das Buch sollte einem erklären wie man Wesen tötete, warum sollte es mir zeigen wie man sich in sie verwandelte? Dem Sinn noch nicht ganz auf der Spur ließ ich es darauf beruhen und zog mir wieder meine Reisekleidung an die Nadine freundlicherweise für mich gewaschen hatte.

 

Das Frühstück welches sie für mich und den Vampir gemacht hatte war einfach göttlich. Sie selbst war bereits unten im Blumenladen und wir hatten die Wohnung für uns allein. Um mich ein wenig frisch zu machen ging ich mit den frischen Kleidern in das gemütliche Bad. In Gedanken verloren öffnete ich die Tür und erstarrte zu einer Salzsäule. Dichter Wasserdampf schlug mir entgegen und benetzte meine Haut. Es brauchte einen Moment bis ich einen freien Blick in den Raum hatte. Mitten in dem heißen Dampf, nur mit einem Handtuch um die Hüften, stand Raziel und sah mich ebenfalls irritiert an. Als mein Blick über seinen Oberkörper wanderte wurde mir ganz heiß und ich drehte mich schnell von ihm weg. Natürlich hatte ich ihn schon nackt gesehen im Schein des Kaminfeuers, doch ihn jetzt bei Tageslicht zu sehen mit den Bauchmuskeln, den breiten Schultern, den kräftigen Armen und dem Handtuch welches ihm verboten tief um die Hüfte hing, hatte es eine komplett andere Wirkung. „Bitte entschuldigt ich wollte euch nicht stören. Ich wusste nicht, dass ihr hier drin seid“, stammelte ich unbeholfen und versuchte die Schamesröte von meinen Wangen zu bekommen. „Ihr könnt euch gern wieder umdrehen“, konnte ich sein süffisantes Grinsen regelrecht hören. „Ich glaube nicht, dass das eine so gut Idee ist“, versuchte ich das Bild aus meinem Kopf zu bekommen. Als sein heißer Atem mein Ohr streifte versteifte ich mich augenblicklich. „Warum? Habt ihr ein Problem mit nackten Männern“, hauchte er mir lasziv ins Ohr. Meine Wangen fingen wieder an zu glühen, meine Versuche mich zu beruhigen und seinen Spielchen nicht nachzugeben, scheiterten kläglich. „Weil ich nicht garantieren kann was dann passiert“, hauchte ich fast schon verträumt, riss mich dann aber wieder am Riemen, als ich daran dachte was er war und dass er für seine Wirkung nichts konnte. Dieser Gedanke machte mich traurig und das schien er zu spüren.

 

„Keine Sorge ihr könnt euch ruhig umdrehen, ich bin eh fertig.“ Schien er meinen Stimmungswechsel fehl zu interpretieren und rauschte gleichgültig in seiner Kleidung an mir vorbei hinaus in den Flur. Traurig über den Gedankengang, der sich nun weiter in mir formte eilte ich ins Bad, machte mich frisch und ging dann zurück ins Zimmer, um meine restlichen Sachen zu holen. Raziel stand am Fensterrahmen angelehnt und starrte nach draußen in den bewölkten Morgen. Der Streit des gestrigen Abends und die Unterredung im Bad hatte die Stimmung zwischen uns unterkühlt. Wärend ich mich für die Weiterreise stärkte sprach er kein Wort und schien über etwas nachzudenken. Auch mir schlugen die meine auf die Laune. Ich hatte die Zeilen aus dem Buch nicht vergessen können. Zu wissen das die Gefühle, die ich für in hegte nicht echt waren und nur auf die Wirkung seines Wesens zurück zu führen vermochten, machten mich wirklich traurig. Bislang konnte ich mich und das was ich empfand immer sehr gut einschätzen und ich hatte weder das Gefühl, dass ich einem Bann noch einer Aura unterlag die mich quasi dazu zwang diese Gefühle zu dem Vampir zu empfinden. Natürlich fühlte ich mich zu ihm hingezogen und wenn er mal nicht in meiner Nähe war, war es für mich eine körperliche Qual. Dennoch wusste ich mich zusammen zu reißen und zu benehmen. Diesem Gefühlschaos ausgesetzt versuchte ich dieses Problem erst einmal zurück zu drängen und mich auf unser bevorstehendes zu konzentrieren.

 

Schweigend machten wir uns nach dem Frühstück auf, runter in den Laden wo Nadine uns schon strahlend erwartete. „Ah ihr seid wach, sehr schön ich hoffe ihr hattet gestern einen schönen Abend?“ Sah sie von einem zum anderen und schien etwas in unseren Gesichtern zu suchen. „Ja es war wirklich schön, aber wir müssen leider weiter“, versuchte ich sie höflich zu einem anderen Thema zu bewegen. Sofort wurde ihre Miene traurig und sie wand sich an ihren Tresen und reichte mir ein, in Ölpapier gewickeltes, Päckchen. „Hier, ich wollte euch dies schenken. Ich hoffe es wird euch behilflich sein auf eurer weiteren Reise“, sie legte es mir in meine offene Handfläche und löste vorsichtig die Schnüre. Zum Vorschein kam eine blaue wunderschöne Blüte die leicht von innen zu glühen schien. „Das ist eine Mondsichelblume. Sie ist sehr selten und die erste die aus meiner Züchtung erblüht ist. Der Saft, wenn ihr sie zerreibt, hat unglaublich stark heilende Kräfte“. Damit band sie sie vorsichtig wieder zu und sah mich mit tränennassen Augen an. Dankbar starrte ich das kleine Päckchen an und schüttelte den Kopf. „Nein das können wir nicht annehmen. Das ist ein viel zu wertvolles Geschenk.“ Versuchte ich ihr sie wieder zurück zu geben, doch sie schüttelte wehemend ihren Kopf so dass ihre braunen Locken um ihren Kopf flogen. „Ich bestehe darauf. Ohne das Buch, welches ihr mir mitgebracht habt, wäre es mir überhaupt nicht möglich gewesen diese zu züchten. Also bitte nehmt sie als Dank an.“ Von meinen eigenen Gefühlen überrumpelt legte ich die Blüte vorsichtig in einen meiner kleinen Beutelchen und umarmte die kleine Frau herzlich. „Ich danke euch. Wir schulden euch etwas, aber wir müssen jetzt los!“ Sie wischte sich ihre Tränen weg und nickte verständnisvoll. Raziel´s Abschied war nicht ganz so herzlich, aber er war wie immer ein Gentleman, wenn man das über einen Soldaten so sagen kann.

 

Mit einem letzten Blick auf die, im Türrahmen stehende Nadine umringt von ihren Blumen, ritten wir auf unseren Pferden die Straße hinunter zum Zeppelinhafen. „Was ist unser nächstes Ziel?“ fragte ich den Vampir der stumm neben mir her ritt. „Das Dorf Loran. Es liegt auf dem Weg zu den Höhlen und wir werden dort weitere Informationen und Proviant besorgen.“ Seine Stimme war emotionslos und kühl. „Wie ihr wünscht“, antwortete ich ihm genauso kühl und knapp. Den Hafen erreichten wir zu Pferd deutlich schneller als zu Fuß am Vortag und ich machte mich über die Flugpläne schlau. Tatsächlich würde uns ein Zeppelin bis Loran bringen und uns dort absetzten. Der Kapitän des Frachters musste dort Lebensmittel und einige andere Güter abladen und nahm uns gegen ein relativ kleines Honorar mit. Er war ein kleiner untersetzter Mann mit Rauschbart, Kordhosen und einer Pfeife die er unablässig qualmend in seinem Mund trug. Seine grauen Augen begutachteten uns freundlich und dann durften wir es uns in seiner geräumigen Gondel gemütlich machen. Der Rest des Frachtraums war mit Holzkisten, Fässern, Käfigen und andern Gut beladen. Wir banden die Pferde in den vorgesehenen Ständern an und halfen dem Mann noch mit den restlichen Kisten. Wir würden für die Überfahrt knapp zwei Tage brauchen und da wollten wir uns wenigstens etwas nützlich machen, schließlich waren wir nicht auf einem der luxuriösen Transportschiffe. Was mir persönlich auch lieber war, da wir allein waren und zumal war es deutlich günstiger für uns gewesen. Klar wir hatten nicht den besonderen Komfort, aber bis nach Loran hätte es uns die doppelte Zeit gekostet und die hatten wir, wenn es nach Raziel ging, überhaupt nicht.

 

Kurz bevor wir ablegen konnte, vernahm ich weitere Schritte und Pferdeschnauben. „Ist hier noch ein Platz für uns frei? Die anderen Schiffe sind leider völlig überfüllt“. Die männliche Stimme kam mir allzu vertraut vor und noch bevor ich mich umdrehen konnte, erahnte ich an Raziel´s Anspannung, wer uns da gerade mit seiner Anwesenheit beehrte. Tatsächlich stand der Mann mit den goldenen Locken und einem Schimmel an der Hand am Anleger und winkte uns freundlich zu. Seine silberne Peitsche gut an seinem Gürtel versteckt, erkannte ich die Waffe dennoch sofort wieder. Der Kapitän sah zwar überrascht auf, stimmte dennoch zu und so betrat der Mann das Schiff und sah mich und Raziel freudig an. „Schön euch wieder zu sehen“, sprach er nun in meine Richtung und verneigte sich leicht. Noch bevor ich etwas erwidern konnte, stand Raziel vor ihm und funkelte ihn wütend an. „Was wollt ihr hier?“ zischte er ihn an. „Hey, keinen Streit an Bord meines Schiffes“, rügte der Kapitän als er die Spannung zwischen den beiden Männern erkannte, wärend er die Taue löste und sich das Schiff langsam vom Anleger entfernte. „Bitte verzeiht mein ungebetenes Auftauchen, doch ich habe zufällig mitbekommen wohin dieses Schiff fährt und da ich ebenfalls in diese Richtung muss, war ich so frei und habe die Chance genutzt“, formulierte er seine Beweggründe galant, welche Raziel nicht zu überzeugen schienen. Rüde zog ich den Vampir von dem Mann weg, der ihn immer noch wie ein wahnsinniger fixierte. „Lasst Raziel, er ist nur ein Passagier wie wir“, versuchte ich ihn zu beruhigen und schob ihn auf eine der Kisten. Nun hatte ich die Aufmerksamkeit des Mannes und ich trat frei auf ihn zu und reichte ihm meine Hand. „Bitte entschuldigt meinen Begleiter, er ist ein wenig angespannt“, warf ich dem Vampir einen warnenden Blick zu und wand mich wieder dem Mann zu. „Mein Name ist Lady Ray und das ist Sir Raziel“, deutete ich mit einer Handbewegung hinter mich. Galant nahm er meine Hand hauchte zwinkernd einen Kuss auf den Handrücken. „Erfreut euch endlich richtig kennen lernen zu dürfen. Mein Name ist Nathaniel Imetra.“ Für einen kurzen Moment stockte mir der Atem, seine blauen Augen ließen mich keinen Moment unbeobachtet. „Die Freude ist auf meiner Seite“, entgegnete ich ihm höflich. „Ich muss euch wohl für den gestrigen Abend einen tiefen Dank aussprechen. Wenn ihr nicht erschienen wärt, würde ich hier wahrscheinlich nicht mehr stehen“. Nathaniel wollte gerade zu einer Antwort ansetzten, als Raziel ihn wieder brüsk unterbrach. „Fragt ihn doch mal warum er gestern in dieser Gasse aufgetaucht ist!“ Irritiert von seinem regelrechten Hass auf den blonden Mann, sah ich ihn nun abwartend an. Dieser lächelte mich entschuldigend an und schien endlich mit der Sprache raus zu rücken. „Ich weiß nicht wovon ihr sprecht“, innerhalb eines Wimpernschlages stand der Vampir wieder vor ihm und knurrte ihn an. „Ach ja. Eure Peitsche, ist aus reinem Silber, welcher normale Reisende trägt so eine Waffe mit sich. Und eure Kampftechnik ist berühmt berüchtigt für eure Familie. Glaubt mir ich weiß wer ihr seid, nun bitte seid doch so freundlich und erzählt es auch meiner lieben Gefährtin!“ Schien sein Ton wieder freundlicher zu werden, was eher wie eine Drohung klang. „Das Gesicht des Mannes wurde ernst, es schien nicht zu seinem Charakter zu passen, doch da ich ihn bislang nur so freundlich und nett kennen gelernt hatte, konnte ich das wohl nicht beurteilen. Er seufzte und sah mir fest in die Augen. Das freundliche Blau hatte sich in ein eiskaltes Grau gewandelt. „Wie ihr wünscht. Lady Ray ich stamme aus einer der letzten Jäger Familien. Mein Schwerpunkt ist die Vampirjagd.“ Damit funkelte er nun Raziel an. „Was mich zu euch bringt. Ich wurde beauftragt von König Welish euch zu töten“, bei seinen Worten verkrampfte sich alles in mir und ich schalte mich selber, dass ich uns in solch große Gefahr gebracht hatte. Jetzt machten die Zufallsbegegnungen auch Sinn, vorbei die Höflichkeiten.

 

Ich hatte schon von Familien gehört die sich der Jagd nach den verschiedensten Wesen verschrieben hatten. Auch fiel mir jetzt der Name Imetra wieder in den Sinn und die Geschichte die dahinter stand. Sie waren DIE Familie die man rief, wenn man ein Vampirproblem hatte. Jahrhunderte lagen diese mit den Imetra´s im Krieg und darunter litten nicht nur die Kämpfenden mit ihren Familien, sondern das ganze Land. Das alles war vor meiner Zeit, die Elben hatten mir ihre Geschichte erzählt und auch das es nur noch wenige Mitglieder dieser Familie überlebt hatten. Dass ich ausgerechnet heute einem begegnete der das Handwerk noch zu verstehen wusste, war entweder Zufall oder Bestimmung. „Und warum habt ihr das bisweilen nicht getan?“ War meine Neugierde doch größer als die Furcht. Raziel hatte sich schon zum Kampf gerüstet und taxierte den blonden Mann vor sich genau. „Ihr hättet genug Gelegenheiten gehabt“, Nathaniel fand sein freundliches Lächeln wieder und sah mich fasziniert an. „Eine menschliche Frau macht sich Sorgen um einen Vampir, obwohl wir es sind die diesen Monstern als Futter dienen.“ Schneller als ich es selbst von mir gedacht hätte und Nathaniel nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet zu haben schien, stand nun ich vor ihm und schlug ihn mit der flachen Hand ins Gesicht. Verblüfft und positiv überrascht rieb er sich seine röter werdende Wange und sah in mein wütendes Gesicht. „Nur weil ihr Vampire als Monster kennt, muss nicht jeder eines sein.“ Er schien sich schnell von der Überraschung erholt zu haben, stemmte seine Hände in die Hüften und lachte lauthals. Der Schimmel neben ihm, der bislang gedöst hatte, zuckte erschrocken zusammen und sah seinen Herren genauso entgeistert an wie ich es tat. „Das war mir ja klar, dass ihr das sagt. Eure dumme Verliebtheit bestätigt nur meine Annahme. Sagt hat er euch schon gebissen?“ Ich musste den Drang unterdrücken mein Handgelenk zu reiben und konzentrierte mich auf seine Augen die mich mit leichter Verachtung straften. „Selbst, wenn, ich reise schon eine Weile mit ihm und ich würde mich für ihn verbürgen. Er ist nicht so wie ihr denkt“, mit einem Mal wurde mir klar, dass ich das nicht einfach so sagte um Raziel zu verteidigen, sondern dass ich es wirklich ernst meinte, nachdem was ich in dem Buch gelesen und welche Gefühle es in mir ausgelöst hatte, schien ich mich nun entschieden zu haben. Raziel der hinter mir stand sah mich mit bewunderndem Blick an, ich konnte ihn regelrecht in meinem Rücken spüren. Auch Nathaniel schien überrascht zu sein und sah mich nun nachdenklich an. „Nun beantwortet mir endlich meine Frage? Warum sind wir noch nicht tot?“ „Einfach aus dem Grund, weil ich es so wollte. König Welish ist ein rachsüchtiger, machthungriger und blutrünstiger Vampir. Er war in so vielen Kriegen gegen meine Familie der Oberbefehlshaber. Ich hatte gehofft durch die Annahme dieses Auftrags könnte ich mich mit dem Tod seines geliebten Raziel´s eine Kerbe in seinen Pfosten schlagen, doch es würde mir mehr Freude bereiten genau diesen gefürchteten Krieger gegen ihn zu verwenden!“

 

Mit dieser Offenbarung schien der Vampir nicht gerechnet zu haben. „Ihr wollt das ich euch helfe den Lord zu töten?“ Die Anspannung wich und die Ungläubigkeit nahm zu. Jetzt war er es der lauthals anfing zu lachen, dass selbst ich mich ungläubig zu ihm umdrehte. Ich hatte ihn noch nie lachen sehen, das war das gruseligste was ich wohl jemals zu Gesicht bekommen hatte. „Nun gut,“ kam er langsam wieder zu Atem. „beweist eure Loyalität. Kommt mit uns“, wurde sein Gesicht wieder ernst. „aber bei dem ersten Anzeichen des Verrats gegen mich oder Lady Ray, werde ich euch eigenhändig umbringen!“ Strahlend reichte Nathaniel Raziel die Hand, in der dieser einschlug. „Abgemacht“, die beiden Männer starrten sich noch für einen Moment an und gingen getrennte Wege. Ich stand seufzend daneben und wusste nicht was ich davon halten sollte.

Noorac - Seelenverbündete

 

Nach der kleinen Auseinandersetzung war es still geworden auf dem Schiff. Der Vampirjäger hatte sein Pferd versorgt und sich dann mit einem Buch auf eine der Kisten niedergelassen. Raziel ließ den Mann in keiner Sekunde aus den Augen und war angespannter denn je. Ich konnte ihn gut verstehen, ich traute ihm auch nicht. Seine Geschichte, dass er sich gegen seinen Lehnsherren gestellt hatte um nun mit uns gegen genau diesen zu kämpfen, schien mir zu vorhersehbar. Doch auch die Auseinandersetzung mit dem Vampir und meine eigene Erkenntnis zu wissen, dass ich ihm mehr vertraute als jenem der sie bekämpfte, verwirrte mich. Auf wessen Seite stand ich eigentlich? Das glatte Holz der Reling, auf der ich mich mit den Unterarmen abstützte, roch nach frischem Öl. Die kühle Winterluft ließ mich frösteln. Hier oben in den Wolken war es deutlich kälter und windiger als unten am Boden. Selbst in meinem dicken Mantel zitterten meine Muskeln um sich aufzuwärmen. Doch zurück in den Frachtraum wollte ich auch nicht. Die Anspannung zwischen den beiden Männern war förmlich mit Händen zu greifen und machte mich unruhig. Seufzend legte ich meinen Kopf auf meine Unterarme und schloss für einen Moment die Augen. Das sanfte Wiegen des riesigen Ballons über unseren Köpfen und das regelmäßige Summen des Propellers, der uns durch die dicken Wolken schob, machten mich schläfrig. Zwei Tage hier oben, allein mit den beiden Streithähnen und das bei der Kälte ohne eine Möglichkeit ein wärmendes Feuer zu entzünden. Entweder würde ich hier oben erfrieren oder ich müsste mich zwischen die Pferde kuscheln. Den Luxus einer warmen Fahrgastkabine mit einem gemütlichen Sitz hatten wir mit der Wahl dieses Frachtschiffes aufgegeben. Doch einen großen Vorteil hatte es, wir waren die Soldaten fürs erste los die uns verfolgten, doch einen Verbündeten der sich unser Vertrauen noch verdienen musste aufgehalst. Vom Regen in die Traufe. Das Frachtdeck war bis auf den Kapitänsstand rundherum offen. Wie ein Schiff auf See bot die Reling Schutz vor dem Sturz in die Tiefe. Die meiste Ladung lag unter Deck und war durch eine Holztreppe erreichbar. Das hölzerne Deck selbst bot keinen Schutz vor der Witterung. Der Wind pfiff durch jede Ritze und riss an den dicken Tauen und Ketten die den Ballon mit dem Deck verbanden. Klirrend und knarzend zog der Wind an ihnen, als wollte er sie vom Ballon losreißen wollen. Der Kapitän hatte seinen Stand erhöht vorn am Bug und konnte somit alles im Auge behalten. Er war nicht besonders groß, bot aber anscheint Platz für einen Schlafplatz und seine Gerätschaften.

In dem Wikingerdorf, welches unser Ziel war, erhoffte Raziel weitere Informationen über Basilisken heraus zu finden. Die Menschen, die dort wohnten war berüchtigt für ihre Schmiedekunst und den Handel mit Fellen und Häuten. Der Kapitän würde uns direkt dort absetzten um einen Teil seiner Ladung zu löschen und neue an Bord zu nehmen.

 

Meine Gedanken schweiften umher, ohne Ziel. Jetzt schon sehnte ich mich nach festem Boden unter den Füßen, obwohl wir gerade mal einen halben Tag an Bord waren. Den Pferden schien es nichts auszumachen, sie dösten in ihren Ständen oder mümmelten an dem bereit gestellten Heu. Als die Stute mich sah, grummelte sie mir freundschaftlich zu und versenkte ihre weiche Nase in meine Handfläche. Warm und tröstend wärmte sie meine kalten Hände. Diese zog sich durch meinen ganzen Körper, nichts schien mich wärmen zu können. Ich lehnte mich an ihren Hals, verbarg mein Gesicht in ihrer Mähne und sog den vertrauten Pferdegeruch ein. Ein wenig Wärme tat wirklich gut und vertrieb für einen Moment die Unruhe die mich, seit dem Betreten des Schiffs, erfasst hatte. Die Wintersonne sank schon am Horizont und färbte die grauen Wolken in tiefe Rot und Orangetöne. Bewundernd beobachtete ich das atemberaubende Schauspiel, bis sie komplett vom Himmel verschwand. Tiefe Schwärze umhüllte das Schiff, nur wenige Lampen erhellten das Deck. Eine ungewohnte Panik stieg in mir auf. Die Stute bemerkte dies und schnaubte unsicher. Ich ließ sie los und trat aus dem Stand zurück, um sie nicht weiter zu beunruhigen. Mein Blick suchte hastig das Deck nach den beiden Männern ab. Doch in den dunklen Schatten zwischen den wenigen Kisten, aufgerollten Tauen und Fässern schien nichts zu sein. Verloren versuchte ich mich zu konzentrieren und meine Panik zu unterdrücken. Mit geschlossenen Augen suchte ich meine innere Stärke und fand sie. Warm, pulsierend und mächtig floss sie durch jede Faser meines Seins und füllte mich mit Ruhe und Magie. „Cala“, hauchte ich und warmes Licht breitete sich von meinen Handflächen über das Deck aus. Sofort verschwanden die Panik und die Dunkelheit wich für einen Moment dem Schein meiner Magie. „Ihr seid eine Magierin“, erklang eine sanfte Männerstimme. Nathaniel saß direkt neben mir auf einer Kiste und schien mich beobachtet zu haben. „Überrascht es euch?“ „Nein, nicht wirklich“, kicherte er amüsiert. „Es freut mich das ich euch belustige“, wand ich mich verärgert ab. „Bitte, nein verzeiht.“ Stand er plötzlich auf und hielt mich an der Hand fest. Seine plötzliche Berührung ließ mich für einen Moment erschaudern. „Ich wollte euch nicht kränken, ich frage mich nur warum eine menschliche Magierin mit einem Vampir reist?“ Für einen kurzen Augenblick las ich Verachtung in seinem Blick, als dieser wieder Freundlichkeit wich. „Ich weiß nicht was euch vorgefallen ist das ihr und eure Familie Vampire so sehr hasst, aber sie sind nicht alle so. Ich helfe ihm, weil er mir das Leben gerettet hat“. Beantwortete ich ihm seine Frage, so ehrlich wie möglich.

 

Seinem Blick nach zu urteilen schien ihm meine Antwort noch mehr zu verwirren, beließ es aber dabei. Dass er meine Hand immer noch hielt, verunsicherte mich noch mehr, als er näher an mich herantrat und sein Gesicht dem meinen sehr nahekam. „Ihr hofft ihr könnt ihn retten. Retten vor der Dunkelheit, die euch so sehr in Panik versetzt“, seine Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. Ich entriss ihm meine Hand und trat einen Schritt zurück. „Wie kommt ihr darauf?“ Er legte den Kopf schief und beobachtete neugierig meine Mimik. „Ich habe eure Panik regelrecht gerochen als die Sonne unterging. Die Dunkelheit ist eure größte Angst, die Äußere sowie die Innere. Ihr denkt ihr könnt ihn vor der Dunkelheit seines Wesens retten.“ Mein nervöses Kichern unterbrach die Stille zwischen uns. „Jeder hat vor irgendetwas Angst. Und ja ihr habt recht was die meine angeht, doch ihr liegt falsch bei dem Vampir. Ich brauche ihn so wie er ist. Als Mensch könnte er seine Aufgabe niemals bewältigen“, „Aber ihr kennt einen Ausweg!“ Innerlich verfluchte ich mich das ich anscheint so offensichtlich zu durchschauen war, verzog aber keine Miene. „Vampire kann man nicht zurück verwandeln, glaubt mir, wenn ich es wüsste wäre ich die erste die danach suchen würde.“ Meine Antwort schien ihn für den Moment zufrieden gestellt zu haben, doch mir schwante das dies noch nicht das letzte Wort gewesen war.

 

Zu spät erst bemerkte ich die Aura Raziel´s. „Das bin ich also nur für euch?“ Seine Stimme war wie Eis. Er trat aus den Schatten, als wäre er mit ihnen verschmolzen gewesen. Seine Augen flackerten in einem gefährlichen Rot und waren auf mich gerichtet. Langsam wie ein Raubtier schlich er auf mich zu, den Jäger ignorierend. Nathaniel stellte sich direkt vor mich und hob abwehrend seine Hände. „Beruhigt euch Sir Raziel, das hat sie bestimmt nicht so gemeint“, versuchte er den Vampir betont lässig von mir abzulenken, doch er schien einfach durch ihn hindurch zu blicken. Im Normalfall hätte ich wohl Panik bekommen und hätte nach einem Fluchtweg gesucht, doch wir waren auf einem fliegenden Schiff in schwindelerregender Höhe. Das einzige was ich tun konnte war ruhig zu bleiben und ihm keinen Anlass zum Angriff zu geben. „Tretet bei Seite“, fauchte er Nathaniel an, ohne den Blick von mir abzuwenden. Dieser Griff an seinen Gürtel, um notfalls seine Peitsche zum Einsatz zu bringen, doch Raziel war schneller. In weniger als einem Augenblick hatte er den Mann zur Seite gestoßen und stand eine Handbreit vor mir. „Antwortet mir! Bin ich für euch nur ein Monster, welches man bei Belieben einsetzten kann, um seine Ziele zu verfolgen?“ Seine Nähe und sein betörender Geruch warfen mich für einen Augenblick aus der Bahn, doch ich befahl meiner Stimme zu gehorchen. „Ihr seid der der ihr seid. Um euer Ziel der Vergeltung zu erreichen müsst ihr ein Vampir sein!“ Trotz der prikeren Situation war meine Stimme fest und bestimmt. Als seine Hand sich um meine Kehle legte und langsam zudrückte, erwartete ich Panik, doch seine Intensität und die Gefahr brachte mich in Ekstase. Aus den Augenwinkeln sah ich wie Nathaniel sich bereit machte zum Angriff, doch ich hob meine Hand bittend um ihn abzuwehren, ohne dem Blick des Vampirs auszuweichen. „Das ist nicht meine Frage gewesen“, flüsterte er gefährlich an meinem Mund. Zu einem anderen Zeitpunkt wäre diese Situation erotisch und anziehend gewesen, doch jetzt spielte ich mit dem Feuer. „Nein, ihr seid kein Monster“, musste ich bald krächzen. „Ihr seid mein Freund, mehr als das, ich vertraue euch mehr als dem Jäger. Ihr seid der Grund warum ich noch am Leben bin und warum ich euch helfe.“ Abwartend ob meine Worte Wirkung zeigten, schien die Luft zwischen uns zu vibrieren.

 

Langsam lockerte sich sein Griff um meine Kehle ein wenig und das Glühen erlosch aus seinem Blick. Frischer Sauerstoff strömte in meine Lungen und endlich konnte ich wieder aufatmen. Raziel´s wutverzerrtes Gesicht verwandelte sich in tiefe Reue und dann zu einer undurchdringlichen Maske. Er ließ mich gänzlich los, trat einen Schritt zurück und verneigte sich für einen kurzen Moment. „Bitte verzeiht mein ungebührliches Benehmen, ich war nicht Herr meiner Selbst“, damit wand er sich abrupt ab und verschwand wieder in den Schatten der Nacht. Nathaniel stand kurz darauf direkt neben mir. Immer noch perplex und wie vom Donner gerührt, starrte ich auf die leere Stelle wo der Vampir noch geradegestanden hatte. Als Nathaniel´s Finger vorsichtig eine Haarsträhne zur Seite schob, um einen Blick auf meinen Hals zu werfen, zuckte ich merklich zusammen. Ihn jetzt so nahe vor mir stehen zu sehen mit diesem besorgten und mitleidigen Blick, machte mich wütend. „Ich wollte mir nur eure Verletzung ansehen“, beteuerte er ehrlich. „Mir ist nichts geschehen, ich wünsche eine gute Nacht“, wand ich mich ebenso ab und ließ ihn seufzend auf dem Deck zurück. „Ich habe euch gewarnt, er ist ein Monster“. Obwohl er leise sprach verstand ich seine Worte trotzdem. Einen kurzen Moment blieb ich stehen, wand meinen Kopf in seine Richtung mit der Überlegung noch etwas zu sagen, doch ich beließ es dabei und ging weiter. Er würde es ja doch nicht verstehen.

 

Ich hatte es mir für die Nacht bei den Pferden gemütlich gemacht. Auf den gestapelten Strohballen ließ es sich deutlich besser schlafen, als auf dem kalten Holzboden. Nach der Auseinandersetzung hatte ich mich komplett abgeschottet, mir war es auch egal wo die beiden Männer waren und was sie taten. Raziel´s Angriff auf mich hatte mich, trotz meiner Ruhe, schwer getroffen. Ich hatte ihn bereits in seinem Kampfrausch kennen gelernt, aber seine Wut richtete sich noch nie gegen mich. Sein Gesichtsausdruck, rotglühenden Augen hatte sich in mein Gedächtnis gebrannt und so fiel es mir schwer in den Schlaf zu finden. Mit meiner Hand an meinem Hals, wo ich seinen Griff immer noch zu spüren glaubte, rollte ich mich auf dem Stroh ein und dämmerte nach vielen Überlegungen endlich in den ersehnten Schlaf. Dennoch war an Erholung nicht zu denken. Wieder suchten mich Bilder von Raserei, Zerstörung, in Flammen stehenden Gebäuden, weinenden Kindern und Frauen sowie mit Leichen übersäte Straßen und Blut getränkter Boden heim. Panik, Angst, Verzweiflung, Hilflosigkeit und das Wissen gar nichts gegen all das Gräuel unternehmen zu können, ließen mich aufschrecken. Das letzte was ich sah, bevor ich meine Augen aufriss, waren lilanen Augen mit schwarzen Schlitzen als Pupillen, wie eine Schlange. Kalt, erbarmungslos und abschätzig schienen sie direkt in meine Seele blicken zu können. Mit tränennassen Wangen schreckte ich hoch. Meine Umgebung immer noch nicht ganz wahrnehmend hörte ich immer noch die Schreie und das Tosen der Feuerwalzen in meinen Ohren. Als mich etwas Warmes Weiches an der Wange berührte, klärte sich meine Sicht und ich sah in die braunen warmen Augen meiner Rappstute. Ihre samtweichen Nüstern trockneten meine Wange und der süßliche Atem vertrieb die Kälte aus meinem Herzen. Wie von selbst vergrub ich meine Hände in ihrer Mähne und zog mich an ihren Hals hoch. Das Pferd ließ diese enge Umarmung zu bis ich mich ein wenig beruhigt hatte. Ohne ein Wort zu sagen, genoss ich die Wärme des Tieres und ließ nach wenigen Augenblicken wieder von ihr ab. Mit einem letzten Blick sah sie mich nochmal an und wand sich wieder an ihr Heu.

 

Verwirrt und mit meinen Gefühlen im Zwiespalt verbrachte ich den Tag allein und zurückgezogen. Raziel und Nathaniel taten es mir gleich. Der blonde Mann hatte sich bei Zeiten zu dem Kapitän gesellt und war fröhlich und lautstark mit ihm am Diskutieren und lachen, als wenn nichts geschehen wäre. Er versuchte den Anschein zu wahren das wir wirklich nur eine einfache Reisegruppe waren. Ich musste schon sagen das Nathaniel sein Handwerk des Truges und der Manipulation beherrschte, die man als Jäger und Sucher zu haben schein musste. Dafür bewunderte ich ihn. Die Fähigkeit sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen und seiner Aufgabe einfach zu folgen egal was einem geschah oder was es für einen bedeutete. Da unterschieden wir uns grundsätzlich. Mir sah man meine Gefühle sofort an, wusste was ich dachte und ich tat mich schwer einfach weiter zu machen, wenn mich etwas belastete. Doch genau an diesem Punkt stand ich jetzt und ich musste mich zusammenreißen. Wir würden am frühen Abend endlich landen. Ich hatte kein Wort weder mit dem einen noch mit dem anderen gewechselt. Auch wenn ich es mir zuerst nicht eingestehen wollte, so keimte doch der Samen des Verrats Raziel´s in mir auf. Ständig fragte ich mich was wohl passiert wäre, wenn ich nicht die richtigen Worte gefunden hätte. Ob mich Nathaniel aus seinen Klauen hätte befreien können und was, wenn nicht? Was hätte der Vampir mit mir getan? In der spiegelnden Oberfläche eines Wasserfasses, in dem ich mich gewaschen hatte, waren die dunklen Abdrücke eines Blutergusses gut auf meiner hellen haut zu erkennen. Wenn ich Raziel zu Gesicht bekam, dann fuhr sein Blick immer zu meinem Hals. Bei dem Anblick meiner Verletzung, blitzte ein unsäglicher Schmerz und Reue in seinen Augen auf, bevor sie wieder kalt und emotionslos wurden.

 

Nach zwei Tagen trockener Rationen mit Brot und Trockenfleisch, freute ich mich darauf endlich wieder was Frisches zu essen, als das Schiff langsam an Höhe verlor und wir uns dem Dorf näherten. Von oben konnte man schon die strohgedeckten Spitzdächer zwischen den Bäumen des dichten Nadelwaldes an einem Nebenarm des Nimeneth erkennen. Weiße Rauschsäulen stiegen fast senkrecht in den Himmel. Je tiefer wir kamen umso mehr Details ließen sich erkennen. Vereinzelt liefen die Dorfbewohner zwischen den Häusern umher. Beladen mit frischen Fellen und Körben mit Gemüse, eine Gruppe Fischer, die gerade vom Angeln zurückkamen, das Klirren von Stahl auf Stahl aus einer Schmiede hallte zu uns herauf und die mit bunten Schilden und Tierschädeln geschmückten Häuserwände. Die Dächer zogen sich tief bis fast auf den Boden und schienen sich in den Wald einfügen zu wollen. Das erste Mal seit zwei Tagen freute ich mich auf ein warmes Essen und ein knisterndes Feuer, welches die Kälte in meinem Inneren vertreiben würde die mich gefangen hielt. „Ihr solltet langsam euer Pferd satteln, wir landen in Kürze“, war Nathaniel an meine Seite getreten und zwinkerte mir freundlich zu. Wie aus einer Starre erwachend, brauchte ich einen Moment, um meine Beine in Gang zu bekommen und beeilte mich meine Stute zu zäumen. Raziel tat es mir gleich, sah mich weder an noch sprach er ein Wort. Als das Schiff sanft mit einem leichten Ruck auf dem Boden landete, verlor ich für einen Augenblick mein Gleichgewicht, nicht damit rechnend das unsere Fahrt schon zu Ende war. Nach der Mähne des Pferdes greifend um mich auf den Füßen zu halten, griff ich daneben, wurde aber von einem starken Arm gehalten.

 

Mein Herz raste als mein Blick den des Vampirs streifte. Die Welt schien für einen Moment still zu stehen. Ich hielt die Luft an, traute mich nicht mich zu bewegen in Angst diesen Moment zu zerstören. In seinen Augen las ich eine Bitte, die Bitte ihm zu verzeihen. Brüsk wurden wir von dem Kapitän unterbrochen der uns von seinem Schiff scheuchte damit er seine Ladung löschen konnte. Raziel half mir wieder auf die Beine und wir gingen unter dem strengen Blick Nathaniel´s von Bord. Sichtlich erleichtert endlich wieder auf festem Boden stehen zu können atmete ich auf. Auch den Pferden schien es deutlich besser auf dem Boden zu gefallen. Ilmare tänzelte ausgelassen am Zügel und warf ihren Kopf auf und ab. Kichernd tätschelte ich ihren Hals. Trotz des nahenden Winters und des gefrorenen Bodens federte das Moos welches hier wie ein weicher Teppich wuchs, unsere Schritte ab. Unter dem dichten Tannendach war es sehr dunkel, die sinkende Sonne hatte es eh schon schwer sich durch die Wolken zu kämpfen, so war es am Boden schon fast stockdüster. Zwei Männer kamen uns mit Fackeln entgegen und deuteten, bei meiner Nachfrage wo wir denn den Jarl finden würden, hinter sich zwischen die Bäume auf entfernte Lichter. Das Schiff hatte ein wenig abseits des Dorfes auf einem freien Stück Wiese landen müssen, so mussten wir ein wenig laufen.

 

 

Als sich die Bäume lichteten wies uns ein Pfad, ausgeleuchtet mit Fackeln, den Weg zu dem großen Haupthaus inmitten der kleineren Häuser. Es war still geworden, die wenigen Dorfbewohner die uns entgegen kamen sahen uns neugierig an, grüßten aber freundlich und gingen wieder ihrer eigenen Wege. Erst jetzt bemerkte ich die feine Flechtarbeit der Häuserwände, die eingeflochtenen bunten Bänder und Federn an den Türrahmen, kleine Schnitzereien in den hölzernen Pfosten und andere feine Details. Unser Atem stieg in kleinen Wölkchen auf, so kalt war es mittlerweile geworden. Unsere Ankunft musste schon ihre Runde gemacht haben, denn als wir vor der Tür des größten Hauses ankamen, wurde diese bereits geöffnet und ein großer Mann stand im Türrahmen. Ich konnte ihn nicht erkennen da er von hinten beleuchtet wurde und im Schatten der vor uns stehenden Fackeln stand. Als er langsam auf uns zu kam, hörte ich bereits das leise Klirren von Messern die an seinem Gürtel befestigt zu sein schienen. Innerlich machte ich mich auf eine unangenehme Konfrontation gefasst. Da er kein Wort sprach, musste ihm unsere Ankunft missfallen und so rechnete ich mit allem. Als er in den Schein der Fackeln trat erkannte ich den gut gebauten Mann mit dem riesigen dichten Bart und den erstaunlich grünen Augen, besser. Er war in einer einfachen Gewandung aus Leder, Fell und verschiedenen Stoffen gekleidet, die seinem Stand als Jarl gerechtfertigt war. Mit den Händen in den Hüften gestemmt baute er sich vor uns auf und musterte einen nach dem anderen. Als sein Blick bei mir hängen blieb, lief mir ein Schauer den Rücken herunter. Noch bevor einer von uns den ersten Schritt machen konnte, fing er lauthals an zu lachen. So laut, dass meine Stute zurückschreckte und ich fast umgefallen wäre. „Willkommen in Loran, mein Name ist Jarl Órnir. Ich hoffe ihr hattet eine angenehme Reise“, erleichternd aufatmend lächelte ich den jetzt freundlich dreinblickenden Mann an und trat auf ihn zu. „Sehr erfreut Jarl, wenn ich mich vorstellen darf, mein Name ist Lady Ray und das sind meine Gefährten Sir Raziel und Nathaniel Imetra. Bitte entschuldigt das wir einfach so auftauchen, wir sind nur auf der Durchreise und suchen für die Nacht einen Platz zum Schlafen“. Er musterte meine beiden Begleiter etwas argwöhnisch, nickte dann aber und lud uns ein ihm zu folgen. Er zeigte uns die Ställe wo wir unsere Pferde schnell versorgten und ihm dann mit unserem Gepäck in sein Haus folgten.

 

„Bitte tretet ein und esst mit mir und meiner Familie“, lud er uns mit einer ausschweifenden Handbewegung ein und wir folgten ihm in das Innere des Hauses. Hier drinnen war es sehr gemütlich und warm. Es roch nach leckerem Essen, Leder, getrockneten Kräutern und nassem Hund. Fast sofort kamen uns zwei große Wolfshunde entgegen und beschnüffelten uns ausgiebig. Eine rundliche Frau mit geflochtenen Zöpfen in ähnlichem Alter wie der Jarl kam direkt freundlich lächelnd auf uns zu und schüttelte jedem von uns die Hand. „Hat mein Mann wieder mal Gäste eingeladen, bitte kommt herein mein Name ist Birna. Setzt euch, wärmt euch auf und esst etwas mit uns. Dieses Jahr kommt der Winter fiel zu früh und ihr müsst bestimmt durchgefroren sein nach der Reise mit dem Zeppelin“. Völlig überrumpelt von der Freundlichkeit und Offenheit der gutmütigen Frau setzten wir uns auf die Felle die vor einer Feuerstelle lagen und machten es uns dort gemütlich. Nathaniel half der Frau Krüge und Schüsseln zu holen, auch wenn sie es wehemend abwies und beteuerte, dass sie das auch alleine schaffen würde, lies er nicht locker. Ihr schien es dennoch zu gefallen, denn sie scheuchte ihn noch für ein zwei andere Dinge durch das ganze Haus. Ich sah mich derweilen ein wenig um. Neben der Feuerstelle, die im Zentrum des Hauses lag, gab es noch ein paar Liegen die als Schlafstätte dienten, eine Kochstelle und einen Tisch auf dem Birna gerade etwas Brot zerschnitt und in der letzten freien Ecke standen Holzgestelle an denen Fleisch zum Trocknen hing. In großem und ganzen war es gemütlich und jede Ecke wurde ausgenutzt. Als Órnir sich ebenfalls zu mir und Raziel auf den Fellen niederließ, der sich mir gegenübergesetzt hatte und sich ein wenig argwöhnisch umsah, reichte er jedem von uns einen Krug und prostete uns zu. „Nehmt ruhig einen Schluck, warm schmeckt es zwar besser, aber wenn man es nicht gewohnt ist haut es einem sonst direkt aus den Schuhen“, versuchte er mir meine Skepsis zu nehmen, als ich vorsichtig an dem Getränk schnupperte. Es roch würzig und gleichzeitig süß, als ich daran nippte, musste ich dem Jarl insgeheim Recht geben. Das Bier, wie er es im Nachhinein nannte, war wirklich stark. Ich kannte nur die Elbengebräue die aus fermentierten Früchten bestanden, doch keines war ansatzweise so stark wie dieses hier. Dennoch schmeckte es mir und im Nu hatte ich den ersten Krug ausgetrunken. „Langsam junge Lady, sonst werdet ihr es morgen bereuen“, kicherte er amüsiert und sah mir mit hochgezogener Augenbraue zu wie ich den Tonkrug vor mir abstellte.

 

„Nun erzählt mir doch was euch nach Loran treibt?“ Noch bevor einer von uns antworten konnte, stellte uns die Frau des Jarl ein großes Brett mit gebratenem Fleisch und Brot auf einen bodentiefen Tisch und setzt sich mit Nathaniel zu uns an die Feuerstelle. Er hatte die letzte Frage mitbekommen und sprang direkt ein. „Ach das ist eigentlich eine eher biedere Geschichte.“ „Wenn das so ist“, nippte der Jarl dennoch argwöhnisch an seinem Krug, ließ es aber darauf beruhen. Das Fell welches den Eingang bedeckte wurde laut raschelnd aufgeschlagen und zwei junge Männer unterbrachen unsere Unterhaltung. „Vater habt ihr schon gehört...“ fing der größere der beiden an aufgeregt zu reden, stockte aber sofort als er uns am Feuer sitzen sah. Unterbrochen von den eiligen Schritten der beiden jungen Männer zog ich es vor im Hintergrund zu bleiben. „Ah Alvitur, Skári schön das ihr wieder zurück seid. Darf ich euch unsere Gäste vorstellen?“ Damit stand der Jarl auf, stellte sich zwischen die Jungen und legte jedem einen Arm um die Schultern. „Das sind Sir Raziel, Lady Ray und Sir Nathaniel. Sie sind mit dem Schiff gekommen und sind nur auf der Durchreise. Liebe Gäste darf ich euch meine beiden Söhne vorstellen.“ Beide Jungen sahen aus wie das Ebenbild ihres Vaters. Mittelgroß, kräftige Statur, dieselben schwarzen kurzen Haare und dieser durchdringende wissende Blick. Doch die Augen und das Lächeln, welches mir Alvitur schenkte hatte er von seiner Mutter. Eilig war ich aufgestanden und gab den beiden Jungen zur Begrüßung meine Hand. Der junge Mann musterte mich neugierig von oben bis unten als er diese mit einem festen Händedruck erwiderte. „Freut mich euch kennen zu lernen, schön mal ein paar freundliche Gesichter hier zu sehen“, zwinkerte er mir zu während sein Bruder eher schüchtern seinen Blick abwand und ein leises „Hallo“, vor sich hin nuschelte. Er war deutlich kleiner und musste um ein paar Jahre jünger sein. Dennoch bot er jetzt schon eine anmutige Gestalt die überhaupt nicht zu seinem Wesen zu passen schien.

 

Ohne weitere überflüssige Worte zu verlieren, nahmen wir bei Fleisch, Brot und Wein vor dem Feuer Platz und aßen uns satt. Das Fleisch schmeckte herrlich und ich verschlang gierig die saftige Köstlichkeit. Zu lange hatte ich mich nach gutem Essen verzehrt und so lehnte ich mich zufrieden und wohl gesättigt zurück, und genoss die berauschende Wirkung des gegärten Hopfensaftes während sich die Männer über dies und jenes unterhielten. Mein müder Geist stumpfte ab, wie in Trance starrte ich in das lodernde Feuer welches heiß und gierig nach den Holzscheiten lechzte. Wieder stahlen sich die Bilder meines Albtraumes in meinen Geist und der Lärm der Schlacht säuselte wie eine Brise in meinen Ohren. Verzweifelt versuchte ich herauszufinden warum mir mein Verstand dieses Szenario immer wieder zeigte und woher dieses stammte. Es schien mir wie eine Erinnerung, denn ich war nicht nur blinder Zuschauer, sondern ich war dabei. Ich lief durch den Matsch, spürte die Hitze der Flammen und schwang mein Schwert um all diese Menschen zu töten. Das Schwert, fiel es mir siedend heiß wieder ein. Es kam mir so bekannt vor, wo hatte ich es schon einmal gesehen? Als es mir den Atem stockte. Direkt vor meinen Augen, auf dem Boden liegend, die Flammen in der Klinge sich wieder spiegelnd erkannte ich es wieder. Mit großen Augen starrte ich es an und an dem Mann hoch der es schon zu meinem Schutz geschwungen hatte. Es war Raziel, in meinen Träumen das musste Raziel sein und es waren nicht meine Gedanken, sondern seine Erinnerungen die ich Nacht für Nacht durchlebte. War das denn möglich? Er musste meinen Blick gespürt haben, denn er wand sich von der Unterhaltung die er gerade noch angeregt mit dem Jarl geführt hatte ab und sah mich interessiert an. Die letzten Worte verstehend schaltete ich mich geschickt in das Gespräch mit ein. Sie sprachen von Zauberern und Schamanen die in den Bergen lebten. „Sagt Jarl Órnir habt ihr schon einmal davon gehört das einer dieser Magier eine Art Seelentausch vollbracht hatten?“ Dieser begutachtete mich neugierig und legte den Kopf schräg. Die anderen Gespräche verstummten, als hätte ich etwas angesprochen was anstößig oder gar verboten war. „Wie kommt ihr auf diese Ansicht?“ Seine Augen schienen mich regelrecht zu durchbohren. Mit einem Lächeln und einer belanglosen Geste versuchte ich der leicht angespannten Stimmung zu entkommen. „Ich bin selbst der Magie fähig und habe eine Zeit lang bei den Elben gelebt. Dort lernte ich einiges über die Völker in den Bergen und ihre Fähigkeiten. Auch hörte ich gar von einem so genannten Seelentausch“. Eine kurze Stille trat ein in der er nach den richtigen Worten zu suchen schien. „Nun die Völker die in den Bergen leben sind tatsächlich sehr bewandert in ihrer Magie, zumal sie hauptsächlich schwarze Magie praktizieren wozu das manipulieren der Seele dazu gehört. Bitte verzeiht das ich euch da nichts Genaueres zu erzählen kann“, senkte er missbilligend den Blick. Schockiert über meiner Erkenntnis, dass er meine Frage falsch verstand, versuchte ich mich eilig zu rechtfertigen. Die überraschten Blicke Raziel´s und Nathaniel´s bestätigten mein ungutes Gefühl. „Bitte verzeiht ich habe mich wohl falsch ausgedrückt. Ich habe weder Interesse noch die Absicht schwarze Magie zu praktizieren. Die Seele oder auch der Geist eines jeden Individuums ist unantastbar und wertvoll. Doch es scheint als gäbe es zwischen manchen eine Art Verbindung und dieses Volk scheint damit herum zu experimentieren.“

 

 

„Wovon ihr da sprecht“, schien er jetzt freundlich gesinnter auszuholen, „heißt bei uns Noorac, der Seelenbund oder auch das Vermächtnis eines Seelengefährten.“ Nun war ich es die ihn skeptisch musterte. „Ein Seelengefährte?“ Es schien mir doch etwas befremdlich mit einem anderen Wesen in einem solch engen Kontakt zu stehen. Dennoch interessierte mich seine Geschichte. „Nun es gab schon immer Lebewesen die eine enge Verbindung zu der Natur haben und die wir als Flüsterer bezeichnen. Sie sind hoch angesehen und sie haben die Fähigkeit mit dem ihren Seelengefährten auf eine Ebene zu kommunizieren die einem Außenstehenden verwehrt bleibt. Diese Verbindung kann zwischen jedem Lebewesen bestehen, egal ob Mensch, Vampir, Elb, Zwerg, Nymphe, Fee, Tier oder Pflanze. Diese Verbindung ist ein Geschenk.“ Machte er eine kurze Pause und sah in unsere Gesichter. Raziel hatte sich verächtlich schnaubend zurückgelehnt und starrte abwesend ins Feuer. Nathaniel runzelte nachdenklich die Stirn, die beiden Jungen lauschten ihrem Vater gebannt und seine Frau lächelte ihm wissend zu. „Ihr wollt also damit sagen, dass zwischen jeder Spezies diese besondere Verbindung entstehen kann? Wie funktioniert das?“ Nathaniel schien das Ganze noch nicht ganz zu verstehen und auch mir stellten sich mehr Fragen als es sie beantwortete. „Nun es kann nicht erzwungen werden und es ist auch nicht garantiert, dass man seinen Gefährten jemals finden wird. Doch für jeden ist einem einer bestimmt. Es ist für jeden anders. Die einen erzählen von einer Spannung sobald sie sich das erste Mal sahen, die zwischen ihnen knistert und funkt wie ein Gewitter. Andere versuchten es zu erklären wie zwei Magnete die sich anzogen und die sich immer wieder fänden egal wie groß die Entfernung ist. Und wieder andere haben einfach nur das Wissen das sie zusammengehören, doch es entsteht niemals eine wahre Vereinigung. Diesen armen Seelen ist es auch vergönnt sich anderweitig zu binden, sie sind immer an diese lieblose Bürde gebunden.“ Er schüttelte traurig den Kopf. „Aber wie merkt man genau ob man gebunden ist, wie macht sich das bemerkbar und was bringt einem das?“ Meine Stimme überschlug sich regelrecht, in dem Wissen das ich etwas auf der Spur war welches sich noch vor mir verbarg. Amüsiert grinste er mich an und beugte sich zu mir vor. „Nun junge Dame, Seelengefährten spüren die Nähe des anderen, können seine Gefühle und Stimmungen empfangen und manipulieren, sie sind wie ein Zwillingsschwert. Zwei Schneiden aus einem Stahlblock, jedes unterschiedlich und dennoch sind sie unzertrennlich und zusammen eine Einheit. Man kennt die Blutsbande zwischen Brüdern die zusammen stärker sind als allein, wie ein Wesen Denken und Handeln, doch das Band der Gefährten ist weitaus stärker. Je enger die Bindung ist umso mehr teilen sie sich Eigenschaften und Fertigkeiten.“

 

Nachdenklich sah ich zu Raziel herüber, der mich anscheint beobachtete hatte und nun schnell wegsah. Meine Gedanken rasten. Ich hatte noch nie eine derartige Verbindung zu einem Mann verspürt und das ich anscheint seine Erinnerungen teilte schürte meinen Verdacht. „Das ist doch alles Humbug.“ Die Stimme des Vampir´s troff regelrecht vor Verachtung und Missbilligung. „Ein Geschenk sagt ihr? Also für mich hört sich das eher an wie Ketten die einem für den Rest seines Lebens angelegt werden. Seine Gedanken, Gefühle und Ängste mit jemanden zu teilen, sich nicht in jemand anderes verlieben zu können und immer den Drang zu verspüren in dessen Nähe bleiben zu müssen“. „Ja nicht jeder versteht dieses Band, aber glaubt mir, wenn es euch trifft dann wisst ihr wovon ich spreche und werdet das Geschenk annehmen. Denn wenn ihr euch weigert stehen euch unsägliche Qualen bevor, denn niemand entkommt dieser Verbindung. Zumal der andere diese Qualen genauso verspürt, selbst wenn er den seinen angenommen hat.“ Damit schien für den Jarl das Thema beendet zu sein, denn er wand sich an seine Frau die uns neu einschenkte.

 

Raziel verschränkte seine Arme vor der Brust wie ein bockiges Kind das man gerade zurechtgewiesen hatte. Einerseits konnte ich ihn gut verstehen, dass einem eine solch dauerhafte Bindung und das Eindringen eines Fremden in den eigenen Geist Angst machen konnte. Doch er schien die Vorteile dessen nicht zu erkennen. Es schien aber nichts zu bringen, denn Nathaniel sprach endlich das an wozu wir das Dorf eigentlich aufgesucht hatten. Wir hatten Nathaniel soweit in unsere Pläne eingeweiht. Es behagte Raziel zwar nicht besonders, aber uns blieb keine Wahl, wenn wir auf seine Hilfe zählen wollten. „Jarl ihr erwähntet vorhin, dass es auch Basilisken in den Bergen gibt. Könnt ihr uns mehr über sie erzählen?“ Sein offenes Lächeln und das nebensächliche Geplänkel waren entwaffnend und Órnir fiel direkt darauf hinein. „Diese Kreaturen sind tückischer als jede Nymphe“, sein warnender Ton ließ uns aufhorchen. Raziel schien uns wieder zu zuhören mied aber meinen Blick. „Sie leben tief im Gestein, bauen ihre Höhlen und Nester verborgen und gut geschützt. Dennoch auf diese riesigen Schlangen zu treffen ist Glückssache. Doch wenn man auf sie trifft sollte man seine Beine in die Hand nehmen.“ Er nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Becher und starrte abwesend in das knisternde Feuer. „Seht ihnen niemals in ihre Augen, ihr Blick ist tödlich. Sie sind für ihre Größe leiser als eine Eule und ihre giftigen Zähne sind so groß wie mein Unterarm“, demonstrierte er angetrunken und hob seinen Arm theatralisch in die Höhe. „Wie kann man diese Wesen denn töten?“ fragte ich unschuldig. „Ihre Haut ist so dick wie eine Plattenrüstung und so glatt wie ein Aal, mit einem normalen Schwert lässt sich da nichts ausrichten“, sprang nun Alvitur ein um die Erklärung seines Vaters fortzuführen. „Nur der Stahl und das Feuer der Kohlen aus unserem Wald mag es zu vermögen diese Biester zu erlegen“. Mit Stolz geschwollener Brust zog er ein kurzes Schwert aus seiner Scheide an seinem Gürtel und hielt sie in den warmen Schein des Feuers. Die Klinge war fast schwarz, feine Wellenmuster zierten das glänzende Metall. Der Griff aus poliertem Holz ergänzte, dieses leicht geschwungene Schwert, perfekt. „Es ist wunderschön“, hauchte ich und konnte die Augen nicht von dem Tanz der sich spiegelnden Flammen in dem Metall abwenden. „Ich möchte ehrlich zu euch sein“, setzte Nathaniel mit ernster Miene an und fing den Blick des mittlerweile betrunkenen Mannes ein. „Wir müssen einen dieser Kreaturen töten und benötigen eure Hilfe.“ „Sagt warum? Diese Wesen haben euch nichts getan, sie sind genauso Geschöpfe der Natur wie ihr es seid!“ Órnir´s Empörung war verständlich, doch wir hatten keine Zeit für großartige Erklärungen. „Bitte vertraut uns, mir ist es auch nicht lieb, dennoch brauchen wir einen Zahn. Es hängt so viel von euch ab, denn wenn wir scheitern, versinkt alles in Chaos“, sprach ich mit Engelszungen auf ihn ein. „Ihr meint ihr braucht ein Schwert und jemanden der euch dahinunter führt?!“ Ich nickte nur. Órnir schien kurz zu überlegen, doch sein Sohn kam ihm zuvor. „Vater bitte lasst mich mit ihnen gehen. Ich kenne mich so gut in den Höhlen aus wie kein anderer und ihr wisst wie sehr ich mich danach sehen mich zu beweisen“, flehte er seinen Vater an. „Auf gar keinen Fall, das ist viel zu gefährlich. Wenn dir dort etwas passiert könnte ich es mir niemals verzeihen“. Betrübt senkte Alvitur seinen Kopf doch seine Mutter kam ihm zu Hilfe. „Du warst früher nicht anders. Du bist auch bei jeder Gelegenheit losgezogen um irgendwelche Monster zu töten.“ „Aber Birna er ist auch dein Sohn!“ sagte er irritiert. „Und genau aus dem Grund weiß ich, dass er es schaffen wird heil wieder zu uns zurück zu kommen.“ Ihr warmes Lächeln schien seine Sorgen und Bedenken einfach hinfort zu wischen. Jetzt verstand ich auch, dass er wusste wovon er sprach als er uns den Bund erklärt hatte, er hatte seine Seelengefährtin gefunden. Er räusperte sich, setzte sich gerade auf und sah seinem Sohn tief in die Augen. „Nun gut, du darfst gehen. Bring uns Ehre und Stolz, mein Sohn“. Dankbar nickte er ihm zu. „Aber dafür müsst ihr mir einen Gefallen tun“, richtete er sich nun wieder an uns. „Alles was ihr wünscht“, ging Nathaniel direkt darauf ein. „Ich werde euch Waffen geben um einen dieser Biester zu töten und ich werde euch meinen Sohn zur Seite stellen der euch auf eurer Reise begleiten wird. Ich weiß nicht warum ihr das machen müsst und was genau euer Ziel ist, aber ich vertraue auf euch. Diese Welt ist schon genug zerfressen von Hass, Misstrauen und Besitzansprüchen. Ihr habt eine Aufgabe und sie ist wichtig, aber dafür müsst ihr einem alten Freund ein Geschenk von mir überbringen. Er lebt in der Seestadt Pescandria und er hat mir in schlimmen Zeiten aus der Patsche geholfen.“ „Ray wir haben keine Zeit erst nach Pescandria und dann zu den Höhlen zu gehen.“ Raziel´s Einwand war nicht unberechtigt. „Eure Entscheidung“, der Blick des Jarl´s lag auf mir. „Nun gut wir müssen uns aufteilen. Ich werde mit Nathaniel nach Pescandria reiten und ihr Raziel reitet mit Alvitur vor zu den Höhlen. Wir treffen uns dann dort wieder.“ „Ich glaube nicht, dass, dass eine so gute Idee ist“, Nathaniel´s Sorge konnte ich gut verstehen, doch uns blieb keine andere Wahl. „Wir müssen es so machen, anders kommen wir nicht weiter“. Damit war das Geschäft besiegelt.

 

Nathaniel war wirklich nicht begeistert und Raziel schien auch etwas zu beschäftigen, behielt es aber für sich. Der Sohn des Jarl´s freute sich bereits riesig auf das bevorstehende Abenteuer und war eifrig dabei alles zusammen zu suchen was er für nötig hielt. Ich entschuldigte mich um mich für die Nacht hinzulegen und nach einem großen Lob für das herrliche Essen und die Gastfreundschaft eilte ich aus der Hütte. Es war mir eindeutig zu warm geworden inmitten dieser Legenden, Vorahnungen und der Hitze die das Bier mit sich brachte. Die eisige Nachtluft tat gut und klärte meinen benebelten Geist. „Ihr glaubt das Ganze doch nicht wirklich oder?“ Raziel´s Stimme aus den Schatten neben der Hütte ließen mich zusammenzucken. Ich drehte mich zu ihm um und sah ihn an der Häuserwand, angelehnt und mit verschränkten Armen vor der Brust, stehend. Seinen verspottenden Blick auf mir ruhend. „Was genau meint ihr?“ Er hatte eindeutig seine Stimmung wiedergefunden, vorbei der reuevolle Vampir und es ärgerte mich in welchem Ton er mit mir sprach. „Na dieses ganze Geschwafel über die Seelengefährten.“ Bei seinen Worten wand ich mich zum Gehen und machte mich auf zu der Hütte die uns für diese Nacht als Quartier diente. „Nun es hat etwas Beruhigendes, zu wissen das man nicht alleine sein muss und das dort draußen jemand auf einen wartet der für einen bestimmt ist.“ Seine Schritte hinter mir waren fast lautlos. „Und es erklärt einige Dinge die mir bislang rätselhaft waren, aber was bringt einem das, wenn dieses Band nur einseitig bleibt“. Waren die letzten Worte nur noch ein Flüstern in die stille Nacht. Etwas stach in mein Herz, ein Gefühl welches ich nicht einzuordnen vermochte. War es Verlust, Sehnsucht oder gar ein verschmähtes Herz, ich wusste es nicht. Vor der Hütte blieb ich stehen, senkte den Kopf und seufzte ergeben. Ihn konnte ich in meinem Rücken spüren, wie ein wärmendes Feuer in der kalten Winternacht. Konnte er es denn nicht fühlen? Irgendetwas verband uns, doch ob es ein Seelenbund war…daran traute ich mich nicht zu hoffen. „Was bringt einem das Ganze, wenn man doch gequält wird, wenn der eine Teil stirbt. Ihm in den Tod folgen? Sich einer anderen Liebe versprechen die nicht für einen bestimmt ist?“ Überrascht über seinen verbitterten Ton drehte ich mich zu ihm um. Seine Haare fielen ihm teilweise ins Gesicht. Der Himmel wolkenverhangen ließ das Mondlicht nicht zu uns hinunter. Es war pechschwarz, nur ein paar wenige Fackeln erhellten wie kleine Inseln den Wegesrand. Eine einzelne kleine weiße Schneeflocke fiel in diesem Moment zwischen uns auf den Boden. Sachte schwebte sie durch die Luft und kündigte den ersten Schnee an. Unsere Blicke folgten ihrem Flug auf die kalte schwarze Erde, stumm und nur wenige Schritte voneinander entfernt. Sogleich folgten weitere, bis wir in einem stillen Schneegestöber standen. „Wenn wir schon sterben müssen“, konnte meine Stimme nur flüstern, denn alles andere wäre zu laut in diesem weißen Traum. „warum dann nicht für jemanden den man liebt und dessen Gefühle man sich sicher ist. In dem Wissen bald wieder vereint und nicht allein auf dieser gottverlassenen Welt zu sein“. Brach meine Stimme an die Erinnerung. Schnell wand ich mich ab, meine Tränen vor seinem Blick verbergend. Zu sehr schmerzte noch der Verlust meiner geliebten Familie und Freunde und dem Wissen allein auf dieser Welt zu sein. Ich konnte seine Überraschung und Betroffenheit geradezu auf mir spüren, schnellen Schrittes ging ich in die Hütte und verschloss die Tür hinter mir. Heiße Tränen rannen meine Wangen hinunter, schluchzend warf ich mich auf meine Liege und vergrub meinen Kopf in das weiche Fell der Decke. So viel Zeit war schon verflossen und dennoch schmerzte mein Herz immer noch so sehr bei der Erinnerung an mein vergangenes Leben. Zwei Arme schlangen sich lautlos um meinen Oberkörper, zogen mich auf seinen Schoß und hielten mich fest an seine Brust. Das Schluchzen wurde zu einem erbitterten Weinen und ein Zittern ergriff mich. Er war warm und seine streichelnden Hände versuchten mich zu trösten, doch das riesige Loch in meinem Herzen schien sich nicht schließen zu wollen. Seine Wange auf meinem Kopf, seine enge Nähe und sein betörender Duft ließen das Zittern verebben. Müde und ausgelaugt lehnte ich mich an ihn, vergrub mich in seiner Umarmung und fiel, seinen Atemzügen lauschend, in einen traumlosen Schlaf.

Pescandria

 

In der Nacht hatte ich endlich einmal durchgeschlafen. Die Albträume verschonten mich für eine Nacht. Allein auf meiner Liege, zugedeckt unter dem warmen weichen Fell in der Hütte mit einem leise schnarchenden Nathaniel, grübelte ich noch für einen Moment vor mich hin. Viele neue Fragen beschäftigten meinen Geist und hatten mich nicht mehr schlafen lassen. Unruhig hin und her wälzend hatte ich es versucht, doch es machte mich nur noch unruhiger als das ich in den Schlaf fand. So war ich bereits aufgestanden, hatte mein Gepäck wieder zusammengeschnürt und war in der noch dunklen Morgenstunde durch das Dorf gewandert. Über Nacht hatte eine dicke Schneeschicht das Dorf eingehüllt wie eine weiße flauschige Decke. Meine Schritte hinterließen in der frischen Schneeschicht tiefe Spuren und das Knirschen war neben dem leichten Wind in den dunklen Tannen das einzige Geräusch welches die Stille störte. Diesen einen Moment der Ruhe genoss ich und es tat gut nicht von lärmendem Trubel umgeben zu sein. Selbst die Dorfbewohner schienen noch zu schlafen. Während ich zwischen den Häusern hindurch lief in Gedanken verloren und der wohltuenden Stille genießend, trugen mich meine Füße an den Rand des Dorfes von wo aus man einen wunderbaren Blick über den Fluss und den Wald hatte. Die langsam aufgehende Sonne war noch hinter den schneebedeckten Wipfeln der dunklen Tannen verborgen und konnte den Schatten der Nacht nicht Herr werden. Dieser Übergang der Nacht in den neuen Morgen war voller Frieden und Energie. Mit geschlossenen Augen sog ich die eisige Luft ein. Meine Lungen füllten sich mit kalter Morgenluft und ich konnte die Magie regelrecht auf meinen Handflächen kribbeln spüren. Als der erste Sonnenstrahl sich durch die Baumwipfel kämpfte und meine Nase kitzelte, schien die Luft um mich herum regelrecht zu knistern. Als ich die Augen öffnete raubte mir das Glitzern des frischen Schnees im Sonnenlicht und die um mich herum schwebenden Schneeflocken den Atem. Die Wolken hatten für einen Moment ihren Widerstand gegen die Sonne aufgegeben und gewährten ihr einige wenige Augenblicke um die Welt daran zu erinnern, dass sie nicht gänzlich verschwunden war. Als sie sich wieder davorschoben, verlor sich das goldene Licht zwischen den Schatten der Tannen und der einsetzende Schneefall nahm mir die Sicht auf den Horizont.

 

Dieses kurze Schauspiel der Natur stimmte mich demütig und dennoch verspürte ich einen Funken Hoffnung. Das Wissen das selbst in der dunkelsten Stunde, in der eisigsten Umgebung von irgendwoher immer ein wärmendes goldenes Licht erscheint welches einem den Weg weist. Mit einem Lächeln auf den Lippen wand ich mich von der Aussicht ab und ging zurück in das mittlerweile erwachte Dorf. Dort wurde ich auch schon von Jarl Órnir erwartet. „Eindrucksvoll nicht wahr?“ Schien er zu wissen welchem Schauspiel ich beiwohnen durfte. Doch bevor er meine Antwort abwarten konnte, wand er sich ab und wir gingen zusammen zu seinem Haus, wo unsere Pferde schon gesattelt auf uns warteten. Raziel band gerade sein Gepäck fest, als Nathaniel mir meines gab und ich mich ebenso reisefertig machte. Der letzte unserer neuen Reisegruppe schloss sich gerade mit einem breiten Grinsen an. Immer noch unsicher nahm der Jarl seinen Sohn in den Arm und drückte ihn kurz an sich. „Alvitur, gib auf dich acht und sehe diese Menschen als deine Freunde an. Beschütze sie und bringe dir und unserer Familie Ehre und Stolz.“ „Das werde ich Vater, mach dir keine Sorgen wir werden das schaffen“. Der Jarl nickte ergeben und winkte dann einem Mann zu der ungesehen hinter ihm stand. In Stoffen eingewickelt reichte er jedem von uns eines der schwarzen Schwerter. „Dies ist für meinen Freund Bart, er wohnt nahe der Kapelle in Pescandria. Richtet ihm einen Gruß von mir aus.“ Damit reichte mir Órnir ein längliches Paket welches ich nickend annahm und an meinem Sattel befestigte. „Seid vorsichtig, das Wetter ist trügerisch und es wird hart werden durch diese Schneehölle zu reisen.“ Wand er sich an mich und meine Gefährten. „Und bringt mir meinen Sohn heil zurück“, wanderte sein Blick von einem zum anderen. In seinen Augen las ich eine Bitte und eine Drohung zugleich, dass es mir die Kehle zuschnürte und ich ihm nur zu nicken konnte. Aufgesessen ritten wir aus dem Dorf, die Pferde sich durch den kniehohen Schnee kämpfend.

„Ihr wisst was passiert, wenn der Junge auch nur einen Kratzer abbekommt?“ Raziel´s mies gelaunte Stimmung des Vortages hatte sich nicht gebessert. „Keine Sorge Sir ich kann sehr gut auf mich selber aufpassen“, zwinkerte Alvitur dem Vampir zu. Sein Gesicht strahlte immer noch vor Vorfreude und Abenteuergeist. „Und das könnt ihr mir nicht mit eurer miesen Laune madig machen“, setzte er noch einen drauf. Dieser knurrte nur genervt und wand sich wieder nach vorn. Nathaniel drehte sich mit gekräuselter Stirn zu dem Jungen um und hob die Hand. „Das sagt ihr jetzt, wartet ab, wenn ihr mit ihm alleine seid, dann kann sie euch wirklich den Tag verderben“. Und so ging das Geplänkel bis zum Fluss weiter. Die Pferdehufe polterten dumpf über die verschneite Holzbrücke, an der wir uns trennten. Alvitur wünschte uns eine gute Reise und viel Glück. Ich drückte ihm die Daumen und hoffte inständig, dass er es mit Raziel aufnehmen konnte, er hatte ja keine Ahnung mit wem er es nun zu tun bekam. Raziel selber nickte uns kurz zum Abschied zu. Sein Blick blieb eine Sekunde länger in meinem hängen, doch dann wand er sich ab und trieb sein Pferd in einen schnellen Galopp. Der junge Wikinger folgte ihm wie ein Schatten und so sah ich ihnen nach wie sie im aufstobenden Schnee im Wald verschwanden. Es tat doch ein wenig weh, dass es ihm egal zu sein schien das sich unsere Wege vielleicht nie wieder kreuzen würden. „Es ist nicht seine Art sich groß zu verabschieden, nehmt es ihm nicht übel.“ Nathaniel drehte auch sein Pferd ab und ritt in die entgegen gesetzter Richtung. Seufzend tat ich es ihm gleich und wir trieben unsere Pferde in einen lockeren Galopp am Fluss entlang. Wir würden ihm aus dem Wald folgen und uns dann östlich auf die Ebene Richtung Küste abwenden. Im Wald selber war es sehr still, bis auf ein paar Eulen die leise in den frühen Tag schuhuten. Unter den schwer beladenen Tannenzweigen erreichte uns der fallende Schnee nicht, so hatten wir eine gute Sicht zwischen den kahlen dünnen Baumstämmen. Birna hatte uns für die Reise dicke Fellmäntel geschenkt in die wir uns nun kuschelten. Sie waren so lang das selbst die Pferde teilweise überdeckt und vor dem Frost geschützt waren. Wir würden am morgigen Abend Pescandria erreichen und müssten uns für die Nacht einen geeigneten Unterschlupf suchen.

 

In Gedanken um unsere nächtliche Bleibe versunken, hörte ich Nathaniel´s Frage erst als er diese wiederholte. „Sagt warum habt ihr mich genommen und nicht euren Vampir, dem ihr so sehr vertraut?“ Seine Stimme hatte etwas Sarkastisches doch ich ignorierte dies geflissentlich. „Weil er eben ein Vampir ist. Er hat lange nicht gejagt und ein hungriger Vampir in einer großen Stadt voll mit potenzieller Beute ist wohl weislich keine gute Idee.“ Meine Erklärung schien Nathaniel zufrieden zu stellen. „Doch ich wollte eure Art die Menschen zu umgarnen und sich aus schwierigen Situationen heraus zu manövrieren nicht missen. Wer weiß was uns erwartet, da habe ich lieber jemanden an meiner Seite der einen kühlen Kopf bewahren kann, anstatt direkt das Schwert zu ziehen und alle zu köpfen“. Sein herzhaftes Lachen ließ mich zusammenzucken und auch eine Eule die über uns in einem Baum saß schien sich gestört zu fühlen und flog meckernd davon. Aber nicht ohne uns noch einen Batzen Schnee von einem Zweig in den Nacken zu werfen. Aufkreischend versuchte ich das kalte Nass aus meinem Mantel zu schütteln. „Bitte entschuldigt“, grinste er mich von der Seite an während er sein Pferd um einen Baum lenkte. „Aber ja ihr habt wohl Recht. Dennoch bin ich verwundert und geschmeichelt zugleich“. Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu und konzentrierte mich wieder auf den Weg. „Wann werden wir wohl diesen finsteren Wald hinter uns lassen können?“ fragte Nathaniel ein wenig wehmütig. „Nun ich denke in ein paar Stunden. Unser Nachtlager werden wir dann wohl auf offener Flur aufschlagen müssen, wenn wir keine andere Möglichkeit finden“, seufzte ich, als ich nur daran dachte wieder auf dem gefrorenen Boden zu nächtigen. „Kopf hoch, wir werden was passendes finden“, „Euer Optimismus wird euch irgendwann den Kopf kosten“, musste ich doch schmunzeln während ich den adretten blonden Mann mit dem Grinsen in dem dicken Fellmantel beobachtete. Er war wirklich ein Gentleman, allein wie er auf dem Pferd saß. Kerzengerader Rücken, die Zügel einhändig geschickt führend, den Kopf erhoben und die Beine leicht am Pferd angelegt. Er wusste wie man reitet, und sein Pferd schien sehr zufrieden zu sein. Sie verband ein tiefes Vertrauen und Verständnis, sie mussten wohl schon einige Abenteuer miteinander bestritten haben. Doch ihm schien nicht weiter zum Reden zu Mute zu sein und so behielt ich meine Gedanken.

 

Tatsächlich hatten wir zum Nachmittag den Wald verlassen können und waren so in einen wilden Schneesturm geraten der über der Ebene tobte. Sich gegen den aufkommenden Wind stemmend und den Schneeflocken entgegenstellend trieben wir unsere treuen Reittiere unserem Ziel entgegen. Gott sei es gedankt fanden wir zum Abend eine verlassene Scheune die uns zumindestens vor dem Schnee Schutz bot. Die Kälte vertrieb ich mit einem kleinen Feuer aus dem restlichen Stroh und ein paar alten Balken die noch nicht vom Schnee gänzlich durchnässt waren. Stillschweigen hatte ich mich zum Schlafen gelegt, während Nathaniel mit einem Buch in der Hand die erste Wache übernahm. Ich würde ihn nach der Hälfte der Nacht ablösen damit wir im frühen Morgen weiter reiten konnten. Wir hatten einfach keine Zeit zu verlieren und so hoffte ich das der Sturm nachließe das wir Pescandria frühestmöglich erreichen würden. Auf etwas Stroh gebettet wickelte ich mich in eine Decke vor dem Feuer ein, während ich den Mantel meinem Pferd gab damit es nicht fror. Es tat gut wieder Feuer in der Nähe zu haben an dem wir uns wärmen konnten und welches die Dunkelheit vertrieb. Dem Feuer das Gesicht zugewandt döste ich langsam ein. „Warum die Angst vor der Dunkelheit?“ Nathaniel´s Stimme war leise und nachdenklich. „Warum nicht?“ gab ich ihm flüsternd eine Antwort, schon im Halbschlaf versunken. „Es ist unlogisch vor der Dunkelheit Angst zu haben.“ „Ist es das?“ Der Sarkasmus meinerseits ließ ihn zu mir blicken. Durch die Flammen sah ich ihn nun aus dem Dämmerschlaf abschätzend an. „Ja, die Dunkelheit bietet einem eher Schutz als das Licht. Sie kann einem nichts anhaben“. „Nun mein lieber Vampirjäger, da es euch nichts auszumachen scheint da ihr regelmäßig darin wandelt könnt ihr es wohl nicht verstehen“. Es würde keinen Sinn machen ihm zu erklären das die Dunkelheit mehr ist als nur die Abwesenheit von Licht. „Erklärt es mir“, man hätte annehmen können das er mich verspottete, aber schien er es wirklich wissen zu wollen und das verwunderte mich wiederum. „Es ist nicht die Dunkelheit an sich die einem Angst einflößen kann, sondern das was sich noch in ihr versteckt und lauert. Der Geist, die eigene Vorstellungskraft, vermutet nur, doch man selber spürt die Gefahr. Sie lässt uns blind werden, sie raubt uns unsere Hoffnung, das Licht und die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen. Sie ist die tiefgründigste und urälteste Angst.“ Während ich sprach spürte ich wie die meine hochkam, wie sich meine Sinne schärften und ich versuchte all die dunklen Schatten in der Scheune zu erkunden um sicher zu gehen das aus ihnen keine Gefahr erwachte. „Die Dunkelheit, das schwarze Nichts kann nicht nur einem selber Schutz bieten, sondern auch einem Jäger. Die Schatten, so tief und undurchdringlich, lassen uns Dinge sehen die nicht existieren oder auch doch, das mag der Geist nicht vermögen zu ergründen. Das unsichtbare Grauen, welches uns töten und verschlingen möchte“. Während ich sprach und in die Flammen starrte, schienen sich die Schatten aus den Ecken weiter auf uns zu zu kriechen, dem Licht des Feuers nicht weichen zu wollen. Nathaniel sah mich fasziniert an, wie sich die Dunkelheit zu mir zu ziehen versuchte. Wie schwarze Finger schienen sie nach mir zu greifen, mich verschlingen zu wollen. Die Wärme des Feuers schien zu weichen, die Flammen zu schrumpfen und eine unbändige Angst und Kälte schlich sich in mein Herz. Es raste, verzweifelt klammerte ich mich in meine Decke und schloss letztendlich meine Augen. „Stopp!“ rief Nathaniel laut. Wie aus einem Traum oder einer Trance wachte ich auf und die Schatten schwanden, machten dem Schein des Feuers wieder Platz und ließen es wieder auflodern. Langsam verebbte die Angst und ich kam wieder zu Atem. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Das Kribbeln in meinen Handflächen ließ langsam nach und mein Blick fokussierte sich wieder. In Nathaniel´s Augen sah ich Entsetzen und zugleich auch eine Art Neugierde. „Macht das nie wieder!“ befahl er mir regelrecht. „Ich habe doch gar nichts gemacht?!“ Sah ich ihn genauso entsetzt an. „Sagt bloß ihr habt dieses apokalyptische Magiezeugs nicht gesehen?“ „Nein, ich habe nur versucht es euch zu erklären“, meine Stimme schwach und mein Geist müde, schloss ich meine Augen, und dieses Mal überfiel mich der Schlaf.

Als Nathaniel mich zur Wache weckte, sah er grüblerisch drein. Wir sprachen kein Wort über das was am Abend geschehen war. Ich war extrem müde und ausgelaugt, das was geschehen war hatte mir sehr viel Energie entzogen die ich in den paar Stunden Schlaf nicht hatte nachholen können. So saß ich am Feuer und versuchte krampfhaft wach zu bleiben. Draußen vor dem offenen Scheunentor herrschte finstere Nacht. Nur die Schneeflocken die es in den Schein des Feuers schafften waren vor dem schwarzen Hintergrund zu erkennen. Neben dem tobenden Wind, der an den hölzernen Wänden rüttelte und dem Knacken der Holzscheite war nichts zu hören. Doch dies war zu einschläfernd, so zog ich das kleine Buch aus meiner Manteltasche und las darin bis es Zeit wurde wieder aufzubrechen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, da saßen wir wieder auf den Pferden und machten uns auf durch den abflauenden Sturm Richtung Küste. Wir sprachen nicht viel, da wir gegen den Wind keine Chance hatten. Er brauste einem an den Ohren vorbei, so dass man nichts anderes mehr wahrnahm als den Wind selbst. Wie einen dunklen Schemen konnte ich Nathaniel auf seinem Pferd vor mir her reiten sehen, sonst war es stockfinster. Als die Sonne endlich aufging und die Landschaft um uns herum ins Licht rückte, stellte ich mit Freuden fest das die Küstenlinie schon am Horizont zu erkennen war. Wir waren näher dran als ich gedacht hatte. Bis zum Nachmittag schafften wir es, trotz des Sturms, vor die Tore Pescandria´s. Die Pferde waren erschöpft und wir halb durchgefroren, wir würden uns ein Gasthaus suchen wo wir unsere Pferde unterbringen konnten und uns dann auf die Suche nach Bart machen.

 

Genervt schwenkte er seinen bronzenen Kelch in seiner linken Hand und stützte sich mit der anderen auf der Armlehne seines Throns ab. Das dunkelrote Blut schwappte fast bis über den Rand und er beobachtete wie sich das Licht der Fackeln an den Wänden auf der Oberfläche golden spiegelte. Er hörte den Stimmen der Männer kaum noch zu, seine Gedanken kreisten schwermütig, wie das Blut im Kelch, umher und fanden keinen Sinn. „Lord Welish, was denkt ihr über die Sache?“ Langsam kehrten seine Gedanken zurück in den runden Saal und dessen Rat aus den ältesten Vampiren die in seinen Landen lebten. Er hatte die Debatte kaum verfolgt und so wanderte sein dunkler Blick die Reihen der Vampire entlang zu demjenigen der ihn nun pikiert ansah. „Bruder Michael, es tut mir sehr leid, dass ich mich euren kleinen Eskapaden in die ihr euch verstrickt habt nicht beiwohnen kann, aber wir haben deutlich wichtigeres zu besprechen, als die Probleme des Bauerngesindels.“ Empört schlug der angesprochene Vampir mit seiner Faust auf den schweren Holztisch. „Wie könnt ihr es wagen? Die Menschen unter eurer Obhut sterben, sie sind unsere einzige Nahrungsquelle und ihr tut so als wäre es das kleinste Problem.“ Ameron´s Kiefer spannte sich an und er versuchte mit aller Macht seine Wut unter Kontrolle zu bringen. Er war zwar der derzeitige Regent, doch tun und lassen wie er wollte, konnte er längst noch nicht. So musste er sich dem Vampirrat beugen und seine Vorhaben mit ihnen besprechen. „Glaubt mir, dass es das nicht ist, doch zurzeit haben wir ein gänzlich anderes zu lösen“. „Ihr meint den jungen Prinzen der euch entkommen ist und der nun nach eurem Leben trachtet!“ Stellte Michael fest und lehnt sich süffisant in seinem hohen Lehnstuhl zurück. Bei seiner Erwähnung musste er kurz seine Augen schließen um seine Besinnung nicht gänzlich zu verlieren. Ja der Prinz war ihm und seinen Männern entkommen und er hatte gehofft das der Imetra Abkömmling es schnell und diskret schaffen würde ihn außer Gefecht zu setzten und zu ihm zu bringen, doch seitdem Lady Ännlin ihn beauftragt hatte, hatte er nur eine Nachricht von dem Jäger bekommen und seitdem war nichts mehr von ihm zu hören. Die Priesterin hatte ihn informiert das sie auf dem Weg Richtung Westen waren und sie Pläne schmiedeten ihn zu stürzen. Unter Verfolgungswahn leidend vertraute er ihr, doch auch sie schien ihm nicht alles erzählen zu wollen. „Glaubt mir, wenn mir Gefahr drohte dann wüsste ich das“, antwortete er dem Ratsmitglied kalt. „Eure kleine Priesterin scheint euch den Rücken frei zu halten“, meldete sich ein weiteres Ratsmitglied und musterte die Frau die neben ihm am Thron stand und sie mit ausdruckloser Miene beobachtete. Als sie sich angesprochen fühlte, sah sie ihn mit ihren milchig weißen Augen an und ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Es freut mich zu hören, dass ihr euch so sehr um euren König sorgt, doch ihr könnt beruhigt in eure Höhle zurück kriechen, ihm wird nichts geschehen“. Ihr Ton war herablassend, doch der Vampir duldete dies. Sie hatten schon zu viele Geschichten über den Orden der Krey gehört, dass selbst die ältesten unter ihnen Respekt vor ihnen hatten und sich nicht mit der Macht die sie zu unterstützen schien, anzulegen. „Ich bitte euch nochmal, Ameron“ versuchte Michael seinen Regenten ins Gewissen zu reden. „Wenn ihr so weiter mit den Nahrungsquellen umgeht, werden wir bald in eine Hungersnot geraten und wer weiß was dann mit eurem Volk geschieht.“ Ameron stand entrüstet auf, warf seinen Kelch auf den Boden und baute sich vor dem halbrunden Tisch auf, an denen die Ratsmitglieder saßen, um den alten Vampir anzufunkeln. „Habt keine Sorge und selbst wenn, die Welt ist groß genug wir werden immer etwas zu jagen finden.“ Damit beendete er die Sitzung und verließ den Raum. Während sich das Blut aus seinem Kelch über den schwarzen Steinboden ergoss und sich dickflüssig einen Weg über die glatte Oberfläche bahnte, erhoben sich die Stimmen der Männer und Frauen und hallten von den Wänden des Saals wider.

„Wie können sie es wagen, meine Führungskraft in Frage zu stellen? Sehen sie denn nicht wohin mich unser Plan führt?“ Lief er schnellen Schrittes den Gang entlang, während die Priesterin ihm nicht von der Seite wich. Das tat sie nie, selbst wenn er schlief war sie mit ihm in einem Raum. Anfangs hatte ihn das arg gestört, doch nachdem er ihr ihren Plan erzählt und ihm versprochen hatte endgültiger König zu werden, vermochte er sie zu ignorieren. Sie war nun mal das nötige Übel welches er in Kauf nahm. „Habt Geduld, sie werden es bald selber verstehen. Sie sind nun mal starrköpfig und sehen die Möglichkeiten die mein Herr für sie bereithält nicht.“ Versuchte sie ihn wieder zu beruhigen. Sein schwarzer Mantel wehte hinter ihm her und schien die Aufgewühltheit in seinem Inneren widerzuspiegeln. „Seht doch, wenn der Prinz erst tot ist und ihr König werdet,“ „Ich bin bereits König!“ Unterbrach er die Frau brüsk und blieb abrupt stehen. „Nein seid ihr noch nicht“, wies sie ihn kühl zurecht. Mit einem Mal schloss sich seine Hand fest um ihre Kehle und drückte sie gegen die Wand. Sein Gesicht gefährlich vor dem ihren schwebend, konnte er seine Wut nicht mehr kontrollieren. Seine langen krallenartigen Fingernägel bohrten sich mit Leichtigkeit in ihre fahle blasse Haut, so dass das Blut in dünnen Rinnsalen herausquoll. Die Priesterin blieb trotz zugedrückter Kehle ruhig und erwiderte stoisch seinen Blick. Eine Welle aus Hass und Verzweiflung überrollte ihn und drohte ihn gänzlich zu verschlingen. Sein Antlitz spiegelte sich leicht in ihren Augen und er erschrak als er die schwarze Tiefe der seinen erblickte. „Wenn ihr wollt tötet mich, wenn es euch dann besser geht!“ Der Sarkasmus in ihrer Stimme war kaum zu überhören. „Oh das werde ich“, knurrte er und war drauf und dran ihr die Kehle zu zerquetschen. Eine dunkle Aura waberte um seine Gestalt. Tiefe Schwärze hüllte ihn ein, spiegelte das wider was in ihm wuchs und gedieh. Die Macht pulsierte regelrecht in seinen Adern und ließ ihn Dinge tun die er niemals für möglich gehalten hatte. Unbesiegbar stellte er sich jeder Herausforderung und jedem Gegner und nicht einmal ging er als Verlierer aus einem Kampf. Als ihn plötzlich ein unsagbarer Schmerz durch die Brust fuhr und sich das schwere Medaillon, welches er von der Priesterin geschenkt bekommen hatte und ihm so viel Macht gab, regelrecht in sein Fleisch brannte. „Gut dann sterbt ihr genauso. Vergesst nicht welchen Handel ihr eingegangen seid“, brachte sie krächzend hervor und egal wie sehr Ameron auch versuchte dem Leben der Priesterin ein Ende zu setzten, das Medaillon zerfraß ihn auf das Tausendfache. Er löste seinen Griff um die zarte Kehle und sackte auf einem Bein kniend zusammen. Lady Ännlin fand wieder Fuß auf dem Boden und beugte sich leise gefährlich flüsternd zu ihm herunter. „Vergesst nicht wem ihr eure Macht zu verdanken habt und erinnert euch an eure Aufgabe. Ihr müsst König werden damit mein Herr seiner wahren Bestimmung nachkommen kann. Ihr seid der schnellste Weg, sonst bezahlt auch ihr mit eurem Leben.“ Sie richtete sich wieder auf und blickte herablassend in sein aschfahles Gesicht, während sich seine Hand um das Medaillon krallte. „Der Herr wird seinen Weg in diese Welt schon finden, früher oder später, doch ob ihr das dann noch erleben werdet, liegt in eurer Hand.“ Damit ging sie und ließ ihn in dem einsamen Gang zusammengekauert sitzen.

Er hätte in Tränen ausbrechen können solch Trauer und Frust hatte sich seitdem Tod seiner geliebten Alice aufgestaut. In seinem Gemach hing ein Gemälde von ihr, welches er wie besessen in jeder freien Minute die er erübrigen konnte anstarrte und mit ihr redete. Es sah ihn lächelnd an und schien ihm zuzuhören. So wie sie da saß auf einem gepolsterten Hocker in ihrem roten bestickten Kleid, dem langen lockigen blonden Haar und den wunderschönen blauen Augen. Für einen Vampir war sie eine Schönheit gewesen. Die meisten seiner Art hatten weiße oder graue kalte Augen, doch ein paar wenigen war es bestimmt ihrer menschlichen Seite ähnlicher zu sein. Sie hatten dieselbe farbige Iris, die leicht rosafarbene Haut und die feingliedrigen Hände. Auf den ersten Blick wirkte sie nicht wie ein Vampir, nur wie eine wunderschöne Menschenfrau. Doch genau diese ihrer Art waren am gefährlichsten und auch tödlichsten. Er konnte es sich einfach nicht verzeihen das er sie damals getötet hatte, mit seinem Kind im Schoß. Und nun galt seine Wut dem letzten Abkömmling desjenigen der ihm das alles eingebrockt hatte. Als die Priesterin damals vor den Toren seines Schlosses stand, nachdem der Prinz geflohen war und ihm das Angebot machte ihn von seinen Schuldgefühlen zu befreien und ihm seine geliebte Alice wieder zurück zu bringen, konnte er nicht anders als ihr einzuwilligen. Er versprach ihr sich ihr hinzugeben und ihren Anweisungen Folge zu leisten. Dafür versprach sie ihm das er König werden, seine Frau wiedersehen und alles für sein Volk zu tun das es ihnen an nichts fehlen würde. Und was hatte er nun davon? Bislang war nichts dergleichen geschehen und dass der Prinz nun nach seinem Leben trachtete schien auch der Priesterin zu missfallen. Seitdem wuchsen seine Paranoia und die Anzahl der Wachen vor seinen Türen. Doch er gab nicht auf, er spürte die Macht die durch seine Adern floss, genährt von dem Blut der Lykaner, war er stärker und schneller als je zuvor. Er hatte sämtliche feindliche Vampirhorte unterjocht und sie dazu gezwungen ihm zu folgen und so sein Reich weiter ausgedehnt. Doch er spürte auch was diese dunkle Macht mit sich brachte. Er veränderte sich. Etwas in ihm schien ihn abzustumpfen, seine dunkle Seite noch zu verstärken und die Sehnsüchte ihn in den Wahnsinn zu treiben. Selbst seine engsten Berater und Freunde scheinen seine Veränderung zu sehen und hatten sich von ihm abgewandt. Er war einsam, Lady Ännlin war die Einzige die noch zu ihm stand. Die anderen schienen sich vor ihm zu fürchten und respektierten ihn wegen seiner Stärke. So hatte er sich das definitiv nicht vorgestellt, aber das Leben schien ihn zu testen und er nahm die Herausforderung an.

Wie konnte er es wagen sie dermaßen zu bedrohen und anzufassen? Hatte sie nicht alles getan damit er an seine Macht kam? Der Herr hatte ihr aufgetragen, dass er es sein musste den Thron zu besteigen, damit ihre Aufgabe erfüllt sein würde. Welchen Plan er genau verfolgte das wusste sie nicht, sie war nur Empfängerin der Anweisungen des Herrn und sie würde diese weder anzweifeln noch hinterfragen, dazu war sie nicht würdig. Der Herr sah alles in einem Großen und Ganzen, welches vor ihren Augen verschlossen blieb. Sie spürte ihn jede Nacht, wenn sie schlief und sehnte sich nach seiner Nähe. Doch zuerst musste sie diese weitere Aufgabe erledigen. Bruder Seraphis hatte ihr versprochen, dass sie ihn bald sehen würde, doch er war noch unzufrieden mit ihr und der Herr ließ durch ihn mitteilen das sie noch nicht wieder so weit sei das sie seine Nähe spüren durfte. So setzte sie alles in Bewegung um genau diese zu erfüllen. Ein Krächzen riss sie aus ihren Gedanken und ein weißer Rabe hüpfte auf dem Fenstersims ihres Gemaches auf sie zu. Der Vogel war ihr seitdem sie dem Orden beigetreten war nicht mehr von der Seite gewichen und diente ihr als ihre Augen und Ohren für die Welt außerhalb des schwarzen Schlosses.                  

 

Die Stadtmauern von Pescandria waren gut bewacht, was auch ihre Berechtigung hatte da sie die einzige größere Hafenstadt und ein wichtiger Handelsknotenpunkt war. Von hier aus wurden sämtliche Güter mit Booten, Pferdekarren und auch mit Zeppelinen weiter transportiert. Auf dem Weg zu den Toren kamen uns einzelne Reiter, Bauern mit ihren Ochsenkarren und Menschentrauben zu Fuß entgegen. Selbst die Luftschiffe hoben trotz des widrigen Wetters ab und man konnte sie noch gerade eben so als dunkle Schatten in dem Weiß am Himmel erkennen. Die gepflasterte Hauptstraße führte uns direkt zu der großen Kapelle mit dem imposanten Ratshaus davor, die im Zentrum standen. Dahinter lag der gut besuchte Hafen mit unzähligen Schiffen an den Anlegern. Von kleinen Fischerbooten, Passagierschiffen, kleinen Schaluppen und riesigen Kreuzern konnte man jeglicher Art bewundern. Doch wir hatten keine Augen für die Wunder und die Menschen die unseren Weg kreuzten. Nathaniel hatte einmal in der Stadt zu tun gehabt und führte uns zu einer Gaststätte, die wie er sagte: „Die beste Absteige, neben dem Bordell, in ganz Pescandria ist“. Dennoch war diese Stadt kein Vergleich zu Olinera. Pescandria war deutlich dreckiger, dunkler, ungeordneter und man musste auf seine Brieftaschen Ausschau halten, wenn man in den unzähligen dunklen Seitengassen unterwegs war. Die Fachwerkhäuser aus Holz und Stein standen mit windschiefen Dächern und quietschenden Angeln ungeordnet an der Hauptstraße. Jede Straße abseits dieser wirkte wie ein Labyrinth und wenn man sich hier nicht auskannte, wies mich Nathaniel darauf hin, dann verlief man sich schnell und es dauerte eine Weile bis man wieder zurückfand, wenn man nicht vorher schon ausgeraubt oder getötet wurde. Auch hier kamen uns Wachen entgegen, aber längst nicht so freundlich und offen wie in Olinera. Selbst bei dem schlimmen Wetter priesen die Händler ihre Waren an. Es roch nach Fleisch, Unrat, Leder, Gebäck und Petroleum. Je näher wir Richtung Hafen ritten, umso mehr schmeckte ich das Salz auf den Lippen und der Gestank nach Fisch wurde stärker. Die Kneipen direkt am Pier waren voll mit Seemännern und es drangen laute Seemannslieder und Gegröle an mein Ohr. Zwielichtige Gestalten lungerten in den dunklen Ecken und hier und da prügelten sich die Männer um Bier, Weiber oder einfach nur des Prügelns willen. Hier und da zogen die Nutten in offenherzigen Kleidern und mit übertrieben buntem Lippenstift und Lidschatten die Aufmerksamkeit auf sich und gingen ihrer Arbeit in den Gassen und Häuserecken nach.

 

Es war eine vielschichtige Stadt, es gab sehr viel zu sehen und dennoch würde ich froh sein, wenn wir ihr wieder den Rücken zu kehren würden. Als wir wieder vom Hafen in Richtung der Kapelle ritten fielen mir Männer in langen braunen Mönchskutten auf. Sie gingen geordnet in Paaren, die Köpfe gesenkt, hintereinander her. Sie schienen barfuß und ohne dickere Bekleidung durch den Schnee zu laufen. Doch das auffälligste waren ihre Gürtel, an denen rote Troddeln und Geißeln hingen. Nathaniel bemerkte meinen Blick, schüttelte aber mit dem Kopf und wies auf eine Gastwirtschaft in einer Nebenstraße hin. Wir hielten darauf zu und stiegen von unseren Pferden. Die lange Zeit im Sattel hatte meine Füße und Hände taub werden lassen und so knickten sie fast unter mir weg als ich mich mit Schwung aus dem Sattel rutschten ließ. Nathaniel fing mich mit einem Arm auf und für einen Moment war er mit seinem Mund so nahe an dem meinen das seine langen Haare mein Gesicht einrahmten. Mir stockte der Atem und ich traute mich nicht mich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Sein Blick huschte zwischen meinen Augen hin und her, riss sich wieder zusammen und zog mich auf die Beine so dass ich wieder einen sicheren Stand hatte. „Kommt schnell herein, hier wimmelt es nur von zwielichtigem Gesindel“, seine Stimme war dunkel und er mied meinen Blick, als er mich um die kleine Gaststätte in einen Innenhof führte. Dort brachten wir die Pferde in einen Stall unter, nahmen unser Gepäck und betraten die warme Stube durch den Hintereingang.

 

 

„Sir Imetra, schön euch wieder in meiner guten Stube begrüßen zu dürfen.“ Begrüßte uns eine blonde Frau mit unglaublich schönen Locken und eisblauen Augen. Ihre rundliche Figur steckte in einem einfachen Kleid und Kittel und bewegte sich leicht hinkend auf uns zu. Nathaniel schenkte ihr ein aufrichtiges Lächeln und umarmte die Frau, die seine Mutter sein könnte, ebenso herzlich wie sie ihn. Als sie mich an seiner Seite wahrnahm fingen ihre Augen an zu strahlen. „Mein lieber Nathaniel welch hübsches Ding habt ihr mir denn mitgebracht. Meine Güte ist sie hübsch, wie habt ihr euch kennen gelernt?“ In ihrer warmen und leicht fordernden Art nahm auch sie mich in den Arm und musterte mich von Kopf bis Fuß. „In Olinera meine liebe Estha. Sagt habt ihr noch ein Zimmer für uns frei?“ Ihr Blick huschte abschätzend zwischen uns beiden hin und her und als sie sprach konnte ich ihre unausgesprochene Frage nicht überhören. „Zwei oder ein Bett?“ „Was ihr erübrigen könnt“, zwinkerte mir Nathaniel zu und folgte der Gastfrau eine Treppe hoch ins Obergeschoss. Noch bevor ich irgendetwas klarstellen konnte, standen wir in einem gemütlichen Dachzimmer in dessen Mitte ein großes Doppelbett stand. Innerlich musste ich seufzen. Schon wieder das Bett teilen. „Macht es euch bequem, wenn ihr noch etwas braucht dann scheut euch nicht mir Bescheid zu geben“, wand sie sich zwinkert ab und schloss die Tür hinter sich. „Musste das sein?“ konnte ich meinen Frust nicht verbergen. „Was habt ihr denn erwartet, wenn ein so gutaussehendes Pärchen einen Gasthof betritt? Außerdem seid doch froh, ist doch besser als im Stroh zu schlafen“. Versuchte er mich aufzumuntern, doch in diesem Moment hätte ich nichts darauf entgegen gehabt bei den Pferden im Stall zu schlafen. Leicht genervt, mit einem doch nicht zu ignorierenden Kribbeln in meinem Bauch bei dem Gedanken mit diesem, wirklich hübschen, Mann in einem Bett zu schlafen, warf ich meinen Beutel auf einen Stuhl der mit einem kleinen Tisch, sowie einem Spiegel und Waschbecken das restliche Mobiliar des Raumes vervollständigte.

 

„Heute werden wir wohl Bart nicht mehr aufsuchen können. Laut der Beschreibung des Jarl´s müssten wir dafür auf die andere Seite der Stadt und da werden wir um diese Tageszeit aufgeschlitzt.“ Schien er laut zu überlegen während wir uns an einen Tisch unten im Gastraum gesetzt und etwas zu essen bestellt hatten. „Gibt es in dieser Stadt denn kein ruhiges nicht gefährliches Eckchen wo man die Nacht genießen kann?“ Meine Frage brachte Nathaniel zum Schmunzeln. „Wieso reicht euch die Nacht mit mir in einem Bett nicht aus das ihr noch ein romantisches Abenteuer erleben wollt?“ Ich schlug ihn auf die Schulter und funkelte ihn böse an. „So hatte ich das nicht gemeint“, Nathaniel lachte leise und aß den Braten den man uns vor die Nase gestellt hatte. Er schmeckte wirklich köstlich. „Ich dachte nur gerade daran das, egal wie grausam und dreckig ein Ort ist, es doch irgendwo einen schönen und friedvollen Platz geben muss. Und dass es genau diesen zu entdecken gilt.“ Überraschung in seinen Augen aufblitzend lächelte er mich an. „Welch schöne Weisheit, aber ja den gibt es hier. Möchtet ihr ihn sehen?“ Seine Stimme war sanft und voller Bewunderung. Mein Nicken reichte aus, so dass wir schnell aufaßen und uns zu Fuß durch die Stadt bewegten. Während wir schweigend durch die dunklen Gassen schlenderten, immer ein Auge und Ohr auf unsere Umgebung gerichtet, schweiften meine Gedanken zu Raziel und Alvitur ab. Wie es den beiden wohl ergangen ist und ob sie es schon zu den Höhlen geschafft hatten. Erst jetzt bemerkte ich ein schmerzhaftes Ziehen in meiner Brust. Es war mir zuvor schon aufgefallen, doch ich hatte es auf die eisige Kälte geschoben. Doch jetzt wo ich genauer nachdachte fiel mir auf, je größer die Entfernung zwischen uns wurde umso stärker wurde dieser Schmerz und dieses Gefühl der Unruhe und Unvollständigkeit. Auch hatte ich in der letzten Nacht nichts geträumt und ich fühlte mich schwach und ausgelaugt. Das alles könnte man auf die letzten beiden Tage ab münzen, doch eine innere Stimme sagte mir das es an etwas anderem lag. Den Gedanken schnell verwerfend und mich wieder auf das Hier und Jetzt konzentrierend folgte ich Nathaniel gerade durch einen kleinen Torbogen nahe der Kapelle, als er plötzlich stehen blieb. Ich hatte gar nicht bemerkt das wir darauf zugegangen waren so sehr war ich in meine Gedanken versunken gewesen.

 

Vor mir eröffnete sich ein kleiner Garten in dessen Mitte eine riesige weiße Weide stand. Im Licht der Fackeln an den Säulengängen die den gesamten Garten umfassten und dem frisch gefallenen Schnee, schien sie regelrecht zu leuchten. Sie überragte einen kleinen Teich auf dessen Wasseroberfläche, trotz der Kälte, Seerosen schwammen. Die angelegten Wege führten direkt auf diesen Baum zu und so schritten wir langsam durch den hohen Schnee. Die umliegenden Beete waren so sehr verschneit das man nicht erkennen konnte was darunter wohl wachsen würde. Unsere Aufmerksamkeit wurde von dem See in Anspruch genommen und Nathaniel deutete mir auf einer Bank direkt am Rande Platz zunehmen, nachdem er den Schnee davon gewischt hatte. Neugierig setze ich mich auf meinen Mantel und wartete ab. Nathaniel nahm neben mir Platz und starrte auf den See. Es war sehr still, kleine Schneeflocken schwebten in der Luft, als würden sie an Fäden in der Luft hängen. „Es ist wunderschön hier“, flüsterte ich leise und genoss den Frieden. Seitdem wir in der Stadt angekommen waren, hatte ich das Gefühl der allgegenwärtigen Gefahr nicht loswerden können. Instinktiv war ich auf der Hut, wobei noch nichts mich dazu bewegt hätte Angst zu haben. Dennoch bemerkte ich gerade an diesem Ort wie angespannt ich gewesen war. Diesen Baum umgab eine Aura der Ruhe, des Friedens und Zufriedenheit. „Das ist der Baum der Seelen“, untermalte Nathaniel´s Stimme meine Eindrücke. „Die Mönche die hier wohnen, jene die wir auf der Straße gesehen haben, glauben daran das die Seele, wenn sie rein ist durch diesen Baum zu Gott findet. Der See spiegelt den Übergang vom Leben in den Tod wider und jede Nacht bei Vollmond werden die Seelen durch das Licht herbeigerufen und in die neue Welt begleitet“. Vorsichtig sah ich mich um, konnte aber neben dem Leuchten des Schnees und der wenigen Fackeln am Rande des Gartens keine Weitere Lichtquelle finden. „Welches Licht meint ihr?“ fragte ich ihn ein wenig irritiert. „Wartet ab“, lächelte er und deutete auf die Seerosen in dem tiefschwarzen See. Die Wasseroberfläche war völlig bewegungslos, wie ein Spiegel erkannte ich das Abbild des Baumes auf der anderen Seite, doch sonst blieb er still und dunkel. Ich zweifelte bereits an Nathaniel´s Verstand und wollte ihn gerade darauf hinweisen, dass es kein Licht gebe, als sich die Knospen der Seerosen langsam zu öffnen begannen. Die Luft anhaltend bestaunte ich, wie die Blütenblätter sich langsam entfalteten und ihr inneres Leuchten über den See warfen. Ein grünlicher Schimmer ging von ihrem Kern aus und strahlte immer heller je weiter sie erblühten. Den Atem anhaltend sah ich diesem Schauspiel zu. „Luminescence Nymphaea, eine sehr seltene Seerosenart die es nur noch an wenigen Orten auf der Welt gibt. Sie sind heilig und werden von den Mönchen hier gezüchtet. Was man bei ihren radikalen Ansichtsweisen und der brutalen Durchsetzung nicht vermuten mag. Ich rate dir dich von ihnen fern zu halten Ray.“ Seine Stimme klang ernst, so dass ich ihn ansah. Er drehte sich zu mir, legte seine Hände auf meine Oberarme und hielt mich so fest, dass ich ihn ansehen musste. „Egal was passiert und egal was irgendjemand zu dir sagt, halte dich von diesen Mönchen fern. Sie halten nichts von anderen Sichtweisen, magischen Legenden und dergleichen.“ Er machte mir ein wenig Angst. Seine sonst so freundlichen und hellen Augen waren starr, dunkel und bohrten sich tief in meinen Blick. Dieser Nathaniel schien so verletzlich und gebeugt, kein Vergleich zu dem sonst unnahbaren, höflichen und zuvorkommenden Gentleman. „Versprecht es mir!“ Sein Griff um meine Arme verstärkte sich. „Ich verspreche es“, war meine Stimme nur ein Flüstern. Er schien beruhigt zu sein und ließ mich wieder los. Das Leuchten hatte irgendwie seinen Glanz verloren und als die Blüten sich wieder schlossen lag der Garten wieder in Dunkelheit. „Wir sollten jetzt lieber gehen, morgen wird ein aufregender Tag“, versuchte er seine Ausgelassenheit wieder zu erlangen, doch irgendwie schien ihm das nicht zu gelingen. Irgendetwas in seiner Vergangenheit musste diesen schönen Mann stark verletzt haben. Und es stimmte mich traurig. Langsam durch den Schnee stapfend dachte ich über seine Worte nach und das Gefühl welches sie in mir ausgelöst hatten.

 

Neben ihm in einem Bett zu schlafen war seltsam. Längst nicht so aufdringlich und prickelnd wie bei Raziel. Es hatte etwas Beruhigendes und Tröstliches, genau das wonach es mich momentan sehnte. Das Bett war nicht so breit wie erhofft, so dass sich unsere Arme berührten, doch er machte keinerlei Anstalten mich auf irgendeine unsittliche Weise zu berühren. Wobei mich das wahrscheinlich nicht gestört hätte, ich hätte es vielleicht sogar begrüßt, zur reinen Ablenkung versteht sich. Gerade jetzt wo die Nacht hereingebrochen war, die Stadt still im weißen Gewand dalag, wurde mir doch mein Verlangen nach dem hübschen und unersättlichen Vampir bewusst. Mein Körper sehnte sich regelrecht nach ihm, seinem Blick der auf mir ruht und nach seiner Stimme. Das Einschlafen viel mir dann doch relativ schwer und der Morgen käme viel zu früh.

 

Bilder des Chaos ließen meinen Atem stocken. Verzweifelt sah ich mich um, ich hatte etwas verloren. Mein Blick suchte hektisch die in Flammen stehenden Häuser und die in Panik durcheinander rennenden Menschenmenge ab. Kalter Schweiß rann mir den Rücken hinunter und ließ mich, trotz der glühenden Hitze, frösteln. „Mama“, konnte ich einen kleinen Schrei durch das Tosen des Feuers und die panischen Rufe vernehmen. Mein Herz machte einen freudigen Hüpfer und Erleichterung ließ mich weinen, als das kleine blonde Mädchen auf mich zu gerannt kam. Mit weit ausgestreckten Armen und rußverschmiertem Gesicht, kämpfte sie sich durch den Schlamm zu mir. „Amelie“, schloss ich sie in meine Arme und drückte sie eng an mich. Plötzlich legte sich ein dunkler Schatten über den nächtlichen Himmel und ein markerschütternder Schrei hallte über das Flammenmeer. Angewurzelt starrte ich nach oben und blickte in das Antlitz eines Monsters. Mit seinen hakenbesetzten Flügeln landete es auf den halb zerstörten Häuserdächern. Funken stoben in einem wilden Sturm auf als das Gewicht dieses Wesens auf den Dächern landete. Knirschend und knarzend gaben sie unter seinem Gewicht nach. Pechschwarze lederne Haut überzog seinen knochigen Körper. Wie aus einem Albtraum starrte mich sein riesiger Kopf mit drei gelben Augenpaaren an. Als es erneut schrie riss es sein schnabelartiges Maul mit dolchgroßen spitzen Reißzähnen auf und ein übler Gestank raubte mir den Atem. Das kleine Mädchen vergrub verängstigt das Gesicht in mein verschmutztes Kleid. Ich versuchte sie zu trösten, als das Monster langsam von den Häusern stieg und schleifend auf uns zu kroch. Hypnotisiert von seinem Blick und seiner Gestalt, als wäre es direkt aus der Hölle entsprungen, konnte ich ihm nur fasziniert entgegen starren. Das Feuer schien ihm nichts auszumachen, stellte ich in meiner Panik fest. Noch bevor ich auch nur einen Gedanken an Flucht verschwenden konnte, stand es direkt vor uns. Haushoch baute es sich vor mir auf und riss sein Maul auf. Das letzte wo ich mich dran erinnern konnte bevor ich die Augen aufriss, war der Schmerz seines Bisses und die Todesangst die mich lähmte. Ich schreckte auf und sah in Nathanails besorgtes Gesicht. „Alles in Ordnung bei euch?“ Noch keuchend versuchte ich mich wieder ins hier und jetzt einzufinden. Draußen war noch nicht die Sonne aufgegangen, doch Nathan saß halb angezogen auf der Bettkante. „Nur ein Albtraum“, versuchte ich ihn mit einem verrutschten Lächeln zu beruhigen. „Heftiger Albtraum! Möchtet ihr darüber reden?“ Kurz war ich versucht ihm mein Herz auszuschütten, doch ich schüttelte den Kopf. „Geht schon, macht euch wegen mir keine Gedanken!“, schwang ich meine Beine über die Bettkante und ignorierte mein rasendes Herz. Mit dem Gefühl nur wenige Stunden geschlafen zu haben, packten wir unsere Sachen, verspeisten unter den wissbegierigen Augen der Wirtsfrau, ein kleines Frühstück, bezahlten sie und verabschiedeten uns freundlich. Was auch immer sie über uns zu denken pflegte, verriet sie uns nicht, sondern beobachtete uns nur mit ihrem offenen Blick. Ich freute mich endlich wieder auf dem Rücken von Ilmare zu sitzen. Sie beruhigte mich und gab mir das Gefühl von Sicherheit.

 

 

 

Unser Weg führte uns an der Kapelle und den vielen kleinen Häusern der ärmeren Stadtbewohner vorbei auf die andere Seite der Stadt. Hier wohnten die wohlbetuchteren und die Händler. Nach der Beschreibung Órnir´s handle sein Freund mit Antiquitäten und seltenen Waffen. Den kleinen Laden in einer lauschigen Sackgasse fanden wir schnell und banden unsere Pferde vor dem großen Schild, der den Laden anpries, an. Als wir durch die Eingangstür traten erklang ein kleines Glöckchen über uns. Der Duft nach staubigen Büchern, Holz, Leder und anderen interessanten Nuancen die ich noch nicht herausfiltern konnte schlug uns mit der warmen Luft entgegen. In Vitrinen, Regalen und auf Tischen lag wirklich sämtliche Ware durcheinander, dennoch in einer nicht erkennbaren Ordnung, die anscheint nur derjenige verstand der sie angerichtet hatte. „Guten Morgen die Herrschaften, wie kann ich ihnen weiterhelfen?“ Hinter einem alten Holztresen, der in dem Chaos nicht als solcher zu erkennen war, begrüßte uns ein älterer Mann mit Glatze und einem langen braunen Spitzbart. Er stand aufrecht und sah uns mit freundlichen Augen an. Er mochte zwar ein gewisses Alter haben, dennoch schien er weder hilfsbedürftig auszusehen noch als könne er sich nicht selbst wehren. Unter seinem Leinenhemd und der Lederweste sah man gut bemuskelten Oberarme und eine breite Brust. Er überragte selbst mich noch um einen halben Kopf und seine Hände, die gefaltet auf dem Tresen ruhten, waren so groß wie Bratpfannen. Ich konnte ihn mir sehr gut in einem Kampf mit einem riesigen Schwert oder einer Axt vorstellen, wie er jedem und alles was sich ihm in den Weg stellte den Schädel zertrümmerte. „Guten Morgen, bitte entschuldigen Sie die frühe Störung, aber sind Sie Sir Bart?“ Meine Stimme kam freundlich und unschuldig rüber. Seine Augen ruhten nach einem kurzen Mustern Nathaniel´s auf meinem Gesicht und leichtes Misstrauen spiegelte sich in ihnen wider. „Wer möchte das wissen?“ Seine Hände lagen nun etwas angespannter auf dem abgenutzten Holz und seine ganze Haltung nahm etwas Dominantes an. „Es ist wirklich besser wenn ihr nicht wisst wer genau wir sind, das einzige was ihr Wissen müsst ist, das wir Freunde von Jarl Órnir sind und wir euch in seinem Namen ein Geschenk überreichen wollen“, diesen dominanten Blick auf mir zu spüren machte mich wirklich nervös, wohingegen Nathaniel komplett unbeeindruckt den Laden inspizierte und es mir überließ das Geschenk zu überreichen. Als Bart den Namen seines Freundes hörte strahlten seine Augen und ein breites Grinsen ließ seinen Spitzbart erzittern. „Órnir der alte Schwindler“, lachte er kurz auf und hielt sich die Hand vor den Bauch. „sagt bloß er schickt euch um mir endlich mein lang ersehntes Schwert zu bringen?“ Ohne ihm zu antworten zog ich das in Leinen eingewickelte Kurzschwert aus meiner Tasche und legte es auf den Tresen. Ehrfürchtig wickelte er den leicht verdreckten Stoff auseinander bis die schwarze Klinge in dem Licht der nahestehenden Kerze leicht schimmerte. Schweigend nahm er es in die Hand, drehte und wog die Klinge bewundernd ab und legte sie dann nickend zurück. „Einfach wunderschön oder?“ Schien er in Gedanken zu sein. Er wand sich ab, verschwand hinter dem Tresen und ließ mich einfach so stehen. Als er wieder kam trug er ein kleines Päckchen in seinen riesigen Pranken. „Als Dank nehmt bitte dieses Geschenk an“, ich nahm es ihm neugierig ab und öffnete die Schatulle. Darin enthalten lag eine einfach schwarze Kerze. „Das kann ich nicht annehmen“, wollte ich ihm schon beteuern, doch er hob seine Hände und schüttelte wehemend mit dem Kopf. „Keine Wiederworte. Glaubt mir das Schwert ist um einiges wertvoller als diese Kerze. Ihr seid den langen Weg bei diesem wirklich schrecklichen Wetter extra zu mir gereist, damit solltet ihr deutlich schneller wieder dorthin zurückkommen wo ihr herkamt.“ Wirklich dankbar schloss ich die Schatulle wieder, steckte sie in meinen Beutel und sah ihm aufrichtig in die freundlich dreinblickenden Augen. „Ich danke euch, wir werden sie wirklich brauchen“, „Vergesst aber nicht, dass sie nur zweimal funktioniert“. Ich nickte wissend und verabschiedete mich von ihm. Nathaniel nahm ich am Ärmel seines Mantels und zog ihn hinaus. Doch bevor wir die Tür durchschritten rief Bart uns noch hinterher. „Benutzt sie aber außerhalb der Stadt, ich weiß ihr seid nicht von hier, aber es gibt Menschen in diesem Gott verlassenen Loch, die sehen Magie und Zauberei äußerst ungern“. „Wir werden uns danach richten, vielleicht sieht man sich irgendwann mal wieder“, zwinkerte ich ihm noch keck zu, woraufhin der Mann rot anlief und schüchtern zur Seite sah.

„Der arme Kerl hätte euch aus der Hand gefressen bei eurem Augenaufschlag“, witzelte Nathaniel, während wir uns draußen wieder in die Sättel schwangen. Noch bevor ich ihm antworten konnte, nahm ich einen Schrei war. Abrupt wanden wir unsere Köpfe in die Richtung aus der er kam und erblickten eine Frau die von zwei Mönchen drangsaliert wurde. Eilig trieb ich meine Stute auf das Trio zu. Die Frau musste eine Prostituierte sein nach ihrem offenherzigen Kleid nach zu urteilen. Einer der beiden Mönche hielt sie, mit auf den Rücken gedrehten Armen fest, während der andere mit seiner Geißel ausholte. Sie schrie fürchterlich um Vergebung und dass sie sich nie wieder in diesen Teil der Stadt verirren würde, doch all das Betteln brachte nichts. Ich rutschte gerade wieder aus meinem Sattel als sich die mit kleinen Scherben besetzten Schnüre auf ihr Gesicht niedersausten und die feine und blasse Haut zerriss. Dünne Blutrinnsale ergossen sich, vermischt mit Tränen, über ihr Gesicht. „Stopp“, schrie ich und stellte mich zwischen ihr und den Mönch. „Beiseite,“ schrie mich der Mönch brüskiert an. „sonst erleidet auch ihr dasselbe Schicksal Fremde.“ „Was hat sie verbrochen?“ Schrie ich ebenfalls zurück, als ich eine Bewegung aus meinen Augenwinkeln wahrnahm. Der Mönch der die Frau festhielt, zog einen Prügel und wollte mir von hinten eines überziehen, doch Nathaniel hatte seine Peitsche gezogen, die sich durch die Luft zischend um sein Handgelenk schlang. Dieser sah nun zwischen Nathaniel und mir hin und her, erschrocken von der Schnelligkeit des großgewachsenen schlanken Mannes. „Sie hat hier in diesem Stadtteil nichts zu suchen, hier ist das herumhuren verboten!“ „Stimmt das?“ fragte ich die junge Frau die mich mit ihren Tränen verschmierten Augen anstarrte. „Ich wusste das nicht“, beteuerte sie ehrlich. „Ich bin neu in dieser Stadt und mir wurde nicht gesagt, dass ich hier nicht arbeiten darf!“ Nach ihrem verängstigten Blick und der Reue in ihrer Stimme zu urteilen, sprach sie die Wahrheit. „Ich glaube sie hat genug Bestrafung erhalten“, wand ich mich wieder an den Mönch mit der Geißel. „Sie gehört ausgepeitscht“, schrie er und fuchtelte wild mit seinen Armen herum, wobei ihm seine Kapuze vom Kopf rutschte und der kahlgeschorene Kopf sowie zwei fast weiß aufblitzende irre Augen zum Vorschein kamen. „Dann müsst ihr erst an uns vorbei“, machte ich mich bereit auf einen eventuellen Kampf. Der Mann sah zwischen mir und Nathaniel hin und her, abschätzend ob er es wagen konnte. Dann senkte er sein Folterwerkzeug, nickte seinem Bruder widerwillig zu der die Frau losließ und ein paar Schritte zurück ging. Nathaniel löste seine Peitsche von dem mittlerweile weiß angelaufenen Handgelenk und zwinkerte diesem frech zu. „Braver Junge und jetzt husch husch ins Körbchen“. Schnell eilte er zu seinem Bruder zurück der mich hasserfüllt an funkelte. „Wir werden uns noch wiedersehen, das ist noch nicht vorbei“, damit eilten sie, ihre Mützen wieder über die Köpfe ziehend, davon.

 

Erleichtert atmete ich auf und entspannte mich wieder. Nathaniel rollte seine Peitsche zusammen während ich mich an die Frau wandt. „Geht es euch gut?“ Sie weinte immer noch und zitterte am ganzen Leib. Als ich ihr meinen Mantel über die Schultern legen wollte, wich sie ein paar Schritte zurück. „Lasst mich in Ruhe“, ihre Stimme war verängstigt und hasserfüllt. Überrascht hielt ich in der Bewegung inne und sah sie irritiert an. Ihre Augen musterten erst mich und dann Nathaniel. „Ihr habt keine Ahnung was ihr da gerade eben angerichtet habt oder?“ Sprachlos schüttelte ich mit dem Kopf, doch der Keim der Erkenntnis brach sich Bahn in Nathaniel´s Blick. Fluchend wand er sich ab und rieb sich grübelnd das Kinn. „Was genau denn?“ musste ich doch doof fragen. „Sie werden wiederkommen und dieses Mal werden sie mich in meinem Bordell aufsuchen und mich töten“. „Aber warum denn?“ Die Frau lachte verbittert auf und wischte sich das Blut mit einem Tuch von der Wange. Sie zuckte zusammen als der raue Stoff die Schnitte berührte. „Ihr hättet sie mich auspeitschen lassen sollen. Sie missbilligen Menschen wie mich und meine Arbeit. Sie gestatten dies nur am Hafen, denn unsere Arbeit ist gotteswidrig und unrein.“ „Sie hat Recht“, wand Nathaniel sich nun auch an mich. „Und was sollen wir jetzt tun?“ War ich ehrlich entsetzt über die Konsequenz unserer Taten. „Gar nichts könnt ihr tun.“ Schluchzte sie und wand sich zum Gehen. Auch Nathaniel sah nicht besonders glücklich aus. „Wir hätten uns nicht einmischen sollen“, dachte er leise nach. Ich kam mir so dumm vor, wie konnte ich nur seine Worte vom Vorabend missachten. „Wir müssen ihr helfen, lass sie uns wenigstens zu ihrem Bordell zurückbringen“. Er sah mich hin und her gerissen an, nickte dann aber.

 

Erst gefiel ihr unsere Anwesenheit überhaupt nicht, doch nachdem wir ein paar Schritte mit ihr gegangen waren und ich ihren Namen herausgefunden hatte, schien sie doch froh zu sein nicht alleine durch die Kälte gehen zu müssen. Tatsächlich lag das Bordell in dem sie arbeitete direkt am Hafen, in einem alten kleinen Tempel der durch seinen Säuleneingang bestach. Davor standen zwei Frauen die vorbeigehenden Männer versuchten zu bezirze um sie in das Innere des Tempels zu locken. Wir banden unsere Pferde in einer Seitengasse am Nebeneingang an und folgten Lara, so hieß sie, ins Innere. Sofort schlug uns wohlige Wärme entgegen und ließ mich schauern. Im inneren waren ebenso Säulengänge um ein im Boden eingelassenes Wasserbecken angelegt. An den Wänden und in den dunklen Nischen lagen dicke Kissen, Decken, bunte Stoffe und mit Obst gefüllte goldene Schalen. In dem mit blauen und weißen Mosaiken ausgekleideten Wasserbecken, schwammen auf der Wasseroberfläche Kerzen die es in ein Flammenmeer verwandelten. Um die Säulen und dem offenen Dach welches mit Glasplatten abgedeckt war, rankten Efeu und bunte Tücher. Hier und da stand eine Wasserpfeife die mit ihrem süßen Dampf die Luft schwängerten. Ich fühlte mich wie in einer anderen Kultur und war verblüfft über den Charme den dieses Etablissement hatte. Doch geziert wurde das alles von den unglaublich hübschen Frauen aller Haut- und Haarfarben. Alle waren sie schlank, hatten wunderschön geschminkten Gesichter, waren in aufreizenden Gewändern gekleidet oder waren fast nackt. Die bereits erschienen, meist männlichen, Gäste lagen in ihren Armen und ließen sich von ihnen Weintrauben in ihre Münder schieben, rauchten mit ihnen Wasserpfeife oder verzogen sich in die dunklen mit Vorhängen abgeschirmten Nebenzimmer. Leises Gestöhne und andere lustvolle Geräusche erklangen aus jeder Ecke.

 

Mir quollen fast die Augen über von den vielen Eindrücken, doch Nathaniel ließ das alles unbeeindruckt, obwohl ihn sämtliche Frauen schöne Augen machten, während wir Lara durch den großen Raum folgten. Sie brachte uns in einen Nebenraum etwas abseits der schweren Düfte und benebelnden Geräusche. Mit leicht gesenktem Kopf schob sie einen schweren Vorhang beiseite und ließ auch uns eintreten. In dem dunklen Zimmer, nur beleuchtet mit ein paar Kerzenständern in dessen halb geschmolzene Kerzen ihr warmes Licht auf das Geschehen vor uns warfen. Auf einem runden großen Bett ohne sichtbare Pfosten wanden und umschlangen sich Arme, Beine und verschwitzte Körper. Stöhnen und Seufzen erfüllten den Raum und der Geruch nach Weihrauch unterstrich den sinnlichen Akt vor uns. Ein seltsames Gefühl machte sich in mir breit und etwas zog mich zu den nackten sinnlichen Körpern, doch ein Arm hielt mich auf noch bevor ich den ersten Schritt machen konnte. Als ich in Nathaniel´s kalten Augen sah erschrak ich und mein Geist klarte sich wieder auf und ich erwachte wie aus einem Traum. Als ich jetzt wieder auf das Bett sah faszinierte mich der Anblick deutlich weniger und ich schalte mich selber für meine Schwäche. „Madame Sasu, wir haben Gäste“. Flüsterte Lara leise in das Gestöhne. Für einen Moment passierte gar nichts, doch dann lösten sich die Arme und Beine und aus dem Knäuel von verschlungenen Körpern lösten sich mehrere Männer und Frauen die nur eine Person zu begehren schienen. Sie ließen den Blick auf eine kurvig schlanke Frau mit gelocktem dunkelrotem Haar und haselnussbraunen Augen frei. Ihr Körper schien makellos, alles saß so wie es sitzen sollte. Sie war so wunderschön, dass ich es selbst als Frau eingestehen musste das sie sehr anziehend war. Doch in ihren Augen las ich etwas Verwegenes und dennoch Sinnliches. Die beiden Frauen und der Mann lagen an ihrer Seite und konnten ihre Finger nicht von ihr lassen, in ihrem Blick las ich dieselbe Ekstase die auch ich vor wenigen Augenblicken empfunden hatte.

 

 

„Bringst du uns weitere Geliebte meine Liebe Lara?“ Ihre Stimme war erstaunlich dunkel und dennoch sinnlich wie das Schnurren einer Katze. Lara verbeugte sich schüchtern und schüttelte nur mit dem Kopf. „Madame wir haben ein Problem“, flüsterte sie leise, doch das reichte aus das der Blick der Frau ernst wurde und sie mit einer Handbewegung ihre Gespielinnen wegscheuchte, die ohne ein Murren verschwanden. Madame Sasu setzte sich auf und rutschte zum Rand des Bettes, ihr Blick huschte über Nathaniel´s Statur und blieb dann an mir hängen. Ihre prallen Brüste hingen selbst im Sitzen nicht und reckten sich mir freudig entgegen. Die Schlanke Taille brachte ihr breites Becken und den üppigen Busen besonders gut zur Geltung. „Sind diese beiden bezaubernden Wesen etwa schuld daran?“ fragte sie etwas abschätzig und zog Lara zu sich. Diese trat immer noch mit gesenktem Kopf auf sie zu. Sasu nahm ihr Kinn und hob es hoch so dass sie das Gesicht der jungen Frau begutachten konnte. „Warst du etwas außerhalb unseres Reviers jagen!“ Ihre Stimme wurde kalt und schneidend. Allein dies reichte aus das Lara merklich zusammen zuckte. „Haben dich die Mönche also gefunden und bestraft, was genau hat das mit unseren Gästen zu tun?“ fragte sie nun leicht genervt und doch charmant in unsere Richtung. „Sie konnten mich nicht gänzlich bestrafen, die Frau und ihr Begleiter haben sich eingemischt und die Mönche bedroht“. Abrupt ließ sie das Kinn der Frau los und zog verärgert die Augenbrauen zusammen. „Nun dann haben wir wirklich ein Problem“. Madame Sasu stand auf und schritt grazil zu einem Stuhl. Sie zog sich einen hauchdünnen Mantel aus einem bordeauxroten Stoff an der mehr Einblicke verlieh als das er verdeckte. Sie ging auf mich zu während sie mich von Kopf bis Fuß musterte und blieb direkt vor mir stehen. Ihre Art wie sie mich betrachtete und das eigenartige Parfüm was sie umgab machten mich nervös und gleichzeitig Erregten sie mich. Schnell hatte ich verstanden, dass sie mehr Wert auf die Nähe einer Frau und nicht die eines Mannes legte und so war ich ihr Objekt der Begierde. „Nun ich muss euch einerseits danken das ihr mir meine kleine Blüte in fast heilem Zustand zurückgebracht habt und anderseits seid ihr mir etwas schuldig.“ Ihr Blick hielt den meinen fest und obwohl sie mir nur bis zur Schulter ging, schaffte sie es das ich mich klein und unbedeutend fühlte. Sie legte eine Hand an meine Wange und legte ihre Lippen sanft auf die meinen. Erstarrt und unfähig mich zu rühren ließ ich den Kuss über mich ergehen, mit einem seltsam gemischten Gefühl in meinem Bauch. „Madame Sasu, bitte verzeiht meine Unterbrechung, aber ihr werdet vorne gebraucht“, wurde dieses seltsame Spiel von einer dunklen Männerstimme unterbrochen. Frustriert zischte sie ihm ein paar unverständliche Worte zu und trat wieder ein paar Schritte zurück. „Nun dann werden wir mal sehen wie ich euch aus der Patsche helfen kann“, damit wand sie sich ab und ging aus dem Raum. Lara folgte ihr wie ein Hund. Nathaniel sah mich ein wenig belustigt an und deutete mir ebenfalls hinaus.

 

Draußen in dem hellen Innenhof standen bereits zehn Mönche die sich sichtlich unwohl fühlten. Madame Sasu stellte sich ihnen gerade in ihrem durchsichtigen Mantel entgegen als der Mönch der uns auch vorhin begegnet war sah und mit seinem Finger auf uns deutete. „Das sind sie, sie und ihre lustbesessene Hure haben sich gegen das Gesetzt gestellt und sind ihrer Strafe entgangen, wir fordern die Auslieferung aller drei“, waren wir anscheint direkt in die Verhandlung geraten.  Sasu würdigte uns keines Blickes. Ihr Blick blieb ernst und ruhig auf den tobenden Mönch. Trotz ihres entblößten und für die meisten kompromittierenden Äußeren, war sie selbstbewusst und ganz Geschäftsfrau. „Das dürft ihr auch gern“, die Worte der Frau ließen mich erstarren und ich bereitete mich auf das schlimmste vor. „dennoch könnt ihr mir nicht einfach meine Arbeiterin wegnehmen, wie sollen wir denn dann demnächst unsere Steuern zahlen.“ „Das ist nicht unser Problem Hure!“ Das Gesicht des Mönches verzog sich zu einer fiesen Grimasse. Sofort hatte Madame Sasu die Distanz zwischen ihnen überwunden und hielt dem Mönch einen kleinen Dolch an die Kehle. Woher auch immer sie den nun hergezaubert hatte. „Droht ihr mir etwa, Mönch?“ Ihre Stimme war eiskalt und gefährlich. „Ich sage nur dass ihr euer Vieh nicht einfach so herum Streunern lassen könnt wie es euch beliebt, Lady!“ „Und ich sage euch, dass ich mich um sie kümmern werde, nun verlasst sofort mein Etablissement, sonst werden sich meine Mädchen um euch kümmern!“ Wie auf ein Stichwort zückten alle umstehenden Frauen kleine Dolche und Messer und fixierten die, sich eindeutig in der Unterzahl befindende, Mönche. Diese sahen sich verärgert um und rückten ein wenig näher zusammen. Der Mönch und Madame Sasu lieferten sich währenddessen ein Blickduell welches Sasu eindeutig gewann. „Nun gut für heute habt ihr gewonnen, doch wir werden euch im Auge behalten und eure Gäste“, spie er in unsere Richtung aus, „werden die Stadt sofort verlassen!“ Damit schien die Sache erledigt zu sein. Die Mönche zogen schnell von dannen und die Atmosphäre entspannte sich wieder, so dass jedes Mädchen wieder ihrer Arbeit nachging.

 

Madame Sasu wand sich wieder uns zu und nahm in einem Stuhl auf einem kleinen Podest Platz welches ihr einen Rundumblick über das gesamte Bordell erlaubte. „Nun wie schon gesagt, seid ihr mir nun etwas schuldig“, ihre Stimme war süffisant und sie hatte ein fieses Grinsen auf den Lippen. „Wir sind euch wirklich zu tiefsten Danke verschuldet Madame Sasu, wie können wir nun unsere Schuld begleichen?“ Nathaniel kam mir zuvor. Ich war immer noch leicht geschockt von den Vorkommnissen und musste erst noch meine Sprache wiederfinden. „Einen Kuss!“ schien sie es nicht hatte abwarten zu können und lachte dabei wie ein kleines Kind, was sich über eine Süßigkeit freute. Ihr Blick ruhte auf meinem Gesicht und ich ahnte was sie vorhatte. Sofort trat ich einen Schritt auf sie zu, doch sie hob abwehrend die Hand. „Nein nein meine Liebe, auch wenn mich ein weiterer Kuss von euch sehr erfreuen würde. Nein es ist euer Begleiter, er soll euch küssen!“ Aus den Augenwinkeln konnte ich Nathaniel´s Anspannung sofort erkennen. Es war eine winzige Bewegung doch mittlerweile vermochte ich ihn gut einschätzen zu können und dennoch war ich überrascht über seine Reaktion. Er der galante und sonst so charmante und verführerische Gentleman hatte, ja er hatte Angst. Als ich mich ihm zu wand konnte ich es in seinen Augen sehen. Und genau das sah auch Madame Sasu. Sie lehnte sich zurück und lies sich einen Becher mit Wein reichen an dem sie genüsslich nippte. „Darf ich fragen warum?“ stotterte ich ein wenig. „Nun ich möchte euch eine Freude bereiten“, lächelte sie mich an und nickte zu dem erstarrten blonden Mann. „ihr seid eindeutig den Männern verfallen und dieser hier hat anscheint einige tiefe Geheimnisse, wo ich einem davon anscheint auf der Spur bin“. Nathaniel sah mich an, trat einen Schritt auf mich zu und stand nun direkt vor mir. „Ihr müsst das nicht tun“, flüsterte ich ihm drängend zu. „Ich werde es tun“, seine Stimme war verzweifelt und verängstigt. „Wir finden einen anderen Weg hier raus“, „Nein!“ Unterbrach er mich brüsk und nahm mein Gesicht in seine Hände. „Ich kenne die Sorte Mensch wie sie, sie lässt uns erst gehen, wenn sie bekommt was sie will“, „Auch wenn es euch eindeutig zuwider ist und euch quält“. Erst jetzt schien er meine Bedenken zu verstehen. „Es seid nicht ihr der Grund, glaubt mir ich küsse euch liebend gern“, ein Grinsen huschte über seine Lippen, als er sich meinem Mund langsam näherte. Noch bevor ich etwas erwidern konnte, legten sich seiner auf den meinen und ein wohliges Gefühl machte sich in meinem Bauch breit. Es war kein Vergleich zu der Hitze und dem Verlangen was ich empfand, wenn mich Raziel küsste, doch es brachte auch mich zum Erröten. Ich genoss ihn regelrecht und drückte mich ihm noch mehr entgegen.

 

Noch bevor ich mich in den Kuss vertiefen konnte, löste sich Nathaniel von mir und wand sich wieder Madame Sasu zu. Diese schien zwar zufrieden zu sein, dennoch zog sie einen Schmollmund. „Das war nicht schlecht, dennoch hatte ich mir mehr erhofft. Nun gut ihr seid frei, los verschwindet!“ Nathaniel nickte ihr kurz zu und wand sich schon zum Gehen. Immer noch ein wenig neben mir stehend wegen des seltsamen Verhaltens Nathaniel´s blieb ich einen Moment länger stehen bevor ich mich abwenden konnte. „Es ist nicht eure Schuld“, Sasu´s Stimme ließ mich einen Moment verweilen. „sein Herz gehört bereits einer anderen. Es muss ihn körperliche Schmerzen bereitet haben nicht die Seine Küssen zu können“, ihr fieses Lachen hallte noch nach während ich von diesem scheintrügerischen Ort floh. Ich hatte es auch gespürt, sein Kuss war anfangs hölzern doch für einen Moment schien er sich mir hinzugeben, doch dieser war so schnell verflogen wie er gekommen war. Nun ritten wir eiligst aus dieser verfluchten Stadt. Es wurde auch Zeit, gerade nach diesem Kuss zehrte und sehnte sich mein Körper nach Raziel, so viele Emotionen an einem Tag, wie konnte ich dem nur standhalten? 

Offenbarung

Seitdem sie Loran verlassen hatten hatte dieser Alvitur nicht einmal seinen Mund halten können. Raziel hatte sich nicht gefreut diesen blonden Teufel loszuwerden um die nächste Nervensäge an die Backe gehängt zu bekommen. Zumal er seid Olinera nicht wieder hatte jagen können, war seine Laune wegen des unerträglichen Durstes nicht die beste. Den braunhaarigen gut gelaunten Jungen schienen seine Launen anscheint nichts auszumachen, denn er ritt fröhlich pfeifend neben ihm her und deutete auf jedes Tier welches ihren Weg kreuzte, um ihm genau zu erklären was es war, was es fraß und was man aus ihnen machte, wenn man sie erlegen konnte. Sie waren jetzt einen Tagesritt von dem Dorf entfernt und ritten durch die weiße Schneehölle die der Winter ihnen bescherte. Alvitur hatte ihm zugesichert, dass es oben in den Bergen nur noch schlimmer werden würde, doch dass er sich keine Sorgen machen bräuchte er kenne sich dort aus. Wenn der Junge doch nur wüsste das nicht er derjenige war der Schutz benötigte. Ihm machte die Kälte und der lange Ritt nichts aus, Schmerzen verspürte er nur selten. Raziel hörte ihm schon gar nicht mehr zu, denn der Hunger der in seiner Kehle brannte benötigte seine gesamte Beherrschung. Er würde abends jagen gehen müssen, sonst würde er diesen Menschenjungen töten und das würde Lady Ray wohl nicht gefallen. Ray, diese rothaarige Frau die ihm nicht mehr aus dem Kopf ging seitdem er sie in dieser schicksalshaften Nacht gebissen und verführt hatte. Ihr unwiderstehlicher Geruch, diese blauen Augen und das aufbrausende und dennoch liebevolle Temperament. Normalerweise hätte er sie ihrem Schicksal überlassen als die Soldaten ihre Hütte angegriffen hatten, doch irgendetwas in ihm trieb ihn regelrecht dazu an sie zu beschützen. Dass sie nun mit diesem Vampirjäger fort gegangen war, passte ihm gar nicht. Je größer die Entfernung wurde umso mehr verspürte er eine Art Zwang umzudrehen und zu ihr zu reiten. Doch er wehrte sich wehemend. Er der nie länger als eine Nacht mit einer Frau verbrachte und dass auch nur um seine Gelüste zu befriedigen und seinen Spaß zu haben, er, sehnte sich jetzt nach einer unbedeutenden Magierin. Er hätte so viele Frauen haben könne, Prinzessinnen, Königinnen und andere wohlbetuchte wunderschöne Damen aus allerlei Herren Länder. Doch ihn hielt es nie lange an einem Ort geschweige denn an eine Frau. Eine hatte es ihm länger angetan und er hatte gehofft endlich Ruhe bei ihr zu finden, doch sie hatte ihn betrogen und seitdem hatte er einen dicken Riegel vor sein Herz geschoben. Diese Schmerzen die er damals verspürt hatte wollte er nie wieder empfinden.

 

Wütend an den Gedanken hielt er sein Pferd an, rutschte aus dem Sattel und bellte dem jungen Alvitur ein: „Absitzen, wir nächtigen hier“ zu. Er war es gewohnt Befehle zu erteilen, das hatte er schon zu genüge in seiner Ausbildung getan. Trotz der Irritation Alvitur´s hielt er ebenfalls an und saß ab. Raziel hatte sich eine kleine Höhle unter einem Felsvorsprung ausgesucht. Kaum sichtbar und gut versteckt unter einer Schneeverwehung, für das menschliche Auge, dennoch für ihn sichtbar brachten sie erst die Pferde unter. „Macht ein Feuer, ich gehe jagen“, warf er dem Jungen zu und verschwand. Wenn er noch länger bleiben und den süßlichen Duft seines frischen Blutes riechen müsste, würde er sich selbst vergessen. Er hörte noch wie er sich umdrehte und ein „Geht klar“, rief doch dann war er schon zwischen den kahlen Nadelbäumen verschwunden. Endlich seiner Kraft wieder ausleben zu dürfen jagte er zwischen den nackten Stämmen hindurch auf der Suche nach frischer Beute. Für ihn war es keine körperliche Anstrengung, wie er mehrere Meilen zwischen sich und dem Lager brachte. Im Gegenteil, er genoss den Wind in seinem Haar, seine lautlosen Schritte im Schnee und das Gefühl seiner sich zusammenziehenden Muskeln. Die Welt flog an ihm vorbei, nur er und der Gedanke an die Jagd schienen zu existieren. Ein Knacken im Unterholz und der Geruch nach warmem Fell, ließen ihn aufhorchen. Abrupt blieb er stehen und nahm die Fährte einer Rehherde auf. Gut eine Meile von ihm im dichten Unterholz scharrten sie ihm hohen Schnee auf der Suche nach Eicheln und dünnem Gras. Langsam und lautlos schlich er sich an die Tiere heran, immer bedacht kein einziges Geräusch von sich zugeben, doch er wusste wie man jagte. Menschliches Blut war deutlich bekömmlicher und sättigender, doch er hatte sich selbst einen Schwur abgenommen. Die Tiere hatten keine Chance, er sprang aus seiner Deckung packte sich eines der nichtsahnenden Rehe und brach ihm das Genick. Die restliche Herde stob verängstigt auseinander und blieb in einem gewissen Abstand stehen und sah sich nach ihm um. In ihren Augen las er Angst und dennoch Verständnis. Vampire waren zwar widernatürlich in ihrer Totenstarre, dennoch waren sie Teil des natürlichen Kreislaufes und so respektierten sich Jäger und Beute. Mit einem letzten Blick auf die anderen Rehe grub er seine Zähne in das weiche Fleisch und sog gierig das flüssige Gold welches seinen brennenden Durst stillte. Das Blut des Tieres schmeckte fad und relativ neutral. Dunkelrot rann es an seinen Mundwinkeln entlang, benetzte seine Lippen und glänzte feucht auf dem braunen Fell des Rehs. Vereinzelte Tropfen landeten im glitzernden weißen Schnee und waren die einzigen Spuren die seine Jagd hinterließen.

 

Völlig ausgeblutet warf er sich das Tier über die Schulter und lief zurück zu dem mittlerweile aufgeschlagenen Lager. „Ihr seid aber schnell wieder zurück“, Alvitur´s überraschte Stimme schien Raziel zu laut in dem sonst so stillen Wald. „Ihr solltet leiser sein, man kann euch aus einer Meile hören“. Überging er den Kommentar des Jungen. Dieser nahm ihm das tote Tier ab der es schnell ausweidete und zerlegte. Das Fleisch über dem Feuer bratend saßen sie in der sich aufwärmenden Höhle während die Sonne langsam unterging und den Wald in ein dunkles Rot tauchte. Schweigend rupfte er sich etwas Fleisch ab, überließ das meiste aber unauffällig dem Menschen. „Ihr vermisst sie!“ Alvitur´s Stimme war ernst und deutlich erwachsener als Raziel es ihm zugetraut hätte. „Wen?“ grummelte er ihm missmutig zu. „Natürlich Lady Ray, wen sollte ich sonst meinen?“ Er spürte seinen Blick doch starrte weiter hinaus durch die Bäume. „Wenn ihr das sagt“, „Ach kommt schon, seitdem wir Loran verlassen haben ist eure Laune stetig gesunken und ich dachte schon vorher, dass sie mies war.“ „Vielleicht liegt es auch einfach nur daran das ich mit euch alleine unterwegs sein muss“. Wand er nun doch den Blick vom Horizont und funkelte Alvitur böse an. „Wäret ihr lieber mit Sir Nathaniel hier?“ Stopfte der Junge sich ein weiteres Stück Fleisch in den Mund und grinste ihn siegessicher an. „Oder gar lieber mit der Magierin!“ Letztes war eher eine Feststellung als eine Frage. Raziel antwortete dem vorlauten Bengel nicht und nahm sich sein Schwert vor um es zu schleifen. Der glatte Stein kreischte auf dem blanken Metall und verlieh der Klinge wieder seine tödliche Schärfe. „Mein Vater hat mir vieles von euch Vampiren erzählt“, fing er erneut an wobei Raziel innehielt und ihn erstaunt ansah. „Ich wusste es ab dem Zeitpunkt wo ich euch am Kamin sitzen sah und glaubt mir mein Vater wusste es ebenso.“ „Woher?“ War nun sein Interesse geweckt. „Ich weiß nicht“, schien Alvitur kurz zu überlegen. „Es ist nichts Genaues, nur eure Aura, die Art wie ihr geht und Lady Ray immer wieder angestarrt habt. Wie ein Raubtier eben seine Beute beobachtet. Zumal seid ihr so blass, selbst aus unserem Volk kenne ich niemanden der so hell ist“. „Könnt ihr damit umgehen?“ fragte er ihn etwas belustigt. Dieser grinste ihn strahlend an und nickte. „Natürlich, ihr seid ja nicht der erste Vampir dem ich begegne. Was dennoch die Frage aufwirft, was ihr dann mit einem Menschen und einem Jäger zu tun habt? Ist sie euer Proviant?“ Angewidert schnaubte Raziel und sah weg. „Nein ganz bestimmt nicht. Ich verachte meinesgleichen welches die Menschen wie ihr Vieh halten.“ „Aber das sind wir doch für euch oder nicht? Vieh!“ Die Neugier des Jungen und wie er ihn ansah, behagten ihm nicht. Er kam sich vor wie in einem Verhör. „Hat euer Vater euch dazu beauftragt mich auszuspionieren? Seid ihr deswegen mitgekommen, um mich im Auge zu behalten?“ Verlegen senkte der Junge seinen Blick. „Nun ja einerseits schon, ihr müsst wissen das es noch nie Vampire in unserem Territorium gab und natürlich ist es verständlich das mein Vater genau diesen im Auge behalten will. Aber nein, eigentlich bin ich mitgekommen um euch zu helfen!“ Mit Stolz geschwollener Brust machte er sich groß und sah ihm direkt in die Augen. „Das schwöre ich euch bei meiner Ehre“, schnaubend wand Raziel sich wieder seinem Schwert zu und beließ es dabei. Alvitur tat es ihm gleich und machte sich über den Rest des Rehs her.

Die Nacht war kurz gewesen und auch wenn er keinen Schlaf brauchte, so hatte er doch kurz seine Augen geschlossen um nachzudenken. Jedes Mal, wenn er seine Augen schloss sah er das Gesicht der Menschenfrau vor sich, welches von Lord Welish abgelöst wurde. Wut stieg jedes Mal in ihm auf, wenn er nur an diesen Verräter dachte. Wie konnte er nur seinen Vater töten? Er war noch jung gewesen als man ihn eines morgens aus seinem Zimmer gerissen und in den Kerker gebracht hatte. Er war vielleicht drei oder vier Jahre alt gewesen, seine Erinnerungen an seinen Vater und seine Mutter waren nur noch verblasste Schemen und einzelne Bilder. Er wusste damals nicht genau was geschehen war, nur dass sein Vater erstochen wurde von seinem eigenen Freund und Vertrauten. Aus Machtgier vermutete er, doch er verstand in dem Alter noch nicht was das alles bedeutete. Man gab ihm auch keine Zeit es zu verstehen oder gar den Tod seiner Eltern zu betrauern. Man steckte ihn direkt in das Trainingslager der königlichen Armee und quälte ihn solange bis er seine Ängste, Gefühle, sein Gewissen und sein Herz aus ihm heraus prügelte. Als einer der schwächsten wuchs er heran in einer brutalen und leistungsorientierten Familie. Während Lord Welish immer weiter den Thron für sich beanspruchte und seine wahre Abstammung verheimlichte, wuchs er zu seinem besten und gnadenlosesten Feldmarschall heran, ohne Gewissen und Liebe. Erst viel zu spät erkannte er wer Lord Welish wirklich war und was seine Pläne mit ihm waren. Noch rechtzeitig konnte er ihm entfliehen und ausgerechnet dann, in diesem chaotischen Moment tauchte diese Magierin auf. Allein bei dem Gedanken an ihre trotzigen Augen und das leichte erröten ihrer blassen Haut, wenn sie versucht gegen seinen Charme anzukämpfen, ließ sein Herz schneller schlagen. Irgendetwas war mit ihm geschehen und auch sie schien ihm gegenüber im Zwiespalt zu liegen. Und seitdem der Jarl von dem Noorac oder Seelengefährten gesprochen hatte, schien sich etwas in ihm verändert zu haben. In Ray´s Augen hatte er eine ebenso gewisse Erkenntnis gelesen, welche sie dennoch versuchte vor ihm zu verbergen. Sie hatte schon Recht mit dem was sie am Abend zu ihm sagte. Es wäre wirklich schön nicht alleine sterben zu müssen, doch er hatte für diese Gefühlsduselei nichts übrig. Doch musste er sich eingestehen, dass er etwas für sie empfand und sie ihm nicht gänzlich egal war.  Doch all das Grübeln brachte ihn nicht weiter, er musste sich auf seine Aufgabe konzentrieren.

 

Am nächsten Morgen brachen sie früh auf, wenn sie am Nachmittag die Höhlen erreichen wollten. Nach dem Gespräch mit Alvitur hielt er sich noch bedeckter sprach nur das nötigste mit dem Jungen. Dieser schien ihn unauffällig zu beobachten doch Raziel ließ ihn machen, wenn er sich dadurch besser fühlte. Das Gelände wurde langsam karger und als sie aus dem Wald heraus ritten waren die ersten Ausläufer der Drachenberge schon zu sehen. Am Horizont im Dunst des frühen Morgens und der aufziehenden Wolken, waren die hohen Berggipfel schon zu erkennen. Schneebedeckt und auf dem höchsten Gipfel mit zuckenden gelben Blitzen, versprachen sie Unheil. Die Höhlen lagen weiter unterhalb und waren leicht zu erreichen. Es gab nur wenige Wege durch und über das Gebirge. Entweder nutzte man die  Zwergenpfade die sich wie Adern durch das innere der Berge schlängelten und die mit am besten ausgebauten Wege waren, die natürlichen Pfade und geheimen Gänge die die Natur durch Erosion und der heimischen Tierwelt aus dem Gestein gearbeitet hatten oder den geheimen Drachenpfad der sich über die Bergspitzen schlängeln soll, dessen Beginn aber bislang niemand gefunden hatte. Keiner der drei Wege war ungefährlich, einfach zu finden und bot keine Sicherheit an sein Ziel zu kommen, doch es blieb einem keine andere Wahl, wenn man keinen Umweg von mehreren Wochen um das riesige Gebirge machen wollte. Da Basilisken sich nach den natürlichen Pfaden richteten blieb ihnen nichts anderes übrig als genau diesen zu folgen und Alvitur schien auch direkt auf einen dieser Pfade zuzusteuern.

 

Schnell war die baumlose Ebene überquert und das Gelände stieg stetig steinig und zerklüftet an. Wo die Hufe der Pferde noch von Moos und kargem Gras gedämpft wurden, hallten diese auf dem harten grauen Gestein von den Felswänden wider, die sie schnell umgaben und den Blick zurück auf den Wald versperrten. Der Pfad war schmal, so schmal, dass sie hintereinander her reiten mussten. Alvitur übernahm gezwungenermaßen die Führung und schlängelte sich und sein Pferd um kleine Findlinge, Abhänge und Felsspalten, während das Wetter sich stetig verschlimmerte. Wo die Sonne einem noch mit ihren letzten Strahlen das Gesicht gewärmt hatte, wurde genau dieses, je weiter sie kamen, von Hagelkörnern und kleinen eisigen Schneeflocken eingefroren. „Wie lange werden wir noch brauchen?“ rief Raziel dem vor sich her reitenden Jungen zu. Dieser wand sich in seinem Sattel zu ihm um und deutete stumm mit seinem Finger auf eine Stelle über ihren Köpfen. Raziel folgte seinem Zeigefinger und versuchte etwas durch den aufkommenden Schnee zu erblicken. Mit zusammen gekniffenen Augen vermochten selbst seine Vampiraugen erst auf dem zweiten Blick die dunkle Öffnung in dem grauen Gestein zu finden. Irritiert über seine schwindende Scharfsicht, schüttelte er mit dem Kopf, doch es wurde nicht besser. Tatsächlich erreichten sie nach einem steilen Aufstieg den auf einem kleinen Plateau liegenden, gut zwei Mann hohen, Eingang der in den Berg hinein zu führen schien.

 

Ohne weiter nachzusehen ritt Alvitur hinein und Raziel folgte. Das Tageslicht welches zum Nachmittag langsam schwand hatte in der Schwärze des Tunnels kaum Kraft und so entzündeten sie ein paar mitgebrachte Fackeln. „Habt ihr keine Angst das uns ein Basilisk direkt angreift?“ flüsterte er dem Jungen etwas skeptisch zu. Dieser führte sein Pferd weiter in den Tunnel hinein und leuchtete ihn mit der Flamme aus. „Nein, dieser Eingang wird nicht mehr von ihnen benutzt. Er scheint alt zu sein und sie haben sich einen anderen Weg nach draußen gesucht“. „Woran erkennt ihr das?“ Raziel sah sich vorsichtig um. Ihn würde diese Riesenschlange nicht töten können, aber außer Gefecht setzten und das wollte er tunlich vermeiden. „Dieser Eingang ist relativ klein, wenn er genutzt werden würde könnte man Schleifspuren an den Wänden erkennen, doch diese hier sind schon alt. Alvitur fuhr mit seiner Hand über den rauen Stein, wo man bei genauem Hinsehen tatsächlich abgewetzten Stellen erkennen konnte. „Dann sollten wir wohl sicher sein“, lief Raziel weiter und folgte dem Verlauf der Höhle. Alvitur schloss schnell wieder zu ihm auf und gemeinsam gingen sie weiter. „Nun sicher ist man in diesen Höhlen nie. Es können einem immer noch Ghule, Ork´s, Nymphen und allerlei giftige Pilze und Sporen erwarten. Von den magischen Abnormalitäten die hier herrschen können mal ganz abgesehen“. „Wir werden es überleben“, seufzte Raziel und konzentrierte sich auf den Tunnel.

 

Sie folgten diesem ohne auf irgendeine Gegenwehr zu treffen. Das Gestein blieb kahl und nass. Das Tropfen von Wasser welches sich einen Weg durch den brüchigen Stein suchte, das Klappern der Pferdehufe und die Schritte der beiden Wanderer waren die einzigen Geräusche die von den kahlen Höhlenwänden widerhallten. Raziel konzentrierte sich auf sein Gehör, doch auch dieses schien ihn im Stich gelassen zu haben. Er vermochte zumal gar durch dicke Steinwände zu hören und Kilometer weit eine Duftspur aufzunehmen, doch seitdem sie aus Loran aufgebrochen waren schienen ihn seine Kräfte mehr und mehr zu verlassen. Frustriert musste er feststellen, dass sie die einzigen in dieser gottverlassenen Höhle waren. Selbst nach ein paar Stunden vergeblichen Suchens fanden sie keinerlei Spuren von überhaupt irgendeinem Lebewesen. Ein paar alte und in sich zusammenfallende Schlangenhäute hatte Alvitur in einer Nebenhöhle gefunden, doch er zerstob sofort Raziel´s Hoffnung einem Basilisken auf der Spur zu sein. Frustriert blieb er stehen, als sie auf eine Sackgasse stießen. „Das kann doch wohl nicht wahr sein, irgendwo muss es doch einen dieser Viecher geben?“ Alvitur zuckte nur mit den Schultern. „Es war der erste Versuch, man findet nicht so leicht ein Wesen welches nicht entdeckt werden möchte. Lasst uns zurück gehen und einen anderen Eingang finden“. Damit war die Sache beschlossen und sie machten sich auf den Weg zurück zum Höhleneingang. „Kennt ihr mehrere Eingänge?“ Raziel´s Stimmung verfinsterte sich zunehmen, als er den nachdenklichen Blick Alvitur´s sah. „Ja ein paar kenne ich, aber der erfolgversprechendste war dieser hier. Nun ja wir werden schon einen finden, da bin ich mir sicher“. Der hier fehl am Platz liegende Optimismus nervte Raziel, doch er behielt seine Bedenken für sich. „Schlagen wir das Nachtlager direkt am Eingang auf und hoffen wir das Lady Ray und Sir Nathaniel bald zu uns stoßen.“ Alvitur nickte seinen Vorschlag ab und sie gingen stumm zurück.

 

Stillschweigend hatten wir Pescandria zu Pferd verlassen. Nathaniel sprach kein einziges Wort über den Zwischenfall im Bordell. Wenn er etwas sagte dann nur um mir den Weg vorzusagen oder mich auf die Mönche aufmerksam zu machen die uns heimlich bis zu den Stadttoren zu begleiten schienen. Sie wollten wirklich sicher gehen, dass wir die Stadt schnellstmöglich verließen. Und nicht nur sie würden aufatmen können, auch mir kam die Luft reiner und frischer vor nachdem wir durch das große Tor geritten waren. „Endlich sind wir raus aus dieser Stadt, sie hat mir den Atem geraubt und mich nervöser gemacht als es vielleicht sollte.“ Seufzte ich auf ohne einen Blick zurück zu werfen. „Ich glaube ihnen geht es genauso“, seine Stimme hatte seinen distanzierten und höflichen Ton wiedergefunden. „Ihr wollt wirklich nicht über das sprechen was da vorhin passiert ist?“ Auch wenn er versuchte sein Unbehagen zu verbergen, bemerkt ich es trotzdem wie er seine Lippen kurz aufeinander presst um sie dann zu einem perfekten Lächeln zu formen. Eine seiner blonden Locken fiel ihm ins Auge, welches in mir den Drang erweckte sie ihm aus dem Gesicht zu streichen, als er den Kopf zu mir wandt. „Es gibt nichts zu bereden, ich bin nun mal nicht der Typ der Frauen oder Männer willkürlich küsst ohne, dass es wirklich erwünscht ist. Auch wenn du es mir nicht glauben magst“, sein Zwinkern wirkte ebenso einstudiert wie sein Lächeln. Es machte mich schon ein wenig traurig, dass er mir nicht die Wahrheit sagen wollte und mich abtat wie jeden anderen auch. „Wenn ihr das sagt!“ Meine verschlossene Miene schien ihn zu überraschen, denn er sah mich für einen Moment mit hochgezogener Augenbraue an.

 

Wir ritten noch eine Weile auf der Straße Richtung Nordwesten und bogen dann in ein kleines Wäldchen ab, damit wir ungesehen bleiben konnten. „Und nun? Wie sollen wir so schnell in die Höhlen kommen?“ Nathaniel´s Stimme war nun doch etwas argwöhnisch. „Mit dieser hier“, kramte ich kurz in meiner Tasche und holte die einzelne schwarze Kerze heraus. Der Jäger begutachtete sie kurz und sah mich dann verwirrt an. „Das ist eine schwarze Kerze, eine Schnellreisekerze könnte man sagen“. Nun war ich die diejenige die ihn zuzwinkerte. „Und wie genau soll das gehen?“ „Nun wir zünden sie an, halten uns beide an ihr fest und ich denke an einen Ort wo wir hinmöchten. Durch ihre schwarze Magie kann sie uns an jeden Ort der Welt Teleportieren.“ „Und das funktioniert? Muss man nicht einmal dort gewesen sein?“ Nathan´s Fragen machten mich stutzig. „Ihr kennt diese Art Fortbewegung!“ Er schien nervös zu werden und als er meinem Blick auswich, verstärkte das nur meine Vermutung. „Keine Sorge, es reicht, wenn man nur fest an den Namen denkt oder sich einen gewissen Geruch oder Geschmack von dem Ort bewusst macht.“ „Oder an einen bestimmten Menschen denkt“, flüsterte er nur zu sich selbst doch ich hatte es gehört. „Ja, das geht natürlich auch“, war auch ich in Gedanken verloren. „Nun gut“, räusperte ich mich und hielt ihm die Kerze hin. Er ritt an meine Seite und hielt das untere Ende des magischen Relikts. „Bereit?“ Nathan nickte und ich entzündete die Kerze mit einem leisen „Tinta“. Knisternd und Funken sprühend entflammte sich der Docht in einem irisierenden Grün. Sofort schloss ich die Augen und meine Gedanken fokussierten sich auf die Höhlen. Es war schwarz und ich versuchte die Umrisse des Gebirges vor meinem inneren Auge zu manifestieren, doch immer wieder schob sich das Gesicht Raziel´s vor mein Blickfeld. Mein Gefühl riet mir ihm zu folgen. Sobald ich Raziel beinahe zu fassen bekommen hatte, riss eine Urgewalt an mir und der Kerze. „Haltet euch gut fest“, konnte ich Nathan noch zu rufen bevor wir in einem Strudel aus Schwärze, Funken und einem ohrenbetäubenden Rauschen verschlungen wurden. Herumgewirbelt und von allen Seiten fast zerreißend zwang ich mich dazu mich nicht meinen Gefühlen hinzugeben und nur an Raziel zu denken, langsam zu atmen und mich auf das Ziel zu konzentrieren. Plötzlich wurde es wieder still und für einen Moment ließ ich die Augen geschlossen. Es war deutlich kälter als an der Küste. Der Wind rauschte wild um mich herum und pfiff als würde er durch enge Felsspalten gedrückt werden. Langsam öffnete ich meine Augen und sah mich blinzelt um. Es war dunkel, stockdüster und als ich neben mir blickte konnte ich aufatmen. Nathaniel stand noch immer neben mir, zerzaust und ein wenig schwankend aber wohlauf und an einem Stück. Die Kerze in unseren Händen hatte sich halbiert und glühende Runen verblassten langsam bis sie gänzlich erloschen als hätte es sie nie gegeben. Unsere Pferde hatten es ebenso gut überstanden, zumindestens äußerlich. „Alles gut bei euch?“ Ein Nicken reichte mir aus und so erkundeten wir unsere Umgebung.

 

Wir waren mitten in einer Höhle gelandet. Erst dachte ich wir ständen draußen da die vermutlichen Sterne hell leuchteten, doch Nathaniel machte mich auf die Steinwände aufmerksam und erst jetzt erkannte ich das die Höhlendecke mit unzähligen leuchtenden Kristallen besetzt war. Das Pfeifen welches ich im Nachhinein vernommen hatte stammte von einem Wasserfall der aus einer Wand sprudelte und den ich fälschlicherweise für Wind gehalten hatte. „Wo genau sind wir hier?“ Meine Stimme hallte unendlich durch die Höhle. „In der Nähe von Raziel, sonst hätte uns die Kerze nicht hierhergebracht“, Nathaniel klang angespannt und war auf der Hut. Sein Tonfall ließ auch mich konzentriert umsehen. Wir folgten dem kleinen Wasserlauf der sich nach Jahrhunderten durch das harte Gestein gegraben hatte durch das funkelnde Meer aus Kristallen und kamen in einen Tunnel der ins Dunkle zu führen schien. „Sicher, dass wir hier einfach so durchgehen können?“ Meine Stimme zitterte ein wenig. Es fröstelte mich bei den eisigen Temperaturen die selbst im Berg zu herrschen schienen und die Feuchtigkeit zog sich selbst durch die warme Kleidung. „Habt ihr etwas Angst?“ Nathaniel´s amüsiertes Grinsen konnte ich selbst in der Dunkelheit erkennen und ich folgte ihm schmollend ohne etwas darauf zu erwidern. Ein flackerndes Licht am Ende des Tunnels ließ Nathan kurz zögern. Er hob die Hand und legte einen Finger auf seine Lippen. Langsam schlichen wir auf das Licht zu. Als der Tunnel einen Knick machte spähte er in den nächsten Raum und entspannte sich sichtlich. „Noch offensichtlicher konntet ihr kein Lager aufschlagen, Sir Raziel!“ Aufatmend folgte ich ihm und sah in die überraschten Augen von Raziel und Alvitur. Der Vampir erwachte zuerst aus seiner Starre und setzte sofort wieder seine lässig arrogante Miene auf. „Sir Imetra, ihr habt uns endlich gefunden. Was hat euch so lange aufgehalten?“ Mit geschmeidigen Schritten kam er auf uns zu und reichte dem Jäger seine Hand. Überrascht über die nette Geste nahm der blonde Mann sie an. Als Raziel sich an mich wand leuchtete für einen kurzen Moment etwas in seinen Augen auf. Vielleicht Erleichterung oder Freude, so schnell vermocht ich es nicht festzustellen. „Lady Ray“, nickte er mir zu und stand kurz unentschlossen vor mir. Seine Stimme war dunkel und sanft und sie löste einen wohligen Schauer bei mir aus. Es vermochte nur wenige Tage vergangen sein das ich ihn nicht um mich hatte, doch ihn jetzt endlich wieder sehen zu können ließ mein Herz Luftsprünge machen. Ich musste den Drang unterdrücken mich in seine Arme zu schmeißen. „Sir Raziel, ich freue mich euch und den jungen Alvitur wohlauf zu sehen. Bitte entschuldigt die Verspätung, aber wir mussten uns aus einer pikanten Situation retten!“ Damit führte ich mein Pferd an ihm vorbei und ging auf das Lagerfeuer zu an dem Alvitur stand und mich breit grinsend erwartete. „Lady Ray, es freut mich euch endlich wieder zu sehen. Ich hoffe ihr konntet Vaters Bitte nachkommen?“ Die Augen des Jungen strahlten mit den leuchtenden Kristallen um die Wette. „Ja wir konnten dem nachkommen“, „Das freut mich zu hören, jetzt können wir endlich zusammen weiter gehen“. Seine aufrichtige Freude wärmte mein Herz, Alvitur war wirklich lieb und dass bei seinem Alter und seiner Herkunft. „Habt ihr denn schon einen Basilisken gefunden?“ Nathaniel band sein Pferd bei den anderen an und gesellte sich mit dem Vampir ans Feuer. Alvitur sah ihn mit leicht zerknirschter Miene an und senkte den Kopf. „Nicht wirklich. Anzeichen, dass es hier mal welche gab gibt es, aber anscheint haben sie sich weiter in den Berg gegraben und dort neu genistet. Wir werden ihren Spuren folgen müssen“. Bei dem Gedanken die nächste Zeit unter dickem Gestein wandeln und schlafen zu müssen ohne eine Möglichkeit diesem Gefängnis zu entfliehen, machte mich doch ein wenig nervös.

„Nun gut, wir brauchen diesen Zahn, da kommen wir nicht drum herum. Wir sollten uns etwas ausruhen und dann machen wir uns auf den Weg. Alvitur, habt ihr schon eine Idee in welche Richtung wir weiter gehen können?“ Nathaniel´s ruhige und konzentrierte Art beruhigte mich ein wenig, doch das aufkommende Unwohlsein ließ sich nicht gänzlich vertreiben. „Hinter dieser Wand gibt es einen weiteren Durchgang, dort sollten wir tiefer in den Berg kommen.“ Während Nathaniel und der Junge einen Plan austüftelten, schweiften meine Gedanken ziellos umher. Raziel´s Blick auf mir kribbelte regelrecht in meinem Nacken. Als ich mich zu ihm umwandte und seinem Blick begegnete, stockte mir der Atem. In seinen Augen las ich eine Art Verlangen und Bewunderung. Doch das was mich am meisten verwunderte und mich eiskalt erwischte, war seine Offenheit. Meistens verbarg er seine Gefühle und sein Gesicht war eine versteinerte Maske. Doch jetzt in diesem Augenblick ließ er mich teilhaben an dem was er zu denken schien. Unsere Widerkehr schien ihn wirklich zu erfreuen und dennoch wirkte er verwirrt. „Ist alles in Ordnung?“ musste ich die Stille zwischen uns unterbrechen. Er sah mich immer noch wortlos an und es wurde langsam wirklich unangenehm. „Wie konntet ihr uns so schnell finden?“ Der Argwohn in seiner Stimme war nicht zu überhören. „Wir haben die hier benutzt“, zog ich die schwarze Kerze aus meinem Beutel und hielt sie ihm hin. „Woher habt ihr die?“ Seine Miene verfinsterte sich und sein Ton wurde ernster. „Ich habe sie zum Dank für das Schwert von Bart bekommen.“ Verzog ich meinen Mund zu einem Schmollen. „Glaubt ihr etwa, dass wir euch ohne sie nicht hätten finden können?“ Mit einem verächtlichen Schnauben wand sich der Vampir an das flackernde Feuer und starrte wortlos hinein. „An was habt ihr gedacht?“ Leise und fast unverständlich murmelte er eher zu sich selbst, doch ich hatte ihn trotzdem verstanden. „Ich war bereits schonmal in den Höhlen und konnte mich gut daran erinnern“. „Wir sind schon seit mehreren Stunden unterwegs in diesem elendigen Labyrinth. Selbst ich war noch nie so tief unter diesem Berg.“ Ich wusste worauf er hinaus wollte und lief rot an. Seine Augen lagen nun wieder auf meinem Gesicht, mehr brauchte ich nicht zu sagen, er wusste woran ich gedacht hatte. Nachdenklich wand er sich wieder von mir ab. „Ihr spürt es genauso, stimmts?“ „Wie bitte?“ Der plötzliche Themenwechsel verwunderte mich. „Diese Verbindung zwischen uns. Seitdem wir uns in Loran getrennt haben hat sich etwas verändert. Meine Kräfte…“, er stockte kurz und sah auf seine Hände. „…irgendetwas lässt uns schwächer werden, wenn wir nicht zusammen sind.“ „Ich weiß was ihr meint. Ich will ehrlich zu euch sein. Mir gefällt das genauso wenig wie euch, aber ihr habt Recht. Je größer die Entfernung zwischen uns ist, umso mehr hatte ich das Gefühl dringend bei euch sein zu müssen. Als hingen unserer beider Leben davon ab.“ Diese Erkenntnis jetzt so klar vor mir zu sehen, lies mich erzittern. Wir waren voneinander abhängig, wir konnten uns gegenseitig helfen und bestärken. Was genau das alles noch bedeuten würde, vermochte mir noch nicht in den Sinn kommen, aber ich war froh das Raziel nicht gänzlich davon abgeneigt war. „Was auch immer das bedeutet, für uns beide, wir sollten es so hinnehmen.“ „Uns bleibt wohl keine andere Wahl“, er stand auf und ging missmutig zu den anderen beiden. Es schien ihn doch mehr zu belasten als ich gedacht hatte. „Warum steht ihr dem so negativ gegenüber?“ hielt ich ihn auf halben Weg zurück. Er blieb stehen, drehte sich aber nicht um. „Wenn man auf der anderen Seite steht und einem diejenige genommen wird, die man glaubt zu lieben, dann ist dieser Seelenbund der Grund zu hassen!“ Sein kalter Tonfall zerriss mir das Herz als ich endlich verstand. Es musste hart sein die geliebte Person an jemand anderes zu verlieren. Die Pläne die man gemacht hatte, für immer zerstört zu wissen. „Das tut mir leid“, flüsterte ich ihm hinterher, doch er war schon fort.

 

Letzte Rettung

Ich wusste nicht wie viel Zeit wirklich schon vergangen war in der wir durch die unendlichen Gänge, Höhlen und Tunnel dieses Gebirgslabyrinths irrten. Vielleicht waren es nur wenige Stunden oder gar Tage, man konnte es nicht abschätzen das uns der Blick auf den Himmel und die Sonne verwehrt blieb. Eine Art Lagerkoller baute sich in mir auf und ich musste meine wachsende Panik unterdrücken. Alvitur blieb trotz zahlreicher Sackgassen, seltener Hinweise auf überhaupt irgendein Wesen welches in dieser Steinhölle leben könnte und mittlerweile knapp werdenden Proviants ruhig und guter Laune. Raziel hingegen redete sich immer mehr in Rage und legte sich des Öfteren mit Nathaniel an, der wirklich gar nichts für unsere Lage konnte. Es blieb einem auch überhaupt keinen Anhaltspunkt wo genau wir sein konnten. Der Stein blieb immer grau und schwarz, nass, kahl und stumm. Hin und wieder traf man auf eine kleine Höhle mit einem Wasserfall oder einem See an dem wir unsere Schläuche auffüllen und die Pferde tränken konnten. Das manche mal wuchsen Moose und Schwämme in dunklen und besonders feuchten Ecken und giftig aussehende Pilze. Sonst blieb es ruhig und ohne Leben.

 

„Sollte es hier unten nicht nur so von Monstern und anderen Wesen wimmeln die uns umbringen wollen?“ Raziel´s Unmut wuchs immer mehr und ich konnte ihn verstehen. Um die Spannung abzubauen würde ich alles für ein Reh welches ich jagen konnte oder einen Fisch geben, doch es blieb tot und leer. Den Pferden ging es auch nicht besser. Das wenige Moos was ihnen schmeckte reichte gerade so dass sie bei Kräften blieben, doch es würde nicht lange dauern und sie würden elendig verenden. Dieses Schicksal wollte ich ihnen gern ersparen. Nach einer wieder mal leeren Höhle ohne Hinweise, schien auch Alvitur langsam die Zuversicht auszugehen. „Vielleicht sollten wir eine kurze Pause einlegen“, riet er uns und wir kamen dem gerne nach. Wie ein angestochenes Huhn lief er durch die ganze Höhle immer die Augen auf den Boden oder die Wände gerichtet. Ich ließ mein Pferd bei Nathan und machte mich ebenfalls auf die Suche nach einem Ausweg. Während Alvitur sich hauptsächlich auf den Boden und die Wände der äußeren Höhle konzentrierte versuchte ich es mal mit dem was mitten in ihr lag. Ich musste feststellen das diese anders war als die restlichen die wir durchwandert hatten. Sie alle hatten etwas natürliches Ursprüngliches, diese schien mir geradezu geformt. Die Wände schienen grob behauen, gerade, der Boden geebnet und der kleine Fluss verlief in einem angelegten Kanal. Auf einmal vielen mir die vielen verschiedenen Moose auf die hier wuchsen und andere kleinere Pflanzen. Alles hatte den Anschein als wenn diese Höhle von jemanden oder etwas zum Anbauen genutzt wurde. Als dann Alvitur freudestrahlend aufschrie und auf einen schmalen Durchgang, gut versteckt zwischen zwei Steinsäulen, deutete schöpfte ich neue Hoffnung.

 

„Endlich“, hörte ich Raziel stöhnen als er neben mir auftauchte und mir die Zügel von Ilmare hinhielt. Mit den Pferden durch den Spalt zwängend folgten wir dem Jungen und blieben überrascht stehen. Der Felsvorsprung auf dem wir standen ragte gut zehn Fuß über eine in Stein gehauene Stadt. Die Eingänge der einzelnen kleinen Wohnhöhlen wurden dem natürlichen Verlauf des Gesteins angepasst. Treppen und kleine Brücken verbanden diese und führten zu einer Art Kirche die im Zentrum stand. Alles sah aus wie aus einem Guss, feinsäuberlich aus dem Stein geschlagen und geschliffen. Teilweise mit weißer Farbe überzogen um alles freundlicher und heller zu gestalten und dennoch passt alles zusammen. Schmale Kanäle die sich zwischen den Gängen und Treppen hindurch wanden, transportierten immer noch Wasser quer durch die ganze Stadt, auch wenn sie wie es schien unbewohnt war. Doch das faszinierendste war wohl die halb offene Decke. Wie bei einem Vulkan lag die Stadt in einem kegelförmigen Hohlraum dessen Kuppeldach zur Hälfte eingestürzt war. Doch dieses Ereignis musste schon Jahrhunderte zuvor geschehen sein, denn über das ehemalige Geröll wuchs bereits eine neue Pflanzenwelt. Fasziniert endlich wieder leichten Wind auf meiner Haut zu spüren und dem Fallen des Schnees zugucken zu können, ließ meine Ängste und der Druck der auf mir gelastet hatte gänzlich verschwinden.

 

„Wow das ist ja atemberaubend“, Alvitur war schon drauf und dran alles zu erkunden. Doch Nathan und Raziel blieben wachsam. „Sie muss schon seit mehreren Jahren unbewohnt sein.“ Ein Blick durch ein offenes Fenster in eine der Wohnhöhlen bestätigte Nathan´s Vermutung. Es sah aus wie ein ganz normaler Wohnraum, ein Holztisch auf dem Tonkrüge und Schüsseln standen, ein bunter Teppich der ein wenig Farbe in den grauen Raum brachte und auf dem ein paar Stühle standen. An der Wand stand ein Bücherregal mit ein paar alten und mittlerweile vergilbten Büchern und daneben hing ein altes Bild welches eine Graslandschaft zeigte. All das machte den Anschein als würde jemand noch hier wohnen, doch die dicke Staubschicht trügte diesen Schein. „Was hat sie nur vertrieben?“ Flüsterte ich leise und das ungute Gefühl welches mich befallen hatte seitdem wir die Stadt betreten hatten, verstärkte sich. Raziel fuhr mit der Hand über eine Häuserwand. Seine Finger folgten einer breiten Furche im Gestein die von etwas Großem verursacht wurde. „Vielleicht weil genau das was wir jagen sie verjagt oder gefressen hat“, seine Stimme schien deutlich aufgeheiterter mit der Aussicht endlich etwas erlegen zu können. „Ihr müsst sofort hier runterkommen“, wurden wir je von Alvitur aus unseren Überlegungen gerissen, dessen Stimme durch die ganze Höhle hallte. Dieser wank uns von einem großen Platz weiter unten in der Stadt zu.

 

Dank unserer trittsicheren Pferde die wir hinter uns her führten kamen wir sicher unten auf dem großen fünfeckigen Platz an. Dieser lag direkt vor der großen Kirche und wurde von hohen Säulen wie Statuen eingerahmt. Eine große weiße Weide stand im Zentrum der Säulen. Verwundert über ihre Herkunft, erkannte ich dennoch die Ähnlichkeit zu der aus dem Klostergarten in Pescandria. „Dies scheint ein heiliger Ort zu sein“, deutete Nathan auf die Spitzen der Säulen. Nun erkannte ich auch dass jede eine kleine Statue zierte. Vier Säulen, an jeder Ecke des Platzes, vier Statuen die jeweils das Zeichen der vier Elemente trugen. Die Kirche lag auf der fünften Spitze und schien über den Elementen zu stehen. „Das ist nicht nur ein heiliger Ort“, spie Raziel regelrecht aus, als ich mich verwundert zu ihm umsah. „Das ist die Brutstätte dieser Lügenbolde der Krey.“ „Was haben die Krey denn so tief in den Bergen zu suchen?“ Nathan runzelte die Stirn und sah ihn verwirrt an. „Die Krey denken das sie über allem stehen, selbst über die vier Elemente und der Natur. Vielleicht haben sie gedacht das sie selbst über ihren Erzfeind stehen und die Macht des Berges nutzen können?“ Meine Vermutung ließ sie mich ungläubig ansehen. „Versteht ihr denn nicht? Selbst ich kann die Energie spüren die hier fließt, sie ist stärker als an jedem anderen Ort an dem ich bislang war.“ Versuchte ich ihnen das Gefühl zu erklären welches ich hier an diesem Ort empfand. Es war wie ein Energiestrom der sich wie ein wilder Fluss durch die Erde zog und alles Leben erschafft und versorgt. „Ich kenne mich nicht allzu besonders aus, aber die Krey sind doch besessen darauf den Anweisungen und Befehlen ihres Gottes zu folgen und das Land so zu manipulieren wie er es wünscht. Nun ich kann klar und deutlich spüren wie stark dieser Energiestrom ist, wie eine Hauptschlagader im menschlichen Körper. Von hier aus haben sie wahrscheinlich ihrer Arbeit nachgehen können“. „Wenn ich es genau überlege habt ihr wahrscheinlich Recht!“ Alvitur sah sich ebenfalls nachdenklich um. „Mein Vater erzählte doch von den Magiern die im Berg lebten und der dunklen Magie verfallen waren. Wahrscheinlich meinte er die Krey.“ „Mh anscheint hat sich die Natur gerächt und ein Basilisk dem sie nicht gewachsen waren hat sich der ihren einverleibt“, Raziel´s höhnisches Grinsen konnte ich gut verstehen. Doch lebten hier bestimmt auch Kinder, Ältere und kranke Menschen, denen ich dieses Schicksal nicht gegönnt hätte.

 

„Lasst uns von hier verschwinden, der Basilisk wird nicht weit sein“, wand ich mich mit einem letzten Blick in den dunklen wolkenverhangenen Himmel. Die anderen folgten mir, jetzt deutlich besser gelaunt. „Sagt Sir Raziel, die Priesterin die bei Lord Welish haust, wisst ihr wo sie betet? Oder es in der Nähe des Schlosses ebenso eine Energieader gibt?“ Der Vampir lief schweigend neben mir her während wir die Stadt verließen und in den nächsten Tunnel eintauchten. „Die Priesterin die ihr meint trägt den Namen Lady Ännlin und sie hat seitdem sie im Schloss aufgetaucht ist nicht einmal von Lord Welish abgelassen.“ Verächtlich verzog er seine Lippen zu einem teuflischen Grinsen. „Ich weiß nicht ob sie einen geheimen Raum oder eine Gebetsstätte hat in der sie mit ihrem so genannten Gott spricht. Doch eines weiß ich gewiss“, sah er nun mich an. „Der Wald in der Schlucht um das schwarze Schloss ist verzaubert. Niemand geht dort freiwillig hinein, wenn er noch bei klarem Verstand ist. Man sagt das der Beschützer des Waldes einen testet und wenn man sich für würdig erweist dann lässt er einem am Leben.“ „Was passiert, wenn nicht?“ „Nun“, lachte Raziel auf, „bis jetzt ist noch keiner zurück gekommen der es berichten konnte. Aber das ist auch egal, um eure Frage zu beantworten, wenn es dort keine magischen Adern oder sonst irgendein magischer Hokuspokus gibt, dann fress ich einen Besen!“ Bei dem Gedanken musste ich grinsen, doch es beunruhigte mich mehr als mir lieb war.

 

Wir waren dem Tunnel gefolgt und standen nun an einer Abzweigung. Beide Tunnel sahen fast identisch aus und Alvitur lief von einem zum anderen um den richtigen Weg heraus zu finden. Legt eure Hand auf den Boden und vertraut auf eure Fähigkeiten. Aufschreiend sah ich mich um. „Habt ihr das auch gehört? Habt ihr sie gehört?“ Drehte ich mich einmal im Kreis um nach der seltsamen Stimme zu suchen. „Wovon redet ihr?“ Nathan sah mich skeptisch an. Allzu schnell wurde mir bewusst, dass ich wohl die Einzige war die die Stimme gehört hatte. „Ach, dann war es wohl nur Einbildung“, versuchte ich es wieder abzustreiten. „Das muss wohl an diesem seltsamen Berg liegen“, lächelte er mir freundlich zu, behielt mich aber dennoch im Auge. Vertraut mir, konzentriert euch! Als die Stimme das zweite Mal zu mir sprach zuckte ich nicht mehr ganz so schlimm zusammen, doch irgendetwas riet mir ihr mit Vorsicht zu vertrauen. So kniete ich mich mit einem Bein auf den Boden, legte die flache Hand auf den kalten Stein und schloss die Augen. Konzentriert euch auf die Energie. Fühlt den Stein, das Wasser und alles was in ihnen lebt. Ohne genau zu wissen warum die Stimme mir half tat ich wie mir geheißen und spürte die Energie. Wie ein leuchtendes Band in der Dunkelheit zog sie sich durch das Land, tief in der Erde und doch erreichbar. Ab und an zweigten sich feinere Bänder davon ab und durchzogen die Länder wie ein Netzt aus Flüssen. Nun sah ich auch den Weg der vor uns lag, sah die Lebewesen die in den Höhlen und Gängen lebten. Zwerge, Gnome, Nymphen und auch ein Basilisk. Es war aufregend die Erkenntnis zu haben, dass das Gerede um die Magieadern des Landes, wahr waren. Die Möglichkeiten die man mit so einem Wissen hatte, waren unbegrenzt. Ich würde mehr über sie herausfinden müssen. Ich konnte nicht allzu weit sehen doch es würde ausreichen um unsere Aufgabe zu erfüllen. „Den rechten Weg“, deutete ich in den dunklen Tunnel und ging schnurstracks darauf zu. „Stopp, wie seid ihr euch da so sicher!“ Raziel hielt mich am Arm zurück und sah mir streng in die Augen. Wut baute sich langsam in mir auf. „Vertraut mir doch nur einmal“. Perplex ließ er mich los und sah mir schweigend hinterher. Wieso, wieso konnte er mir nicht einmal vertrauen?

 

Schweigend waren wir durch die dunklen Gänge gelaufen, als einzige Lichtquellen ein paar kümmerliche Fackeln. Ich hatte das Gefühl das der Pfad anstieg und innerlich freute ich mich endlich wieder zur Oberfläche zurück zu kehren. Doch ich wusste das am Ende des Tunnel´s Gefahr lauerte. Alvitur lief neben mir und sah mich ab und an skeptisch von der Seite an, doch ich ignorierte dies geflissentlich. Schon bald wurde seine Aufmerksamkeit auf den anschwellenden Gestank und den Knochengerippen, die unseren Weg säumten, gezogen. Seine Anspannung wuchs und wir machten uns ebenfalls auf einen Kampf gefasst. Ein mahlendes Geräusch, welches direkt aus der Wand neben uns zu kommen schien, ließ mich erstarren. Es zog sich quer durch den Felsen ohne dass irgendetwas zu erkennen war. Noch bevor ich meine Frage stellen konnte, legte Alvitur sich einen Finger auf den Mund und deutete uns an ruhig zu bleiben. Wir mussten angekommen sein. Die Pferde wurden unruhiger und wir hatten unsere liebe Not sie am Durchgehen zu hindern. Der Tunnel öffnete sich zu einer dunklen Höhle. An ihrem Ende war ein Lichtschimmer zu erkennen, vermutlich der Ausgang. Doch zwischen uns und dem freien Himmel lagen gut hundert Meter dunkler und tückischer Zwischenraum. Mit den Fackeln konnten wir nicht mehr als zwei Schritte weit sehen und schon recht nicht die Höhle ausleuchten um der möglichen Gefahr auszuweichen. Es war still, bis auf das gelegentliche Tropfen von Wasser und diesem seltsam mahlenden Geräusch, welches uns zu umkreisen schien. „Und nun?“ flüsterte ich dann doch. Der Junge sah sich mit finsterer Miene um und wand sich dann zu uns. „Wir haben keine andere Wahl, das ist der einzige Ausweg und die einzige Möglichkeit den Basilisken zu töten. Sie scheuen das Licht und sie haben verdammt gute Ohren.“ „Wir brauchen einen Köder!“ Nathan´s Schlussfolgerung ließ uns verstummen. „Ich werde es machen!“ flüsterte ich ohne Widerworte. „Und ihr braucht mich gar nicht davon abbringen.“ Warf ich einen warnenden Blick in die Runde. „Glaubt mir so viel Licht könnt ihr gar nicht erzeugen und ich kann spüren, wenn er kommt. Den Rest überlasse ich euch!“ Duldete ich keinen Widerspruch.

 

Ein letztes Mal kontrollierte ich den Sattelgurt und die Riemen die mein Gepäck am Pferd hielten, setzte die Füße richtig in die Steigbügel und sprach mir Mut zu. Ilmare tänzelte verunsichert von einem Bein aufs andere und ich gab mein Bestes um sie zu beruhigen. „So mein Mädchen jetzt liegt es an uns, lauf so schnell du kannst“, damit gab ich ihr das Zeichen los zu Galoppieren. Trittsicher wie eine Ziege flog sie regelrecht über den schroffen Untergrund und machte mit ihren Hufen auf dem harten Stein ordentlich Lärm. Mit ausgestreckter Hand rief ich eine Lichtkugel herbei die fast die ganze Höhle ausleuchtete. Mulmig zu Mute schluckte ich Panik und Zweifel herunter. Mein Blick raste über die schroffen Steinwände und Säulen, auf der Suche nach dem Wesen welches unsichtbar auf uns lauerte. Und da sah ich ihn, eine riesige Schlange die fast mit dem Stein zu verschmelzen schien in einer Ecke oberhalb der Höhle. Als sie mich wahrnahm, zuckte sie sofort in meine Richtung und schlängelte sich fauchend zu mir herunter. Die Höhle mochte nicht besonders groß sein und Ilmare gab wirklich ihr bestes um sich einen Weg zwischen Felsbrocken, Spalten und Steinsäulen zu bahnen, doch der Basilisk war schneller. „Nicht in seine Augen sehen“, murmelte ich mir immer und immer wieder wie ein Mantra zu und hielt den Blick auf den Höhlenausgang gerichtet. Die riesige Schlange die gut zehn Pferdelängen lang war spürte ich regelrecht in meinem Nacken. Als kleine Felsbrocken neben mir auf den Boden aufprallten und in kleine Splitter zerbrachen lenkte ich die Stute aus der Schussbahn um direkt einem neuen Brocken auszuweichen den die Schlange auf uns zu werfen schien. „Jetzt!“ schrie ich aus vollem Hals in der Hoffnung das sie mich, aus dem Lärm den der Basilisk verursachte, hörten. Ich musste meinem Drang nach hinten zu sehen widerstehen, doch auch so konnte ich hören wie Raziel und Nathan aus ihren Verstecken heraus gestürmt kamen und im vollen Galopp mit gezückten Schwertern auf die Schlange zuritten. Diese bemerkte die beiden Angreifer zuerst nicht und so hatten sie die Chance sie von der Seite anzugreifen. Sie schien sich voll und ganz auf mich konzentriert zu haben, was den beiden Männern nur zu Gute kam.

 

Sie hatten den Basilisken fast erreicht, als dieser mit einer raumgreifenden Schwanzbewegung Raziel vom Pferd warf. Aufkeuchend traf er ihn in die Rippen, so dass er im hohen Bogen durch die Luft flog. Aus den Augenwinkeln sah ich wie er sich mit einer geschickten Rolle fing und mit schnellen Schritten versuchte aufzuholen. Sein Pferd war ausgebrochen, stolperte über einen in der Dunkelheit liegenden Graben und brach sie prompt das Genick. Das laute Knacken und das kurze schrille Wiehern welches es noch von sich gab bevor es leblos zusammensackte, lenkte den Basilisken kurz ab. Diese Sekunde nutzte ich aus um mein Licht zu löschen und in einem Halbkreis an seine Seite zu reiten. Irritiert wurde die Schlange langsamer um sich umzusehen, doch Nathan hatte bereits sein Schwert in die Seite des riesigen Tieres geschlagen und ihm, unter empörten Aufschreien, diese aufgeschlitzt. Ich nutzte diese kurze Sekunde um zum Kopf der Schlange zu reiten. Sie wand sich schmerzerfüllt, riss ihren Kopf hin und her und schrie mit weit aufgerissenem Maul ihren Frust und Schmerz heraus. Flink um die um sich schlagende Schlange, manövrierte ich mein Pferd zum Kopf des Tieres. Bevor sie realisieren konnte was um sie herum geschah, zog ich meine schwarze Klinge und stach ihr eines der Augen aus. Wütend brüllte sie auf und mit einem unerwarteten Schlenker ihres Kopfes, stieß auch sie mich vom Pferd. Der Aufprall war hart und kam unerwartet. Im hohen Bogen wurde mein Körper durch die Luft geschleudert und prallte gegen einen Felsen. Die Luft wurde aus meinen Lungen gepresst und für einen Moment wurde mir schwarz vor Augen. Nach Luft ringend und meine Orientierung wiederfindend wand ich mich auf dem kalten Steinboden, nicht im Bewusstsein in welch großer Gefahr ich schwebte. Meine Sicht klarte langsam wieder auf und ich konnte einen großen schwarzen Schatten über mir aus machen, der von den Fackeln der anderen auf mich geworfen wurde. Ein gefährliches Knurren direkt über mir lies mich erstarren. „Mist, bloß nicht hochsehen“, flüsterte mir Nathan zu der irgendwo in meiner Nähe stand. Sofort wand sich der Schatten in seine Richtung und die Jagd ging von neuem los. Schnell versuchte ich mich aufzurappeln, als sich kleinere Felsbrocken von der Decke lösten, als die Schlange halb erblindet mit nur einem Auge jagt auf Nathan machte. Die Splitter der aufprallenden Steine flogen mir ins Gesicht und als ich einen großen direkt auf mich herunterfallen sah, war ich wie erstarrt. Er würde mich zerquetschen, doch ich war bewegungsunfähig und starrte ihn einfach nur an. Bevor der Brocken meinem Leben ein Ende setzten konnte, wurde ich brüsk am Arm gepackt und mit einer unbändigen Kraft zur Seite gezogen. Der schwere Stein prallte dumpf auf die Stelle am Boden auf wo ich bis vor einem Wimpernschlag noch gelegen hatte. „Sucht ihr den Tod oder macht es euch Spaß von mir gerettet zu werden?“ Raziel kniete neben mir, bereit zum Angriff. Er sah ein wenig mitgenommen aus. Seine Rüstung zerkratzt, sein Gesicht blutverschmiert und in seinen Augen las ich Hunger. Wir mussten das hier schnell erledigen, sonst bewahre uns Gott vor dem was er machen würde, wenn der Vampir in ihm zum Ausbruch käme. „Bleibt hier, ihr seid nicht in der Lage weiter zu kämpfen ohne die anderen zu verletzten!“ Krächzte ich und rappelte mich langsam auf. „Glaubt mir ich bin in meinem jetzigen Zustand nützlicher für euch als jemals zuvor!“ Damit sprang er im hohen Bogen auf die rasende Schlange zu die die ganze Höhle in Schutt und Asche zu legen drohte. Nathan hatte seine liebe Not sie auf Abstand zu halten und war froh das der Vampir endlich eingriff.

 

Wie ein Berserker landete Raziel auf dem Rücken des Tieres und schnitt ihm eine tiefe Wunde nach der anderen durch den dicken Panzer in das Fleisch. Aufschreiend und in Rage sich windend versuchte diese dem neuen Angreifer Einhalt zu bieten, doch sie hatte keine Chance. Selbst der im Blutrausch kämpfende Raziel schien nicht in der Lage zu sein das Tier zu töten. Mittlerweile rannen ganze Blutbäche über das schroffe Gestein und ließen mich schlittern als ich auf das Trio zulief. Wir mussten dem ganzen endlich ein Ende setzten. Ich konnte sehen das Nathan´s Kräfte schwanden und Raziel sich immer mehr in seinem Blutrausch verlor, so sah ich nach oben zur Decke und betete das unser Plan aufging. „Alvitur, jetzt!“ Der Junge ließ sich auf die mittlerweile geschwächte Schlange fallen die Nathan und Raziel genau unter ihm in Stellung gebracht hatten und bohrte sein Schwert direkt durch den Schädel in den Kopf des riesigen Tieres. Wie weg geblasen war der linkische Junge mit dem breiten Grinsen. Auf seinem Gesicht lag etwas bewusstes und er war für diesen Moment ein echter Krieger. Mit einem letzten Schrei bäumte sich der Basilisk auf, erstarrte kurz in der Bewegung und fiel mit einem donnernden Beben um wie ein riesiger Baum. Steinchen rieselten von der Decke, aufgewirbelter Staub raubte mir die Sicht und hüllte alles in tiefes Schwarz.

 

Hustend und nach Luft ringend hielt ich mir die Arme vors Gesicht und wartete das der Staub sich legte. Das Bild welches sich mir nun bot war skurril. Als sich der Staub lichtete, konnte man die massige in sich verdrehte Gestalt des Basilisken erkennen. Ihr Kopf lag mit verdrehtem Kiefer nur wenige Meter vor mir. Auf ihr stand siegessicher und noch etwas wackelig auf den Beinen der Junge Alvitur. „Geht es allen gut, ist wer verletzt?“, rief er von dort oben und sah sich mit einem breiten Grinsen um. „Es könnte nicht besser sein“, Nathan´s Gestalt tauchte neben mir aus der Dunkelheit auf als er sich seinen Mantel zurechtrückte und den Staub abklopfte. „Oh Gott sei Dank ihr seid unverletzt“, konnte ich endlich aufatmen und ließ mich auf einen Stein nieder. „Macht ihr euch keine Sorgen um mich, Lady Ray?!“ Den sarkastischen Tonfall würde ich überall wiedererkennen und musste doch ein wenig Grinsen als Raziel leicht humpelnd auf mich zu kam. Alvitur kletterte von dem Kopf des Basilisken und umarmte mich stürmisch, noch bevor ich Raziel antworten konnte. „Wir haben es tatsächlich geschafft“, frohlockte er und wollte gerade schon den Vampir umarmen, der ihn vehement abwies. „Bitte verschont mich damit“, und ging zu dem Maul des Tieres. Er begutachtet dieses kurz, griff nach einem der dolchgroßen und spitzen Zähne und riss einen heraus, einen weiteren kleineren steckte er sich in die Tasche und reichte mir den großen. „Nun wir haben jetzt das was wir brauchen, wohin als nächstes?“ Nathan´s nüchterne Frage hallte durch die jetzt stille Höhle. „Jetzt töten wir einen Vampir!“ Knurrte Raziel und stapfte voraus an uns vorbei zum Ausgang. Seufzend richtete ich mich wieder auf und sah mich nach Ilmare um. Die Stute stand etwas abseits hinter einem Felsen versteckt und linste verschreckt zu uns herüber. Langsam ging ich auf sie zu damit ich sie nicht noch mehr verschreckte. „Hallo meine Schöne, es ist vorbei wir verschwinden von hier“, meine sanfte Stimme schien sie ein wenig zu beruhigen. Sie kam mir ein paar Schritte entgegen und schob ihre Nase unter meinem Arm, während ich mein Gesicht in ihrer Mähne vergrub und sie fast manisch streichelte. Mich nahm die andauernde Gefahr und das ständige verstecken sehr mit. Dass wir ein unschuldiges Wesen töten mussten, welches uns nichts getan hat, machte es nicht einfacher. Leise schluchzte ich in das warme Fell des Tieres und suchte nach Trost. „Wir müssen weiter“, ich schrak auf als sich eine Hand sanft auf meine Schulter legte und Nathan´s Stimme mich aus meinem Gefühlschaos riss. Schnell wischte ich mir die Tränen mit dem Handrücken von der Wange und nickte nur. Er gab mir noch einen Augenblick in dem ich mich wieder fangen konnte und dann folgte ihm auf wackeligen Beinen zum Ausgang wo die anderen schon auf uns warteten.

 

Den Weg den wir einschlugen war weniger gefährlich als der den wir gekommen waren. Alvitur führte uns dennoch sicheren Fußes durch das Labyrinth der vielen Gänge und Tunnel bis wir wenige Stunden später das erste Mal wieder Himmel über uns erblicken konnten. Fast schon gierig sog ich die frische Luft ein und meine Seele lechzte regelrecht nach dem Wind der meine Haut streichelte und den kalten Schneeflocken die wild durch die Luft gewirbelt wurden. Auch die anderen schienen durchzuatmen. Auf Raziel´s Lippen sah ich seit Tagen das erste Mal wieder ein Grinsen und Nathaniel nickte zufrieden als er sich umsah. Die bisherige Reise hatte uns neben ein paar Nerven, Kratzern und Schrammen nun auch noch ein Pferd gekostet. „Wir sollten uns einen Unterschlupf suchen und uns dann ein wenig ausruhen, die Sonne geht in ein paar Stunden auf“. Der junge Wikinger deutete auf den schwarzen Himmel der sich langsam dunkelblau färbte. Er führte uns weg von dem Tunnel und fand schnell einen geeigneten Felsvorsprung der uns vor neugierigen Blicken und dem beißenden Wind schützen würde. Das Feuer brannte bereits und spendete uns die lang ersehnte Wärme, nachdem wir uns um die Pferde gekümmert hatten. „Lady Ray ihr seid verletzt!“ Nathan starrte auf meinen Oberschenkel und ich folgte seinem Blick. Müde hatte ich mich ans Feuer gesetzt und zog jetzt meinen Mantel von meinem Bein. Die Wunde die mir der Vampir vor Olinera zugefügt hatte, war wieder aufgeplatzt und dunkelrotes Blut suppte durch einen Riss in meiner Hose. „Mist“, fluchte ich und suchte sofort nach sauberen Leinenverbänden in meiner Tasche um die blutende Wunde notdürftig zu verbinden. „Muss wohl beim Sturz passiert sein!“ Nuschelte ich und säuberte vorsichtig den Riss. „Hättet ihr nicht besser aufpassen können?!“ Raziel´s genervte fast wutendbrannte Stimme ließ mich aufschauen. Der Blutrausch vom Kampf war noch nicht gänzlich abgeklungen und seine rot leuchtenden Augen waren starr auf das Blut gerichtet. „Sir Raziel, habt euch unter Kontrolle. Es ist nicht mehr weit bis wir dieses Gebirge verlassen haben, dann könnt ihr nach Herzenslust jagen!“ Alvitur hatte sich in sein Blickfeld geschoben und sah den Vampir ernst an. Dieser riss seinen Blick von mir los und funkelte nun den Jungen an, der seinem Blick stand hielt. Für einen Moment dachte ich das er ihn angreifen würde, doch er wand ruckartig seinen Kopf ab und legte sich am äußersten Rand des Vorsprunges nieder. Die Anspannung fiel von dem Wikinger ab und mit einem letzten freundlichen Lächeln legte auch er sich zum Schlafen an das Feuer. „Kann ich euch noch bei etwas helfen?“ „Nein danke Nathaniel, das meiste ist getan. Legt euch schlafen, ich übernehme die erste Wache dann wecke ich euch.“ Der blonde Mann nickte dankend und wand sich ebenfalls von mir ab. Es würde bald wieder Zeit werden das Raziel trank, es war schon eine Weile her, das war ihm anzusehen. Bei dem Gedanken das er mich wieder beißen würde, bekam ich eine Gänsehaut und ein freudiges Kribbeln machte sich in meiner Magengegen breit die den Schmerz der Wunde übertünchte. Seufzend lehnte ich mich an die Felswand und starrte in den sich erhellenden Himmel, während ich meine Gedanken schweifen ließ.

 

Fluchend brach sie die Verbindung ab und ließ ihren Vogel frei. Wie konnte das nur so schnell geschehen? Sie hatte doch alles erdenklich Mögliche getan, damit sie diese verfluchten Stollen nicht lebendig verließen und dazu noch mit einem Basiliskenzahn. Sie musste sich eingestehen, dass sie ein wenig schlampig war in ihrer Beobachtung. Sie hätte genug andere Zeitpunkte finden können um den Prinzen und seine Gefolgsleute ein für alle Mal aus dem Weg zu schaffen, aber wie konnte sie auch wissen das diese kleine Magierin so mächtig und gerissen war. Sie konnte ebenfalls nicht verstehen wie der Jäger, den sie ausgesandt hatte, nicht dazwischen gegangen war und sie aufhielt. Wollte er ihr Vertrauen gewinnen oder hat er sich, trotz ihrer Drohungen, auf ihre Seite geschlagen. Sie lief in ihrem kleinen Kämmerchen nachdenkend auf und ab. Ihre graue weite Robe raschelte leise bei jedem Schritt. Ihren Fehler würde sie nicht vor Lord Welish eingestehen können, doch sie musste ihrem Herrn Beichte ablegen. Ergeben schritt sie unsichtbar durch das schwarze Schloss in den kleinen Garten, in dessen Mitte eine große weiße Weide stand. Sie strahlte so viel reine weiße Magie aus, dass sie es jedes Mal bei ihrem Anblick blendete. Das weiche grüne Gras unter ihren nackten Füßen und die bunten Blumen die in dem kleinen Innenhof wuchsen, waren Zeuge dieser Magie, denn sonst wuchs auf dieser verbrannten und verfluchten Erde nur Hass und Zwiespalt. Sie ging einmal um den schiefen Baumstamm herum, ging vor ihm in den Schneidersitz und legte ihre flache Hand auf die raue Baumrinde. Mit geschlossenen Augen konzentrierte sie sich auf die weiße Magie und fand ihren Weg, durch das Netzt welches das Land mit seinen magischen Knotenpunkten verband. Das reine und strahlende widerte sie an, doch es war die einzige Lebensquelle die sie nutzen konnten. Sie fand den Knotenpunkt der sie mit der Zitadelle am Rande des Landes verband und konzentrierte sich darauf. Vor ihrem inneren Auge kristallisierte sich die kleine steinerne Höhle mit ihren runden Säulen und den Feuerschalen die um einen Altar aufgestellt waren. Davor stand ein Priester in schwarzer Kutte und einer großen Kapuze über seinem kahlgeschorenen Haupt. Er stand mit dem Rücken zu ihr und verdeckte den steinernen kleinen Tisch auf dem das Auge des Krey stand. Es war kühl und still und bot nur wenigen Platz. „Was kann ich für euch tun, Lady Ännlin?“ raunte eine dumpfe Stimme hinter der Kapuze des Priesters. Ihr Astralkörper lief langsamen Schrittes um ihn herum. „Ich möchte Beichte ablegen“, trat sie auf die andere Seite des Altars und senkte den Blick. „Hast du den Willen unseres Herrn nicht gewürdigt?“ sprach er mit ehrwürdiger Stimme. „Ich habe mein Leben dem Herrn verschrieben“, antwortete sie wie sie es gelernt hatte. „Hast du deine Aufgabe aus den Augen verloren?“ „Mein Herr führt mich und behält mein Ziel stets vor Augen“. „Hast du die Liebe vergessen und die Güte die er dir gewährt hatte um dich aus deinem jämmerlichen Leben zu befreien?“ Der Priester sah nun auf und musterte die Frau aus Argusaugen. „Die Liebe des Herrn und seine Güte haben keine Grenzen, ich wäre seiner nicht würdig, würde ich dies jemals vergessen“. Der Priester nickte anerkennend. „Wieso mein Kind solltet ihr nun Beichte ablegen wollen?“ Ännlin hob den Kopf und sah dem Mann nun direkt in die Augen. „Ich hätte meiner Aufgabe gerechter werden können, wenn ich eher eingeschritten wäre. Nun ist meine Aufgabe gefährdet.“ Der Mann ging um den Schrein herum auf sie zu und legte seine Hände auf die Schultern der jungen Frau. „Der Herr hat euch seine Stärke verliehen, seine Macht und die Gabe alles nach eurem Willen zu verändern. Er ist nicht allmächtig und kann auf der Erde wandeln wie wir, deswegen sind wir seine Werkzeuge. Wir sind nicht perfekt und in unseren Möglichkeiten eingeschränkt, aber habt Vertrauen das der Wille des Herrn immer erfüllt wird.“ Sie nickte und Hoffnung keimte wieder in ihr auf. Der Priester ließ von ihr ab und wand ihr den Rücken zu. „Erinnert euch an den Tag an dem der Herr euch fand, nackt halb tot in dieser dreckigen Gasse und das nur weil die Dorfbewohner euch verachteten und als Abnormal verstießen.“

Bei der Erinnerung lief es ihr immer noch kalt den Rücken herunter. Und dass nur weil sie sich auf einen Vampir geprägt hatte. Sie hatte ihn geliebt und ihre Liebe hatten sie bis zu diesem schicksalhaften Abend verheimlichen können. Doch so wie es kommen musste, wurden sie erwischt. Er wurde sofort geköpft und verbrannt und sie wurde den wütenden Männern überlassen, die sie einer nach dem anderen schändete und dann wegschmiss wie eine verbrauchte Hure. Mit inneren Blutungen, Schmerzen am ganzen Körper, verprügelt und getreten, hatte sie in dieser Gasse um Erlösung gebeten. Sie wurde erhört. Wie aus dem Nichts erschien ihr Bruder Seraphis und nahm sie in den Orden der Krey auf. Sie schwor allen weltlichen Gelüsten ab und entsagte all ihrem Hab und Gut. Ihr wurde der Schädel rasiert und sie dann in die Lehre des Priesters geschickt. Mit jedem erlernten Zauber und neuem Wissen wurde ihr eine neue Rune unter unsagbaren Schmerzen eingebrannt. Ihre Magie die sie nutzte war weder Guter noch Böser Natur, dennoch gab es viele die ihrem Glauben nicht akzeptierten. Sie selbst hatte eine Begegnung mit dem Herrn und das hatte ihr Leben verändert. Sie verstand den Weg den sie gehen musste und dass der Herr mehr wusste über Zukunft und Vergangenheit, als jedes andere Wesen auf dieser Welt. Das Konstrukt der Zeit war bedeutungslos und sie gab gerne ihren freien Willen auf um der Gerechtigkeit zu dienen. Sie hatte den Dorfbewohner vergeben und ihnen dieselbe Güte erwiesen die sie ihr entgegengebracht hatten. Sie hatte den Willen des Herrn erfüllt und das gesamte Dorf, samt Kinder, Frauen und Greise abgebrannt und dem Erdboden gleich gemacht. Ohne Reue, Rachegefühle oder Scham hatte sie jene und andere Aufgaben im Namen ihres Herrn ausgeführt.

Und nun hatte ihr der Herr die Aufgabe gegeben den kümmerlichen Lord an seine gänzliche Regentschaft zu verhelfen und an seiner Seite zu bleiben. Diese Aufgabe würde ihre Zeit brauchen und sie ging ihr ohne zu murren nach. Doch die Wärme und das Glück welches sie empfunden hatte als der Herr ihren Geist erkundet hatte, fehlten ihr sehr. In der Zeremonie in der man endgültig in den Orden aufgenommen wurde, stieg Bruder Seraphis auf sie und penetrierte ihren Körper ganz nach den Gesetzten des Aufnahmerituals. Unter den Augen der anderen Ordensmitglieder hatte sie sich von ihm überwältigen lassen und sich ihm hingegeben. Als er sie zum Höhepunkt brachte, erschien ihr der Herr und offenbarte sich. Warm und sanft hatte er sie liebkost. Seine Stimme, auch wenn befremdlich und angsteinflößend, hatte ihre Seele gestreichelt und sie ihre Sorgen und Leiden gelindert. Tief war sie in dessen lilanen und unergründlichen Augen versunken. Nur sie und er, das reine Göttliche, es hatte sie fast zerrissen. Für sie war es das erste Mal gewesen, sie war noch jungfräulich und sie hatte sich geschworen nur den einen Mann in ihrem Leben diese zu schenken. Nach ihrer Zeremonie und all der Zeit die seitdem vergangen war, sehnte sie sich nach der Wärme des Herrn und hoffte ihn nach jeder erledigten Aufgabe wieder begegnen und spüren zu dürfen. Gänzlich hatte sie ihre Bedürfnisse noch nicht ablegen können, dafür war sie einfach noch nicht lang genug Priesterin des Ordens, doch man hatte ihr geraten, wenn es nicht mehr zu bändigen sei, sich selbst Erlösung zu schaffen, auch wenn es niemals dem nachkäme die einem der Herr gewähren konnte. So hatte sie sich in einsamen und stillen Nächten ihrer selbst befriedigt und im Stillen an ihn gedacht. „Wann, wann werde ich den Herrn das nächste Mal wiedersehen dürfen?“ konnte sie ihre sehnsüchtige Frage nicht mehr bei sich behalten. Ein brennender Schmerz fuhr über ihre Wange und Tränen füllten ihre Augen. So schnell hatte sie den Schlag nicht kommen sehen. Bruder Seraphis hatte weit ausgeholte und ihr eine Backpfeife verpasst und stand nun wieder mit gefalteten Händen und funkelnden Augen vor ihr. „Ihr solltet euch geehrt fühlen ihn überhaupt jemals getroffen haben zu dürfen.“ Etwas wie Hohn und Selbstgefälligkeit meinte sie aus seiner Stimme gehört zu haben. Sie rieb sich ihre pochende Wange und senkte wehmütig ihren Blick. „Nun geht und vollendet eure Aufgabe und enttäuscht mich nicht schon wieder“, damit wand er sich endgültig ab und verließ die Zitadelle. Sich wieder in ihren Körper zurückziehend und in dem kleinen Garten befindend, musste sie ihre schwere Enttäuschung unterdrücken und wandelte diese in Wut um. In ihrem Kopf setzte sich bereits ein Plan zusammen, der den Prinzen hoffentlich aufhalten würde.           

 

Ich hatte keine Zeit mehr gehabt die Augen zu zu machen und mich hinzulegen. Als es Zeit war Nathan zu wecken stand die Sonne schon am Himmel. Wolkenlos stieg sie höher und warf ihr kaltes fast weißes Licht auf uns herab. Es ließ das Gestein in einem surrealen Grau erstrahlen und warf harte Kanten und Schatten. Der schmale Bergpfad führte uns direkt an einem Abhang entlang, der all unsere Trittsicherheit zu testen schien. Die Pferde hatten wohl weniger Probleme als wir und trotteten müde und erschöpft hinter uns her. Hin und wieder vielen mir die Augen zu und ich musste mich ermahnen wach zu bleiben. Alvitur erzählte von einem Kloster welches am Ende des Gebirges liegen soll und die Waldgrenze absteckte. Wir sollten es zum kommenden Abend erreicht haben. Wenigstens ein kleiner Hoffnungsschimmer. Doch neben der Müdigkeit machte mir auch mein Bein zu schaffen. Raziel lief vor mir her und warf mir besorgte Blicke zu die ich ihm giftig zurückwarf. Als der Pfad einen Schlenker durch einen dunklen Tunnel machte, schien er mir nicht mehr zusehen zu können, warf mich kurzerhand auf Ilmares´s Rücken und führte mich. „Ihr könnt mich doch nicht einfach so durch die Luft wirbeln“, mein schwacher Protest brachte ihn nur zum Grinsen. „Wenn ihr wüsstet was ich einfach so mit euch machen würde…“ ließ er den Satz unvollendet, fuhr aber mit strengerer Stimme fort. „Soll ich euch etwa hier zusammenklappen und in den Abgrund stürzen lassen?“ „Nein, natürlich nicht“ und gab nach. Er nickte nur und wand seinen Blick wieder nach vorne. Die schwankende Bewegung des Pferdes und der gleichmäßige Rhythmus schläferten mich ein, so dass ich ein wenig die Augen zu machen und schlafen konnte ohne vom Pferd zu rutschen. Wieder wurde mein Geist von albtraumhaften Szenarien und Monstern malträtiert. Doch dies Mal war es weder aus der Sicht von Raziel oder der Frau mit dem kleinen Mädchen. Es war aus einem wirren Geist. Er schwebte im schwarzen Nichts. Sein unstillbares Verlangen nach Macht und Chaos schien ihn schier zu zerreißen. All das was er für die Erde geplant hatte lies sein Inneres frohlocken. Tod und Zerstörung erfreuten sein Herz. Er würde sie alle unterjochen und seine Diener ihr Werk tun lassen. Sein dunkles Lachen hallte durch das Nichts und lies meinen Brustkorb vibrieren. Er ist schon sehr nahe. Ich weiß nicht wie lange ich geschlafen hatte, doch als Ilmare ruckartig unter mir anhielt rutschte ich fast aus dem Sattel. Irritiert sah ich mich um und versuchte die Situation zu erfassen. Noch verwirrt von meinem Traum und dem Gefühlschaos in mir sah ich mich um. Das Lachen des Mannes hallte immer noch nach, ich konnte ihn noch immer in meinem Brustkorb spüren. Wir hatten mitten in einem Tunnel Halt gemacht. Die Fackel, welche Raziel gehalten hatte, lag glimmend auf dem felsigen Boden und warf die Szenerie vor mir in ein groteskes Licht. Raziel krümmte sich auf dem Boden kniend vor der schwarzen Stute, ohne dass ihn etwas angriff oder sichtliche Verletzungen. Weiter vorne im Tunnel lag Nathan ebenfalls auf dem Boden und krümmte sich, aber ihn schien es deutlich schlechter zu gehen. Ich konnte im Schein von Alvitur´s Fackel einen feinen grünen Staub erkennen der offensichtlich von einem Pilz ausging, der direkt an der Felswand zu wachsen schien. „Was ist passiert“, hallte meine Stimme krächzend durch den Tunnel. Der Junge versuchte Nathan irgendwie zu helfen, doch er sah hilflos zu mir auf. „Ich weiß es nicht genau, er hat diesen Pilz berührt und plötzlich ist er krampfend zusammengesunken.“ Nathan´s Stöhnen erfüllte die gesamte Höhle und ließ auf nichts Gutes hoffen. Schnell rutschte ich aus dem Sattel und eilte so schnell ich konnte an die Seite des blonden Mannes. „Los helft mir ihn auf sein Pferd zu setzten. Wir müssen ihm zu dem Kloster bringen, dort wird man ihm hoffentlich helfen können!“ Alvitur nickte ohne Wiederworte zu geben und so hatten wir Nathan und Raziel schnell auf die Pferde gehievt und beeilten uns die unseren zu besteigen. Raziel krümmte sich ebenfalls, ihm schien es aber längst nicht so schlecht zu gehen wie Nathaniel. „Haltet euch an mir fest!“ Befahl ich ihm, als ich mich vor ihm in den Sattel schwang. Nathan´s Pferd am Zügel als Handpferd, galoppierte Alvitur voran und ich folgte ihm mit dem, um mich klammernden, Vampir. Der Pfad wurde breiter und ebener, als die Pferdehufe hell klappernd auf dem gefrorenen Stein sich einen Weg suchten. Es hallte laut durch die Schlucht die wir durchritten und schreckten wohl jeden auf der sie bewohnte, doch wir hatten keine Zeit und so vergaßen wir für einen Moment unsere Vorsicht. Die Schlucht öffnete sich und schneebedeckte Abhänge lagen vor uns. Die Pferdehufen tauchten bis zu den Sprunggelenken im weißen Pulverschnee ein und erschwerten das Vorankommen, doch das Kloster war schon bereits zu sehen. Wie ein steinerner Wächter thronte die riesige Kathedrale über dem Abhang und trotze den stürmischen Winden. „Endlich“ hauchte ich und Hoffnung keimte auf. Wir würden es schaffen, wir würden endlich wieder ein warmes Essen bekommen und einen richtigen Schlafplatz und unsere Wunden verarzten können. In diesem Moment stöhnte Nathan abermals auf und sein Schmerzensschrei ertönte selbst gegen den Wind bis zu mir. Er rutschte gefährlich weit aus dem Sattel und krümmte sich in eine unnatürliche Haltung. Es waren nur noch wenige Meter, doch das Gefühl das er es nicht schaffen würde drängte sich mir zunehmend auf.

 

Der Schnee stob vor den Pferdehufen auf und nahm mir die Sicht. Raziel der sich an meiner Hüfte klammerte und sich gerade noch auf dem Pferd halten konnte, krampfte immer schlimmer. Er schien auf irgendeine Art und Weise mit Nathan krank oder verletzt worden zu sein und regelrecht mit ihm zu leiden. Das riesige Tor der Kathedrale baute sich immer weiter vor uns auf. Als wir endlich die breiten Treppen erreicht hatten, öffnete sich diese einen Spalt und ein Mann in weiten Hosen und Hemden kam uns entgegen. Sein langer weißer Pferdeschwanz und der lustig anzusehende Spitzbart wippten im Takt seiner Schritte, als er uns mit ernster Miene entgegeneilte. Schnell rutschte ich aus dem Sattel ohne Raziel vom Pferd zu stoßen und führte Ilmare die wenigen Treppen hinauf zu dem Mönch der uns wissend entgegensah. „Bringt sie herein!“ Seine Stimme war ruhig und bestimmt als er uns musterte. Alvitur führte die Pferde hinter sich her und folgte uns hinter die schützenden Mauern des riesigen Bauwerkes. Als sich das Tor hinter uns geräuschlos schloss und die beißende Kälte wohliger Wärme wich, beruhigten sich auch meine Gedanken als uns weitere Mönche entgegenkamen und sich um die krampfenden und zuckenden Männer kümmerten. Der Mönch der uns in Empfang genommen hatte, trat nun auf uns zu, während die Verletzten von den Pferden auf Baren gelegt und davongetragen wurden. „Wohin bringt ihr sie?“ fragte ich den Mann atemlos und sah den anderen besorgt hinterher. „Macht euch um sie keine Sorgen, sie sind in den besten Händen. Mein Name ist Bruder Tiberius und ich heiße euch Willkommen im westlichen Wehrtempel, wenn ihr mir folgen möchtet!“ Ohne weitere Fragen zu stellen folgten wir Bruder Tiberius, erleichtert vorerst außer Gefahr zu sein. Der Mönch machte auf mich keinen bedrohlichen oder gefährlichen Eindruck und auch Alvitur schien diese Empfindung zu haben, denn er schien sich wieder etwas zu entspannen. „Ihr könnt eure Pferde in die Hände von Bruder Sebastian und Schwester Klara geben sie sind unsere Tierpfleger und verstehen ihr Handwerk“, wie aufs Stichwort traten zwei weitere Ordensmitglieder hinter einer Säule hervor und nahmen uns mit einem freundlichen Lächeln die Zügel unserer Pferde aus den Händen. Ilmare schnoberte etwas skeptisch an dem Ärmel der Frau, beruhigte sich dann aber und folgte ihr vertrauensvoll. „Verräterin“, murmelte ich noch vor mich hin wand mich dann aber dem Bruder zu der uns weiter durch die riesigen Hallen führte.

 

Die Kuppeldächer mussten dreißig vierzig Mann hoch sein und schienen wie aus einem Stein gemeißelt zu sein. Das ganze Gebäude schien komplett ohne Ecken und Winkel auszukommen, alles war rund und geschwungen geformt. Harmonisch verschmolzen Treppen, Geländer, Fackelhalterungen, Türen und Fenster regelrecht ineinander als wären sie fest miteinander verwachsen. Die Kathedrale war nicht besonders groß. „Dieser Tempel wurde vor vielen Jahren zum Schutze der westlichen Grenze erbaut“, fing der Mönch an zu erzählen während wir durch die Hallen gingen. „In den ersten Jahren wie die Völker dieses Land bewohnten und ihre Kriege um ihre Grenzen und Güter ausfochten, war dies das erste Bollwerk von vielen Grenzpunkten, welches zum Schutz und der Ausbildung von Kriegern und Jägern genutzt wurde“. Ich bewunderte den hellen Sandstein und die aus bunten Scherben zusammen gesetzten Fenster durch die das kalte Licht der Wintersonne bunte Flecken warf, während ich ihm zuhörte. Ich konnte mir gut vorstellen wie Männer und Frauen in diesen Hallen Kampftechniken und Zauber trainierten. Das Klirren der Schwerter, die barschen Zurufe und das Knistern der Luft von Magie war regelrecht zu hören. „Was ist geschehen?“, musterte ich den Mann neugierig, der an einem Fenster stehen geblieben war und in Gedanken verloren auf die verschneiten Bergzüge blickte. „Frieden ist geschehen“, wandt er sich mit einem freundlichen Lächeln an mich. „Als die Grenzen gesetzt waren und weder Verteidigungslinien noch Ausbildungsstätten benötigt wurden, verfiel dieses Gebäude, bis sich Mönche aus aller Welt hier versammelten und dem nachzugehen was wir heute noch vollbringen“. Wortlos ging er wieder voran und ich bewunderte das was diesen Ort so einzigartig gemacht hatte. An jeder offenen Tür oder neuen Gang warf ich einen neugierigen Blick hinein. Mich faszinierten Orte wie diese und ich war überrascht was sich mir alles offenbarte. Jeder Raum hatte etwas Neues zu entdecken. Von sich synchron bewegenden Mönchen, die Kampfübungen trainierten, bis hin zu einem Musikzimmer aus dem melodische und anziehende Klänge drangen, schienen die Menschen hier für jeden Geist eine erfüllende Aufgabe zu finden. Bruder Tiberius führte uns unbeirrt weiter, so dass ich keine Zeit hatte mir alles genauer anzusehen. Es verwunderte mich das es trotz der hohen Decken und keiner sichtbaren Feuerquellen so angenehm warm im Inneren war. Noch bevor ich den Mönch wegen der Besonderheit fragen konnten, blieb dieser vor einem riesigen Torbogen stehen und bat uns mit einer einladenden Armbewegung vorauszugehen. „Willkommen in unserer Abtei, bitte setzt euch und wärmt euch auf, ihr hattet bestimmt eine anstrengende Reise“, nickend und mit einem müden Lächeln ging ich an ihm vorbei und erstarrte wie eine Salzsäule, als mein Blick durch die Abtei schweifte. Ich kannte die Bibliothek in Olinera mit den fein säuberlich eingeräumten Büchern und den unzähligen hintereinander gereihten Regalen, doch das was ich nun sah übertrumpfte alles. Nicht nur dass der Raum vor uns einer riesigen runden Halle glich, nein es führte eine breite Wendeltreppe bis hinauf in die breite Kuppel die wir schon aus der Ferne gesehen hatten. Sie musste bestimmt hundert Mann hoch sein und war auf mehreren Ebenen mit unzähligen Bücherregalen vollgestopft die mit der Treppe verbunden waren. Staunend und mit offenem Mund schritt ich ehrfürchtig in die Mitte des Saales und verrenkte mir fast den Hals bei dem Versuch alles in mich aufzusaugen. „Unmöglich, so viele Bücher. Wie kommt ihr an so viel Wissen?“ Ich wäre beinahe gegen einen langen Tisch gelaufen, an dem ein paar Mönchen zum Lesen und essen saßen. Doch sie schienen sich von uns nicht stören zu lassen und lächelten uns nur freundlich zu. „Wir sind die Bewahrer des Wissens. Wir sammeln und behüten Bücher, Schriftrollen und Artefakte aus der ganzen Welt und sorgen dafür das sie archiviert und gepflegt werden für nachfolgende Generationen.“ „Das ist Wahnsinn“, Alvitur schien nicht minder beeindruckt zu sein wie ich. „Bitte setzt euch und esst“, der Mönch bot uns einen Platz an dem langen Holztisch an und wank einem Bruder zu der nickend in einem kleinen Durchgang verschwand. Immer noch fasziniert folgte mein Blick den vielen Männern und Frauen die teilweise schwer beladen mit Büchern, Schriftrollen, Kisten und anderem durch die Gänge und auf den Treppen umherliefen und ihrer Arbeit nachgingen. Als mir plötzlich siedend heiß etwas einfiel welches mir die Schamesröte in den Kopf steigen ließ. „Oh bitte verzeiht unsere Unhöflichkeit“, reichte ich dem Mann mit dem Spitzbart und den warmen Augen meine Hand und stellte mich angemessen vor. „Mein Name ist Lady Ray und das ist mein Gefährte Alvitur. Die beiden verletzten Männer, die mit uns mitreisen und um dessen Verletzungen ihr euch dankend kümmert, sind Sir Raziel und Nathaniel Imetra, es tut mir wirklich sehr leid, dass wir einfach so in euer Heim eindringen und uns so rüpelhaft benehmen. Wir sind euch zu Dank verpflichtet das ihr euch um unsere Gefährten kümmert und uns eine warme Mahlzeit anbietet“, sprudelte es nur so aus mir heraus. Das Lächeln von Bruder Tiberius wurde immer breiter und seine verschmitzten Augen musterten mich. „Bitte, ihr braucht euch nicht zu bedanken, wir haben euch bereits erwartet!“ In meinem Redeschwall unterbrochen sah ich ihn nun verblüfft an. In diesem Moment wurde uns von zwei Mönchen mit befleckten weißen Kitteln jeweils eine Schüssel mit dampfendem Eintopf, etwas Brot und eine Karaffe Wasser auf den Tisch gestellt. Mein Magen knurrte empört auf als mir der köstliche Geruch nach würzigem Fleisch, Gemüse und frischem Brot in die Nase stieg. Wie Tiere machten wir uns über unsere lang ersehnte Mahlzeit her. Es schmeckte einfach zu köstlich und ich hatte ganz vergessen wie es sich anfühlte etwas Richtiges im Magen zu haben. Altes Brot und zähes Trockenfleisch waren auf Dauer irgendwann doch sehr fad. „Wie meintet ihr das ihr habt uns bereits erwartet?“ War es Alvitur der zwischen zwei Bissen das Wort an den Mönch wandt, während er uns belustigt beim Essen zu sah. Auch ich hielt mitten in der Bewegung inne und sah zu dem Mann auf. „Ich werde es euch in Ruhe erklären, wenn ihr eure Mägen gefüllt und ihr euch ein wenig ausgeruht habt. Sicherlich möchtet ihr auch noch nach euren Gefährten sehen“. Damit gaben wir uns erstmal zufrieden, doch nach Alvitur´s Blick zu urteilen blieb er skeptisch.

 

 

Nach dem belebenden Essen fühlte ich mich schon deutlich besser und ich konnte mich auf das was um mich geschah konzentrieren. Trotz der langen Reise und allem worauf wir verzichten mussten, dem fehlenden Schlaf und kaum Möglichkeiten uns zu erfrischen, war ich wach und voller Energie. Bruder Tiberius brachte uns direkt in den Krankenflügel der direkt neben der Abtei lag. Der Raum war lang und schmal und auf zwei der vielen Krankenbetten lagen Nathan und Raziel. Wegen des dämmrigen Lichtes konnte ich sie nicht direkt erkennen, doch eine Kerze die zwischen ihnen an der Wand brannte, erhellte ihre Gesichter. Nathan sah eindeutig am schlimmsten aus. Seine Zuckungen hatten zwar aufgehört, doch seine Haut hatte sich grünlich verfärbt und von seinen Augen gingen feine schwarze Adern aus die aussahen wie Bandwürmer die sich unter seiner Haut schlängelten. „Wie geht es ihm?“ stand ich bedrückt neben seinem Bett und konnte meinen Blick nicht von seinem Gesicht abwenden. Eine Krankenschwester trat auf die andere Seite des schmalen Holzbettes und schüttelte mit dem Kopf. Ihr weißes Hütchen wippte bei ihrer Bewegung ein wenig mit und passte perfekt zu ihrer weißen Schürze und dem grauen Kleid darunter. „Er hat die Sporen eines giftigen Pilzes eingeatmet. Wir vermuten, dass es sich um toxicus viridi boletus antrum handelt. Oder auch im allgemeinen als Nymphengold bekannt.“ Alvitur und ich sahen sie verständnislos an. Sie schien zwar leicht genervt von unserer Unkenntnis zu sein, erklärte uns dennoch freundlich worum es sich handelte. „An sich ist der Pilz nicht giftig, man kann ihn in der richtigen Mondphase und mit der richtigen Zubereitung sogar essen. In manchen Ländern gilt er als Delikatesse. Doch wenn er in der Fortpflanzung ist, versprüht er seine feinen Gold glitzernden Sporen und die sind hoch giftig, sogar tödlich“. Mir schnürte es die Kehle zu bei dem Gedanken und Tränen füllten meine Augen. „Das heißt dass er unheilbar ist und ihr ihm nicht helfen könnt?“ Meine Stimme brach ab und ich konnte nicht mehr in das grüne Gesicht des sonst so hübschen Mannes blicken. Die Schwester senkte ihren Blick und schüttelte mit dem Kopf. Mitleid lag in ihren Augen, doch das machte mich wütend und ich funkelte sie an. „Wir können das Fieber senken und gegen die Symptome etwas unternehmen, doch er wird sterben, es tut mir leid.“ Alvitur wand sich an Tiberius der stumm hinter uns gestanden und zugehört hatte. „Gibt es denn keine andere Möglichkeit ihm zu helfen?“ Auch ihn schien die Situation sehr zu betreffen und er suchte händeringend nach einer Lösung. Der Mönch zwirbelte nachdenklich seinen Bart und blickte auf den blonden Mann der still und ruhig atmend unter dem weißen Laken lag. „Junger Freund man sollte niemals die Hoffnung aufgeben“, klopfte er dem jungen Wikinger auf die Schulter. „Kommt und helft mir in diesem riesigen Bücherhaufen etwas zu finden. Zu irgendetwas muss dieses ganze Papier doch zu nutzte sein“, damit gingen die beiden Männern wieder hinaus und verschwanden in der Abtei.

 

Erleichtert das nicht alle aufzugeben zu scheinen fiel mein Blick nun auf Raziel, der ebenso ruhig auf dem anderen Bett lag und längst nicht so kränklich aussah wie Nathan. „Was ist mit ihm?“ Der Kloß in meinem Hals löste sich ein wenig, als ich ein erleichtertes Lächeln auf dem Gesicht der Schwester aufblitzen sah. „Ihm fehlt soweit nichts, sobald sich die Krämpfe eures Gefährten gelöst hatten, schien auch er sich wieder zu entspannen. Er war sogar kurz einmal wach und hat sich nach euch erkundigt.“ Mein Herz schlug ein wenig höher bei dem Gedanken und ein leichtes Grinsen huschte über meine Lippen. „Er ist aber direkt wieder eingeschlafen. Er wirkte sehr erschöpft, aber ich denke, wenn er erst einmal wieder etwas gegessen hat, sollte er wieder wohlauf sein“, sie zwinkerte mir zu und wand sich zum Gehen. Für einen Moment blieb ich noch neben meinen beiden Gefährten stehen, bis mich eine nette Schwester zu einem Zimmer nicht weitab der Abtei führte und mir frische Kleider und ein Bad anbot, welches ich dankend annahm. Sie versprach mir meine Kleider zu reinigen und zu flicken und mir schnellstmöglich zurück zu bringen. Ich dankte ihr und genoss das warme Wasser und die wohlduftenden Öle. Nach einem Bad und in frischen Kleidern fühlte ich mich deutlich besser. Ich hatte ein wenig die Augen geschlossen und in den schäumenden Fluten gedöst, welches mir schon reichte um die Müdigkeit loszuwerden. Die Verletzung an meinem Oberschenkel hatte ich neu verbunden. Sie müsste mit einer eingehenden Verarztung warten müssen, es gab dringenderes zu erledigen. In einem schlichten Kleid und leichten, aber warmen Schuhen, machte ich mich wieder auf den Weg zurück in die Bibliothek. In der Hoffnung das Alvitur und Bruder Tiberius etwas über den Pilz herausfinden konnten. Wie schon beim ersten Betreten der Abtei, wurde ich von ihrem Umfang und der Anzahl an Büchern, überwältigt. Staunend ging ich stillschweigend an einer Bücherreihe vorbei und versuchte herauszufinden, um welche Art Bücher es sich handelte. Doch sie waren in einer mir fremden Sprache geschrieben, so gab ich es auf und erklomm die Stufen der Wendeltreppe. Die ersten Stufen waren noch relativ einfach zu erklimmen, doch nach der Hälfte rang ich ein wenig nach Luft. Ich machte eine kurze Rast und fragte eine Schwester, die grad neben mir aufgetaucht war, nach Bruder Tiberius. Sie wies mich auf die oberste Etage und ich bedankte mich freundlich, innerlich fluchend.

 

Einen kurzen Moment sah ich mich dennoch um und fand mich auf einer Etage wieder die nicht gänzlich mit Regalen zugestellt war. Neugierig ging ich über den Steg auf die Regale zu und musste mich kurz sammeln, als ich einen Blick in die Tiefe unter mir warf. Es war schon sehr surreal, sich in einem solchen Gebäude zu befinden, welches von Menschenhand erschaffen worden war. Schnell erreichte ich die andere Seite und atmete mit einem letzten Blick nach hinten auf. Wie vermutet eröffnete sich nach wenigen Reihen Bücherregalen ein offener Raum. Langsam schritt ich durch ihn hindurch und bewunderte die vielen Glasvitrinen und Waffenständer. Von den verschiedensten Schwertern, Hellebarden, Dolchen, Schusswaffen, Lassos, Peitschen und anderen albtraumhaften Folterwerkzeugen befüllt, lagen sie entlang der Wände und bildeten eine Art Ring. In dem dunklen Holzboden waren Runen, Pentagramme und andere magische Symbole eingearbeitet, die etwas von einem Beschwörungszirkel hatten. Als ich den runden Raum betrat herrschte absolute Stille. Das geschäftige Treiben in der Abtei war hier völlig verstummt. Ich hatte das Gefühl als hätte man mir meine Ohren in Watte gepackt, so schienen die unzähligen Seiten Papier jedes Geräusch zu verschlucken. Überwältigt von den unzähligen verschiedenen Waffen schritt ich andächtig an den Vitrinen entlang. An einem gläsernen Regal blieb ich stehen und starrte auf das große im blauen Einband eingeschlagenen Buch. Seine silbernen Intarsien und Runen schienen mich regelrecht anzuleuchten. Es stand aufgeschlagen in einer Halterung zwischen anderen wertvoll aussehenden alten Büchern. Die aufgeschlagene Seite zeigte eine Reihe von Symbolen, Runen und Abbildungen. Es schien ein Zauber zu sein, doch ich verstand ihn nur zur Hälfte. Ehrfürchtig öffnete ich die gläserne Tür und hob es vorsichtig heraus. Trotz seiner Größe war es erstaunlich leicht. Sein Einband fühlte sich samten an und die Blätter schienen zu zerbrechen, sobald man sie berührte, so dünn waren sie. In Gedanken versunken setzte ich mich auf eine kleine Bank die neben dem Regal stand und studierte eifrig das Ritual des Zaubers. Leise murmelnd amte ich die Bewegungen und Formeln des Autors nach, legte es dann zur Seite und konzentrierte mich. Ich hatte keine Ahnung was der Zauber bewirken würde, doch es würde schon nichts schief gehen. Die Magie kribbelte in meinen Fingerspitzen und vor meinem inneren Auge sah ich das elementare Zeichen für Luft aufleuchten. Auf meiner Haut spürte ich wie sich Feuchtigkeit ansammelte, während ich die Zauberformel murmelte. Wie ein kühler Windhauch umschloss er meine Arme und waberte aus meinen Händen. Als ich die Augen öffnete um zu sehen was der Zauber bewirkt hatte, starrte ich verblüfft auf meine Finger. Gräulicher dicker Nebel waberte aus meinen Fingerspitzen und ergoss sich wie ein Wasserfall auf den Boden. Um mich herum sickerte dieser immer weiter in den Raum hinein, geräuschlos und ohne sichtliche Schäden zu verursachen. Fasziniert beobachtete ich den unnatürlichen dicken Nebel und bewegte meine Hand leicht hin und her. Er fühlte sich kühl und leicht an und schien sich formen zu lassen. „Netter Zauber“, erschrocken riss ich meine Hände hoch demjenigen entgegen der sich an mich herangeschlichen hatte. Der Nebel reagierte sofort und schoss auf den Eindringling zu, hüllte ihn wie eine riesige Schlange ein und schien ihm die Luft abzudrücken.

 

Mit Schrecken erkannte ich Raziel, der mich beobachtet hatte und lies die Hände fallen. Überrumpelt und nach Luft ringend hatte er versucht mit seinen Händen nach dem Nebel zu greifen, doch er bekam ihn nicht zu fassen. Sofort lies der Nebel den Vampir los und löste sich langsam auf, bis nur noch dünne Schleier über dem Holzboden schwebten. „Es, es tut mir leid!“ Stammelte ich verblüfft und starrte auf meine Hände. Raziel rieb sich seine Arme und trat, mit einem irritierten Lächeln, auf mich zu. „Macht euch um mich keine Sorgen“, beteuerte er und warf einen Blick auf das Buch welches neben mir lag. „Übt ihr Verteidigungszauber?“ „Nun ich habe dieses Buch gefunden und habe es einfach ausprobiert“, senkte ich beschämt den Blick. Das plötzliche Auflachen des Mannes erschrak mich ein weiteres Mal. „Es hätte was Gott passieren können, aber ihr habt es einfach ausprobiert!“ Sah er mich verschmitzt an und schüttelte mit dem Kopf. „Manchmal frage ich mich ob ihr Lebensmüde seid oder einfach nur naiv“. Seine Bemerkung traf einen Nerv. „Ich hatte alles unter Kontrolle, wenn ihr mich nicht erschreckt hättet, wäre nichts weiter passiert!“ Stand ich auf und funkelte ihn wütend an, während ich das Buch zuschlug und mir unter den Arm klemmte. „Das habe ich gesehen“, verschränkte Raziel seine Arme vor der Brust und lehnte sich lässig an das Regal an, welches gefährlich wankte. „Ihr solltet euch besser woanders anlehnen, sonst macht ihr noch alles kaputt“, antwortete ich ihm schnippisch und drehte ihm den Rücken zu. „Ok, ok“, stand er plötzlich vor mir und hielt mich an den Armen fest. „es tut mir leid, ich hätte euch nicht erschrecken dürfen“. Sein direkter Blickkontakt und die Reue in seiner Stimme, ließen mich glauben, dass er es wirklich ernst meinte. Als mir seine Nähe und Berührung bewusst wurde, schlug mein Herz automatisch schneller und ich spürte wie mir die Röte in die Wangen stieg. Er ließ mich abrupt los, trat einen Schritt zurück und rieb sich unbeholfen den Nacken. „Der eigentliche Grund weswegen ich euch gesucht habe ist, dass ich mich einerseits bei euch bedanken wollte, dass ihr mir und Nathaniel so schnell helfen konntet.“ „Wir haben euch nur nach hierhergebracht, geholfen haben euch die Ordensbrüder“, unterbrach ich ihn und stellte ich es direkt richtig. „Doch ich sehe das das nicht der einzige Grund ist, weswegen ihr mich sprechen wolltet“, wanderte mein Blick nun von seinem Mund zu seinen rotglühenden Augen. Ich wusste was er brauchte, doch würde ich mich nicht einfach so hergeben. Er schien mich durchschaut zu haben, und schien wütend zu werden. In einem Wimpernschlag stand er vor mir und funkelte mich an. Ein überlegenes Grinsen, kalt wie Eis, bildete sich auf seinen Lippen. Sein verführerischer Duft und seine Nähe ließen mich schwach werden, doch ich musste mich zusammenreißen. „Ihr wisst genau was ich will“, sein Blick wanderte an meinem Hals herunter und schien dort etwas zu fixieren. „Und ich müsste nicht fragen, ich könnte es mir einfach nehmen!“ Raziel´s Stimme war gebieterisch und unnachgiebig. „Dann nehmt es euch doch“, spie ich ihm die Worte ebenso wütend entgegen und lenkte so seinen Blick wieder auf den meinen. Sein Gesicht kam dem meinen noch näher, so dass ich seinen Atem auf meinen Lippen spüren konnte. „Kämpft darum!“ War nun ich es die ihn hämisch angrinste. Sein Blick verfinsterte sich noch weiter und er schien zu überlegen. „Wie ihr wünscht“, knurrte er leise und wand sich abrupt ab.

Einen kurzen Moment konnte ich aufatmen, als mir schon ein Schwert entgegen geflogen kam, welches ich ungeschickt am Griff auffing. Es war aus Holz und würde mich so nicht allzu sehr verletzen können, doch es war nicht minder schwer oder unhandlich wie eines aus Metall. „Ein klassischer Schwertkampf nach Punkten.“ Schien er sich wieder gesammelt zu haben und schritt nun lehrerhaft und distanziert im Kreis um mich herum. „Sieger ist derjenige, der dreimal einen Körpertreffer landet.“ „Und was ist, wenn ich gewinne?“ Meine Frage kam schneller über meine Lippen als ich darüber hätte nachdenken können und so kam es ein wenig großkotzig rüber. Wieder umspielte ein amüsiertes Lächeln die Lippen des Vampirs, doch er wurde schnell wieder ernst. „Dann dürft ihr mit mir tun was euch beliebt!“ Die Vorstellung gefiel mir, doch es reichte mir noch nicht. „Gut, aber im Vergleich zu meinem Blut etwas wenig. Bringt mir das Kämpfen bei und wir haben eine Abmachung“. „Wie ihr wünscht“, verbeugte er sich leicht und kam dann auf mich zu. Das Buch legte ich schnell zurück auf die Bank zurück um mich ihm dann erneut zuzuwenden. Noch bevor ich wusste wie mir geschah, traf mich sein Schlag hart am Arm. Ich zuckte regelrecht zurück und quietschte erschrocken auf. „Ihr solltet besser aufpassen, sonst habt ihr nicht lange Zeit gehabt über euren Gewinn nachzudenken“. Sein fieser Tonfall gefiel mir gar nicht und ich wusste das ich ihn nicht direkt angreifen konnte, dafür war er einfach zu gut. Langsam umkreisten wir uns, den Blick nicht von dem anderen lösend. Jetzt schien er auf meinen Angriff zu warten und ich tat ihm den Gefallen. Die rund zehn Schritt Abstand zwischen uns hatte ich mit wenigen Schritten überwunden und schlug nach seiner Hüfte. Er wich meinem Schlag geschickt aus, schien aber nicht mit der Drehung zu rechnen die ich im Anschluss vollführte und traf ihn so an seiner Schulter. Mit wenigen Sprüngen hatte ich mich in Sicherheit gebracht, doch er war schneller. Er griff nach meiner Hand, zog mich in eine enge Umarmung und schlug mit der flachen Klinge auf meinen Hintern. Wieder quietschte ich erschrocken auf und versuchte mich aus seinem Griff zu befreien. Mit dem Rücken an seine Brust gepresst und nur einem freien Arm, konnte ich das Bebens seines Lachens durch meinen Oberkörper spüren. „Und was nun Lady Ray?“ Meinen Namen sprach er so sinnlich aus, dass sich alles in mir ihm am liebsten direkt ergeben hätte, doch ich hatte meine Ehre zu verlieren. Den Angriffszauber noch in meinem Geist umherschwebend, schloss ich meine Augen und konzentrierte mich wieder auf das Symbol und das Ritual. Dieses Mal bekam ich es deutlich schneller hin und ich spürte schon bald wie sich der feuchte Nebel um uns herum ausbreitete und sich an Raziel hinauf schlängelte. Der Vampir bekam dies jedoch schnell mit und lies mich abrupt los. „Das ist unfair“, rief er mir von der anderen Seite des Rondells zu und versuchte sich dem Nebel zu entziehen, der bald den ganzen Raum einnahm und die Sicht verschlechterte. Dank der magischen Verbindung zu dem gräulichen Schleier wusste ich genau wo er sich versuchte zu verstecken und musste kichern, als ich dies sah. Schnell schritt ich hinter den Vampir, der erbost nach den gierigen Fingern schlug, und verpasste ihm einen sanften Klaps in seinen Nacken.

Er zuckte zusammen und drehte sich langsam um. Wie eine dunkle Aura wurde der Nebel um ihn herum schwarz, unter seiner blassen Haut zeichneten sich feine schwarze Äderchen ab und seine rotglühenden Augen schienen regelrecht zu brennen. Es war als hätte sich die menschliche Seite aufgelöst und nur den Vampir zurückgelassen. Leichte Panik stieg in mir auf, denn sein eiskalter emotionsloser Blick lies mich innerlich erstarren. Sofort löste sich der Zauber, als ich die unbändige Wut und das verzehrende Verlangen in seinen Augen lesen konnte. Ich hatte es zu weit getrieben und aus Spaß wurde nun ernst. „Sir Raziel“, stellte ich mich ihm in den Weg und versuchte ihn wieder zu beruhigen. „besinnt euch. Ich wollte euch geben was ihr braucht, lasst es gut sein!“ Meine Stimme zitterte ein wenig als sich sein Blick immer noch in den meinen bohrte und ich dem wahren Monster zum ersten Mal in sein Antlitz blickte. Doch meine Worte schienen nicht zu ihm durchzudringen und so rasten meine Gedanken auf der Suche nach einem Ausweg. Ich wich ihm aus, ohne ihn aus den Augen zu lassen, in der Hoffnung etwas in die Hände zu bekommen, was ihn wieder zur Besinnung bringen konnte. Plötzlich fiel mir etwas ein, welches mutig so wie absurd war, doch es erschien mir richtig. Abrupt blieb ich stehen und beendete das Katz und Maus Spiel, sah dem Mann sanft in die Augen und kam ihm entgegen. Innerlich wappnete ich mich, doch ich musste stark bleiben, es musste funktionieren. Das Schwert glitt aus meiner Hand und fiel klappernd auf den hölzernen Boden, als ich sein Gesicht in meine Hände nahm, mich ihm ein wenig entgegen reckte und ihn sanft und bestimmt küsste. Es fiel mir schwer, mich meinem Reflex zu fliehen, nicht nachzugeben und ihm so direkt entgegen zu treten, doch es schien seine Wirkung nicht zu verfehlen. Er war stocksteif stehen geblieben und schien für den ersten Moment völlig erstarrt und überrumpelt. Seine zusammen gepressten Lippen waren unnachgiebig und das Gefühl des Versagens stieg in mir auf. Doch er schien mich nicht zu enttäuschen. Sein Mund wurde weicher und passte sich dem meinen an. Sein Kiefer entspannte sich und er erwiderte meinen Kuss. Seine Hände legten sich um meine Hüften und zogen mich enger an sich. Völlig atemlos ergab ich mich seinen sinnlichen Küssen und das unbändige Verlangen, welches sich in der Zeit die wir zusammen verbracht hatten, angestaut hatte, brach sich bahn. Für einen kurzen Moment erlaubte ich mir die süßen Qualen seiner Sinnlichkeit und etwas in mir frohlockte und jauchzte. Eine tiefe Wärme und Freude erfüllten mich, als hätte ich etwas gefunden was ich verloren und fast schon vergessen hatte. Unsere Körper schienen wie zwei Puzzleteile zusammen zu passen und sie gierten nach der Berührung und Liebkosung des anderen.

Doch bevor ich in diesen gefährlichen Strudel versinken und mich verlieren würde, stieß ich mich von ihm ab und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Mein Körper schien mir nicht erlaubt zu haben zu atmen, damit er jede einzelne Sekunde voll und ganz auskosten konnte. Jetzt schmerzte die Trennung regelrecht und alles in mir schrie nicht aufzuhören. Auch Raziel schien es nicht minder gefallen zu haben. Er sah mich fasziniert und zugleich schockiert mit glühenden Augen an. „Ihr habt gewonnen!“ Keuchte ich noch ein wenig und versuchte meinen Blick von ihm abzuwenden, doch er stand bereits wieder vor mir und zwang mich, mit einer Hand an meinem Kinn, ihn anzusehen. „Was macht ihr nur mit mir?“ Verwirrt, da er wütend zu sein schien, huschte sein Blick zwischen dem meinen hin und her. Wieder machte sich diese Anziehungskraft bemerkbar und ich musste mich regelrecht dazu zwingen nicht auf seine Lippen zu starren. Dann lies er mich los und ging, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, aus dem Raum. Perplex ließ er mich alleine zwischen all den Büchern und Waffen stehen. Was ist das nur zwischen uns? Es brauchte ein paar Sekunden bis ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte und machte mich, nach kurzem Abwägen ihm zu folgen oder etwas Zeit zu geben, wieder auf die Suche nach Alvitur und Bruder Tiberius. Ich fand sie tatsächlich auf der obersten Etage zwischen riesigen Bücherstapeln sitzen. „Ah Lady Ray, ihr kommt gerade richtig“, erhellte sich die Miene des Mannes als er mich kommen sah und deutete auf das Buch über dem er und der Junge gebeugt standen. „Bitte sagt ihr habt gute Neuigkeiten für mich?“ Alvitur sah auf und strahlte ebenso über beide Ohren. Ich eilte schnell auf die beiden zu. „Euer Gefährte ist heilbar“, verkündete mir der Ordensbruder. „Doch es wird nicht so einfach werden. Der Weg ist gefährlich und tückisch. Denn ihr müsst dafür zum Sternensee und die Hilfe des Waldgottes erbitten“. „Eure Worte verwirren mich mehr, als dass sie meine Fragen beantworten“. Über seine direkte Art war ich froh, dass er eine Lösung gefunden zu haben schien und dennoch ließ mich das Gefühl nicht los, dass es uns mehr kosten würde als wir bereit waren dafür zu zahlen. Lachend klappte er das Buch mit einer Hand zu, noch bevor ich einen Blick hineinwerfen konnte. „Nun es klingt auch einfacher als es ist“, der junge Wikinger rieb sich das Kinn und blickte nachdenklich drein. „Würdet ihr mich dann bitte aufklären?“ Meine Geduld neigte sich langsam dem Ende zu und die restlichen Schmetterlinge in meinem Bauch machten es nicht besser. „Der Sternensee liegt in den Wäldern von Eden.“ „Wenn er wirklich so gefährlich ist wie mir erzählt wurde, gäbe es nicht eine andere Möglichkeit Nathaniel zu retten?“ Das ungute Gefühl welches mich beschlich bei dem Gedanken das Schicksal einer meiner Gefährten in die Hände eines Waldgottes zu legen und das auch noch in einem Wald der so berüchtigt und gefährlich war, wuchs. „Leider nein, entweder ihr geht in den Wald oder er muss sterben!“ Schüttelte Tiberius bestimmt seinen Kopf und stellte uns vor vollendete Tatsachen. Seufzend gab ich nach, damit war unser nächstes Ziel beschlossen. Ich beratschlagte mich mit dem Bruder und Alvitur über den Weg, als Raziel sich zu uns gesellte. Als wir ihm unser nächstes Ziel verkündeten, verfinsterte sich sein Blick. Auch ihm schien es nicht geheuer zu sein, doch uns blieb keine andere Wahl.

Zum Abend hin bereitete sich jeder auf die kommende Weiterreise vor. Alvitur verbrachte bis spät in die Nacht seine Zeit zwischen den Bücherregalen der Abtei und studierte noch das ein oder andere Buch über die Geheimnisse des Waldes und dessen Flora und Fauna. Ihn schien etwas zu beschäftigen, von dem er aber niemanden etwas zu erzählen vermochte. Er kannte die Geschichten und Sagen um den verwunschenen Wald und über den Waldgott der in Gestalt eines riesigen Hirsches auftrat. Mit seinen fast dreiundzwanzig Jahren galt er in seinem Volk als vollwertiger Mann und so hatte ihm sein Vater alles was er wusste über die Ländereien um Loran erzählt. Jahrhunderte altes Wissen, welches von Generation zu Generation weiter gereicht und so beibehalten wurde. Dank diesem Wissen hatte er sich schon aus vielen brenzlichen Situation retten können, doch er musste darauf schwören niemandem außerhalb seines Volkes oder den jüngeren etwas davon zu erzählen. Es gab Geheimnisse, die mussten seine Feinde nicht wissen oder gar der Rest der Welt. Auch wenn er ein freundlicher und immer gut gelaunter junger Mann war, so wusste er um die Schwere seines Wissens und die Rolle seines Volkes in der Welt. Es gab schon immer Stämme, Völker und Riegen die sich des Schutzes der Welt und der Bewahrung des Wissens verschrieben hatten, auf der hellen wie auf der dunklen Seite. Seines gehörte zu dem Ring des Lichtes. Ein Ring aus fünf Völkern die seit Jahrtausenden einen Schwur abgaben die Geheimnisse zu behüten, die das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse erhielten. Die Krey so wie auch andere dunkle Magier, Krieger und Zauberwesen arbeiteten stetig daran die Oberhand zu gewinnen, doch der Ring des Lichts gewann seit jeher dieses Ringen und das sollte auch so bleiben. Neben den Wikingern standen ihnen die Elben des Lufttempels, die Satyre der Moore, Druiden der Küste und die wenigen noch lebenden Drachenpriester des Feuerlandes zur Seite. Jedes Volk repräsentiert eines der fünf Elemente und stand für die weiße Magie.

Als Alvitur damals davon erfuhr war er schockiert und gleichzeitig fasziniert. Er hatte alle Schriften und Zeichnungen studiert und in sich aufgesogen die er zu dem Thema finden konnte und wollte immer Teil der Krieger werden, die eines der Elemente beherrschen konnten um an erster Linie zu kämpfen. Und nun war er an vorderster Front. Er war so stolz gewesen das sein Vater ihm erlaubte mit Lady Ray mit zu gehen und er würde seinen Vater nicht enttäuschen. Er hatte schon geahnt das eine Priesterin der Krey ihre Finger im Spiel hatte, als er von seinem Vater erfuhr das der Vampirkönig damals ermordet wurde und seitdem verbrachte er seine Zeit auf dem Kampfplatz wie in sämtlichen Bibliotheken dieses Landes. Jeden Auftrag den sein Vater ihm oder seinem Bruder gab, nutzte er um in andere Städte zu reisen, Mitglieder des Ringes zu besuchen oder sich durch ihre Bücherregale der Bibliotheken zu wühlen. Und so freute er sich endlich die Gelegenheit nutzen zu können die sagenumwobene Abtei der Bruderschaft des westlichen Wehrtempels zu durchforsten. Es würde länger als sein Leben dauern all das zu lesen, was es zu lesen galt, doch er wollte wenigstens die Nacht nutzen um das nötigste herauszufinden, was es über die Priester und den Waldgott zu finden galt. Und die Antworten die er fand, erschütterten ihn. Wenn das stimmte was er herausgefunden hatte, dann lag vieles in seinen Händen, denn die anderen waren zu wichtig, als dass sie sein Schicksal erfüllen konnten. Vollen Entschlusses schlug er das letzte Buch, welches er in den Händen hielt zu und machte sich daran sich auf das vorzubereiten, was vor ihm lag.

Stöhnend ließ ich mich auf die weiche Pritsche fallen die mir für diese Nacht als Bett diente. Kurz sog ich die Luft ein als sich der Schmerz in meinem Oberschenkel wieder meldete und ich fluchte leise, als ich an die Verletzung erinnert wurde. Vorsichtig stand ich wieder auf und humpelte langsam in den Krankenflügel des Tempels. Jetzt rächte sich das lange Aufschieben. Dort brannten nur schwach ein paar Kerzen und hüllten den schmalen Raum in ein gedämmtes Licht. Eine Schwester beugte sich gerade über den immer noch schlafenden Nathaniel und wechselte ihm den Umschlag der auf seiner Stirn lag. Leise räusperte ich mich um die Frau nicht zu erschrecken, die überrascht ihren Kopf hob und mich mit freundlichen Augen ansah. „Kann ich etwas für euch tun?“ Hielt sie mitten in der Bewegung inne und sah mich erwartungsvoll an. „Könntet ihr euch eine Verletzung ansehen? Sie will einfach nicht verheilen!“ Humpelte ich ein wenig verlegen auf sie zu und nahm auf dem Bett gegenüber dem schlafenden Mann platzt. Als ich das Kleid bis zu meinem Oberschenkel hochzog und die Schwester einen Blick auf die immer noch saftende Wunde werfen konnte, schüttelte sie missbilligend ihren Kopf. Ohne ein Wort zu sagen, eilte sie zu einem Pult und nahm sich frische Binden, warmes Wasser, Lappen und ein kleines Tigelchen und eilte wieder zu mir. „Wie seid ihr an diese Verletzung gekommen?“ fragte sie nebensächlich während sie den Schnitt auswusch. „Ist nur ein Kratzer von einem Vampir!“ Zischte ich ausversehen, als sie etwas zu forsch ihren Lappen in das rohe Fleisch drückte. „Verzeiht“, entschuldigte sie sich schnell und warf mir einen mitleidigen Blick zu. „Wie lange ist das her?“ Seufzend versuchte ich die Tage zu zählen seitdem wir Olinera verlassen hatten, doch es gelang mir nicht. Die Tage verschwammen ineinander ohne, dass man merkte das sie vergingen. „Ich kann es euch nicht sagen, vielleicht vor ein paar Wochen“ und wieder erntete ich von der Frau ein Kopfschütteln. „Ihr hättet die Wunde besser reinigen müssen. Reißwunden heilen immer schwieriger und wenn man sich nicht um sie kümmert bekommt man eine Blutvergiftung. Ihr könnt froh sein, dass ihr nicht noch länger damit gewartet habt ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Denn ohne einen Aderlass, hätte das euer Ende sein können.“ Sie deutete auf die Wunde in der immer noch frisches Blut dunkel im Schein der Kerzen glänzte. Die Wundränder waren ausgefranst und die Haut wurde leicht gräulich. Ich schluckte bei dem Gedanken und versprach ihr mich in Zukunft besser um Verletzungen zu kümmern. Sie hatte die Wunde mit einer Salbe aus ihrem Tiegel eingerieben, mit wenigen Stichen genäht und einen engen Verband angelegt. Sie nickte mir zu, als sie mit ihrer Arbeit fertig war und versprach mir das Nathaniel für den morgigen Ritt soweit sein würde, doch er sollte nicht länger als einen Tag dauern, denn sonst könnte keiner mehr etwas für ihn tun. Ich bedankte mich noch viele Male für ihre Hilfe und Fürsorge und machte mich, mit einem letzten besorgten Blick auf Nathaniel, wieder auf in meine Gemächer.

Mir gingen viele Dinge durch den Kopf. Sie drehten sich im Kreis ohne auch nur einen vernünftigen Gedanken zu fassen zu bekommen. So schallte ich mich selber, als ich gegen jemanden lief. Bevor ich das Gleichgewicht verlor und auf meinem Hintern landete fingen mich zwei starke Hände auf und ich sah beschämt in das verschmitzte Gesicht Raziel´s. „Ihr habt mir etwas versprochen“, seine samtweiche Stimme ließ die Schmetterlinge in meinem Bauch wieder aufflattern und ich brauchte eine Sekunde um meine Stimme wieder zu finden. „Folgt mir“, entzog ich mich seinem Griff und wand mich zum Gehen. Seinen Blick auf meinem Rücken spürend, entging ihm mein leichtes Humpeln nicht und er runzelte die Stirn. „Stimmt etwas mit eurem Bein nicht?“ „Macht euch keinen Kopf darum, es ist nichts Schlimmes“. Der gespielt nüchterne Ton beruhigte ihn dennoch gar nicht. Doch bevor er etwas dazu sagen konnte, öffnete ich ihm die Tür meines Zimmers und trat ein. Er stand unschlüssig im Türrahmen und sah mich mit einem seltsamen Blick von oben bis unten an. „Nein!“, schüttelte er ernst mit dem Kopf und wand sich wieder zum Gehen. „Wie nein?“ lief nun ich ihm perplex hinterher und musste mich anstrengen ihn einzuholen. „Ich werde euch nicht beißen, wenn ihr in einer derartigen Verfassung seid!“ Klang er ernst und duldete keinen Widerspruch. Mit einem Hechtsprung griff ich nach seinem Arm und drehte ihn zu mir herum. „Das entscheide ich immer noch selber“, rümpfte ich die Nase und sah ihm direkt in die Augen. Auf seinem Gesicht spiegelten sich Belustigung, Frust und Verlangen ab. Uneins ob er meinem Urteil vertrauen konnte setzte ich noch einen drauf und schritt langsam auf ihn zu. Meine Hände legten sich auf seinen Bauch und fuhren langsam an seiner Brust hinauf. Unter dem dünnen Hemd konnte ich seine Körperwärme und die Muskeln deutlich spüren und obwohl ich ihm eigentlich Lust verschaffen wollte, traf es mich wohl härter als ihn. Jeden Tag versuchte ich gegen den Drang anzukämpfen sich ihm nicht hinzugeben und meinem Schicksal als seine Verbündete entgegen zu treten. Doch in Momenten wie diesen schlug genau dieser Drang umso härter zurück und ich konnte mich kaum zügeln. Ihm schien es genauso zu gehen, denn seine Augen verdunkelten sich und glühten rot. Die Luft anhaltend sah er auf mein Gesicht und versuchte etwas aus meinen Augen zu lesen, doch es stand derselbe Ausdruck in ihnen wie in seinen. „Scheiß drauf“, fluchte er, nahm mein Gesicht in seine Hände und zog mich an sich.

Seine Lippen legten sich hart auf die meinen. Es verschlug mir regelrecht den Atem als er mich ungezügelt und voller Leidenschaft küsste. Sein Verlangen war der meinen ebenbürtig und ich erwiderte den seinen. Alles in mir jubelte und frohlockte und meine Libido suhlte sich regelrecht in seiner Wärme und Nähe. Ohne Luft zu holen schien er mich regelrecht verschlingen zu wollen, während sich mein Körper wie von selbst an den seinen schmiegte. Als sich seine Lippen für einen Moment von den meinen lösten und ich wieder zu Atem kommen konnte, brachte mich sein Blick regelrecht um den Verstand. Seine Augen loderten auf vor Verlangen und durch seinen leicht geöffneten Mund konnte ich seine Reißzähne aufblitzen sehen. In nur einem Wimpernschlag, hatte er sich gedreht und nun war ich diejenige die mit dem Rücken zur Wand stand. Den warmen Stein in meinem Rücken und diesen unwiderstehlichen Mann vor mir der mich mit seinen Blicken verschlang zog sich mein Unterleib lustvoll zusammen und alles in mir verzehrte sich nach ihm. Seine Hände wanderten an meinem Hals hinunter und während die eine in meinem Nacken verweilte, glitt die andere an meiner Schulter hinunter zu meinem Rücken. Wie von selbst ließ ich meinen Kopf in den Nacken fallen und entblößte so meine Kehle. Wie in Trance starrte er auf meine helle makellose Haut, während er mich enger an sich heranzog und sanft mit der Hand in meinem Nacken seinen Kopf zu mir herunterbeugte. Seine Lippen legten sich dieses Mal sanft auf die meinen, so leicht wie ein Windhauch und wanderten an meinem Kinn herunter zu meinem Hals. Jede Berührung brannte regelrecht auf meiner Haut und ließ mich aufkeuchen. Mit geschlossenen Augen genoss ich seine Berührungen und wartete auf den lang ersehnten Biss. Als seine Lippen meine Pulsader fand und seine Zunge sanft über meine Haut fuhr, durchfuhr mich ein wohliger Schauer und ich stöhnte verlangend auf. Warm und feucht legte sich nun sein Mund auf die Stelle und seine Zähne durchstießen, mit einem leichten Schmerz, die zarte Haut. Das Gefühl welches mich wie eine Welle überflutete war unbeschreiblich. Unendliche Glücksgefühle und unstillbare Lust explodierten in mir, so dass ich vor meinem inneren Auge Sterne aufblitzen sah. Meine Hände krallten sich in sein Hemd und ich konnte seine Erektion an meinem Unterleib spüren. Das Saugen an meinem Hals und das leichte Schmatzen überhörte ich und konzentrierte mich nur auf die Gefühle die er in mir weckte. Tiefe lange Züge sog er an meinem Hals, seine Hände krallten sich in meinen Nacken und Rücken. Er hatte so lange warten müssen und ich hatte ihn so lange gequält. Doch ihm jetzt endlich das geben zu können was er so dringend benötigte, bereitete mir fast mehr Freude als der Biss selbst. So standen wir eng umschlungen in einer Umarmung allein im Gang. Die Welt um uns herum schien zu verschwinden und es gab nur uns beide. Doch so schnell wie es begonnen hatte, so schnell endete es auch wieder. Als er sich aus mir zurückzog, hörte ich ihn aufatmen. Ich öffnete meine Augen wieder und sah wie er sich das restliche Blut von seinen Lippen leckte und mich liebevoll mit warmem Blick ansah. „Ich danke euch!“ Langsam ließ er von mir ab und beobachtete mich aufmerksam. „Ist alles in Ordnung?“ fragte er besorgt und zog ein sauberes Taschentuch aus seiner Hosentasche, welches er mir sanft um den Hals band. „Mir ist ein wenig schwindelig, aber sonst geht es mir blendend“, konnte ich das strahlende Grinsen nicht unterdrücken, während ich immer noch im Sog meiner Gefühle wandelte. Es zerriss mich innerlich, dass er sich von mir entfernte, doch das würde fürs erste anhalten müssen. Sein Grinsen erleichterte mir mein Herz und ich sah ihm an, dass er genauso fühlte wie ich, auch wenn er es leugnen würde. „Kommt ich bringe euch in eure Gemächer, ihr braucht eure Kräfte für morgen!“ Ohne ihm etwas entgegen zu setzten, ließ ich mich von ihm zurückführen, während ich wie auf Wolken schwebte. Wenn es doch immer so sein könnte.

 

Gott des Waldes

In der Nacht hatte ich, trotz des anstrengenden Tages, nicht allzu gut geschlafen. Der Traum der mich dieses Mal gequält hatte war anders als die letzten. Sonst steckte ich immer in den Köpfen der anderen auch wenn ich nicht wusste wessen ich zuletzt eingedrungen war. Nun aber stand ich alleine in einem grünen Garten. Er war friedlich und die Sonne schien warm auf mein Gesicht. Eine weiße Weide stand allein inmitten der grünen Wiesen und bunten Blumen. Ich hätte es genießen können, doch etwas beunruhigte mich, lies mich frösteln. „Wunderschön, nicht wahr?“ drang eine menschliche Stimme an mein Ohr. Überrascht sah ich mich um, konnte aber niemanden erkennen. „Wer ist da?“, rief ich verängstigt aus. „Das werdet ihr noch erfahren“, kicherte diese. „All das wird bald Vergangenheit sein“, seufzte sie fast gelangweilt. Mit einem Mal verdunkelte sich die Sonne, der Himmel leuchtete in einem blutrot und unter meinen Füßen verdorrte das Gras zu verbrannter Erde. Ein heißer Wind blies mir durchs Gesicht und ließ Funken regnen. Die Weide schien aus Rissen in ihrer Rinde zu bluten und verlor ihr strahlendes Weiß. Wie ein verkohltes Gerippe standen ihre Überreste vor dem blutroten Horizont. Aus dem Boden krochen aus glühenden Felsspalten albtraumhafte Wesen mit ledernen Flügeln, riesigen Klauen, gelben Augen und ätzenden Speichel. Sie erhoben sich in die Lüfte und krochen auf der Erde. Kettenrasseln und leidendes Stöhnen lies mich erneut herumfahren. Aus den finsteren Rauchsäulen und dunklen Nebelschwaden tauchte eine Karawane aus aneinander gefesselten Menschen auf. In den leeren Augen las ich Todesqualen und Verzweiflung. Das schlurfen und ihr leidvolles Stöhnen zerriss mir das Herz. Tiefe Trauer und Verzweiflung überrollten mich und raubten mir den Atem. „Hört auf!“ schluchzte ich und schlang meine Arme um meinen Oberkörper. Hämisches Lachen, welches von überall herzukommen schien, verspottete meine Worte. Schweißgebadet war ich aufgewacht. Ich verstand die Welt nicht mehr. Warum zeigte er mir all das Grauen? Was hatte ich damit zu tun? Noch bevor ich mir den Kopf darüber zerbrechen konnte, hatte es an meine Tür geklopft und ein Mönch hatte mich zum Aufbruch gerufen.

Leicht stöhnend lag Nathaniel nun auf dem Rücken seines Pferdes. Die Schwestern und Brüder des Ordens hatten ihn so sicher wie nur möglich auf seinem Schimmel festgebunden, so dass er auf der kommenden Reise nicht vom Pferd rutschen würde. Der Anblick des sterbenden Mannes schnürte mir die Kehle zu und es war schwer vorstellbar das er einmal mit einem frechen Grinsen auf den Lippen gegen Vampire gekämpft hatte. Sein Gesicht war eingefallen, die Hände dünn wie Spinnenfinger und die Haut fahl und grau. Er sah mehr tot als lebendig aus. Bruder Tiberius bot uns zur Eile, gab uns Proviant und Verbandsmaterial mit und eine Karte auf der wir den schnellsten Weg zum See finden würden. „Ich danke euch für alles was ihr für uns getan habt, wie können wir uns jemals erkenntlich zeigen?“ Sah ich ihm in die Augen, welche mich strahlend betrachteten. „Wie ich schon sagte, haben wir bereits mit euch gerechnet. Und ihr werdet uns allen mehr wiedergeben, als wir euch jemals etwas entgegenbringen konnten.“ „Woher wisst ihr das?“ Irritiert und etwas skeptisch musterte ich sein faltiges Gesicht. Er zwinkerte mir verschmitzt zu und nahm meine Hände in die seine. Sie fühlten sich weich und warm an. „Nun es gibt nicht nur Lehrbücher in dieser Bibliothek. Sagen wir mal eine Prophezeiung hat uns eure Ankunft und die Wichtigkeit eurer Aufgabe mitgeteilt und wir sind sehr froh euch helfen zu können.“ Am liebsten hätte ich ihn noch weiter zu dieser Prophezeiung ausgefragt, aber wir mussten los und die anderen saßen schon auf unseren bereit gestellten Pferden. „Danke trotzdem für alles“, küsste ich den Mann auf die Wange und wand mich zum Gehen. „Ach bevor ich es vergesse“, rief er mir noch einmal hinterher und ich wand mich neugierig zu ihm um. Er reichte mir das blaue Buch welches ich schon studiert hatte und lächelte mich an. „Das soll euch gehören. Ich habe vernommen, dass ihr es bereits gelesen habt“, noch bevor ich etwas darauf entgegnen konnte drehte er sich von mir ab und ging zu den anderen Brüdern die hinter ihm standen. Nickend steckte ich es in die Satteltasche meiner Rappstute und saß auf. Sie begrüßte mich mit einem freundlichen Schnauben und stupste mich an. Die Ordensbrüder standen nun auf der Treppe und wünschten uns eine gute Weiterreise, bevor sie sich von uns abwanden und wieder hinter den Mauern des imposanten Gebäudes verschwanden.

„Nun sind wir wieder auf uns gestellt,“ seufzte Alvitur mit einem letzten sehnsüchtigen Blick auf das Kloster während wir uns langsam an den Abstieg machten. Der Wald lag eingebettet in einer breiten Schlucht auf dessen anderer Seite sich ein riesiges Plateau erhob an dessen Klippen sich Solantis schmiegte. Zumindestens sagte das Raziel und deutete auf einen weit entfernten Punkt am Horizont. Beim besten Willen konnte ich dort nichts ausmachen, doch mir war es auch lieb das wir noch so weit von diesem Ort, unserem eigentlichen Ziel, entfernt waren. Während wir in engen Serpentinen den steinigen Abhang hinunterritten, erzählte uns Raziel von den Gefahren die dieser Wald bot. Auch Alvitur schien interessante Dinge gelesen zu haben und erzählte uns von Feen, Naturgeistern, Trollen, Gnomen, seltenen und verwunschenen Pflanzen und dergleichen. Raziel lachte nur über die träumerischen Erzählungen des jungen Wikingers und schüttelte mit dem Kopf. „Ihr solltet euch lieber vor den Lykanern fürchten.“ „Lykaner? Was ist das?“ Verrenkte ich mir bei der Frage den Hals um nach dem Vampir zu sehen der hinter mit ritt. „Menschliche Kreaturen die sich derweilen in Wölfe verwandeln. Blutrünstig, wild und sie stinken bestialisch. Man kann sie schon aus weiter Entfernung wahrnehmen.“ Seine Stimme wurde abfällig und er verzog angeekelt das Gesicht. In meinem Kopf rumorte es, ich hatte doch irgendwo etwas über diese Wesen gelesen. Plötzlich fiel es mir wieder ein, in dem grünen Buch hatte doch etwas über diese, auch Werwölfe genannten, Lykaner gestanden. „Sind sie nicht euer natürlicher Todfeind!“ War es mehr eine Feststellung als eine Frage. Ein abwertendes Pfeifen war die einzige Antwort die ich von Raziel erhielt. Alvitur der vor mir ritt musste lachen und sah spöttisch zu ihm hinauf. „Ein paar wilde Hunde können für euch tödlich sein?“ „Ihr Gift ist das Gegenstück zu dem Gift der Vampire. Nur eine von vielen Möglichkeiten einen Vampir zu töten“, gab ich das wieder was ich aus dem Artikel noch wusste und dachte an die Möglichkeiten die wir später vielleicht noch brauchen würden. Noch bevor Alvitur sich weiter darüber lustig machen konnte, wie weich Vampire doch eigentlich seien, erreichten wir den Rand des Waldes.

Die Landschaft hatte sich grundlegend geändert. Aus felsigen, schneebedeckten Steinen und Abhängen wurde eine flache Ebene mit Büschen und kleinen Bäumen. Die eisige Luft schien hier im Tal deutlich wärmer zu sein und wir konnten unsere dicken Wintermäntel ablegen. Je weiter wir kamen umso dichter wurden die Bäume und das Unterholz. Die Natur schien hier wieder zum Leben zu erwachen und dem Winter noch zu trotzen. Alles erblühte in bunten Farben und satten Grün und Gelbtönen. Riesige in sich verschlungene Bäume ragten aus dem Boden, dessen majestätische Baumkronen den kompletten Himmel verdeckten. Riesige dicke Wurzeln schienen wie Schlangen aus dem Boden zu kriechen und natürliche Bögen, Tunnel und Tore zu bilden. Weiches Moos und saftiges Gras dämpften die Hufe der Pferde. Vögel flogen und sangen zwischen den Bäumen umher, Rehe kreuzten unseren Weg und sprangen sofort davon als sie uns bemerkten. Hier und da flatterte ein Schmetterling um unsere Köpfe und fleißige Bienen summten von einer Blüte zur nächsten. Eichhörnchen jagten sich gegenseitig die rissigen Baumstämme empor und in den wenigen Sonnenstrahlen die den Boden erreichten, glitzerten feine Wassertropfen in den kunstvoll gewebten Netzen der Spinnen. Alles schien voller Leben zu sein, friedvoll und ohne Gefahr. Doch Raziel wies uns darauf hin unsere Augen offen zu halten, denn der Schein trügte. Erst wusste ich nicht was er damit meinte, während wir uns den Weg zwischen den Stämmen und teilweise herabhängenden Ästen bahnten. Ich ließ mich einlullen von der Wärme, den bunten Farben und den unzähligen Gerüchen nach frischem Moos, feuchter Erde, unzähligen Blumen und der reinen Luft. Raziel würde bald Recht behalten. Zum Abend hin schlugen wir unser Lager an einem kleinen Teich auf. Wenn es nach mir gegangen wäre, wären wir die Nacht durchgeritten, aber die beiden Männer hielten es für zu gefährlich in der Dunkelheit umher zu irren. So schön und friedlich der Wald am Tage auch zu sein schien, umso gefährlicher und heimtückischer war er bei Nacht. Nathaniel hatten sie vom Pferd gehoben und seinen eiskalten ausgemergelten Körper nahe an das knisternde Lagerfeuer gelegt. Ich hatte mich vergewissert das sich sein Zustand nicht allzu verschlechtert hatte und den morgigen Tag noch erleben würde. Die Sorge um ihn, ließ mich unruhig zappeln. „Geht!“, befahl ich Alvitur. „Lenkt euch ab und ruht euch aus. Ich kümmere mich um ihn“, nahm er meinen Platz am Feuer ein und schickte mich weg.

Verdrossen nahm ich das Buch aus der Abtei und setzt mich auf einen Stein am Rande des Teiches. Silbernes Mondlicht fiel durch eine Lücke in den Baumkronen auf das schwarze Wasser. Die Oberfläche spiegelte es leuchtend wider. Wasserläufer und Libellen unterbrachen diese hin und wieder und warfen kleine ringförmige Wellen. Das leise Quaken eines Frosches im Schilf unterbrach die nächtliche Stille. Entferntes Rascheln im Gebüsch und das dumpfe Donnern einer Rehherde in der Ferne, ließen mich aufblicken. Irgendetwas schien sie aufgeschreckt zu haben, doch egal wie sehr ich mich anstrengte, ich konnte weder etwas sehen noch etwas hören. Kopfschüttelnd schlug ich das Buch in meinem Schoß auf und studierte die Kapitel. „Die Nebelschlinge“ wie der Zauber genannt wurde, gehörte zu den Elementarzaubern und stammte ursprünglich von den Elben des Lufttempels. Ich kannte bereits ähnliche Zauber von den Elben aus Eryn, deswegen kam sie mir so bekannt vor. Elbenmagie ist sich in ihren Grundsätzen immer gleich. Sie verändert sich je nach Lebensort und Element. So hatte ich vieles aus dem Zauber entziffern können, der Rest war Glück und Raten. Um mich abzulenken studierte ich weitere Verteidigungszauber. Viele waren von elbischer Natur, doch auch die Sprache der Zwerge, Satyre, Drachenmenschen und Nymphen und anderer Völker konnte ich erkennen, aber nicht entziffern. So hielt ich mich an jene die ich verstand. Aus Neugierde probierte ich einen weiteren aus. Das Buch auf einen Stein liegend stand ich am Rande des Sees und ließ meine Energie in meine Füße fließen. Langsam fingen meine Fußsohlen an zu kribbeln und mit einem nervösen Kichern setzt ich den ersten Fuß auf die Wasseroberfläche. Das war nur der erste Schritt zum Ritual. Für die Elben die dem Element Wasser Herr waren gehörte das auf dem Wasser laufen zur Grundausbildung. Ich musste dies erst selbst versuchen zu meistern, bevor ich mich an den eigentlichen Zauber machen konnte. Darauf hoffend, dass ich es richtig machte und es funktionieren würde, legte ich mein Gewicht auf den Fuß am Wasser. Meine Magie hielt mich gebündelt über Wasser. Überrascht setze ich den anderen nach. Doch mit einem Mal verlor sich das Gefühl und ich versank knöcheltief im Wasser. „Verfluchter Mist“, trat ich einen Schritt zurück und zog meine Stiefel aus um das Wasser auszuschütten. „Wie soll das denn gehen?“, versuchte ich meinen Frust Luft zu machen. Tiefdurchatmend trat ich nun barfuß an das Ufer. Mit geschlossenen Augen konzentrierte ich mich erneut auf meine Fußsohlen. Das Kribbeln nahm wieder zu, doch dieses Mal fühlte es sich anders an. Die Zehen gruben sich in die kühle schlammige Erde und das Gefühl als wäre ich mit der Erde unter mir verbunden. Als mein Fuß die Wasseroberfläche berührte durchfuhr es mich wie ein kühler Windhauch. Das kalte Wasser des Teichs schmiegte sich regelrecht an meine Haut und verfestigte sich an meiner Sohle. Plötzlich waren die Zweifel verflogen und mit einer tiefen Zuversicht und Sicherheit lief ich auf die Mitte des Teichs zu. Ich konnte die Verbundenheit zu diesem Element gut verstehen. Die Macht die von ihm ausging durchfloss auch mich. Mit geschlossenen Augen ließ ich es zu das es in jede Pore meines Körpers eindringen konnte. Die Formel vor Augen konzentrierte ich mich auf das Gebilde welches ich darstellen wollte. Ich konnte das Wasser um mich herum fühlen und es mit meinen Gedanken formen und lenken. Kleine faustgroße Kugeln stiegen aus dem silbrigen Wasser auf und bildeten einen Ring um mich herum. In ihnen drehte und wand sich das Wasser. Das Mondlicht brach sich in ihnen und warf bunte tanzende Lichtreflexionen auf die umstehenden Büsche und Bäume. Sie fingen an in einem wilden Tanz um mich herum zu schweben. Wie von selbst vollführte ich die Bewegungen und Figuren die ich mir eingeprägt hatte und beobachtete wie sich die Kugeln zu Schilden, Speeren, Gittern und anderen Formen wandelten. Mit einem plötzlichen Knall in meinem Rücken platzt eine der Kugeln, als sie einen Stein abwehrten, die wie aus dem Nichts auf mich zugeflogen gekommen war. Überrascht sah ich in die dunklen Schatten, konnte aber nichts erkennen. Ein weiterer Stein flog dieses Mal von vorn auf mich zu und wieder wurde sie von einer Wasserkugel abgefangen. „Wer ist da?“ hallte meine Stimme durch die dunklen Schatten des Waldes. Eine Bewegung aus meinen Augenwinkeln ließ mich erneut zusammenzucken und eine schützende Wasserkuppel bildete sich um mich herum. Das leise Glucksen und Fließen des Wassers dämpften die umliegenden Geräusche ein wenig. Im Schein des Vollmondes stehend konnten sich meine Augen nicht an die umliegende Dunkelheit gewöhnen. „Hallo? Ich weiß das ihr da seid, zeigt euch!“ Versuchte ich meiner Stimme Autorität zu verleihen. Zwei gelbglühende Augen leuchteten zwischen den Büschen am Rande des Teichs auf, gefolgt von einem riesigen Wolfskopf. Durch den verschwommenen Schleier des Wassers, sah ich wie riesige Pranken dumpf über die feuchte Erde stapften, als er ins Mondlicht trat. Sein fast schwarzes Fell glänzte silbern auf und ließ seine hervorstehenden Fangzähne regelrecht erstrahlen. Seine Ohren zuckten in alle Richtungen, abschätzend und auf der Hut. Neugierig war sein Blick auf mich gerichtet und ich konnte das leise Schnüffeln in der vorsichtigen Spannung hören. Er schien noch jung zu sein und hatte wohl vorher noch nie eine Magierin gesehen. Von ihm ging keine Gefahr aus, das konnte ich spüren. So ließ ich die Wasserwand sinken, bei dessen plätschernden Geräusch er warnend knurrte und etwas zurückwich. Langsam und ohne schnelle Bewegungen ging ich auf ihn zu und ging vor ihm in die Hocke. Skeptisch beobachtete er mich, während ich fasziniert seine Augen musterte. Sie sahen mich wach und offen direkt an, so etwas würde ein wildes Tier niemals tun. Er hatte etwas Menschliches an sich, was mich ihm mutig meine Hand ausstrecken ließ. Auch er reckte sich mir etwas entgegen, angespannt und neugierig. Als meine Fingerspitzen seine flauschige Wange berührten, schlug mein Herz wie wild in meiner Brust und pure Freude durchströmte mich. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen als der Wolf sich an meine Handfläche schmiegte und seine Augen halb schloss. Ein plötzlicher lauter Knall und wildes Geheul unterbrachen die nächtliche Stille und den magischen Moment. Der Wolf riss seinen Kopf in die Richtung aus der der Lärm kam. Ein bedrohliches Knurren drang aus seiner Kehle, als er davon stürmte. Auf halbem Weg blieb er stehen und wand sich noch einmal zu mir um. Bedauern und eine Entschuldigung lagen in seinem Blick, bevor er gänzlich in der Dunkelheit verschwand. Der Lärm entfernte sich schnell wieder und nach nur wenigen Augenblicken hockte ich wieder alleine im friedlich stillen Wald. Eine kalte Leere bildete sich in meiner Brust, als ich immer noch auf meine Hand starrte, die immer noch in der Luft schwebte. Was war nur geschehen? Warum verließen mich alle an denen mir etwas lag? Tränen rannen mir die Wangen hinunter, als ich mich aufrichtete und auf die andere Seite des Teiches zu meinen Schuhen und dem Buch ging. Der schöne Glanz des Mondlichts und die Euphorie die mich regelrecht hatte schweben lassen, war verflogen. Das Wasser unter meinen Füßen fühlte sich kalt und klebrig an. Ich sehnte mich nach der Wärme des Lagerfeuers und meinem warmen Pelzmantel.

 „Laut der Karte müssten wir bald am See ankommen“, rief uns Alvitur von vorne zu und deutete auf zwei Bäume die wie Torwächter einen Durchgang bewachten. Wir waren in aller Früh wieder aufgebrochen. Raziel und Alvitur hatten nichts von dem mitbekommen was am Teich geschehen war. Ich hatte mich entschuldigt und direkt schlafen gelegt. Meine traurige Stimmung verbergend, hatte ich keine Lust gehabt mich noch vor den beiden Männer rechtfertigen zu müssen. Raziel der angespannt und still neben mir her geritten war, sah nun mit versteinerter Miene auf die Stelle auf die der Junge deutete. Sein Gesicht verfinsterte sich ein wenig und seine Hand griff nach seinem Schwert. „Wir sollten besser vorsichtig sein und einen anderen Weg finden. Das ist eine Falle!“ Überrascht von dem was er sagte sah ich mich genauer um, konnte aber auf den ersten Blick nichts Verräterisches entdecken. „Alvitur, wartet bitte einen Moment!“ Dieser hielt sofort an und wartete ungeduldig mit dem Handpferd auf uns bis wir neben ihm anhielten. „Wir haben keine Zeit zu warten, wir müssen weiter. Nathaniel scheint es immer schlechter zu gehen!“ Mit einem Blick auf den Vampirjäger bestätigte sich seine Sorge. Nathaniel stöhnte immer wieder und sein Gesicht glich dem eines Totenschädels. Schlaff und ohne irgendein Funken von Energie lag er auf dem Rücken des Pferdes, nur gehalten von den Riemen die ihn oben hielten. „Ich gebe dir Recht“, gab Raziel gezwungenermaßen zu. „Doch glaubt mir dies ist eine Falle.“ „Einen anderen Weg gibt es aber nicht“, deutete Alvitur auf die Karte und ich folgte seinem Finger. Er hatte Recht, der See schien in einer kleinen Sohle zu liegen, umringt von Bäumen und mannshohen Hängen. Der einzige Eingang war diese Absenkung die zwischen zwei riesigen Bäumen lag.

Vertraut auf eure Magie! Erschien wieder diese Stimme in meinem Kopf, die mir bereits in den Höhlen geholfen hatte. Vertraut auf den Wald! „Ich werde vorreiten!“ Entschloss ich kurzerhand und trieb Ilmare vorwärts. Sofort stellte sich Raziel mir mit dem seinem in den Weg und forschte in meinem Blick. „Seid ihr des Wahnsinns? Seht ihr nicht die Ranken und Spitzen die auf den Eingang gerichtet sind?“ Auf den zweiten Blick erkannte ich tatsächlich die natürlichen Fallen die der Wald aufgestellt hatte um Eindringline fern zu halten. Wir waren zwar sehr tief im Wald, weitab von den normalen Pfaden, doch anscheint hatten schon viele nach dem See gesucht. „Vertraut ihr mir?“ Fesselte ich seinen Blick und war überrascht wie sehr seine weißen Augen in diesem Licht strahlten. Er schien mit sich zu kämpfen, gab aber nach. „Na also. Folgt mir, reitet mir direkt hinterher und vertraut auf den Wald.“ Kopfschüttelnd folgte er meinem Rat und Alvitur tat es ihm gleich. „Ich hoffe ihr wisst was ihr tut!“ Das hoffte ich auch, doch ich ließ mich von meinen Gefühlen leiten und ritt direkt auf den Eingang zu. Ein mulmiges Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit, doch ich vertraute auf die Stimme, die direkt vom See zu kommen schien. Die beiden Bäume bauten sich immer weiter vor uns auf, während wir auf sie zu ritten und schienen gar in den Himmel zu wachsen. Ihre dicken Stämme waren so breit das selbst zwanzig Mann ihn nicht hätten umarmen können. Als wir genau zwischen ihnen ritten, spürte ich ein seltsames Kribbeln unter meiner Haut. Es breitete sich von meinen Armen über meinen ganzen Körper aus und machte mich unruhig. Habt vertrauen! Riet mir wieder diese Stimme und ich versuchte mich zu entspannen. Ilmare schien ebenfalls ruhig zu bleiben und trottete einfach weiter. Raziel hinter mir wurde unruhig. Als ich einen Blick nach hinten warf, wanden sich die beiden Männer hektisch und versuchten dem seltsamen Kribbeln auf den Grund zu gehen. „Entspannt euch, es passiert euch nichts!“ Versuchte ich sie zu beruhigen. „Entspannen, es kratzt unter meiner Haut, als hätten sich Maden in mein Fleisch gegraben!“ Fluchte Raziel und ich musste beobachten wie sich die Pfeilspitzen wie von selbst auf meine beiden Begleiter richteten. Nun vielen mir auch die vielen Skelette entlang des Weges auf, die wie Mahnmale bereits mit Moos bewachsen und zwischen den Wurzeln eingebettet, Teil der Natur waren. Der Waldgott nahm und gab, alles gehört zum Kreislauf des Lebens, fiel mir eine Strophe eines elbischen Gedichts wieder ein. „Hört sofort auf!“ Schrie ich sie an. Beide blickten mich überrascht an und hielten in ihren Bewegungen inne. Dann deutete ich auf die Skelette und die Fallen. „Ihr müsst euch entspannen, es hört von alleine auf. Es ist ein Test!“ „Du hast leicht reden“, grummelte der Vampir hinter mir, hörte aber auf sich zu kratzen und warf verstohlene Blicke auf die sich wieder abwendenden Pfeile. „Vertraut mir einfach“, riet ich nochmals und wand mich wieder nach vorn.

Der Pfad wurde immer schmaler und fiel weiter ab, so dass sich der Erdboden, durchwachsen mit knorrigen Wurzeln und eingemauerten Totenschädeln, Rüstungsteilen, rostigen Schwertern und anderen Hinterlassenschaften derer die es nicht geschafft hatten, wie Wände an beiden Seiten auftürmten. „Die hatten wohl weniger Glück!“ flüsterte Alvitur. Hallten seine Worte in der Schlucht wider. Kein Wunder, es war so still geworden das ich meinen eigenen Herzschlag hören konnte. Kein Vogel sang, keine Biene surrte durch die Luft, selbst der Wind hatte sein rauschendes Spiel in den Baumwipfeln über unseren Köpfen aufgegeben. Die Stille war ohrenbetäubend und ich hatte das Gefühl als hätte ich Watte in den Ohren. Auch den anderen beiden schien dies aufzufallen und es wirklich unangenehm zu sehen wie vielen es vor uns so ergangen war, nur dass diese es nicht geschafft hatten. Der Pfad nahm eine kleine Biegung und als wir sie umritten hatten, hielt ich die Luft an. Vor uns weitete sich der Graben zu einer riesigen Lichtung aus. Die Hänge waren gut zehn Schritt hoch und boten einen guten Schutzwall gegenüber unerwünschten Eindringlingen. In mitten dieses Kessels, lag ein türkisblauer strahlender See. Das Wasser war so klar und rein, es sah aus wie Glas. Man konnte bis auf den Grund sehen und die vielen Fische und Pflanzen beobachten die dort lebten und gediehen. An den Ufern des Sees, wuchsen wunderschöne Farne, Schilfrohre und bunte Blumen. Die Wasseroberfläche war bedeckt mit einem Meer aus Seerosen die in Weiß und Pink erstrahlten. Als wir die Lichtung betraten wehte ein angenehm frischer Wind und ich konnte wieder aufatmen. Große weiße Weiden überragten die schillernde Wasseroberfläche des Sees und schienen mit ihren herabhängenden Ästen diese zärtlich zu streicheln. Es schien dieselbe Art Baum zu sein wie in Pescandria und in dem Kreytempel in den Drachenbergen. Ein weiterer Knotenpunkt, vielleicht auch die Quelle all der Magie. Ich konnte es regelrecht auf meiner Haut spüren wie sie sich ihren Weg durch das Erdreich bahnte. Selbst die Luft schien erfüllt zu sein mit einem Knistern, welches ich an noch keinem anderen Ort so vernommen hatte. Eine Ruhe ergriff diesen, es hatte etwas Friedliches und Mystisches. Glitzernde Wesen huschten wie Libellen über die Wasseroberfläche und hinterließen einen leuchtenden Schweif. Von ihnen gingen glockenklare Stimme aus, doch egal wie sehr ich mich bemühte, ich konnte nicht verstehen was sie sangen. „Und was jetzt?“ Raziel saß ab und sah sich missbilligend um. „Laut der Legende muss uns der Waldgott erlauben in das heilende Wasser zu gehen. Sonst stirbt derjenige der es ohne seine Einwilligung versucht“, antwortete ihm Alvitur und saß ebenfalls ab. Ich tat es den beiden gleich und wir banden unsere Pferde an einem nahestehenden kleinen Baum an. Vorsichtig hoben wir Nathaniel von seinem Pferd und trugen ihn zum Ufer des Sees. Er wog nur noch wenig und sein Atem ging langsam und röchelnd. Ich legte seinen Kopf in meinen Schoß als ich mich auf die warme Erde setzte und ihm sanft eine Strähne aus seinem Gesicht strich. „Ihr habt es bald geschafft,“ konnte ich ein Schluchzen nicht unterdrücken und legte meine Stirn auf die seine, sie war eiskalt. Alles blieb still und keiner wagte etwas zu sagen. Wir wussten, dass er die Reise nicht überstehen würde und wir wussten auch das es immer ein Risiko gab, doch es jetzt wirklich so zu erleben hielt mir die wahre Gefahr noch deutlicher vor Augen.

„Seht doch“, Alvitur´s leises Flüstern und das Tippen auf meiner Schulter ließ mich aufblicken. Und auch mir stockte der Atem. Dort wo wir gerade noch eingeritten waren, stand nun still und ohne auch nur ein Geräusch von sich zu geben ein riesiger weißer Hirsch. Das weiße makellose Fell sah weich und warm aus, das riesige Geweih mit den unendlichen Enden schien viel zu schwer für seinen Kopf zu sein, doch er hielt ihn majestätisch und würdevoll. Von ihm schien ein Leuchten auszugehen, ein Licht welches so rein und weiß war wie das Leben selbst. Doch das beeindruckendste waren seine braunen sanften Augen. Als sich sein Blick in den meinen legte hatte ich das Gefühl als würde ich ihn kennen und als ob er mir direkt in die Seele blicken könnte. Ihr habt es tatsächlich geschafft. Perplex über die Erkenntnis konnte ich ihn erst nur anstarren. Langsam ging er auf uns zu, ohne auch nur ein Geräusch auf dem Moos zu machen. Dort wo seine Hufe den Boden berührten wuchsen in Sekunden kleine Blumen und saftiges Gras. Sobald diese die Stelle wieder verließen, verdorrte sofort alles und hinterließ eine dunkle verbrannte Stelle. Er blieb ein paar Meter vor uns stehen und sah einem nach dem anderen an, bis sein Blick auf Nathaniel hängen blieb. Langsam senkt er seine Nase und schnupperte an dem totgeweihten. Ihr habt nicht mehr viel Zeit. Sah er nun mich wieder an. „Habe ich eure Erlaubnis ihn in das Wasser zu tragen?“ hatte ich meine Stimme einigermaßen wiedergefunden und sah ihn mit tränenverschwommenen Augen an. Seid ihr denn auch reinen Herzens? Fragte er mich und seine Stimme hallte in meinem Kopf wider. Neutral und dennoch warm. „Das bin ich!“ stellte ich mit fester Stimme fest und zog den blonden Mann vom Ufer langsam in den See. Sobald meine Füße das Wasser berührten leuchtete es hell auf, und schloss sich kühl um meine Knöchel. Langsam watete ich mit Nathaniel im Arm weiter hinein, bis ich bis zur Brust im See stand. Nathaniel schwamm reglos an der Oberfläche. Seine Haare breiteten sich wie ein Fächer um seinen Kopf aus, wie der Heiligenschein eines Engels. Ich spürte wie der Zauber der dem Wasser inne wohnte in mich eindrang und mein Herz berührte. Es zog sich erst schmerzhaft zusammen, doch wuchs umso mehr und wärmte sich auf bei dem Gedanken an Raziel und Nathaniel. Nun gut, der See hat euch als würdig erwiesen. Nun zahlt den Preis für sein Leben. „Was kann ich euch geben?“ fragte ich den Hirsch sorgenvoll der nun am Ufer neben Raziel und Alvitur stand und zu uns herüberblickte. „Ist schon gut Ray, ich weiß was er will!“ Alvitur kam langsam in das Wasser gewatet und sah mich mit einem freundlichen Lächeln und einem liebevollen Blick an. „Was meint ihr damit?“ fragte ich argwöhnisch an den Jungen gerichtet, der uns nun erreicht hatte und seine Hände auf die Brust Nathanails legte. Ein Leben für ein Leben. Hörte ich noch den Hirsch in meinem Kopf, als ich verstand was Alvitur vorhatte. „Nein Alvitur, dass dürft ihr nicht machen. Ihr werdet sterben“, schrie ich den Jungen an und wieder liefen Tränen meine Wange hinab. Er legte sanft eine Hand auf meine Wange und lächelte mich freundlich an. „Das ist mein Schicksal, meine Aufgabe die von vorneherein für mich bestimmt war.“ „Aber euer Vater, ich habe ihm versprochen euch heil wieder zurück zu bringen!“ Versuchte ich ihm noch sein Vorhaben auszureden, doch er zwinkerte mir nur zu. „Macht euch keinen Kopf, glaubt mir es ist nicht so schlimm wie ihr denkt. Ich danke euch das ihr mich mitgenommen und mir die Ehre erwiesen habt um meinen Vater glücklich zu machen. Ich danke euch sehr!“ Noch bevor ich ihm noch irgendetwas entgegen setzten konnte, wurde ich vom Wasser von den beiden Männern weggezogen und konnte mich nicht bewegen. Alvitur sah nun Nathaniel an und wog ihn in seinen Armen. Das Wasser leuchtete um die beiden Männer hell auf und ein Strudel bildete sich. Wasser stieg auf wie wehende Tücher im Wind und hüllte sie ein in einen Kokon. Nur noch ihre Umrisse waren durch die Wasserkugel und das Leuchten zu sehen. Starke Magie durchfuhr mich, sammelte und ballte sich im inneren des Kokons und mit einer kleinen Explosion verflog dieser. Mit den Armen vor meinem Gesicht schützte ich meine Augen vor dem Licht und dem Wasser. Mein Herz war schwer von der Wahl des jungen Mannes, doch ich musste es hinnehmen. Tränen rannen mir lautlos die Wangen hinunter, als ich nun auf Nathaniel blickte der vor mir stand. Alvitur war gänzlich verschwunden. Als er seine Augen öffnete und mich überrascht ansah, stürmte ich auf ihn zu und schlang meine Arme um ihn, während mich ein Weinkrampf packte. „Lady Ray“, hauchte er an meinem Kopf und legte ebenfalls seine Arme tröstend um mich. Er hatte wieder an Fülle zugelegt, seine Haare strahlten wieder in einem satten Gold und sein Gesicht sah wieder aus wie vorher, wunderschön und glatt. Doch seine Augen hatten sich verändert. Als ich mich von ihm löste und in dieses wunderschöne Blau blickte, lag eine Liebe in ihnen die mich verblüffte. „Ich danke euch, für alles was ihr für mich getan habt!“ Er gab mir einen Kuss auf meine Stirn und sah dann ans Ufer. Als ich mich ebenfalls umdrehte stand Raziel alleine dort und sah irritiert zu uns herüber. Nun erfüllt eure Aufgabe und steht den beiden Brüdern zur Seite. Wehte die Stimme ein letztes Mal durch meinen Geist bevor sie gänzlich verstummte.

 

 

Das Knacken des trockenen Holzes im Feuer und die roten hell lodernden Flammen verschwammen im Hintergrund als die Bilder des sterbenden Alvitur´s in meinem Geist immer und immer wieder auftauchten. Wie hatte ich das nur zulassen können? Wegen mir war der junge Wikinger tot. Schmerz und Verlust malträtierten mein Herz, auch wenn ich ihn nicht lange kennen lernen durfte, so traf mich sein Ableben doch hart. „Es ist nicht eure Schuld“, die samtweiche Stimme Raziel´s neben mir, riss mich aus meinem Selbstmitleid und zwang mich aufzusehen. Seine Augen ruhten auf meinem Gesicht und sie waren voller Wärme und Liebe. „Es war seine Bestimmung, seine Entscheidung. Ihr hättet ihn nicht daran hindern können!“ „Aber zu welchem Preis?“ schluchzte ich und sah zu Nathaniel rüber der sich am wärmenden Feuer eingerollt hatte. „Wir brauchen ihn mehr als ihr denkt“, raunte er mir leise ins Ohr, woraufhin ich ihn irritiert anstarrte. „Woher wollt ihr das wissen?“ Etwas verlegen senkte er seinen Blick und richtete es auf das wärmende Feuer. „Es klingt vielleicht verrückt, aber seitdem er uns über den Weg gelaufen ist, spüre ich eine Verbindung zwischen uns. Erst schwach, doch je länger wir jetzt zusammen reisen umso mehr verspüre ich eine Stärke die ich zuvor nicht hatte“. Er sah meinen irritierten Gesichtsausdruck und schien diesen falsch zu interpretieren. Ein laszives Grinsen huschte über seine Lippen. „Ihr braucht euch keine Sorgen machen, ich werde nur die eure Verlangen“. Empört wollte ich ihm meine Meinung geigen, doch er ließ mich mit seinem ernsten Blick verstummen. „Im Ernst, es gibt einen Grund warum ich in den Höhlen mit ihm gelitten habe und vorhin“, ein unsäglicher Schmerz lag in seinen Augen, so dass ich ihm meine Hand tröstend auf seinen Arm legte. „ich habe gespürt wie das Leben aus seinem Körper wich, so kalt und leer.“ In seiner Erinnerung versunken, versuchte ich ihm mit meiner Nähe zu trösten, doch er sammelte sich schnell wieder und sah mich hoffend an. „Es scheint einen Grund zu geben, weswegen wir verbunden sind. Ich kann euch noch nicht genau sagen welcher er ist, aber es scheint etwas mit unserer Aufgabe und dem Lord zu tun zu haben.“ Seine Miene wurde ernster und er zog die Karte, aus der uns Alvitur den Weg gezeigt hatte, aus einer seiner Tasche. „Wir haben nun was wir brauchen und wir sollten uns langsam auf den Weg zum Schloss machen.“ Der abrupte Themenwechsel machte mich etwas misstrauisch, doch ich musste ihm beipflichten. Es war schon viel zu viel Zeit vergangen und ich würde froh sein, wenn das alles vorbei sein würde. Zu mindestens redete ich es mir ein. Ich hatte noch keinen Gedanken daran verschwendet was geschehen würde, wenn und ob wir unsere Aufgabe erledigt hatten. Würde ich bei ihm bleiben? Schickte er mich weg? Ich konnte nirgendwo mehr hin, mein Heim zerstört und keine Familie zu der ich zurück könnte. Meine dunklen Gedanken machten meinen Geist schwermütig und trübe. „Ihr solltet euch auch ein wenig hinlegen, wir haben morgen einen anstrengenden Ritt vor uns!“ Wies mich Raziel zurecht und deutete auf die Decke die bereits auf dem weichen Moos ausgebreitet lag. „Werden wir jemals das klären können was zwischen uns ist?“ Kam es unüberlegt über meine Lippen und ich musste genauso geschockt aussehen wie Raziel der meinen Blick zu fesseln schien. Sein Gesicht nahe dem meinen, konnte ich fast seinen Atem auf meinen Lippen spüren und dennoch hatte ich das Gefühl als würden uns Welten trennen. „Ich verspreche euch, wenn das alles vorbei ist, werde ich der eure sein“, atemlos starrte ich ihn mit offenem Mund an. Ein schiefes Grinsen huschte über seine Lippen bevor er aufstand und seinen Wachposten auf einer hohen Wurzel am Rand unseres Lagers einnahm.

Der nächste Morgen brach früher herein als mir lieb war und brachte Regen mit sich, eiskalten Regen. Trotz des dichten Blätterdaches waren wir schon nach wenigen Minuten durchnässt und es fröstelte mich stark trotz warmen Mantels. Ich wusste nicht ob es am Wetter lag oder am Wald der sich zunehmenst verändert hatte. Wo wir Tags davor noch durch grüne Moos- und Graslandschaften mit saftigen Büschen und bunten Blumenmeeren geritten waren mit lauschigen Lichtungen auf denen Rehe grasten, schien sich die Natur über Nacht gänzlich verändert zu haben. Schwarze Dornenranken, tiefhängende Nadelbäume und Schlingpflanzen erschwerten uns nun den Weg. Rote und gelbe Giftpilze wuchsen an den rissigen knorrigen Stämmen und dichter Nebel waberte unheilvoll zwischen den Bäumen. Raziel führte unsere kleine Reisegruppe an, immer auf der Hut. Nathaniel und ich ritten nebeneinander her und vertrauten auf den Vampir der schnurgerade einem unsichtbaren Pfad zu folgen schien. Hin und wieder meinte ich dunkle Schatten zwischen den Stämmen hindurch huschen zu sehen und in der Ferne vernahm ich ein markerschütterndes Heulen. Als wir durch einen Sumpf ritten in dem pechschwarze zähflüssige Seen den Boden bedeckten und es nur wenig bereitbaren Boden bot, wurden auch die Pferde langsam unruhiger. Nathaniel blieb relativ ruhig, er schien das geschehene noch zu verarbeiten und wirkte noch etwas schwach auf den Beinen. Ich hatte ihn zur Ruhe geraten und dass er sich nicht übernehmen brauche, er wäre ja schließlich fast gestorben. Als er nach Alvitur fragte, hatte meine Stimme versagt und Raziel hatte meine Erklärung fortgesetzt. Betroffen hatte er der Erzählung gelauscht und mich dann fest in den Arm genommen mit dem Versprechen, das er den Jungen rächen und sein Andenken in Ehre halten würde. Als wir eine Brücke passierten die über einen ausgedörrten Fluss verlief, brach er das Schweigen. „Ich habe euch noch gar nicht dafür gedankt, dass ihr mich überhaupt hierhergebracht und mich nicht einfach habt fallen lassen!“ „Ihr braucht mir nicht zu danken, ich habe es gern getan, es war doch selbstverständlich“, versuchte ich ein leichtes Lächeln und sah zu dem blonden Mann herüber. Dieser schüttelte mit dem Kopf und sah mich ernst an. „Das war überhaupt keine Selbstverständlichkeit, nachdem ich euch so rüde zurückgewiesen habe, nachdem wir Pescandria hinter uns gelassen hatten. Ich stehe tief in eurer Schuld.“ Ein Kloß bildete sich wieder in meinem Hals. „Nein ihr habt es Alvitur zu verdanken das ihr noch am Leben seid“, zog sich mein Herz wieder zusammen. „Ich kenne die Legenden um diesen See und weiß das es nur einer reinen Seele gestattet ist diese heiligen Gewässer zu betreten.“ Machte er eine Pause und sah mich warmherzig an. „Ihr seid eine reine Seele, ohne euch und eure Liebe und den Glauben an das Gute, hätte es euch der Waldgott erst gar nicht gestattet mich in den See zu tragen. Nur euch habe ich es zu verdanken das ich noch lebe und ich muss mich entschuldigen das ich euch in Pescandria so angefahren habe.“ Trauer stand nun in seinem Blick, er schien abwesend zu sein. „Ihr müsst wissen das ich eine Frau hatte. Sie war wunderschön und wir hatten eine Schule in Korinta in der Nähe von Pescandria.“ Ein Lächeln huschte über seine Lippen und sein Blick bekam etwas verträumtes. „Sie liebte Kinder und als sie nach mehreren Monaten endlich schwanger wurde, war unsere kleine Welt vollkommen. Doch es sollte uns nicht gegönnt sein glücklich zu werden, denn eines Tages wurden wir des Nachts von den Mönchen angegriffen und dabei wurde sie getötet. Sie haben sie der Hexerei bezichtigt und sie erschlagen. Und dass nur weil sie gebildet und gelehrt war, eine Gefahr für ihren Glauben. Dabei wollte sie doch nur helfen und dem Irrglauben ein Ende setzten!“ Die eintretende Stille lag schwer zwischen uns und ich suchte nach den richtigen Worten um ihm mein Beileid kund zu tun. „Wie hieß sie?“ Versuchte ich seine düsteren Gedanken zu vertreiben. „Ihr Name war Vanessa.“ War er wieder im hier und jetzt und warf mir ein freundliches Lächeln zu. „sie hatte lange braune Haare, so braun wie eine reife Kastanie und grüne Augen so hell wie frisches Gras. Ihre Stimme war so lieblich und sie war ein wahrer Bücherwurm. Sie konnte den ganzen Tag in der Bibliothek sitzen mit einem Buch auf ihrem Schoß. Wie sie die Seiten vorsichtig umschlug um sie nicht zu beschädigen und der Gesichtsausdruck den sie dabei hatte.“ Musste er leise auflachen an diese Erinnerung. „So voller Verzückung und Hingabe, das werde ich nie vergessen!“ „Es tut mir leid was geschehen ist, ich weiß wir können sie nicht wieder zurückholen, aber wir können ihrer Andenken und ihre Peiniger bestrafen!“ Versuchte ich ihm Mut zu zureden, doch er schüttelte nur mit dem Kopf. „Wisst ihr das ich niemals vor hatte mich dem Vermächtnis meiner Familie hinzugeben und das Handwerk eines Jägers zu lernen? Ich habe erst spät damit angefangen und das erst an dem Tag an dem Vanessa starb“, grollte seine Stimme bei den letzten Worten und sein Blick wurde finster. „Ich werde mich rächen, ich werde Lord Welish töten und der Tyrannei dieses Monsters ein Ende setzten!“ „Genau wegen solcher Tyrannei verlor ich alles was mir lieb und teuer war“, rutschte es mir in Gedanken versunken heraus. Nathan´s wutverzerrtes Gesicht wich betrübter Scham. „Ich habe es noch nie jemanden erzählt, aber es lastet schwer auf meinem Herzen“, versuchte ich die schmerzhaften Erinnerungen zu ertragen. Eine kurze Stille entstand in der ich mich sammelte und die Tränen zu unterdrücken versuchte. Raziel wand seinen Kopf halb zu mir um mir ebenfalls zu lauschen. „Meine Familie stammt ursprünglich aus einem fernen Land welches gebeutelt von magischen Kriegen, Zeit brauchte um sich zu erholen. Auch wenn diese Geschehnisse bereits hunderte Jahre zurück liegen, sind die Menschen dort selbst nach mehreren Generationen gezeichnet. Manche nehmen sich die Fehltritte immer noch zu Herzen und versuchen alles wieder so aufzubauen wie es einst war und die uralten Fehden abzulegen, doch es gibt Völker die den alten Hass immer noch schüren und die Vergangenheit nicht vergessen können“. Das Unverständnis welches mich gegenüber derer befiel, die uns angegriffen hatten machte mich immer noch traurig. „Nun da meine Eltern von den damaligen Drachenreitern und Oberbefehlshabern der Menschen und Elben abstammten, die gegen die Albae, dunklen Magier und Hexen gekämpft hatten, wurde ihnen bis heute nicht verziehen. Obwohl sie selber niemals etwas zu diesen Kämpfen beigetragen hatten, steht der Name Lanzherr für genau jene!“ Stolz hob ich meinen Kopf und sah in die überraschten Gesichter Nathaniel´s und Raziel´s. „Ihr seid eine Lanzherr?“ Nathaniel sah mich bewundernd an. „Die letzte noch lebende Nachfahrin“, ergänzte ich ihn traurig. „Ich dachte immer das Ragnar Lanzherr verflucht sei und keine eigenen Nachkommen zeugen könne?“ „Da habt ihr Recht Raziel, aber irgendwie schien es durch die Elbennatur mütterlicherseits doch funktioniert zu haben. Dennoch liegt immer noch ein Fluch auf unserer Blutlinie und dieser wird zur rechten Zeit eine weibliche Nachfahrin treffen“, musste ich bei dem Gedanken aufseufzen. „Woher wisst ihr das?“ Nathaniel schien meine Geschichte sehr zu interessieren und hing regelrecht an meinen Lippen. „Nun das ich mit meinen Eltern und meinem Bruder die letzten Lanzherren waren, wusste der Hexenzirkel der uns des Nachts auflauerte. Ihre Nachfahren standen den Albae zur Seite und ihr Jahrhunderte alter Hass war längst nicht erloschen“. Eine Träne rann über meine Wange. „Ich war noch ein Kind, als ich zusehen musste wie sie sie an ihren Armen an der Veranda unseres Hauses aufhingen und sie am lebendigen Leib verbrannten“. Meine Stimme versagte als durch die Erinnerung ihre verzweifelten Schmerzensschreie in meinen Ohren hallten und ich ihre verängstigten Blicke auf mir spüren konnte. Wir waren stehen geblieben, Raziel lenkte sein Pferd direkt vor Ilmare und Nathaniel stand neben mir. „Wie konntet ihr das nur überleben?“ hauchte er und ich sah echte Betroffenheit in seinem Blick. Hass flammte in mir auf: „Sie hatten mich gefesselt zuschauen lassen, weil ich die einzige Magierin in unserer Familie war und sie sich mir einverleiben und mich in ihren Zirkel aufnehmen wollten. Ihnen schien der Gedanke zu gefallen ausgerechnet eine Lanzherr in den Reihen der Albaebeführworter zu wissen.“ „Welch grausame Qual“, knurrte Raziel. „Wenn ich diese Hexen in die Finger bekomme“, „Macht euch nicht die Mühe!“ Gewann ein hämisches Grinsen die Oberhand. „Die Elben kamen mir zur Hilfe und haben dem Gräuel ein Ende bereitet, doch für meine Familie war es schon zu spät!“ Ihre verkohlten Leichen und der Geruch nach verbranntem Fleisch und Holz schien immer noch an meinen Kleidern zu haften. „Die Elben haben mich seitdem bei sich aufgenommen und mich wie die eine der ihren großgezogen und in ihre Gebräuche eingeweiht“. Lächelnd erinnerte ich mich gerne an diese Zeit zurück. „An dem Tag habe ich mir geschworen jegliches Unrecht und Tyrannei zu bekämpfen, denn niemand hat es verdient so zu leiden wie ich es tat“. Meine Worte waren ernst und klarstellend das ich kein Mitleid brauchte und wollte. Das schienen die beiden Männer zu verstehen und nickten mir anerkennend zu. „Ihr seid eine wahre Lanzherr und es ist mir eine Ehre mit euch reiten zu dürfen“, verneigte sich Nathaniel leicht und Raziel nickte mir ehrfürchtig zu. Ich war froh einen kleinen Teil meiner Last abgelegt zu haben, so bleiben mir immer noch die guten Erinnerungen. Dennoch hatte mich Nathaniel´s Geschichte nicht weniger beeindruckt. Wie konnte ein Mann nur mit so viel Schmerz und Hass im Herzen leben um dann zu sterben und wieder zurück geholt zu werden? Vielleicht wäre es besser gewesen Nathaniel wäre endgültig gestorben.

Nach einem langen und beschwerlichen Ritt durch diese lebensfeindliche Umgebung schlugen wir zum Abend unser Nachtlager im Schutz riesiger Wurzeln auf die eine natürliche Höhle bildeten. Der Regen hatte nachgelassen und hinterließ eine kühle Feuchte die durch die Kleidung durchzusickern schien. Fluchend versuchte Raziel das feuchte Holz zu einem Feuer zu endzünden, während Nathaniel sich auf die Jagd aufmachte. „Seid vorsichtig“, rief ich ihm noch etwas unsicher hinterher, doch er war schon zwischen den knorrigen Ästen verschwunden. Mit einer Feuerrune erlöste ich den Vampir von seinen kläglichen Versuchen uns Wärme zu bringen und setzt mich neben ihn auf den harten Boden. „Meint ihr, dass er immer noch derselbe ist?“ Rutschte es mir in Gedanken verloren aus und starrte in das knisternde Feuer. „Nein, das glaube ich nicht.“ Murrte Raziel vor sich hin, seiner Niederlage bewusst. „Er hat sich bereits verändert, seitdem ihr aus Pescandria zurück seid.“ „Wie kommt ihr darauf?“ Genervt und etwas widerspenstig wand er seinen Kopf ab und schien nachzudenken. „Ich bin ehrlich zu euch. Von Anfang an kam mir dieser Mann so falsch vor wie eine Schlange. Doch was auch immer euch in dieser Stadt geschehen ist, es hat etwas in ihn verändert und er wirkt ehrlicher.“ „Mir war klar, dass ihr euch nicht versteht, doch auf eine Art und Weise seid ihr euch sehr ähnlich. Und ja das was in Pescandria passiert ist hat ihn verändert. Als hätte er sich an etwas erinnert, an sein früheres Ich.“ Kreisten meine Gedanken um seine Frau und die Beweggründe warum er mit uns reiste. „Was auch immer ihr von ihm gedacht habt, warum er zu uns gestoßen ist und was seine eigentlichen Beweggründe waren, er hat seine Meinung geändert und sich entschieden mit uns zu kämpfen. Sollte das nicht das Wichtigste sein?“ Sein Blick wanderte zu mir und er schien etwas in meinem Blick zu suchen. „Wie schafft ihr es immer nur das Gute in einem zu sehen? Er könnte ein Abgesandter sein der für den Lord spioniert oder einer der wenigen Familienmitglieder, die noch aktiv gegen alles und jedes Wesen kämpfen, welches der dunklen Seite beiwohnt. Wieso vertraut ihr ihm so sehr?“ Überrascht über seine Frage musste ich tatsächlich nachdenken und strahlte ihn dann mit einem breiten Lächeln an. „Warum habe ich euch so schnell vertraut und reise nun ohne triftigen persönlichen Grund mit euch durchs halbe Land um jemanden zu töten den ich nicht einmal persönlich kenne oder der mir etwas getan hat?“ Meine Frage schien nun ihn zu überraschen und er wartete auf meine Antwort. „Vertrauen und eine gute Menschenkenntnis, schätze ich mal.“ „Einfach so?“ „Einfach so!“ Pflichtete ich ihm bei wurde aber wieder ernst. „Aber ich verstehe eure Einwände, ich glaube tatsächlich, dass er anfangs andere Pläne hatte und diese sich geändert haben. Letztendlich ist es aber auch egal, solange er auf unserer Seite ist oder er das tut was er für richtig und gerecht hält, ist jede Handlung von ihm vertretbar. Auch wenn es seltsam ist, dass seitdem wir aus Olinera aufgebrochen waren uns die Vampirsoldaten nicht mehr folgen“. Schweigen legte sich über unser Lager, bis mir etwas einfiel welches ich schon längst hatte ansprechen wollen. „Nun ihr habt mich besiegt in der Abtei und ich habe euch gegeben was ihr wünscht, doch ihr müsst mir beibringen wie man richtig kämpft. Meine Zauber sind ganz nett und ein paar werden auch ausreichen, um gegen den Lord zu kämpfen, doch letzten Endes werde ich mich auf meinen Dolch verlassen müssen und der ist momentan so gefährlich wie ein Streichholz“, zog ich die hübsche Waffe aus meinem Stiefel und wendete sie im Schein des Feuers. „Und was bekomme ich dafür?“ Verhandelte Raziel überheblich mit mir und sah mich von oben herab an. „Das ich nicht drauf gehe, wenn es drauf ankommt“, streckte ich ihm die Zunge raus und stand auf. Langsam schritt ich auf die kleine Lichtung, die uns umgab und wartete auf den Vampir, der nun widerwillig aufstand und meinem Beispiel folgte.

 

Im schwindenden Licht der untergehenden Sonne und noch von dem Nebel gedämpft, standen wir uns nun gegenüber. „Mit einem Dolch habt ihr eine deutlich geringere Reichweite und Schlagkraft, wie mit einem Schwert“, setzte Raziel an und deutete auf die kleine Waffe in meiner Hand. „Dafür seid ihr deutlich wendiger, schneller und könnt gezieltere Stiche in körpernähe ausrichten. Also müsst ihr es schaffen euch unter meinen Hieben hinweg zu ducken, um mir nahe zu kommen, um überhaupt etwas auszurichten.“ „Das ist ja gemein. Ihr seht mich doch schon von weitem. Wie soll ich euch nur nahe genug kommen, um auch nur einen Kratzer zu hinterlassen?“ Ein diebisches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus und seine Augen blitzten frech. „Nun das sind die richtigen Fragen. Ich werde es euch leicht machen. Versucht es!“ Lud er mich mit ausgebreiteten Armen ein ihn anzugreifen. Zwiegespalten wie genau ich mit meinem kleinen Dolch gegen sein langes Schwert ankommen soll, rannte ich auf ihn zu und versuchte ihm so nahe wie möglich zu kommen. Leichtfüßig wich er mir mit einer Drehung aus, so dass ich ins Leere lief. Doch ans Aufgeben war nicht zu denken und so zog ich direkt nach und duckte mich unter seinem Schlag hinweg, so dass ich direkt vor ihm stand. Triumph stieg in mir auf als ich den Dolch hob und ihm schon an die Kehle drücken wollte als er innerhalb eines Augenblickes hinter mir stand und sein Schwert unter die meine legte. „Das war schon nicht schlecht, doch ihr vergesst das ihr nicht gegen einen gewöhnlichen Menschen kämpfen müsst, sondern gegen einen Vampir“, sein warmer Atem streifte mein Ohr das leise Kichern hallte in meinem Kopf wider. Wütend schlug ich seine Arme beiseite die mich in dieser kompromittierenden Situation hielten und funkelte ihn auf Abstand an. „Ihr spielt mit unfairen Mitteln, mein lieber Raziel.“ Dieser lachte verbittert auf und funkelte mich verspottend an. „Was denkt ihr denn was die Soldaten mit euch anstellen, wenn sie euch in die Finger kriegen? Sie sind nicht so nett wie ich“, „Nett?“ Schrie ich ihn an und rannte abermals auf ihn los. „Ihr seid die ganze Zeit nicht nett zu mir“, schlug ich wütend gegen sein heran sausendes Schwert und blockte so seinen Angriff klirrend ab. Die Wucht seines Schlages ließ meine Arme erzittern, doch die Wut trieb mich an und verlieh mir ungeahnte Kräfte. „Ihr seid unverschämt,“ schlug ich gegen sein Metall, „vulgär,“ ein weiterer Schlag, „anzüglich,“ er wich mit ein paar Schritten zurück, „herablassend und bevormundend“, schlitzte der Dolch einen Riss in den Ärmel seines Hemdes. Keuchend kam ich ihm hinterher und drängte ihn gegen einen Baumstamm, wo er versuchte meine Hiebe und Stiche abzuwehren. Wie ein Besessener Skorpion stieß mein kleiner Dolch wütend und schnell vor und hinterließ blutige Schnitte auf Armen und Brust des Vampirs. Raziel schien mich unterschätzt zu haben, denn er war mit seinem langen Schwert in diesem engen Kampf deutlich im Nachteil. Dann gelang es mir meinen Körper zwischen ihn und sein Schwert zu drängen und nagelte ihn so, mit dem Dolch an seiner Kehle an dem Baumstamm fest. Schwer atmend und uns gegenseitig anstarrend verharrten wir für einen Augenblick. Ein Sturm der Gefühle durchströmte mich wie ein wildgewordener Fluss, der in seiner Richtung gestört wurde und schäumende Wellen schlug. Wut, Verzweiflung, Lust und Verlangen kämpften um die Oberhand. „Warum? Warum seid ihr nur so zu mir? Ich habe euch nichts getan, im Gegenteil ich habe euch gerettet, mehrfach und wie dankt ihr es mir?“ In meiner Stimme lagen ein Schluchzen und heiße Tränen rannen über meine Wangen. Mit einem Mal erloschen das Funkeln und die Wut aus seinem Blick und Trotz sowie Stolz trat an ihrer Stelle. „Weil euch mein Herz gehört und ich es nicht ertragen könnte, wenn euch irgendetwas geschieht!“ Perplex starrte ich ihn an, nicht wissend wie ich nun reagieren sollte, doch er nahm mir die Entscheidung ab, zog mich in eine enge Umarmung und küsste mich.

Die salzigen Tränen vermischt mit seinem unwiderstehlichen Geschmack in meinem Mund, seine fordernden Lippen und die Härte an meinem Bauch, ließen mich erschaudern. Immer noch wütend versuchte ich seinen Kuss zu unterbinden, riss mich los und trat ein paar Schritte zurück. „Rechtfertigt das alles?“ schrie ich ihn an, doch sein hungriger Blick ließ mich verstummen. Langsam, wie ein Raubtier, schlich er auf mich zu, Leidenschaft und Verlangen loderten in seinen Augen auf. „Nein“, antwortete er mir mit rauer Stimme, so dass mir die Luft wegblieb und sich mein Unterleib schmerzlich süß zusammenzog. „Aber ihr könnt nicht leugnen, dass das Band zwischen uns sehr mächtig ist. Ihr gehört mir und ich gehöre euch und dass für immer!“ Wie von einer unbändigen Macht angezogen, ließ ich den Dolch fallen, starrte ihn mit offenem Mund an, bewegungsunfähig. Er hatte es zugegeben, er leugnete unsere Bindung nicht mehr. Alles in mir entflammte sich, es gab nur noch ihn und mich auf dieser Lichtung. Alles verschwamm, und eine unbändige Lust überrollte mich. Er stand nun direkt vor mir, nur wenig trennte unsere Lippen. Auch ihm war anzusehen wie sehr er sich nach mir verzehrte. „Worauf wartet ihr?“ Raunte er dunkel. „Ihr habt es nicht geleugnet!“ krächzte meine Stimme tonlos. „Ich werde euch nie wieder verleugnen“, ein leichtes Lächeln huschte über seine Lippen und der Bann, der mich erstarren ließ, war gebrochen. Meine Hände wanderten automatisch an seiner Brust zu seinem Nacken hoch, krallten sich regelrecht in seine Haut und mit einem Verlangen, welches ich noch nie verspürt hatte legten sich meine Lippen besitzergreifend auf die seine. Als hätte er auf eine Bestätigung gewartet, löste er sich aus seiner Starre und erwiderte den Kuss inniger und lustvoller denn je. Überwältigt von der Intensität die uns überfiel, legten sich seine Arme um meine Taille, drückten mich an sich, während ich seine Liebkosungen genoss. Eng umschlingen hob er mich hoch. Meine Beine schlangen sich automatisch um seine Hüfte, während er lief ohne auch nur einen Augenblick seine Lippen von den meinen zu nehmen. Leicht überfordert von den Empfindungen und Sinneseinflüssen die über meinen Geist schwappten, vernahm ich die harte Rinde des Baumstammes in meinem Rücken erst, als Raziel mich dagegen presste und sich zwischen meine Beine drängte. Wild und zügellos entblößte er sich während er die Schnüre meiner Hose öffnete um der heißen Mitte meines Unterleibes entgegenzukommen. Ohne weiteres Zögern stieß er sein steifes und hartes Glied in mich hinein. Pulsierend und nass von der Erwartung und der Sehnsucht die mich schier in den Wahnsinn trieb, umschloss sich alles um seine Männlichkeit wie ein enger Samthandschuh. Lustvolles Stöhnen entrang meiner Kehle und mit dem heißen Atem des Vampirs an meinem Hals und den harten Stößen, genoss ich mit geschlossenen Augen die Wonnen die über mich hineinbrachen. Ohne große Mühe hielt er mich an dem Baumstamm gepresst, so dass ich mich voll und ganz ihm hingeben konnte. Seine Muskeln unter meinen Fingern waren angespannt, seine Arme hielten mich in der Luft, als seine Stöße und sein dunkles Raunen mich immer weitertrieben. Alles spannte sich an, die Lust trieb mich immer höher, alles in mir sehnte sich nach Erlösung dieser süßen Qual. Ein unsagbares Kribbeln ging von meinem Unterleib aus und strömte warm und prickelnd unter meiner Haut durch den ganzen Körper. Immer höher und höher trieb er meine Lust bei jedem Stoß, so dass mein Wimmern ihm ein kehliges Lachen entlockte. „Kommt für mich!“ Seine Zähne durchstießen meine Haut und mit dem Schmerz, schien ich innerlich zu explodieren. Alles zog sich lustvoll zusammen, eine Hitze durchströmte mich als würde ich verbrennen und erlösend schrie ich regelrecht auf. Ein Zittern durchfuhr meinen ganzen Körper und eine Glückseligkeit und Zufriedenheit ließen mich ermatten, während er sich in mir ergoss und schwer atmend an meiner Kehle sich seinen Gefühlen hingab. Erstarrt wie eine Skulptur standen wir da, ineinander verschlungen um den Moment nicht zu stören. Es war einfach berauschend, es dauerte einen Moment bis ich wieder zu mir kam und die Sterne vor meinem inneren Auge erloschen so dass ich in die weißen Augen des Vampirs sehen konnte die mich lüstern und überrascht ansahen. Er zog sich langsam aus mir zurück und setzt mich auf dem Boden ab. Zitternd und schwach dauerte es einen Moment bis ich wieder sicher stehen konnte und so beobachtete ich, noch an den Baum gelehnt, wie Raziel sich wieder anzog und versuchte mein rasendes Herz wieder unter Kontrolle zu bringen. Ein Knacken aus dem Unterholz störte unsere Zweisamkeit und brachte uns nach dem kurzen Liebesspiel wieder in das Hier und Jetzt zurück. 

Schicksale

 

„Bitte verzeiht, ich wollte eure Zweisamkeit nicht stören, doch noch länger konnte ich nicht um das Lager schleichen umso zu tun, als würde ich euch nicht hören!“ Nathaniel trat aus dem Unterholz, zwei Kaninchen hingen an den Pfoten baumelnd um seine Schultern. Heiß brachte die Scham meine Wangen rot zum Glühen und ich konnte den blonden Mann, der mich mit einem seltsamen Blick von oben bis unten musterte, nicht ansehen. „Ich hoffe euch hat die Darstellung gefallen? Ich habe extra eine Verlängerung für euch mit eingebracht!“ Raziel schien es deutlich zu gefallen bei unserem Liebesspiel „erwischt“ worden zu sein. Wütend drehte ich mich zu ihm um und funkelte ihn an. „Ihr wusstet das er zuschaut?“ Leicht gekränkt zuckte er mit den Schultern und verschränkte seine Arme vor der Brust. „Ja na und? Geniert ihr euch etwa?“ Sein fieses Grinsen brachte mich zur Weißglut. Wie konnte er nur von einer auf die nächste Sekunde von einem Geliebten zu einem Idioten entwickeln. Ohne ein weiteres Wort stapfte ich zum Lagerfeuer zurück und vermied es tunlichst Nathaniel auch nur anzusehen, so peinlich war mir das Ganze.

Die Kaninchen waren köstlich. Knusprig gebraten über dem warmen Feuer genoss ich es seit Tagen mal wieder Fleisch essen zu dürfen und es brachte neue Energie. Unser Techtelmechtel ließ ich unbeschrieben und konzentrierte mich mehr auf die Karte die nun vor mir auf der kalten Erde lag und uns den Weg zum schwarzen Schloss zeigte. Niemand sprach ein Wort, es waren auch keine Worte von Nöten. Raziel saß mit ausgebreiteten Armen angelehnt an einer der Wurzeln und genoss regelrecht meine Pein, während Nathaniel sich daran gut tat sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Schon bald legten wir uns zur Nachtruhe und erst jetzt bemerkte ich die Müdigkeit und Erschöpfung die mir unsere Entourage brachte. Es dauerte keinen Augenblick da fielen mir die Augen zu und ich sank in einen unruhigen Schlaf. Mir war als würde ich schweben. Leicht wie eine Feder schritt ich über grünes Gras. Eine warme Brise fuhr durch mein offenes Haar und strich mir sanft über die Wange. Warmes Sonnenlicht wärmte mich und vertrieb meine Ängste und Sorgen. Vor mir tauchte eine Weide auf. Weiß erstrahlte sie im Sonnenlicht und ließ den Wald um sie herum regelrecht verblassen. Ein steinerner Altar stand zu ihren Füßen und zog mich auf magische Weise an. Er ähnelte jenem im Steinkreis, doch dieser war größer und prunkvoller verziert. Meine Finger glitten sanft über den glatten hellgrauen Stein, als ich langsam um ihn herum schritt. Er kam mir seltsam vertraut vor, obwohl ich schwören könnte niemals hier gewesen zu sein. „Der Anfang wird auch das Ende sein!“ Unterbrach eine glockenklare Frauenstimme meine Überlegungen. Wie selbstverständlich drehte ich mich zu dem Baum um und lächelte sie an. Sie hatte diese reine und weiße Magie die mich anzog wie die Motte das Licht. „Wie meint ihr das?“ „Der Fluch“, wehten ihre blütenbesetzten Zweige leicht im Wind. „Er wird dort gebrochen wo alles begann. Reise zu dem Ort an dem Mensch und Elb auf ihr Leben schworen und ihr werdet das Unheil abwenden können!“ Die allgegenwärtige Fröhlichkeit und Wärme verschwanden und die letzten Worte der Frau hallten in meinem Geist nach. Ein Heulen und eine böse Vorahnung ließen mich aus meinem Schlaf aufschrecken. Verwirrt und übermüdet streikten meine Muskeln als ich mich langsam aufsetzt und in die Dunkelheit lauschte, die nun um das noch leicht glimmende Feuer herrschte. Der Traum verblasste, doch die letzten Worte brannten sich in meinen Geist ein. Ich musste mich dennoch wieder auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Ein eisiger Schauer lief mir den Rücken hinunter und ließ mich frösteln. Angespannt sah ich mich um. Raziel lag zu meinen Füßen auf dem Rücken liegend und schnarchte entspannt vor sich hin. Ein Knacken im Unterholz ließ meinen Blick von dem Vampir wandern und huschte über die leere Stelle an der Nathaniel zuvor lag zu den sich noch bewegenden Ästen eines Busches direkt neben mir. „Mist“, fluchte ich leise und gab Raziel einen leichten Tritt gegen seine Füße. „Raziel, steht auf. Nathaniel ist verschwunden“, murrend öffnete er verschlafen ein Auge und sah mich missmutig an. „Lasst ihn doch gehen“, „Ich habe da ein ganz ungutes Gefühl bei, habt ihr das Heulen nicht gehört?“ Er schloss das Auge wieder und seufzte genervt. „Nur weil ihr ein ungutes Gefühl habt, muss ich auf meinen Schlaf verzichten und einem Irren hinterherrennen?“ seine Stimme war nun bestimmter und ich konnte seinen Unmut deutlich spüren. „Dann gehe ich halt alleine in den dunklen Wald, schlaft ihr ruhig euren Schönheitsschlaf.“ Griff ich nach meinem Dolch und meinem Mantel und ließ ihn alleine zurück am Feuer. Das schmatzende Geräusch des schlammigen Waldbodens unter meinen Füßen begleitete mich, während ich mich durch die knorrigen Büsche kämpfte und im Licht des Vollmondes den deutlichen Spuren Nathaniel´s folgte. Das kalte Licht warf scharfe Schatten und barg die Umgebung in ein surreales Licht. Ich konnte den blonden Mann ein paar Meter vor mir durch das Gebüsch rennen hören, doch er war unglaublich schnell und das Heulen welches immer näher zu kommen schien ging mir durch Mark und Bein. Einen Schritt schneller zulegend konnte ich endlich das dunkle Gewand und die leuchtend blonden Haare des Jägers vor mir zwischen den Bäumen erkennen. Er schien stehen geblieben zu sein und stand nun wie erstarrt auf einer kleinen Lichtung. Außer Atem kam ich neben ihm zum Stehen und sah mich keuchend um. „Nathaniel, was habt ihr denn?  Warum seid ihr einfach davongelaufen?“ Mein Blick glitt über sein Profil, welches ausdruckslos nach vorne starrte. „Nathaniel?“ legte ich meine Hand auf seinen Arm und versuchte ihm ins Gesicht zu sehen. Blitzschnell zog er seine Peitsche aus seinem Gürtel und griff mich an. Das dünne Peitschenende surrte durch die Luft und schlang sich um mein Handgelenk. Aufschreiend vor Schmerz und Schreck, sprang ich zurück, doch das geflochtene Seil hielt mich fest. „Was tut ihr da?“ versuchte ich vernünftig mit ihm zu reden, doch als ich in seine Augen blickte waren diese schwarz und leer. Fluchend griff ich nach meinem Dolch und schnitt das Ende der Peitsche ab, bevor er wieder ausholen konnte. „Ihr werdet meiner Frau nicht noch einmal weh tun, das schwöre ich mit meinem Leben“, Nathaniel´s Stimme klang wütend und gefährlich ruhig. „Nathaniel, ich bin es Ray. Bitte wacht doch auf, ihr seid nicht Herr euer selbst!“ Doch mein Flehen schien er nicht zu hören. Er holte wieder aus und mit einem gekonnten Sprung wich ich der knallenden Peitsche aus. Doch bevor ich mir auch nur irgendeine Taktik ausdenken konnte, spürte ich einen brennenden Schmerz der sich um meine Kehle legte und meine Luftröhre abdrückte. Verzweifelt griffen meine Hände nach der Peitschenschnur, doch Nathaniel zog mich schon mit aller Kraft zu sich heran. Mich gegen ihn stemmend, zog er mich durch den schlammigen Boden. Es schnürte mir die Kehle bei jedem Atemzug enger zu und Panik stieg auf je näher ich Nathaniel kam. Als ich direkt vor ihm stand, konnte ich mein angsterfülltes Gesicht in seinen schwarzen Augen spiegeln sehen. Nur wenige Zentimeter vor meinem Gesicht starrte er mich mit wutverzerrter Miene an und zückte einen kleinen Dolch. „Ihr habt sie ermordet, ihr habt sie eiskalt umgebracht. Nun wird euch dasselbe Schicksal ereilen.“ Nach Luft ringend versuchte ich meine rasenden Gedanken zu ordnen, doch es schien mir nicht zu gelingen. Die Schnur schnitt sich immer tiefer in meine Haut und dunkle Punkte fingen vor meinen Augen an zu tanzen. Mir ging die Luft aus, lange würde ich es nicht überstehen. Meine Kräfte schwanden, als er den Dolch erhob und zum Stoß ausholte. „Das reicht Nathaniel!“ Raziel´s samtene Stimme erklang direkt neben uns, entschlossen und befehlend. „Lasst sie frei!“ Keuchend und krächzend versuchte ich um Hilfe zu rufen, doch mir wurde komplett schwarz vor Augen und ich wurde ohnmächtig.

 

„Ihr“, röchelte er und wand den Blick zu dem Vampir, der mit gezücktem Schwert vor ihm stand. Er ließ von der rothaarigen Frau ab, die wie eine Marionette zu Boden fiel und bewegungslos liegen blieb. Der Vampir der vor ihm stand war derselbe wie damals, als sie eines Nachts in sein Haus einbrachen und seine Frau ermordeten. „Dieses Mal ohne eure Rüstung und dennoch erkenne ich euch. Versucht ihr nun mich auch noch zu töten?“ In Raziel´s Gesicht spiegelte sich kurz Trauer und Schmerz bei dem Gedanken an die Vergangenheit, bevor es wider zu einer undurchdringlichen Maske wurde. „Was damals geschehen war, war nicht richtig. Doch ich kann nichts mehr an der Vergangenheit ändern.“ Töte ihn, lass ihn büßen für seine Taten. Die warme Stimme Vanessa´s flüsterte wie ein Säuseln in sein Ohr. Die leuchtende halb durchsichtige Gestalt der hübschen blonden Frau stand neben ihm und legte ihre blassen Hände auf seinen Oberarm. Räche mich mein Liebster, dann können wir endlich wieder zusammen sein. Nathaniel wand seinen Blick von dem Mann vor ihm ab und sah in das engelsgleiche Gesicht seiner geliebten Vanessa. „Meine Liebste ich sehne mich seit langem nach dem Tag endlich wieder an eurer Seite sein zu dürfen“, sein Blick wurde weich als ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht erschien und sein gebeuteltes Herz sich nach der Wärme der Frau seines Herzens sehnte. Dann tu das wozu du bestimmt bist, Vampirjäger. Verzog sich ihre Stimme zu einem gehässigen Grinsen und deutete auf Raziel. Dieser sah ihn irritiert an. „Seit wann führt ihr Selbstgespräche mein verehrter Nathaniel?“ „Haltet euer schändliches Maul, Vampir!“ Spie er ihm entgegen und lies seine Peitsche am Boden kreiseln. Sein Blick richtete sich starr auf das Gesicht dieses Monsters. Los! Schrie Vanessa ihn befehlend an und er gehorchte. Gefolgt von gehässigem Lachen und dem unbändigen Bedürfnis nach Rache ließ er seine Peitsche auf den Vampir sausen und traf ihn an der Schulter. Raziel sprang zur Seite, konnte dem surrenden Ende der Schnur aber nicht entkommen. Aufkeuchend sah er an sich herunter und starrte auf die schwelende Wunde an seinem Oberkörper. Verwirrt sah er wieder auf und blickte in das siegessichere Gesicht Nathaniel´s. „Silber mein verehrter Freund. Es brennt ganz schön was? Wartet es erst mal ab, wenn sich mein Dolch in euren Eingeweiden dreht“. Der Vampir konnte seinem weiteren Angriff gerade noch ausweichen und kam ihm näher. Raziel knurrte gefährlich und sah ihm direkt in die Augen. „Ihr seid nicht mehr ganz Herr eurer Sinne, Sir Nathaniel. Wacht auf, ihr werdet manipuliert“, „Versucht mir nicht einzureden ich würde manipuliert. Ihr seid es der mich die ganze Zeit belogen hat, obwohl ich für euch mein Leben gelassen hätte. Jetzt werde ich mir eures nehmen“. Fluchend nahm der Vampir einen weiteren Schlag hin und hielt sich den Oberschenkel, als die Schnur sich durch seine Hose in sein Fleisch schnitt. Ja, weiter so. Schneide ihm den Kopf ab und dann verbrenne ihn, Liebster. Das Säuseln der Stimme seiner Frau ließ ihn für einen Moment unachtsam auf die schlanke Gestalt blicken. Er suchte ihren Blick und bewunderte ihr strahlendes Blau, doch etwas schien nicht zu stimmen. Das Leuchten und der gewitzte Blick der sein Herz immer hatte höherschlagen lassen, war gänzlich verschwunden. Anstelle dessen lag eine Kälte und Abscheu in ihnen die ihm zu gelten schien. „Was ist mit dir?“ fragte er sich so von dieser fehlenden Kleinigkeit festgehalten, dass er Raziel gänzlich ausblendete. Was soll mit mir sein Liebster? Ich möchte einfach nur Rache und endlich wieder mit dir zusammen sein, wie früher. „Was ist los Vampirjäger? Seht ihr etwa schon Geister?“ Die spöttische Stimme des Vampirs drang an sein Ohr und ließ ihn für einen Augenblick klarer sehen. Die Frau die vor ihm stand, ein genaues Abbild seiner Geliebten, mit derselben Stimme die er immer so geliebt hatte, warf nun einen gehässigen Blick auf den Vampir der nun hinter ihm stand. „Ihr seid nicht meine Frau, ihr seid nicht Vanessa.“ Bedauernd und mit Tränen in den Augen hing sich die blasse Gestalt an seinen Arm und flehte ihn an. Natürlich mein Liebster, ich bin und werde es immer sein. Ich vermisse euch so sehr, bitte rächt mich und dann kommt zu mir. Nathaniel riss seinen Arm aus der starken Umklammerung dieses Trugbildes und funkelte sie verächtlich an. „Meine Frau würde niemals auf Rache aussinnen. Ihr seid so schön wie sie, doch ihr habt nicht ihr Herz. Wer oder was seid ihr?“ Plötzlich wurde das liebliche Gesicht zu einer fiesen Fratze. Das Leuchten wurde dunkler und die schöne Frau in dem langen Kleid löste sich langsam auf. Dieses Mal habt ihr vielleicht gewonnen, doch ihr und eure Gefährten nehmt euch in Acht, ich werde niemals weit weg sein. Und mit einem letzten nachhallenden bösartigen Gelächter war sie verschwunden.

Keuchend und mit schmerzender Kehle riss ich meine Augen auf und rang nach Luft. Panisch setzte ich mich auf und sah mich um. Nathaniel und Raziel standen hintereinander und starrten auf einen leeren Fleck am Waldboden. Sofort fiel mir auf das sich die Augen des blonden Mannes wieder in ihr wunderschönes Blau verwandelt hatten und ich atmete erleichtert auf. Raziel hielt sich die Schulter, als sein Blick zu mir herüber huschte und ich Erleichterung erkennen konnte. „Was ist passiert?“ brachte ich krächzend die Frage hervor die auch dem Vampir ins Gesicht geschrieben stand. Nathaniel sah nun zu mir herüber und eilte auf mich zu. Er kniete sich zu mir hinunter in den Matsch und sah mich flehend an. „Ray, bitte verzeiht mir. Es ist nicht zu entschuldigen was ich euch angetan habe. Ich war schwach und habe mich hinreißen lassen“, beteuerte er und die Trauer in seinen Augen ließ mich ihm Glauben schenken. Meine Hand verdeckte die feuchte Wunde die seine Peitsche in meine Haut gebrannt hatte. Es schmerzte sehr, doch ihn in seinem Leid ertrinkend zu sehen brach mir fast das Herz.  „Ich verzeihe euch. Ihr wart nicht ihr selbst. Irgendwer hat euch verzaubert und derjenige war mächtig. Wir sollten auf der Hut sein!“ „Trotzdem, ich hätte den Trug durchschauen müssen, ich habe mich zu sehr von meinen Gefühlen leiten lassen!“ Es tat mir weh ihn so zu sehen, zusammengesunken und von Schuld gebeutelt vor mir im Schlamm kniend. „Helft mir auf und dann kümmern wir uns um Raziel“, dieser kam humpelnd auf uns zu. „Kann mir mal bitte einer erklären was das gerade sollte?“ Nathaniel half mir auf die Füße und ich eilte wankend auf den verletzten Vampir zu. „Es tut mir sehr leid, dass ich euch so verletzt habe. Ich war nicht Herr meiner Sinne.“ Straffte Nathaniel seine Schultern und ging auf den Vampir zu um ihm die Hand zu reichen. Dieser sah auf das angebotene Friedenszeichen und schüttelte dann mit dem Kopf. „Und das nach allem was geschehen ist?“ Er schien etwas anzusprechen was in ferner Vergangenheit geschehen war. Nathaniel lächelte kurz und nickte als würde er verstehen. „Ich vergebe euch, bitte nehmt meine Entschuldigung an!“ Raziel nahm die Hand Nathaniel´s und für einen kurzen unheimlichen Moment schienen sie sich eins zu sein. So wie sie da standen hatte ich das Gefühl als gehörten ihrer beiden Schicksale zusammen, sie waren und sahen sich in so vielen Dingen so ähnlich, aber das bildete ich mir in meinem verworrenen Geist wohl nur ein.   

Ein weiteres Heulen, welches direkt aus dem Gebüsch neben uns zu kommen schien, riss uns aus unserer Starre. „Wir wurden verfolgt, seitdem wir den Wald betreten hatten.“ Wand Raziel seinen Blick von uns ab und schien etwas zwischen den dunklen Bäumen gesehen zu haben. Ich versuchte in dem kalten Licht des Mondes etwas in den Schatten zu erkennen. Ein Hecheln und Fiepsen erklangen plötzlich neben uns und schnelle Schritte eilten auf uns zu. Angespannt griff ich nach meinem Dolch und wartete auf das was uns aus dem Gebüsch entgegenkommen mag. Auch Nathaniel und Raziel hielten sich kampfbereit, doch die Schritte schienen an uns vorbei zu rennen, ungesehen versteckt in den Schatten der knorrigen Bäume. Für einen Moment blieb es ruhig, als weitere Schritte zu vernehmen waren, die durch das Unterholz zu rennen schienen. Doch dieses Mal waren es deutlich mehrere und sie schienen der ersten Gestalt zu folgen. Keiner von uns machte auch nur ein Geräusch und verfolgten nur das was um uns herum geschah. Ein ungutes Gefühl keimte in mir auf und nicht nur mir schien das Ganze nicht zugefallen. Das Gesicht des Vampirs verfinsterte sich als er witternd hinter den Angreifern hersah. Seine Augen färbten sich rot und er verzog seinen Mund zu einem Knurren. Nathaniel warf einen wissenden Blick in Raziel´s Richtung und die beiden machten sich lautlos daran den Schritten zu folgen ohne auf mich zu achten. Anscheinend war ich die einzige die gerade gar nichts verstand, so folgte ich den beiden ohne ein Geräusch zu verursachen. Trotz seiner Verletzungen eilte Raziel schnell und lautlos hinter Nathan zwischen den Bäumen hinterher und sie folgten dem Heulen, welches sich vor uns immer weiter entfernte um dann plötzlich stehen zu bleiben. Auf einmal herrschte Ruhe, völlige Stille legte sich über den Wald. Der Vampir und der Jäger hatten ebenfalls angehalten und starrten auf etwas unter sich. Wir waren auf eine Anhöhe angekommen und als ich mich neben ihnen auf die kalte Erde kauerte konnte ich auch das erste Mal erkennen weswegen meine beiden Gefährten so angespannt waren.

Wir saßen gut versteckt zwischen ein paar kleineren Büschen über einer Senke die eine natürliche Sackgasse bildeten. Unter uns schienen mehrere Personen in die Enge getrieben worden sein, denn sie wichen immer weiter gegen die Mauer aus Erde und Gestein, vor einem Trupp Soldaten. Es waren vielleicht gut zehn gegen drei. Doch als ich genauer hinsah erkannte ich die matt schimmernden schwarzen Rüstungen und die glutroten leuchtenden Augen der Vampirsoldaten. Sie hielten Seile und Ketten bereit und näherten sich langsam aber stetig den drei Menschen. Diese suchten angestrengt nach einem Ausweg, wie Tiere liefen sie hin und her und schienen zu Knurren. Verwundert über solch ein untypisches Verhalten musterte ich nun auch die Gejagten die sich zum Kampf gewappnet hatten. Sie bildeten eine Reihe und schienen sich zu ducken, als der mittlere, ein großer und kräftiger Mann, seinen Kopf in den Nacken warf und gen Vollmond heulte. Die anderen taten es ihnen gleich und mit einem Mal krümmten sie sich in unnatürlichen Biegungen und Verrenkungen. Genaueres konnte man in den Schatten des Vorsprunges nicht erkennen, doch das Knacken von Gelenken, reißen von Haut und das Platzen von Muskeln die sich unter einer gewaltigen Kraft zu verändern schienen hallte bis hoch zu uns und jagte mir einen Schauer über den Rücken. Als es still wurde, erklang ein Chor aus Geheul und wie auf ein Kommando griffen sie die Soldaten an. Lykaner, Werwölfe, fiel es mir nun endlich ein und ich bewunderte die riesigen Tiere die sich nun auf die Vampire stürzten. Braunes, schwarzes und auch ein blondes zotteliges Fell schimmerten in dem kalten Licht des Mondes. Dolchlange Klauen und Zähne leuchteten weiß auf und das wilde und angriffslustige Knurren und Zähnefletschen hallte durch die Nacht. Die Vampire griffen ebenso an und rannten ihrer Beute entgegen. Ein Tumult aus Wolf und Vampir entstand, in dem die Soldaten versuchten die Tiere zu fesseln und zu knebeln. Sie benutzten weder Messer noch Schwerter, doch aus eigener Erfahrung wusste ich, dass sie diese auch nicht benötigten. Das Jaulen des kleinen weißen Wolfes drang durch den Kampflärm zu mir herauf und versetzte mir einen Stich ins Herz. Nicht nur mir schien es so zu ergehen, denn Nathaniel war aufgesprungen und drauf und dran sich die gut fünf Meter in die Tiefe zu stürzen. Raziel hielt ihn am Arm fest und schüttelte wehemend mit dem Kopf. „Wenn sie uns so nahe des Schlosses sehen, werden sie Lord Welish Bescheid geben und dann werden wir es nie schaffen ihn zu stürzen“, flüsterte er, über den Kampflärm hinweg, zu dem außer sich geratenen Nathaniel. Dieser biss sich wütend und unschlüssig auf die Zähne. Seine Augen rasten hin und her und versuchten abzuschätzen inwiefern er das Risiko eingehen konnte. Ich konnte ihn sehr gut verstehen, den Drang einfach runter zu springen und den Wölfen zu helfen war groß, aber der Vampir hatte Recht. Und so mussten wir mitansehen wie sie einen Wolf nach dem anderen lebendig einfingen und mit beängstigender Leichtigkeit davon schleiften. Zwei in Netzten gefangene Lykaner winselten und jaulten leise als sie davon geschleppt wurden. „Wo ist der kleine weiße Wolf?“ Nathaniel sah sich erleichtert und doch leicht panisch um. Ohne dass Raziel eine weitere Chance hatte ihn aufzuhalten, rutschte er den Überhang hinunter und landete elegant und mit Leichtigkeit auf seinen Füßen. Raziel folgte ihm ebenso Leichtfüßig. Etwas unschlüssig versuchte ich es ihnen gleich zu tun, doch ich rutschte ab und landete direkt in den Armen des Vampirs. „Holdes Fräulein wo kommt ihr denn her?“ witzelte er und hielt mich auf seinen Armen gefangen. „Lasst mich runter“, versuchte ich mich frei zu strampeln doch er hielt mich eisern fest, bis er einen mahnenden Blick von Nathaniel zugeworfen bekam. „Spielverderber“, knurrte er und setzt mich wieder auf meinen Füßen ab. „Trotzdem danke“, nuschelte ich noch kurz in seine Richtung, was mir ein teuflisches Grinsen bescherte, bevor ich mich gänzlich von ihm abwand.

Schnell suchten wir den Kampfplatz nach dem Wolfsjungen ab. Der Boden war trotz Frost aufgewühlt. Fellfetzten und Blut bedeckten die Erde wie frisch gefallenes Laub. Die Luft war geschwängert von Angst, Blut und Schweiß. Nathaniel schien es am ehesten daran zu liegen das Junge zu finden, doch er schien blind in Sorge zu sein, dass er die Spuren nicht sah. Getrieben von einem Gefühl wand ich mich ab und ging in Richtung der dichten Büsche die die Senke einrahmten. Ein leises Wimmern in der Stille weckte meine Aufmerksamkeit und ich folgte ihm. Etwas Weißes blitzte zwischen den dunklen Ästen auf und mein Herz raste vor Sorge. Als ich einen Ast zur Seite bog konnte ich endlich aufatmen. „Nathaniel“, rief ich leise und in wenigen Augenblicken stand der Mann neben mir. Langsam ging er auf das kleine weiße Fellknäul zu und versuchte es zu beruhigen. Blut verklebte das sonst flauschige weiche Fell und in den riesigen gelben Augen stand die blanke Panik. Leise murmelte er dem Tier etwas zu welches versuchte winselnd vor ihm zu fliehen, doch eines seiner Läufe schien gebrochen zu sein und stand in einem unnatürlichen Winkel ab. Was auch immer Nathan zu dem Tier sagte, es schien seine Wirkung nicht zu verfehlen. Das zuckende schwarze Näschen und die panischen Augen richteten sich nun nur auf ihn und der schnelle Atem schien sich zu beruhigen. Als Nathan seine Hand sanft auf den Rücken des Tieres legte, schienen beide für einen Moment zu erstarren und starrten sich verwundert an. Verblüfft beobachtete ich die Szene wie das Fellknäuel sich nun vertrauensvoll in die Arme des Jägers kuschelte und er dieses hochhob und aufstand. Wie ein kleines Kind hielt er es und strich ihm sanft über den Kopf, als das Junge sich eng an ihn kuschelte und nach Trost zu suchen schien. „Es ist niemand mehr hier, sie haben sie alle mitgenommen!“ Raziel´s Stimme schreckte mich auf und ich sah mich um. Er hatte die Umgebung nach weiteren Soldaten abgesucht und blickte nun neugierig auf den Arm Nathaniel´s. Als das Tier den Vampir sah, quietschte es schrill auf und versuchte zu fliehen, doch er hielt sie fest und beruhigte sie. „Ganz ruhig kleines, er wird dir nichts tun, ich verspreche es“, argwöhnisch sah das Tier zwischen ihm und dem Vampir hin und her und schien sich nicht ganz sicher zu sein. Etwas in seinem Blick machte mich stutzig. Mit dem Wissen, dass sie ein Lykaner war wusste ich auch was. Ihre Augen waren intelligent, sie schienen in einen hinein sehen zu können, einen zu erkennen. Nicht wie ein Tier welches einen stumpfsinnig anglotzte. Sie erinnerten mich an jene des schwarzen Wolfes am Teich. Raziel schnaubte abfällig und wand sich ab. Ich folgte ihm mit dem erleichterten Nathaniel im Schlepptau. Auf dem Weg zurück zu unserem Lager schien das Wolfsjunge Nathan´s gesamte Aufmerksamkeit zu beanspruchen. Wie ein Vater seine Tochter behütete wog er sie sacht in seinen Armen und als wir endlich wieder an unserem schwelenden Lagerfeuer ankamen, setzte er sich auf den Boden und begann die Wunden des Tieres zu reinigen und verbinden. Es hatte keinen Sinn mehr sich wieder hin zu legen, denn die Sonne brach sich gerade bahn durch die dicke Wolkendecke und verdrängte den dichten Nebel der uns umgab. Völlig übermüdet rollte ich meine Decke zusammen und begann Ilmare zu satteln. Die schwarze Stute begrüßte mich freudig und ich genoss es ihren warmen Atem auf meinem Gesicht zu spüren. „Hallo meine Hübsche, bitte verzeih das ich dich die ganze Nacht alleine gelassen habe.“ Das Pferd schüttelte einmal kurz mit dem Kopf und stupste mich dann freundschaftlich an.

„Was ist da vorhin eigentlich passiert?“ Meine Frage unterbrach Nathaniel wie er das schlafende Wolfsjunge betrachtete und Raziel wie er nachdenklich vor sich hinstarrte. Der Vampir verzog das Gesicht und senkte seinen Blick. „Das waren Soldaten des Lords, sie scheinen Lykaner zu fangen für seine unsittlichen Rituale. Genaueres weiß ich leider nicht. Er hat erst damit angefangen als die Priesterin ihm seinen Verstand vernebelt hat und da war ich schon auf der Flucht“. Erschrocken und entsetzt sah ich an und dann auf das weiße Knäuel was von dem Schaukeln des Pferdes in den Schlaf gewiegt wurde. „Wie furchtbar.“ Nathan funkelte ihn derweil an und sah dann wieder bekümmert auf das kleine Tier herunter. „Vielleicht traut sie sich deswegen nicht sich zurück zu verwandeln“, knurrte Nathan und schüttelte mit dem Kopf. „Armes Ding, muss völlig erledigt sein und zerfressen von Angst“, sanft strich er mit dem Handrücken über das plüschige Fell. „Ein weiterer Grund dieses Monster zur Strecke zu bringen“. Dem konnte ich nicht wiedersprechen, doch meine Gedanken rasten um das Ritual und die Priesterin. Was machte sie nur mit den armen Kreaturen. Ja sie waren zwar Feinde, doch auch Feinde konnten friedlich nebeneinander existieren ohne sich gänzlich auszulöschen. Ein schriller Schrei über unseren Köpfen riss mich aus meinen Gedanken und das Gefühl beobachtete zu werden ließ mich nicht mehr los. Als ich nach oben blickte und das erste Mal seit Tagen den Himmel zwischen den Baumkronen hervorblitzen sah, viel mir ein großer weißer Rabe auf. Er schien uns zu verfolgen und seine Kreise über unseren Köpfen zu ziehen. Auch Raziel folgte meinem Blick und runzelte die Stirn bei dem Anblick des seltenen Tieres. „Ein Kundschafter vielleicht?“ fragte ich ihn, doch er schüttelte mit dem Kopf. „Der Lord benutzt keine weißen Raben.“ Doch ihm schien es genauso wenig zu gefallen. Noch bevor wir das Tier weiter betrachten konnten, zog es ab und verschwand in der Ferne. „Wie lange werden wir noch durch diesen Wald reiten müssen?“ fragte ich an Raziel gewandt und ließ meinen Blick über die kahlen Bäume, Steine, moosbewachsene Lichtungen und mit Flachs behangene Büsche schweifen. „Wir sind fast am Rand angekommen. Nur noch ein Tagesritt und dann sollten wir die Hochebene erreichen“, deutete er in Richtung Osten und studierte dabei die Karte. „Ich bin froh, wenn wir wieder freies Feld um uns haben“, seufzte ich beklemmt. „Ich habe das Gefühl nicht mehr atmen zu können, so sehr wie diese Bäume mit dunkler Magie getränkt sind.“ Raziel nickte nur und auch Nathaniel warf mir einen beteuernden Blick zu. „Denkt ihr ihre Familie ist noch am Leben oder das sie noch andere Verwandte hier hat?“ Nathan sah mich schockiert an und dann wieder hinunter auf das Junge. Raziel lachte kurz auf und schüttelte mit dem Kopf. „Ich glaube nicht, dass ihr in dieser Gegend noch einen Lykaner antreffen werdet. Dass wir diese Gruppe hier überhaupt angetroffen haben ist ein Wunder, denn sie sind in den Tiefen Teil des Waldes verborgen, den selbst die Elben meiden. Glaubt mir, sie kann von Glück sprechen, dass wir sie gefunden haben, sonst wäre sie dort verblutet“. „Aber wir können sie doch jetzt nicht einfach mitnehmen? Was wenn sie gesucht wird?“ „Ich werde sie nicht eher hergeben bis sie wieder gesund ist und wir ihre Familie gerettet haben!“ Knurrte Nathaniel und zog das Tier noch enger an seinen Körper. „Nun gut“, lenkte ich ein bevor er sich noch weiter aufwiegelte. So trieben wir unsere Pferde weiter durch das Unterholz.

Während wir uns einen Weg durch den dunklen und kargen Wald suchten, in der Hoffnung endlich weites Land zu sichten, gingen mir die Ereignisse der letzten Stunden nicht aus dem Kopf. Vor allem das was Nathan zugestoßen war. Jetzt wie er auf dem Pferd saß und beschützend eine Hand über das Wolfsjunge hielt, was mittlerweile wiedererwacht war und neugierig die Umgebung begutachtete, würde man nicht denken das ihn eine solche Strapaze gepeinigt hatte. Ich wusste aus eigener Erfahrung das einem ein Fluch sehr viel abverlangte. Einst war ich auf der Suche nach einer Hexe die tief in den Drachenbergen hausen sollte. Der Elbenkönig hatte mich zu derzeit dorthin geschickt um ihm einen Gefallen zu leisten. Es war zu der Zeit wo ich in seiner Lehre stand und ich war unerfahren genug um in die Falle der Hexe zu treten. Heute würde mir das wohl nicht mehr passieren, aber in dem Alter wusste ich es nicht besser. Als das Pentagramm unter meinen Füßen aufgeleuchtet und mich dieser Schmerz gar gelähmt hatte, wusste ich nicht wo mir der Kopf stand. Mein Körper hatte angefangen sich zu verändern und mit einem Mal sah ich die Welt aus den Augen eines Frettchens. Völlig verängstigt und in Panik hatte ich mich mehrere Tage zwischen Steinen versteckt, bis ich mich getraut hatte meine Aufgabe zu bewältigen. Ich kann mich noch genau erinnern wie sehr mein kleines Herz geschlagen hatte und wie beängstigend es war von so vielen Fressfeinden umgeben zu sein. Doch auch ich wusste mich zu wehren und meine tierischen Fähigkeiten zu nutzen. So hatte ich mich unbemerkt in das Haus der Hexe geschlichen und das besorgt was der Elbenkönig von mir verlangt hatte. Im Nachhinein sollte ich der Hexe wohl vermutlich danken, denn ohne ihren Fluch wäre es mir wahrscheinlich nicht so gut ergangen. Die Rückverwandlung im Elbenwald war nicht minder schmerzhaft, doch seitdem sah ich die Welt mit anderen Augen. So wunderte es mich doch sehr das Nathaniel so ruhig und entspannt war, ich weiß noch, dass ich mehrere Wochen gebraucht hatte bis ich wieder bei Sinnen war. Meiner Neugierde endlich zu stillen ritt ich neben den Jäger und musterte ihn von oben bis unten. „Nathaniel was ist euch im Wald geschehen?“ Unterbrochen in seinem Spiel mit dem Jungen sah er mich überrascht an und wurde dann ernst. „Etwas was mich mehr beschämt als das es mich rühmen würde.“ Wandte er seinen Blick ab und starrte vor sich auf den Hals seines Pferdes. „Ihr müsst euch nicht schämen, gegen einen Fluch kommt selbst der mächtigste Magier nicht an“, versuchte ich ihn zu besänftigen. „Nein, nicht bei solch einem. Glaubt mir, hätte ich mich mehr unter Kontrolle gehabt, wäre das alles nicht geschehen“ und ein schmerzlicher Ausdruck in seinem Gesicht verhärtete seine Mimik. Eine Träne rann über seine Wange die er schnell mit seinem Ärmel weg wischte. „Was auch immer ihr gesehen habt, was auch immer euch gesagt wurde“, legte ich eine Hand auf seinen Arm. „Grämt euch nicht, jeder hat eine Schwachstelle und wer auch immer euch das angetan hat war sehr mächtig und kannte die eure“. Damit würde ich es wohl erst einmal darauf beruhen lassen müssen, denn Nathaniel´s Aufmerksamkeit lag wieder voll und ganz auf dem Wolfsjungen. So wie sich gegenseitig neckten und liebkosten und wie all das angefangen hatte, seine erste Reaktion auf dieses kleine plüschige Tier, lies mich nachdenklich werden. Ja das kleine war einfach putzig und auch in mir weckte es einen natürlichen Beschützerinstinkt, doch so sehr fixiert auf ein Lebewesen, war ich bis jetzt nur auf einen gewesen. Mein Blick wanderte nach vorne auf den Rücken des Vampirs und ein wohliger Schauer lief mir den Rücken herunter. Ein breites Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht und dasselbe sah ich auf Nathaniel´s. „Ihr solltet euch schämen“, musste ich kichern als ich den verdutzten Ausdruck in dessen Augen sah. „Wieso?“ „Euch auf ein Wolfsjunges zu prägen“, Raziel der letzteres mitbekommen zu haben schien, drehte sich abrupt auf dem Rücken seines Pferdes um und starrte auf das ungleiche Paar. Dann lachte er lauthals los, so dass sein Pferd einen kleinen Satz nach vorn machte, so sehr hatte es sich erschrocken. „Der Jäger verliebt sich in seine Beute“, „Nein“ stammelte Nathan und wehrte mit einer Hand die Behauptung ab. „Nein nein das versteht ihr falsch“, versuchte er sich zu rechtfertigen, aber ich lächelte ihn nur freundlich an und legte eine Hand auf seinen Arm. „Ihr braucht euch nicht zu rechtfertigen, glaubt mir es trifft immer denjenigen mit dem man am wenigsten rechnet“, konnte ich meinen Blick nicht von Raziel abwenden. „Aber nein, ich habe nicht solch eine Art Gefühle für dieses Junge. Es ist nur…“ versuchte er die richtigen Worte zu finden und stupste die kleine schwarze Nase mit einem Finger an. „ich muss sie beschützen. Dieser Drang, ich kann es nicht unterdrücken. Als würde ich sie schon ein Leben lang kennen.“ Verstummte er nun. „Schämt euch nicht. Es gibt viele Wege jemanden als seinen Vereinten zu haben. Nicht nur als seinen Liebhaber und Partner. Manchmal ist es auch einfach nur wie eine Schwester oder einen Vater“, konnte ich mir das liebevolle Grinsen nicht verkneifen. „Wenn ihr das sagt“, feixte Raziel von vorne und wand sich wieder um. Doch Nathaniel lächelte mich dankend an. Wer konnte ihn besser verstehen als ich und das würde fürs erste wohl reichen.

Stadt der lebenden Toten

Der Schnee hatte nun auch das Tal erreicht. Still und leise schwebten die Schneeflocken aus den grauen Wolken und ließen sich in einer weißen weichen Decke auf das flache Land nieder. Klirrende Kälte hielt das Land in einer winterlichen Starre. Die einzelnen Sonnenstrahlen die sich durch die Wolkendecke kämpfen konnten, ließen das Weiß glitzern wie tausende kleine Diamanten. Knirschend und stapfend suchten unsere Pferde sich einen Weg durch das kniehohe weiße Nass. Klar und eisig schmerzte die Luft bei jedem Atemzug in meinen Lungen. Kleine Wölkchen bildeten sich vor den Nüstern der Pferde und unseren Mündern. Der dunkle Wald lag nun hinter uns und endlich erstreckte sich die weite Ebene bis zum Horizont. Das beklemmende Gefühl hatte nachgelassen und wieder durchatmen zu können erhellte mein Gemüt. Die Pferde galoppierten durch das unberührte Weiß, glitzernder Schnee stob auf und benetzte unsere Kleider. Wie in einem Traum durchritten wir die Landschaft und hielten auf die Klippe zu die uns in das Tal führen würde in der das schwarze Schloss lag. Noch genoss ich es, doch je näher wir dem Abgrund kamen umso mehr wuchs in mir die Panik. Raziel war angespannter denn je, man merkte es ihm an. Seine lockeren Sprüche waren gänzlich abgeklungen und seine Laune verschlechterte sich zusehends. Nathaniel war so sehr mit dem kleinen Wolf beschäftigt das er nichts um sich herum mitbekam. Erst als wir zum Abend hin den schmalen Pfad hinunter in das Tal erreichten, schien er sich wieder umzusehen. Vor unseren Füßen breitete sich am Rand der steilen Hänge ein riesiges Tal aus. Von hier oben hatte man eine unglaubliche Aussicht über das gesamte Land. Im Süden waren am Horizont die Luftschiffe Olinera´s zu erkennen, zum Greifen nahe, doch es würde Wochen dauern bis man die Stadt erreichen würde. Selbst der Wald von Eden war komplett überschaubar und wenn man sich genau anstrengte konnte man im dichten Nebel die glänzenden Kuppeln des Klosters im Osten erkennen. Die Lage war eine strategisch gute Position und ich konnte mir sehr gut vorstellen das genau wegen dieser Tatsache Sorinta hier erbaut wurde.

Den Blick nach unten, am Fuße der Hochebene, lag das schwarze Schloss. Es hatte nicht umsonst diesen furchteinflößenden Namen. Der Stein aus dem es erbaut worden war, vor vielen Jahrhunderten war so pechschwarz, dass sich selbst das Sonnenlicht nicht darin zu spiegeln vermochte. Das mehrstöckige Schloss mit den eckigen Türmen, quadratischen Zinnen und den spitzen Dächern, wirkte wie ein schwarzer Reißzahn der aus dem strahlenden Weiß der Landschaft heraus stach. Aus der Ferne wirkte es wie ein dunkles Loch in dessen Leere man sich verlor. Um das Schloss selbst lag die Stadt Gindrir, eingepfercht hinter hundert Fuß hohen dicken Mauern welchem einen nur ein Tor aus dickem Metall Einlass gewährte. Dunkler dicker Rauch quoll aus den Kaminen der Häuser und selbst hier oben, weit über der Stadt, raubte der Gestank nach Unrat und Verwesung einem den Atem. Ich hatte schon viele Geschichten über diesen Ort und seine Bewohner gehört, die mich derart abschreckten das ich mir geschworen hatte niemals hier her zu reisen. Doch jetzt stand ich vor seinen Toren und alles in mir schrie zu fliehen und so weit weg wie möglich zu verweilen, doch ich hatte eine Aufgabe und die würde ich erfüllen. Die Pferde suchten sich ihren Weg über den schmalen und verschneiten Pfad der uns in das Tal bringen würde. Als es dämmerte suchten wir Unterschlupf unter einem Felsvorsprung der auf Höhe der obersten Turmspitze des Schlosses lag. Das Feuer welches uns knisternd etwas Wärme spendete war das einzige Geräusch was in der Nacht zu vernehmen war. „Es ist so still“, versuchte ich meinem unguten Gefühl Platz zu verschaffen. Raziel seufzte neben mir und starrte auf die spärlich beleuchtete Festung. „Ich war schon an so vielen Orten bei Nacht und niemals war es so still“, mein Unwohlsein war einfach nicht abzuschütteln. „Gindrir ist nicht so wie andere Städte,“ schüttelte er mit dem Kopf. „Ich weiß nicht was ihr bereits über diesen Ort erfahren habt, aber es ist schlimmer als jeder sagt“. „Erzählt mir mehr davon!“ Sah ich ihn nun neugierig an und auch Nathaniel sah erwartungsvoll zu uns herüber. „Glaubt mir, keine Umschreibung kann erzählen wie schlimm das Leid hier ist.“ Wutverzerrt schien er in sich zu gehen. „Ich sollte mich nicht außen vornehmen, ich habe selber in diesem Loch gelebt und das getan wozu diese Menschen hier sind und ich schäme mich dafür. Jeden Tag an dem ich hier leben musste, schäme ich mich dafür, doch wie soll man sonst einen ganzen Vampirhofstaat verpflegen?“ „Grämt euch nicht“, Nathaniel´s warme Stimme versuchte ihn zu trösten, doch der Zwiespalt in seinem Herzen war zu groß als das ihn einfache Worte zum Schweigen brachten. „Ich hätte es aufhalten können, wisst ihr“, schien sein Blick in die Vergangenheit zurück zu schauen. „Wie m eint ihr das?“ fragte ich verwirrt. Mir erschien es seltsam das ein hochkarätiger Oberbefehlshaber die Macht haben sollte eine Revolution aufzuhalten von genau jenem unter dessen Befehl er stand. Verunsichert mied Raziel meinen Blick und rieb sich den Nacken. „Ray, ich muss euch gestehen, ich war nicht ganz ehrlich zu euch“, fing er an. Ihm schien diese Tatsache wirklich Unbehagen zu bereiten und mir war klar, das er immer etwas vor mir verheimlicht hatte. Genau deswegen traf es mich wohl nicht so hart wie ich dachte. „Sprecht!“ befahl ich ihm und sah ihm fest in die Augen. „Diese Reise, ich mache das nicht nur aus Patriotismus und Gerechtigkeit, sondern hauptsächlich um meinen Vater zu rächen“. Langsam setzten sich seine Worte in meinem Kopf zusammen und ich begann das Bild des Vampir´s welches lückenhaft vor mir schwebte, zu vervollständigen und zu verstehen. „Ihr seid es“, hauchte ich. „Ihr seid der Prinz und rechtmäßige König“, Raziel nickte mit einem entschuldigen Lächeln. „Es tut mir leid, dass ich euch dieses Detail verschwiegen habe, aber ich dachte, dass es für euch sicherer wäre, wenn ihr es nicht wüsstet“, „Potz Blitz“, lachte Nathaniel auf, auch wenn es nicht sehr verwundert klang wie es wahrscheinlich klingen sollte. „Und ich habe mich schon gewundert, warum Ameron so versessen auf euch war. Jetzt macht alles Sinn!“ Schüttelte er mit dem Kopf und nahm einen Schluck aus seinem Trinkschlauch. „Verzeiht ihr mir?“ wand sich Raziel wieder an mich. „Ich wusste immer, dass ihr etwas vor mir verbergt, aber das!“ Musste ich schmunzeln. „Ja, ich vergebe euch“, lächelte ich ihn an und bekam ein nicht minder erleichtertes zurück. „Zugegeben war es ganz nett mal normal behandelt zu werden. Obwohl ich euch das ein oder andere Mal für eure Respektlosigkeit gern gerügt hätte“, „Pf“, gab ich ihm zur Antwort. „Selbst jetzt werde ich euch nicht anders behandeln“, lies ich ihn unverfroren wissen. „Doch was habt ihr nun damit gemeint, dass ihr es hättet aufhalten können“, schien Nathan ungeduldig zu werden. Raziel sah ihn beteuernd an und erzählte weiter.

 

 

„Gindrir war nicht immer eine Stadt des Verlustes und des Todes. Einst, als mein Vater noch König war, war sie Umschlagplatzt sämtlicher Güter des Landes. Ganze Horden von Menschen, Zwergen, Elben, Vampiren und anderen Völkern besuchten den großen Markt der vor den Toren des Schlosses täglich stattfand. Es wurden Erze und Edelsteine gegen die feinsten Stoffe und Gewürze aus aller herren Länder getauscht und verkauft. Ganze Viehkarawanen zogen durch die Straßen und Händler feilschten um ihr Gemüse und Lederwaren. Es war ein buntes Treiben und es hatte mir immer Spaß gemacht durch den Trubel zu laufen und neue Dinge zu erkunden.“ Ein Lächeln lag auf seinen Lippen und in seinen Augen lag ein Glanz aus vergangenen Zeiten. Mitleid und Trauer überkamen mich für den hübschen Mann der nun gebeugt und verraten von seinem eigenen Volk wieder zurück in seine Heimat gekommen war. „Als Lord Welish meinen Vater umbrachte und diese schlangenzüngige Priesterin an seine Seite trat veränderte sich einfach alles. Das Tor wurde für immer verschlossen, den Handel gänzlich abgebrochen und die Vampire die bis dahin noch auf die Jagd gegangen waren, hielten die Menschen die nicht fliehen konnten hinter den Stadttoren wie Vieh. Inzucht, Krankheiten und Gewalt breitete sich in den dunklen Gassen Gindrir´s aus, doch das störte Ameron nicht. Ganz im Gegenteil, ihm schien es Spaß zu machen zu sehen wie sich die Menschen gegenseitig vernichteten. Zu der Zeit wusste ich nicht was das für mich bedeuten würde, doch schon bald bildete er mich zu dem aus was ich heute bin, sein bester Kriegsherr und Soldat. Um weiterhin Nahrung zu beschaffen befahl er uns die umliegenden Dörfer anzugreifen, Lords und Herrscher zu unterjochen und sie in seine Dienste zu stellen.“ Bei dem Gedanken wurde seine Stimme immer kälter und distanzierter. „Wie habt ihr herausgefunden das er derjenige war der euren Vater ermordet hat?“ Versuchte ich ihn aus seinen Gedanken zu holen. Er schnaubte spöttisch und nahm einen Schluck aus seinem Trinkschlauch. „Eines Abends kam ich von einer Patrouille wieder zurück ins Schloss und wollte meinen Bericht abgeben, als ich zufällig mitbekam wie Welish und seine Hurenpriesterin mit einander diskutierten. Sie sprachen über Verfehlungen aus der Vergangenheit, seine Frau. Er bat die Priesterin ihm seine Sünde zu vergeben, dass er sie in seiner Wut getötet und damit seinen Erben, seine Zukunft, gänzlich ausgelöscht hatte. Und dass er aus dessen Folge den König umgebracht hatte. Damals verstand ich nicht was mein Vater mit der Frau des Lord´s zu tun hatte, doch ich sprach mit einer der Dienstmädchen und eine von ihnen erzählte mir das mein Vater nicht ganz so treu gegenüber meiner Mutter war.“ Wieder trat Trauer in seinen Blick und ich versuchte in meinem Kopf all das zu verarbeiten. „Das tut mir sehr leid für euch.“ „Das muss es nicht“, riss er sich wieder zusammen und sah mich ernst an. „Ich kannte meinen Vater, er war ein gerechter Herrscher, aber auch ein Lustmolch. Er schwängerte nicht nur meine Mutter, sondern auch noch eine Menschenfrau die aus einer Jägerfamilie zu kommen schien. Anscheint ist Lord Welish´s Gattin auch zu ihm gekommen um schwanger zu werden, da der Lord selbst unfruchtbar war. An dem Abend wie er erfuhr das der König mit seiner Frau geschlafen hatte, brachte er sie beide um ohne, dass sie ihm vorher sagen konnte das sie doch von ihm schwanger war.“ „Das ist ja furchtbar“, schlug ich meine Hand vor den Mund und starrte den Vampir an. „Und wo ist das andere Kind, dein Halbbruder?“ „Das weiß ich nicht, die Hofdame konnte mir nichts weiter dazu sagen, nur das er regelmäßig des Nachts verschwand und am Morgen wiederkam und ein menschlicher Geruch an ihm haftete. Zu der Zeit gab es noch viele Jägerfamilien, wer weiß wohin er gegangen ist“, seufzte er und hob abwehrend die Hand.

Nathaniel hatte wortlos Raziel´s Erzählung gelauscht und sah ihn stumm an. Das Wolfsjunge lag in seinem Schoß und kaute auf etwas Trockenfleisch herum. „Grämt euch nicht Raziel, die Verfehlungen eures Vaters sollen nicht die Eure werden.“ Raziel sah ihn verwundert an, nickte dann aber nur. „Eine wirklich traurige Geschichte. Das aus Liebe, Hass und Schmerz entstehen musste und dass die Menschen in Gindrir darunter leiden müssen.“ Es war wirklich traurig und je mehr ich von der Vergangenheit des Lord´s erfuhr, umso mehr hatte ich Mitleid mit ihm. „Von meiner Familie sind nur noch ich und mein unbekannter Halbbruder übrig.“ Straffte Raziel seine Schultern und sah mich an. „Was ist mit deiner Mutter und der Menschenfrau geschehen?“ „Er hat sie beide umgebracht!“ Raunte der Vampir und starrte mir in die Augen. „Er hat sie beide vor den Augen aller lebendig verbrannt“, „Und das Kind?“ konnte ich meine Frage nur noch flüstern so sehr traf mich sein Schicksal. „Man hat es nie gefunden. Es heißt es und seine anderen Verwandten seien in einer Nacht und Nebelaktion verschwunden und haben sich woanders niedergelassen“. Nachdenklich wandte ich meinen Blick ab und schweifte über Nathaniel´s Gesicht. Unergründlich starrte er Raziel an, was mich doch etwas verwunderte. „Sir Imetra, wie lange gedenken sie mir noch Löcher in den Rücken zu starren?“ Knurrte der Vampir ihn an, doch Nathan setzte sofort wieder sein charmantes Lächeln auf und neigte seinen Kopf verlegen. „Es tut mir leid, ich habe eure Geschichte nur Revue passieren lassen und mir die Frage gestellt, warum ihr euch nie auf die Suche nach eurem Halbbruder gemacht habt?“ „Dazu hatte ich bisweilen keine Zeit. Nachdem ich erfahren hatte was der Lord meinem Vater angetan hatte, bin ich nach einem gescheiterten Mordversuch direkt in den Eryn geflohen, in der Hoffnung das mich dort niemand suchen würde. Dort fing unsere Geschichte an“, sein Blick lag unergründlich auf meinem Gesicht und ich meine etwas Weiches in seinen Zügen zu erkennen. „Nun, wenn wir das Ganze hier überleben werde ich euch helfen ihn zu finden“, reichte ihm Nathaniel seine Hand, die Raziel dankend annahm. „Es wäre mir eine Ehre“, nahm er dankend das Angebot an. „Wir sollten uns nichtsdestotrotz einen Plan einfallen lassen wie wir ungesehen in die Stadt und in das Schloss gelangen. Schließlich werden sie uns wohl nicht einfach so rein lassen und uns willkommen heißen“, „Zumal sie uns wahrscheinlich schon erwarten“, warf ich meine Gedanken noch mit ein. „Wie meint ihr das?“ fragte Nathaniel. „Sie hat Recht, der Lord hat seine Spitzel überall“, „Und ich denke das der weiße Rabe einer von ihnen ist, nun ja eher von der Priesterin.“ Die beiden Männer sahen mich bewundernd an. „Was ist?“ „Ihr verblüfft mich immer wieder“ scherzte Raziel und ich funkelte ihn beleidigt an. „Ich bin nicht einfach so hier, ich habe euch schon öfters den Hintern gerettet als euch vielleicht lieb ist“. Nun musste auch Nathaniel lachen. „Da habt ihr wohl Recht. Na gut, wie gehen wir am besten vor?“ Etwas milde gestimmt, lauschte ich dem was Raziel uns über die Schlossanlage erzählte und wir schmiedeten einen Plan.         

Dumpf verschluckte der Schnee die Schritte unserer ledernen Stiefel. Wie Schatten huschten wir an der Stadtmauer entlang zu dem kleinen Gitter aus dem Abwasser und Fäkalien in den nahegelegenen Fluss floss. Die Pferde gut versteckt in einer abgelegenen unbenutzten Scheune, würden wir ungesehen hinter die hundert Fuß hohe grobe Mauer gelangen. Raziel hatte die einzige Schwachstelle des riesigen Bollwerks ausgemacht und mit einem kräftigen Ruck das Gitter aus seiner Verankerung gerissen. Niemand würde auch nur den Gedanken hegen durch dieses stinkende und ekelige Loch zu klettern, welches in das Innere der Stadt führte. Das braune und dampfende Wasser floss knöcheltief um unsere Stiefel und man musste aufpassen nicht in der matschigen und rutschigen Masse auszurutschen. Die Luft anhaltend und den Würgereiz unterdrückend eilte ich gebückt hinter dem Vampir hinterher der uns den Weg durch das Labyrinth der Abwasserkanäle führte. Unsere Schritte und das glucksende Geräusch des Wassers, hallten hell in dem kleinen Runden Tunnel wider. Ich hoffte inständig, dass wir bald wieder an die Oberfläche kommen würden, denn dem was uns im Schein unserer Fackeln entgegen gekrochen oder geschwommen kam, wollte ich nicht weiter ausgesetzt sein. „Ist das erniedrigend“, keuchte Nathaniel hinter mir und drückte sich sein weißes Taschentuch noch fester auf Mund und Nase, in der Hoffnung den Gestank so fern zu halten. Das Wolfsjunge gut in seinen Mantel gehüllt vor der Brust tragend, lief er noch vorsichtiger durch das Abwasser. Eigentlich hatte ich darauf plädiert es bei den Pferden zu lassen. Dort hätte es warm gehabt und seine Wunden waren auch soweit versorgt, dass es überleben konnte. Doch Nathaniel wollte es partout nicht alleine lassen und so hatte er es, auf sein Risiko hin, mitgenommen. „Einen anderen Weg hinein gibt es nicht“, knurrte Raziel ihm von vorne zu und richtete sich auf, nachdem wir aus dem engen Tunnel geklettert waren. Er reichte mir seine Hand und ich nahm sie dankend an. In seinem Blick blitzte kurz ein Anflug von Sorge auf, doch dieser war innerhalb eines Wimpernschlages verschwunden. Nathaniel musste ohne seine Hilfe auskommen, doch er war stets darauf bedacht, dass es dem Jungtier gut ging. Seitdem es bei uns war, hatte es nicht einmal Anstalten gemacht sich zurück zu verwandeln, so verschreckt schien es zu sein. Nathaniel schien es dennoch zu vertrauen.

Unsere Fackeln erleuchteten ein riesiges unterirdisches Tunnelgewölbe welches von unzähligen Pfeilern gestützt wurde und die ganze Stadt zu halten schien. Hier gab es auch endlich gepflasterte Wege die die Kanäle in ihre bestimmten Bahnen lenkten. Endlich wieder trockenen Fußes versuchte ich das Gewölbe so weit wie möglich zu erleuchten, doch dafür war das Gebilde einfach zu groß. „Wie weit gehen diese Tunnel?“ flüsterte ich leise um dem Echo ein wenig entgegen zu wirken, erfolglos. Raziel´s ernster Blick streifte abschätzend umher und wand sich dann wieder uns zu. „Sie untergraben die gesamte Stadt. Wenn man diese gänzlich vernichten wollte, müsste man nur die Pfeiler sprengen und sie würde in sich zusammenfallen wie ein Kartenhaus“. „Halten wir uns einfach an den Plan. Die Zerstörung der Stadt können wir gern ein anderes Mal überdenken“, flüsterte Nathaniel neben mir und sah Raziel spöttisch an. Dieser schnaubte nur und warf ihm einen amüsierten Blick zu. „Nun gut wir müssen weiter in das Zentrum. Es führt nur ein Weg zum Schloss und dieser ist gut bewacht. Solange wir noch in den unteren Salinen bleiben, sollte uns nichts geschehen. Erst wenn es in die Kerker geht müssen wir aufpassen. Bleibt dicht an mir dran, hier unten hat sich schon so mancher verlaufen und ist nie wieder ans Tageslicht gelangt“. Damit wand er sich zum Gehen und wir folgten ihm auf Schritt und Tritt. Er würde Recht behalten. So viele Abzweigungen, Tunnel, Gänge und Biegungen, ohne Raziel würden wir den Überblick verlieren. „Wie kommt es, dass ihr euch so gut hier unten auskennt?“ fragte ich dann doch neugierig um mich etwas von dem Gestank abzulenken und dem erdrückenden Hallen der Steinwände. Ohne den Blick abzuwenden schnaubte er kurz und flüsterte: „Wo denkt ihr habe ich mich wohl versteckt, wenn der Lord mich für seine Zwecke missbrauchen wollte, nachdem mein Vater tot war?!“ Bilder wie der junge Vampir sich angsterfüllt in den stinkenden und dunklen Tunneln versteckte und diese aus Angst erkundete um den feindseligen Klauen des Lord´s zu entkommen, tauchten in meinem Geist auf. Er tat mir leid und es schürte den Hass auf den Verräter der nun den Thron bewachte. Ein schriller Aufschrei aus den tiefen eines Tunnels hinter uns hallte durch das Steingewölbe und ließ selbst Raziel erstarren. „Was war das?“ hauchte ich nur und versuchte die aufsteigende Panik zu unterdrücken. „Ich habe nie gesagt das ich alleine hier unten war“, raunte er und sah sich kurz um. „Hier hinein“, flüsterte er leise und deutete eilig auf eine versteckte Nische im Gestein, in die wir uns zu dritt quetschten. Die Fackeln löschte er und wir standen in völliger Dunkelheit. Ohne auch nur einen Mucks zu machen lauschten wir in die leere Finsternis. Selbst das Wolfsjunge schien die Anspannung zu spüren und lies von seinem zeitlichen Quietschen und Jammern ab. Tropfendes Wasser auf Stein und das leise Gluckern der Kanäle störten die völlige Ruhe. Der Schrei der mir durch Mark und Bein gegangen war, war gänzlich verklungen und hallte in meinen Ohren noch nach. Einige Sekunden vergingen ohne, dass etwas Weiteres zu hören war und ich wollte schon aufatmen, als ein paar rote Augen direkt vor uns aufleuchteten. Vor Schreck hätte ich fast aufgeschrien, doch Raziel schlug mir regelrecht seine Hand vor den Mund und hielt mich in seinen Armen fest, so dass ich mich keinen bisschen mehr bewegen konnte. Die Augen schienen immer näher zu kommen und das schwere Atmen so wie schmatzende schnelle Schritte kamen direkt auf uns zu. Alles in mir schrie weg zu laufen, um mein Leben zu rennen, doch der Vampir hielt mich fest. Meine tiefsitzende und ureigene Angst drohte sich durch meine Selbstbeherrschung bahn zu brechen. Der Verstand völlig lahmgelegt und mit rasendem Herzen, drohte ich keine Luft mehr zu bekommen. Angespannt starrte ich regelrecht unserem Tod entgegen und wartete das etwas passierte, doch direkt vor unserer Nische blieb das Wesen stehen. Die riesigen roten Augen schienen direkt vor unseren Gesichtern zu schweben und stinkender fauliger Atem schlug mir entgegen. Innerlich betete ich das es uns nicht finden möge und baute fast instinktiv eine magische Schutzmauer vor uns auf. Es kribbelte an meinem ganzen Körper als ich die Energie frei ließ. In meinem Geist murmelte ich, wie ein Mantra, eine Formel die ich aus dem blauen Buch auswendig gelernt hatte. Durch die übertragende Willensstärke und dem Mut Raziel´s, konnte ich die Panik etwas unterdrücken. Ich konnte seine Stärke regelrecht in mich einfließen spüren, dennoch blieb ich ein Nervenbündel. Schnaufend und witternd schien es uns zwar gehört und auch gerochen zu haben, doch Anscheind wirkte meine instinktive Magie und es schien uns nicht zu finden. Die Panik unterdrückend versuchte ich mich in Raziel´s Umarmung zu beruhigen, doch zu wissen das in der Dunkelheit etwas lauert, welches uns definitiv töten möchte, lies meine Fantasie völlig verrücktspielen. Mit rasendem Herzen warteten wir ab was das Wesen als Nächstes tun würde. Der plötzliche Schrei ließ mich zusammenzucken. Ohrenbetäubend schrill, als stamme es nicht von dieser Welt, lief es frustriert zurück in die schwarze Finsternis, woher es gekommen zu sein schien. Für einen Moment standen wir noch, in Starre versetzt, in dieser kleinen Nische in der Dunkelheit. Es blieb still und als der Vampir seine Hand von meinem Mund nahm, versuchte ich durchzuatmen und meine Panik wieder herunter zu schlucken. „Was war das?“ waren meine Worte nur ein Hauchen in der Dunkelheit. Das plötzliche Licht einer Fackel an meiner Seite brannte förmlich in meinen Augen. Nathaniel trat als erster aus unserem Versteck und beleuchtete den Tunnel. „Was auch immer es war, es ist verschwunden“, raunte er während sein stechender Blick die Mauern und Pfeiler absuchte. Raziel hielt mich noch für einen Moment fest. Meine Knie waren weich und ich war einer Ohnmacht nahe. „Das war einer derer die in die Kanalisation verbannt wurden. Jene die gegen das Gesetzt verstießen oder das Leben des Lord´s auf dem Gewissen haben. Glaubt mir diese Kreaturen sind nicht die schlimmsten die hier unten lauern“, Raziel´s Stimme klang besorgt. „Könnt ihr weiter gehen?“ Seine Sorge um mich war rührend und mein Herz erwärmte sich bei seinen Worten, doch mehr als nur ein leichtes Nicken bekam ich nicht zustande. „Wenn ihr denkt das ihr der Aufgabe nicht gewachsen seid…“, fing er vorsichtig an, doch ich riss mich sofort aus seiner Umarmung und trat an Nathaniel´s Seite. „Ich habe euch geschworen euch zu helfen und egal welches Unheil auf uns wartet, ich werde meinen Schwur nicht brechen“, giftete ich ihn regelrecht an. Ein fieses Grinsen legte sich auf seine Lippen und er nickte. „Etwas anderes hätte ich von euch auch nicht erwartet“, damit kam auch er aus dem Versteck und ging abermals voraus.

 

Es fühlte sich an als würden wir tagelang durch die immer gleich aussehenden Gänge und Tunnel laufen. Hin und wieder waren weitere merkwürdige Geräusche und Schreie zu hören, doch Raziel schien diese geschickt zu umgehen, so dass wir keinen weiteren Vorfall mehr zu befürchten hatten. Einen weiteren hätte ich wahrscheinlich auch nicht überstanden. Nervlich angespannt und vor den kleinsten Schatten erschreckend huschte mein Blick über jeden Stein und jede Wasserbewegung. Ich war es nicht gewohnt so schreckhaft zu sein, doch die Strapazen der letzten Wochen waren zu viel. Nathaniel dagegen schien relativ entspannt zu sein, was mich dann doch etwas irritierte. Er strahlte eine Ruhe und Gewissheit aus, die im Gegensatz zu seinem leicht schuldbewussten Blick standen. Doch bevor ich mich über das seltsame Verhalten weiter wundern konnte, tat sich nach der nächsten Biegung eine steinerne schmale Treppe auf die nach oben zu führen schien. Mein Herz machte einen freudigen Hüpfer, doch Raziel bat uns leise zu sein und schlich vorsichtig voraus. Oben angekommen, versperrte uns eine eiserne Tür das weitere Vorankommen. „Mist“, fluchte der Vampir und zog vorsichtig an dem Riegel, der sich jedoch keinen Deut rührte. „Was ist los?“ fragte ich leise und versuchte an ihm vorbei zu blicken. „Die Tür ist verschlossen. Die war beim letzten Mal noch nicht da“, fluchte er und versuchte mit seinem Schwert das Schloss aufzuhebeln. „Das bringt nichts.“ Quetschte ich mich an der Mauer entlang an ihm vorbei. Ich musste ein paar Mal durchatmen um mich zu sammeln um meine innere Mitte zu finden und den Zauber zu wirken. „Panta“, es war nur ein Hauchen, aber der Riegel gab knackend nach und ließ sich nun mit Leichtigkeit hochschieben. „Nach euch“, atmete ich erleichtert auf und macht Raziel platzt der anerkennend nickte. Der Gang in dem wir nun standen war schmal und mit ein paar wenigen Fackeln an den Wänden beleuchtet. Die Luft war deutlich kühler und der üble Gestank nach Fäkalien war längst nicht mehr so ätzend und gar fast verschwunden. Die Tür schloss ich mit einem „Holya“ und wir gingen leisen Schrittes durch den ansteigenden langen Flur. Das stetige Tropfen von Wasser und das Glucksen der Kanäle war völlig verstummt und machte einer erdrückenden Stille platzt. Unsere Schritte hallten nun nicht mehr von den Wänden und es war einfach still und leise voran zu kommen. Als der Gang einen Knick machte und der Blick auf einen riesigen Weinkeller frei gab, hielt Raziel an und sah sich musternd um. Niemand war zu sehen, weder eine Wache noch Bedienstete die Nachschub für den Hofstaat holten. Tiefe Falten bildeten sich auf seiner Stirn, so dass ich selbst nervös wurde. „Was stört euch?“ konnte ich meine Frage nicht unterdrücken und beobachtete das Gesicht des Vampires. „Die Wachen patrouillieren hier immer. Es wäre eine Unzumutbarkeit sie gerade hier abzuziehen, wo doch der Kerker auf derselben Ebene liegt“. Fluchend wand er sich wieder zu uns und lehnte sich an die grob behauende Steinmauer. „Denkt ihr das ist eine Falle und sie wissen das wir kommen?“ Mein Blick wanderte direkt zu Nathaniel der einen Schritt hinter uns stand und uns zu beobachten schien. Plötzlich wurde mir ganz heiß und kalt und ein Verdacht durchzuckte meine Gedanken. Noch bevor ich etwas sagen konnte, waren schwere Schritte zu hören die schnell auf uns zu kamen. Fluchend griff Raziel nach meiner Hand und rannte den Gang weiter hinunter, weg von den herannahenden Schritten. Nathaniel folgte direkt hinter uns. Aber egal in welche Richtung wir liefen und wir uns zu versuchten verstecken, die Schritte kamen immer näher und schienen uns einzukreisen. Als wir eine breite Treppe hinaufrannten, wurden wir am Treppenaufsatz von einem Trupp Soldaten in schwarzer Rüstung aufgehalten. Abrupt blieben wir stehen und wollten wieder zurück, doch von da funkelten uns blank polierte Pieken entgegen. „Der Lord erwartet euch schon bereits, Prinz Raziel. Bitte folgt mir eure Hoheit“, die Stimme hinter dem Visier, war kühl und duldete keinen Widerspruch. Einen Arm beschützend vor mich haltend, knurrte Raziel den Soldaten an, straffte dann aber seine Schultern und folgte diesem ergeben.

Flankiert von gut zwanzig Soldaten wurden wir aus dem Keller hinaufgeführt. „Was geschieht nun mit uns?“ Konnte ich meine zitternde Stimme nicht verbergen. Raziel starrte geradeaus und schien sich für das was kommen mag innerlich zu wappnen. „Das was dem Lord gerade in den Sinn kommt. Wahrscheinlich wird er uns töten“, musste ich bei seinem letzten Satz schlucken und betete inständig, dass er ausnahmsweise nicht Recht behalten würde. Die Soldaten führten uns durch verschlungene Gänge mit samtenen Läufern, überlebensgroßen Portraits in goldenen verschnörkelten Rahmen und riesigen Kronleuchtern an den hohen Decken. Je weiter wir kamen und je höher es in die Burg hinauf ging, umso prunkvoller und edler wurden Mobiliar und Bedienstete. Neben den spitzzulaufenden Türen und Durchgängen gab es aber keine weiteren Fenster oder Außenplätze. Als wäre man in einer gänzlich anderen Welt, durch dicke schwarze Mauern abgeschottet von den restlichen Lebenden. Es war erdrückend und ich konnte wirklich gut verstehen, warum Raziel von hier verschwunden war. Die Vampire die uns begegneten sahen uns mit spöttischen Blicken hinterher und tuschelten, wenn wir an ihnen vorbei gingen. Mit glühenden roten Augen schienen sie mich zu mustern. So gefangen und in die Enge getrieben zwischen all diesen Vampiren und mit der Aussicht bald zu sterben, verließen mich meine Nerven und pure Angst stieg in mir auf. Raziel schien meine Panik zu spüren und griff instinktiv nach meiner Hand. Überrascht von seiner Berührung und dem warmen Druck den er ausübte, starrte ich ihn regelrecht an. Ein leichtes Lächeln huschte über seine Lippen, als er zu mir sprach. „Habt keine Angst. Ich bin an eurer Seite, egal was geschieht, ich passe auf euch auf“. Eine Träne rann meine Wange hinunter und ich konnte nicht anders als seinen Händedruck zu erwidern.

 

Nathaniel blieb ungewöhnlich still, wie er so hinter uns herlief und ich hatte eher das Gefühl als würde er uns begleiten, als dass er selbst zum Schafott geführt wurde. Plötzlich blieben die Soldaten vor einer doppelflügigen Tür stehen. Zwei Wachposten die in edlen Gewändern davor standen musterten uns kurz und öffneten dann synchron die schweren Flügel. Ohne auch nur ein einziges Geräusch glitten sie auseinander und ließen Blick auf eine riesige Halle frei. Haushohe Decken in denen man Wolken vermuten würde, riesige eckige Säulen aus schwarzem Marmor, anstelle von Fenstern riesige Gemälde die ehemalige Könige zu zeigen schienen und vor Kopf ein, auf einem Podest stehenden, Thron aus dunkler Bronze. Die verzierte hohe Rückenlehne wies wie ein Pfeil gen Himmel. Auf dem blutroten Samtpolster thronte ein Vampir, dessen Aura allein einen schon in die Flucht schlug. Seine Augen leuchteten, obwohl sie tief schwarz waren und standen im krassen Kontrast zu seinen weißen Haaren. In seinem weiten Mantel mit dem spitzen Kragen und dem üppigen Hemd wirkte er elegant und edel. An seinen klauenartigen Händen funkelten schwere edelsteinbesetzte Ringe und zeugten von seinem Reichtum. Doch das auffälligste was mir direkt ins Auge fiel, war ein Amulett welches an einer silbernen Kette um seinen Hals hing. In einer Brosche eingefasst war ein blutroter Stein dessen Farbe zu irisieren schien. An sich war das Schmuckstück relativ schlicht, kein großartiger Schliff wie bei einem Diamanten und die Brosche selber sah auch eher grobbehauen aus. Doch von ihm ging eine dunkle und finstere Energie aus die mich frösteln ließ. Während wir weiter auf den Lord zugeführt wurden, viel mir erst bei näherem Betrachten die Frau an seiner Seite auf. Ihr Antlitz war nicht sehr sehenswert und sie schien sich gern im Hintergrund zu halten, dennoch entging sie mir nicht. Sie war gänzlich kahlgeschoren und auf ihrer weißen Haut schillerten silberne Runen und andere Symbole. Ihre gräuliche einfache Kutte war Zeuge ihres einfachen Daseins, dennoch strahlte auch sie dieselbe finstere Energie aus wie der Stein. Ihr Blick schien gelangweilt über uns hinweg zu schweifen und blieb abrupt an meinem Gesicht hängen. Neugierde keimte in ihm auf und sie schien mich nun eingehender zu mustern. Als hätte sie mich erwartet, warf sie mir ein Lächeln zu und lehnte sich dann zu dem imposanten Vampir herüber um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Dieser ließ seinen Blick wach und stechend über uns schweifen und fing den meinen ein. Wie hypnotisiert konnte ich meinen Blick nicht von den seinen Abwenden und versuchte mein Gefühlschaos unter Kontrolle zu bringen, welches er in mir verursachte. Raziel drückte meine Hand noch fester. Auch wenn der Lord diese Bewegung unmöglich gesehen haben konnte, sah er den Vampir neben mir direkt an und ein spöttisches kaltes Grinsen formte sich auf seinen Lippen.

„Prinz Raziel“, erhob er sich in einer fließenden Bewegung von seinem Thron und kam die wenigen Stufen zu uns herunter auf uns zu, als wir stehen blieben und sich die Soldaten vor uns teilten um ihrem Herren Platz zu machen. „Es freut mich sehr euch endlich wieder zu sehen!“ Schien er es wirklich aufrichtig zu meinen, doch eine Spur Sarkasmus war nicht gänzlich zu überhören. „Lord Welish, ihr habt euch kein Stück verändert“, antwortete Raziel ihm mit gespielter Höflichkeit und funkelte den anderen Vampir an, der nun direkt vor ihm stand. Das Raziel ihn nicht mit König angesprochen hatte, ließ sein Lächeln kurz verrutschten und Wut funkelte in seinen schwarzen Augen auf, als er eine Hand auf die Schulter Raziel´s legte und ihn von mir wegführte. „Kommt und seht euch euren Thron an.“ Raziel folgte ihm widerwillig und angespannt. Als er meine Hand losließ, überflutete mich erneut Panik und Hoffnungslosigkeit. Seiner Wärme entsagt, füllte Kälte und Resignation das klaffende Loch. „Ist er nicht wunderschön?“ fragte der Lord ehrlich an Raziel gewandt, der seine Kiefer aufeinanderpresste und auf das Wesentliche wartete. „Was wollt ihr?“ knurrte er ihn an und ließ den Blick ab von dem pompösen Königsstuhl. „Dasselbe könnte ich euch fragen“, rief Welish gespielt empört in die Stille die nun entstanden war. Seine Worte hallten durch den riesigen Saal und verloren sich zwischen den Säulen. „Seid ihr es nicht die in unsere schöne Stadt eingebrochen seid und sich wie Meuchelmörder durch die Gedärme meines Reiches gekämpft habt, still und heimlich.“ Seine Worte wurden immer lauter und seine Empörung wandelte sich in Wut. Er stand mit ausgebreiteten Armen vor ihm und starrte ihn funkelnd an. „Euer Reich?“ fauchte Raziel zurück und trat einen Schritt auf den anderen Vampir zu, so dass sie nur noch wenig voneinander trennte. „Ihr wisst ganz genau, dass das nicht euer Reich ist. Ihr haltet mir nur den Thron warm bis ich mein Recht einfordere meines Vaters Nachfolge anzutreten!“ Wutverzerrt starrte Welish Raziel an und spie ihm zur Antwort: „Euer Vater war ein lüsterner Hurenbock. Glaubt mir, ihr werdet demselben Schicksal folgen wie das eures Vaters“, ein hämisches Lächeln umspielte nun seine Lippen. „Woher habt ihr gewusst das wir kommen?“ das Lächeln wurde breiter und sein Blick wanderte über seinen Kopf hinweg zu mir herüber. „Denkt ihr etwa, dass die Soldaten die ich schickte die einzigen waren die euch zu mir bringen sollten?“ Raziel´s Blick folgte dem des Lords und blieb erst an mir hängen. Panik überkam mich, doch dieses Mal lag es daran wie er mich ansah. Verzweifelt schüttelte ich mit dem Kopf und wollte schon meine Unschuld beteuern, als Nathaniel an meine Seite trat und ihm mit eiskaltem Blick begegnete. „Sir Imetra, der letzte ehrenwerte Jäger des Imetra Clans“, wank Welish den blonden Mann an seine Seite und dieser folgte sofort seiner Einladung. „Nathaniel, das ist nicht euer Ernst. Wie konntet ihr nur? Ich habe euer Leben gerettet!“ Fand ich meine Sprache wieder und wollte ihm hinterher gehen, wurde aber direkt von einem Soldaten am Arm zurückgehalten. Nathaniel würdigte mich keines Blickes und trat vor Lord Welish, den kleinen Wolf winselnd im Arm haltend. „Habt ihr wirklich gedacht das er einem Vampir jemals vertrauen würde?“ sagte Welish an Raziel gewandt, der Nathaniel ungläubig und tief enttäuscht anstarrte. „Ich habe meine Aufgabe erledigt, gebt mir mein Gold damit ich endlich wieder Heim kehren kann!“ Nathaniel´s Stimme war kalt und emotionslos. „Na na mein Freund, bleibt doch noch einen Moment. Ihr verpasst doch noch das Beste“, legte Welish nun Nathaniel seine Hand auf die Schulter. „Wie oft kommt es schon vor das ein Vampirkönig einen Jäger als seinen Gast in seinem Schloss begrüßen darf.“ Nathaniel schien uneins zu sein, konnte der Bitte aber nicht entgegentreten und nickte nur ergeben, ohne Raziel auch nur einmal anzusehen. Wut kochte ich mir auf: „Ihr Verräter“, schrie ich ihn mit tränenverschleierten Augen an. „Für euch hat sich Alvitur geopfert. Er hat an euch geglaubt, ich habe an euch geglaubt.“ Frustriert starrte ich den blonden Mann an, der mir so viel Leid antat, obwohl wir so vieles durchgestanden hatten. Dieser sah mich mit leeren Augen an und schüttelte mit einem abwertenden Lächeln seinen Kopf. „Armes kleines Ding, kann nicht mal erkennen, wenn man ihr etwas vorspielt. Nicht war Raziel?!“ Seine Bemerkung traf mich hart und als ich in Raziel´s Augen sah schien mein Herz in tausend Teile zu zerspringen. Was sagte er da? Mein Verstand versuchte das Gesagte zu verarbeiten. „Ray zu anfangs mag es vielleicht so gewesen sein, aber…“ „Schluss jetzt mit dieser Gefühlsduselei“, rief Welish genervt dazwischen. „Legt den Prinz in Fesseln und bringt die Magierin in den Kerker!“ Wie ermattet ließ ich mich von den Soldaten fesseln und abführen, als ich nur noch am Rande mitbekam wie Raziel sich wie ein Tier wehrte und versuchte zu mir zu kommen. Die Zeile in dem kleinen grünen Buch, über die Aura und Fähigkeiten der Vampire auf Menschen, brannte sich jetzt wieder in meinen Gedanken fest. Durch unser Band versuchte er mich zu erreichen, doch ich blockte ihn wehemend ab. Ich wollte seine Lügen nicht hören, seinen süßen Worten nicht abermals verfallen. Es tat einfach zu sehr weh, der Schmerz, schlimmer als jeder Schnitt und jeder Hieb. Die Priesterin lächelte mir mitleidig zu und wand sich zum Gehen. Das letzte was ich sah bevor sie mich aus der Halle abführten war der Vampir, an dem ich mein Herz verlor, wie er in Ketten gelegt und auf die Knie gezwungen und mit gesenktem Kopf auf dem Boden kniete.

 

Bestimmungen

 Wie betäubt ließ ich mich durch die Flure und Hallen schleifen. Es war mir egal was nun mit mir geschehen würde. Mein Kopf war leer, die einzige Frage die mich umtrieb war: Warum? Nach allem was wir durchgestanden hatten, warum verriet er mich? Tränen rannen mir stumm über die Wangen, doch ich spürte sie nicht auf meiner Haut. Tiefe Trauer umklammerte mein Herz wie eine eiserne Schlinge. Für einen Moment ließ ich alles Revue passieren, von dem Moment an als wir uns begegneten und die Reise die wir danach zusammen antraten. Das Band welches uns von Anfang an verbunden hatte und durch unsere Vereinigung verstärkt worden war. Ich konnte spüren, dass er die ganze Zeit versuchte zu mir durchzudringen, doch ich traute mich nicht meine Blockade zu lösen, zu viel Angst vor dem was er mir vielleicht noch antun würde. Ein Schrei riss mich aus meinen Gedanken und für einen kurzen Moment konnte ich einen Blick auf einen hell erleuchteten kleinen Innenhof werfen. Verwundert das etwas Schönes in dieser Welt aus schwarzem Gestein und schweren Stoffen überhaupt überlebt, saugte ich den Anblick der weißen Weide auf die mitten in einem kleinen grünen Garten stand. In ihren Ästen saß ein weißer Rabe und sah mir verstohlen hinterher. Der Baum hatte etwas Reines, magisches und leuchtete wie ein Hoffnungsschimmer in der Dunkelheit. Doch bevor ich ihn weiter bewundern konnte, schoben sich wieder die schweren Mauern vor mein Sichtfeld und ich wurde in die Tiefen der Burg geführt. Ich hatte längst die Orientierung verloren und fand mich schon bald in einem langen schmalen Tunnel wieder in dessen Wände kleine Zellen gehauen worden waren. Dicke eiserne Gitterstäbe verhinderten ein ausbrechen. Als die Soldaten den Raum betraten erklang aus jeder Zelle ein Wimmern und Klagen. Meine Blicke erhaschten Menschen, nein Lykaner, teils verwandelt und teils in menschlicher Gestalt. Manche sahen mich stumm und abwesend mit ihren gelben Augen an, andere, gerade die kleinen, weinten und klammerten sich an ihre Verwandten. Doch vielen Stand der Kampfgeist noch ins Gesicht geschrieben. Egal ob Mann oder Frau, Kind oder Greise, sie wurden eingepfercht wie Vieh. Sie stießen mich in eine leere Zelle und ohne ein weiteres Wort zu verlieren schlossen sie die Tür und überließen mich mir selbst. Weinend brach ich an eine Wand gelehnt zusammen und rollte mich wie ein verwundetes Tier ein. Ich wusste ich sollte nicht weinen und nicht klagen, andere hatten es deutlich schlimmer, nach ihrer Kleidung und den Wunden zu urteilen, den abgemagerten Körpern, doch mein Körper verlangte danach und dem kam ich gerne nach. Das Gefühl als hätte man mir etwas entrissen und ein riesiges Loch hinterlassen, vereinnahmte mich so sehr, dass ich die Stimme zuerst nicht war nahm. „Nicht weinen!“ drang die sanfte Frauenstimme langsam zu mir durch. Ich blickte auf und sah in graue sanfte Augen die mich von der anderen Seite des Ganges durch Gitterstäbe anblickten. Erst nachdem ich meine tränenverschleierten Augen getrocknet hatte, konnte ich das dazugehörige Gesicht erkennen. Eine ältere Frau mit zusammengengebundenen weißen Haaren lächelte mir freundlich zu. Schluchzend versuchte ich ihrer Bitte nachzukommen und es gelang mir auch. „Na siehst du mein Kind, es gibt doch nichts Schlimmeres als ein verweintes Gesicht. Wie heißt ihr?“ Unter schniefen und mit belegter Stimme zwang ich mich der Frau zu antworten. „Ray…mein Name ist Ray“, „Schön dich kennen zu lernen Lady Ray. Sagt was macht ihr an diesem unwirklichen Ort?“ Allein bei dem Gedanken in welchem Schlammassel ich nun steckte, füllten sich meine Augen wieder mit Tränen, doch ich riss mich zusammen. „Der Prinz und ich wollten den Lord stürzen, doch wir wurden von unserem Gefährten verraten“, überkam mich eine Welle der Wut, als ich daran dachte was mir Nathaniel angetan hatte. „Ja, sowas passiert manchmal im Leben, doch ihr müsst nach vorne blicken und das Beste hoffen“. Verblüfft sah ich sie an. Ich hätte mit allem gerechnet, mit Hass, Unverständnis oder Hohn, doch sie blieb freundlich und lächelte mich weiter offen an. „Was ist mit euch geschehen? Warum seid ihr alle hier drin eingesperrt?“ Deutete ich auf die anderen Lykaner. Ein paar ihrer Insassen aus den Nachbarzellen lauschten unserer Unterhaltung. Ein deutlich jüngerer Mann stand direkt neben ihr und sah mich überrascht an. Seinem Blick nicht ausweichend, sah ich ebenso verwundert in seine gelben Augen, die mir so bekannt vorkamen. Sein schwarzes Haar hing ihm zerzaust ins Gesicht und ließ ihn verschmitzt aussehen. „Ich kenne euch“, sprach ich ihn direkt an und ignorierte den freudig überraschten Blick der alten Frau. „Es freut mich euch wieder zu sehen“, lächelte er mich etwas verlegen an. „Auch wenn es unter diesen Umständen ist“. Die alte Frau lachte kurz auf und sah den Jungen neugierig an. „Ist das jene Magierin die ihr einst am Teich getroffen habt?“, fragte sie erfreut auf dem der Junge nickend antwortete. Doch dann schien sie wieder an den Grund zu denken, weswegen wir hier waren.

 

 

Der Blick der alten Frau trübte sich ein wenig und das Lächeln verlor an Fröhlichkeit. „Mein Kind ihr müsst wissen, dass nicht jeder so gütig ist wie der Prinz“, „Ihr kennt ihn?“ unterbrach ich sie überrascht. Sie nickte traurig. „Ich kannte seinen Vater als er noch lebte. Damals war ich ein junges Mädchen als der König noch auf dem Thron saß. Obwohl wir natürliche Feinde sind und wir gewiss unsere Differenzen hatten, hat der König immer etwas Gutes in uns gesehen. Sein Sohn sollte ihm folgen, doch als der Lord den König stürzte, verbot er den Umgang mit den Lykanern und den anderen Wesen.“ Sie machte eine kurze Pause und seufzte schwer. „Den Prinzen sah ich das letzte Mal als er einen Trupp Soldaten anführte der uns in den Wäldern fangen sollte. Ihm missfiel doch das Unterfangen und hinderte sie daran.“ Als die Erinnerung wieder hochkam, brachte sie es wieder fertig zu lächeln. „Er ist ein guter Mann und er wird ein noch besserer König!“ „Wie seid ihr euch da so sicher? Der Lord wird ihn töten!“ Die alte Frau kicherte: „Nun ich bin schon so lange auf dieser Welt, glaubt mir das Gute siegt immer. Ihr seid nun hier und werdet den Prinzen retten“. In ihrer Stimme lag so viel Selbstsicherheit das ich meine Trauer für einen Moment vergaß und wieder etwas Hoffnung schöpfte. „Warum haben sie euch gefangen genommen?“ Das Gesicht der Frau verfinsterte sich. „Das ist wohl das Werk dieser glatzköpfigen Hexe. Sie benutzt unser Blut um den Lord unsterblich zu machen.“ Ihre Stimme war hasserfüllt. „Dieses teuflische Amulett ist schuld daran und ihr Gott.“ „Was kann ich tun um den Lord gänzlich zu töten“, packte mich nun der Eifer. Vielleicht hatten wir ja doch noch eine Chance, solange ich hier herauskam. „Ich habe diese Art von Magie schon einmal gesehen. Sie nährt sich von unserem Blut und muss immer wieder erneuert werden. Je länger man sie nutzt umso häufiger und mehr braucht das Amulett. Doch solange die Priesterin noch lebt, lebt auch das Amulett. Töte die Hexe und der Lord fällt.“ „Wie“, hing ich regelrecht an ihren Lippen. „Das ist unmöglich“, schaltete sich eine skeptische Männerstimme ein, die aus meiner Nachbarzelle kam. „Seid nicht so pessimistisch, Yarun“, giftete die alte Frau den Mann an. „Es gibt immer einen Weg. Ihr müsst wissen das die Priester der Krey nur leere Hüllen sind und die dunkle Magie sie leitet. Sie gewinnen sie aus der Energie des Guten. Wenn diese Quelle zerstört wird kann die Priesterin getötet werden.“ In meinem Kopf jagte ein Gedanke den nächsten. „Der Rabe“, viel es mir wieder ein. „Der weiße Baum in dem kleinen Garten, er strahlte so viel Energie aus, dass muss ihre Quelle sein“, frohlockte ich. Die alte Frau nickte zufrieden. „Jetzt muss ich nur noch hier rauskommen und ich werde euch mitnehmen“, war mein Kampfgeist wieder geweckt. Die alte Frau lachte, „So wollte ich euch sehen“.

Die klirrenden kalten Eisenketten ließen Raziel unter ihrem Gewicht niederknien. Mit den Händen auf dem Rücken, demütig gebeugt und wie ein Tier mit einem Halsband zwischen zwei Säulen gefesselt, wartete er auf das Urteil welches der Lord über ihn fällen würde. Doch das einzige was ihm durch den Kopf ging und was ihn gänzlich lähmte, war der letzte Anblick von Ray´s Gesicht. Der Schock und pure Verzweiflung lagen in ihren Augen und er konnte ihren Schmerz regelrecht selbst spüren. Wie konnte Nathaniel, dieser Verräter, ihnen so in den Rücken fallen. Unbändige Wut loderte in seinem Inneren, als er den Jäger vor sich stehen sah, mit dem Wolfsjungen in seinen Armen, welches am ganzen Körper zitterte und sich verängstigt umsah. Nathaniel versuchte es zwar zu beruhigen, doch er selbst war angespannt und wich seinem suchenden Blick aus. Die undurchdringliche Maske die er aufgesetzt hatte, seitdem sie ihn gefesselt und Ray abgeführt hatten, ließ keine Emotion durch. Einzig in seinen Augen las er einen Schimmer von Reue und das war der einzige Hoffnungsschimmer der ihm noch blieb. Lord Welish stand vor einem steinernen Altar, dessen schwarzer Marmor sich purpurn verfärbt hatte, von dem Blut welches ihn seit Jahrzehnten getränkt hatte. Die Priesterin stand an seiner Seite und ließ ihn nicht aus den Augen. Genugtuung lag in dem Gesicht des Vampirs als er auf den gefesselten und knienden Prinzen herabblickte. „Wie lange habe ich schon auf diesen Moment gewartet. Euch endlich so sehen zu dürfen, nachdem was euer Vater mir angetan hat. Endlich werde ich endgültig König und all die Neider und Deserteure werden sich vor mir verbeugen“, seine dunkle Stimme hallte zwischen den eckigen Säulen wider. „Ich werde euch niemals meinen Thron überlassen, ihr Mistkerl“, spie ihm Raziel entgegen und funkelte ihn mit rotglühenden Augen an. Ameron lächelte ihn nur schräg von der Seite an und wanderte vor ihm auf und ab. „Oh das müsst ihr gar nicht“, fing er an mit seiner Hand zu gestikulieren. „Man kann auch auf anderem Wege den Thron beanspruchen, ohne dass der Thronerbe selbst auf sein Recht verzichtet.“ Raziel lachte spöttisch. „Wollt ihr mich etwa umbringen? Das wird euch das Volk niemals verzeihen und ihr erreicht nur das Gegenteil von dem was ihr wollt!“ Welish seufzte wissend, „Ja da habt ihr wohl oder übel Recht, dann hätte ich dieses ganze Theater erst gar nicht inszenieren müssen. Aber nein, nicht ich werde euch töten“, sein Blick wanderte von der Priesterin über Nathaniel. Dieser sah unbeteiligt auf den kleinen Wolf in seinen Armen und schien nur mit halbem Ohr zu zuhören. „Was soll das bedeuten?“ blaffte Raziel ihn an und schmiss sich wütend in die Ketten, die die Stille mit ihrem lauten Rasseln unterbrach. „Sir Imetra, würden sie bitte ihrer Berufung nachkommen und den Vampir töten der Hochverrat an seinem eigenen Volk begangen hat?“ Erst jetzt schien Nathaniel zu begreifen, welche Rolle er nun eingenommen hatte und sah verwirrt zwischen Raziel und dem Lord hin und her. „Lord Welish, ich habe meine Aufgabe erledigt und den Prinzen unbeschadet zu euch gebracht.“ Skeptisch kniff er seine Augen zusammen um die Situation besser abschätzen zu können. Ameron lachte auf und verstummte mit wutverzerrtem Blick. „Was ist mit euch Jäger, beherrscht ihr euer Tagwerk etwa doch nicht so gut wie euer Ruf euch vorauseilt? Wisst ihr denn gar nicht wen ihr vor euch habt und was sein Vater euch und eurer Mutter angetan hat?“ Perplex starrte Nathaniel den Vampir an und schüttelte wortlos mit dem Kopf. „Nun dann werde ich euch die Geschichte eurer Mutter und dem König erzählen, wenn ihr ein wenig Zeit habt.“ „Lügen, das sind alles Lügen“, rief Raziel in die aufkommende Stille. Nathaniel sah zwischen den beiden Vampiren hin und her. „Nathaniel ich habe euch bereits die Wahrheit erzählt über meinen Vater und seine Verfehlungen…“, „Und habt ihr ihm auch erzählt das euer Vater meine Frau umgebracht hat?“ Rief ihm Ameron dazwischen. Sein Gesicht Wut- und Schmerzverzerrt schienen seine alten Wunden längst noch nicht verheilt zu sein. „Ihr habt sie selbst umgebracht!“ Schrie ihn Raziel an und wand sich wutentbrannt in seinen Ketten. „Nein, euer Vater hat sie mir weggenommen. Wir wollten doch nur ein Kind haben“, richtete er sich gedankenverloren auf und schien in seiner Erinnerung gefangen zu sein. „Egal wie sehr wir uns bemüht hatten, sie wollte einfach nicht schwanger werden.“ Ein Schluchzen glitt aus seiner Kehle, bevor er sich wieder fangen konnte. „Wir wollten nur eine glückliche Familie werden. Sie hat sich an euren Vater gewandt, da ihr bewusst war wie fruchtbar er war. Heimlich ist sie eines Nachts aus unseren Gemächern geschlichen und hat sich mit ihm getroffen. Und euer Vater hat es schamlos ausgenutzt“, spie er aus. „Dieser miese Verräter, schimpfte sich zu seiner Zeit mein Freund um mich dann hinter meinem Rücken zu betrügen.“ Die Wut schien in blind zu machen für das was er getan hatte. „Als ich es herausfand, war sie tatsächlich schwanger. Doch der Verrat den sie begangen hatte war zu schwerwiegend, als hätte ich das Kind jemals als mein eigenes aufziehen können. So habe ich es beendet“, eine Spur Wahnsinn trat in seine Augen und sein Gesicht verzerrte sich zu einer fiesen Grimasse. „Ihr schlagendes Herz in meiner Hand und der kleine Fötus in meinem Arm, so wunderschön.“ „Ihr seid ein Monster“, schrie ihn Raziel an. „Nur wegen eurem Hochmut musste mein Vater sterben. Es war euer Kind, an dem Abend wollte eure Frau euch erzählen, dass es doch gefruchtet hatte und ihr, ihr bringt sie einfach um!“ Sofort war die Priesterin an der Seite des Lords und flüsterte ihm beschwörend ins Ohr. „Hört nicht auf ihn, ihr habt es doch gerochen, es war nicht das eure. Es war die Brut dieses Bastardes“. „Ihr“, funkelte Raziel nun die Priesterin an. „Ihr habt ihm sein Herz vergiftet, ihr habt ihm diesen ganzen Schwachsinn eingeredet“. „Hört nicht auf ihn, ihr habt noch etwas zu erledigen“, legte sie ihre bleiche Hand auf die Schulter des Vampirs und sah Raziel mit kühlem Blick von der Seite an. „Was hat das alles mit meiner Mutter zu tun?“ Brachte sich Nathaniel wieder ein und funkelte den gefesselten Vampir an. „Woher wusste seine Frau denn wohl zu wem sie gehen musste? Wie ist die Verbindung die euch und den Prinzen eint und euch stärker macht zu erklären?“ Trat die Priesterin nun auf Nathaniel zu ohne Raziel aus den Augen zu lassen. „Belügt euch nicht selbst Jäger, ihr habt es von Anfang an gespürt das euch etwas verbindet das ihr euch anzieht wie zwei Magnete“, „Lügen alles Lügen“, hauchte Nathaniel und wich einen Schritt zurück. „Ihr wisst, dass ich die Wahrheit spreche, gesteht es euch ein. Eure Mutter konnte dem Charme des Königs genauso wenig wiederstehen wie die Königin selbst.“ Ein fieses Grinsen huschte über ihre Lippen. „Und aus dieser Leason seid ihr entstanden, Sir Imetra.“

 

Nathaniel wurde blass um die Nase und trat noch einen Schritt zurück. An eine Säule gelehnt starrte er mit tränenverschleierten Augen auf den rasenden Raziel der die Priesterin wüst beschimpfte und sich vergeblich versuchte von seinen Ketten zu befreien. Sein Herz wurde schwer und allein die Vorstellung was er nun in Wirklichkeit war und das Raziel sein Halbbruder sein soll ließen seine Gefühlswelt zusammenbrechen. Die Priesterin stand mit ausdruckslosem Gesicht und gefalteten Händen vor ihm und wartete auf seine Reaktion. „Nun ihr habt nun die Chance euch zu rächen und eurer Mutter Gerechtigkeit zugutekommen zu lassen. Tötet den einzigen letzten Nachfahren des Königs der eure Mutter umgebracht hat. Sie starb doch bei eurer Geburt nicht wahr?“ Streute sie noch mehr Salz in seine Wunde. „Kein Wunder, ihr Körper musste unter den Strapazen einen Mischling zur Welt zu bringen regelrecht geborsten sein“. Der Hohn in ihrer Stimme war unüberhörbar und stachelte Nathaniel´s aufkeimende Wut nur noch mehr an. „Wie konnte sie auch glauben, dass sich ein Vampir jemals mit einem Menschen abgeben und sie gar lieben könnte, nachdem sie ihm ein solches Monster in die Welt setzte.“ „Es reicht!“ schrie Nathaniel sie an und als er wieder aufsah, glühten seine Augen rot wie Feuer. „Wagt es nicht meine Mutter zu beleidigen, sie ist hier das Opfer“, „Da habt ihr allerdings Recht. Nun rächt sie und töten den noch einzigen lebenden Nachfahren desjenigen der euch dieses Leid angetan hat!“ Deutete sie mit einer Armbewegung auf Raziel. „Hört nicht auf sie, sie manipuliert euch. Ich kenne euch zwar erst seit ein paar Wochen, aber ihr seid stark. Ihr wisst genau das Liebe sich an keine Regeln hält und es egal ist wer oder was man ist. Seht in eure Arme und beweist mir das Gegenteil“. Raziel´s Worte trafen Nathaniel hart und seine aufkeimende Wut verblasste. Mit seinen Gefühlen ringend konnte er nicht anders als in die großen braunen Augen zu blicken die ihn aus einem stupsnasigen Gesicht aus seinen Armen ansahen. „Es reicht mit der Gefühlsschwafelei“, ging Ameron dazwischen und reichte Nathaniel einen gebogenen Dolch in dessen Heft ein ebenso roter Stein saß wie in dem Medaillon welches er um den Hals trug. Nathaniel nahm diesen entgegen und schritt wie in Trance auf dem am Boden knienden Vampir zu. Die Klinge leuchtete in dem blauen Licht der irisierenden Lampen matt auf. Der Dolch war scharf, als er sie an die Kehle des Vampirs hielt und sich die Haut sofort aufriss als diese sie nur leicht berührte. Er sah Raziel tief in seine weißen Augen, er sah Akzeptanz und Trauer. „Wenn das wirklich euer Wille ist, dann tut es, aber bitte gebt auf Lady Ray acht.“ Schluckte er und eine Träne rann über seine Wangen. „Sagt ihr das ich sie liebe und dass sie Recht hatte, mit allem!“ Seine Worte berührten Nathaniel sehr und er traf eine Entscheidung. Mit einem gezielten Stoß nach vorn, fielen die Ketten klirrend auf den Boden und die Schelle löste sich von dem Hals des Vampirs. „Was habt ihr getan?“ schrie der weißhaarige Vampir und starrte auf die losen Ketten. Mit weiteren Hieben hatte Nathaniel auch die anderen Fesseln gesprengt und Ameron stand nun Raziel und Nathaniel gegenüber. „Ich habe mich für eine Seite entschieden“, sagte er inbrünstig und straffte seine Schultern. „Welch großer Fehler. Nun gut dann werdet ihr beide sterben“, und zog ein riesiges Schwert um sich direkt auf die beiden Männer zu stürzen.

 

Mit einem Mal passierten mehrere Dinge gleichzeitig. Ein ohrenbetäubender Lärm brach aus. Knurren, Heulen und klirrendes Metall erfüllten die hohe Gruft. Die Priesterin brach aufschreiend zusammen und ihre Finger krallte sich in ihre Brust. Soldaten liefen in die Gruft und unterbrachen den Angriff des Lords. Diese Ablenkung nutzten Nathaniel und Raziel, griffen nach ihren Waffen, und attackierten ihn. Die Priesterin verschwand plötzlich in einer Wolke aus grauem Rauch und ließ die kämpfenden alleine. Die beiden Männer hieben und fochten gleichzeitig auf den Lord ein, doch dieser hatte sich schnell wieder gefangen und rief seinen Wachen zu, sie sollen die Angreifer abwehren, er würde alleine mit diesen Verrätern fertig werden. Mit Leichtigkeit wehrte er die Angriffe der beiden Männer ab. „Mehr habt ihr mir nicht entgegen zu bringen?“ Lachte er hämisch und wich einem Peitschenhieb Nathaniel´s aus. Dieser, in seinen Bewegungen eingeschränkt wegen des Wolfsjungen, hatte seine liebe Mühe sich gegen das lange Schwert des Lords zu verteidigen. „Wir haben doch gerade erst angefangen“, sprang Raziel voran und stach unter der Deckung des anderen Vampirs in seine Seite. Dieser fing sofort an zu bluten und durch das aufgeschlitzte Hemd war eine tiefe Wunde sichtbar, die sich innerhalb weniger Sekunden gänzlich schloss. Verwirrt und enttäuscht über diese plötzliche Heilung erstarrte Raziel für einen Moment. „Habt ihr etwa gedacht, dass es so einfach werden würde?“ lachte Welish schallend. „Einfach so werden wir ihn nicht töten können“, flüsterte Nathaniel Raziel zu und blieb auf Abstand. „Es liegt an diesem Amulett“, deutete er mit einem Nicken auf den roten Stein der in dem blauen Licht der Lampen lila aufleuchtete. Er verleiht ihm seine Macht“. „Dann werden wir ihn mal von diesem Schmuckstück trennen“, grinste Nathaniel schelmisch. Raziel nickte ihm zu und sie rannten mit gezückten Waffen auf den bereits wartenden Vampir zu.

 

„Nun Gentleman, wollen wir nun richtig anfangen oder ergebt ihr euch gleich sofort?“ sah er den Vampir und den Jäger spöttisch an. „Ihr seid es der sich sofort ergeben sollte“, spie Raziel wütend aus und richtete seine Klinge auf Ameron. In seinem Kopf rasten die Gedanken, dass die Wunde die er dem Vampir zugefügt hatte so schnell geheilt war ließ seine Siegessicherheit ein wenig wanken. Dieser senkte seinen Blick auf ihn herab und das spöttische Grinsen auf seinen Lippen wuchs zu einem breiten Lachen. „Euer jugendlicher Übermut und die fehlende Gabe der Bescheidenheit scheint euch euer Vater mit in die Wiege gelegt zu haben, Prinz Raziel“. Seinen Titel aus dem Mund des Verräters zu hören brachte seine Wut zum Überkochen. „Raziel lasst euch nicht täuschen, bewahrt einen kühlen Kopf.“ Versuchte Nathaniel den vor Wut rasenden Vampir zu beruhigen. „Ja genau Prinz Raziel, bewahrt einen kühlen Kopf. Es wäre wirklich schade, wenn ich euch beide töten müsste!“ Stimmte Ameron Nathaniel unschuldig zu und breitete seine Arme einladend aus. „Seid willkommen in meinem Königreich, kämpft an meiner Seite gegen all jene die sich gegen uns stellen und uns zu unterjochen versuchen. Erntete die Macht und den Ruhm der euch zuteilwerden wird, ich überlasse euch Ländereien und einen eigenen Hofstaat. Lebt wie Könige und vergesst all eure Sorgen, denn ich werde sie euch nehmen und euch jeden Wunsch erfüllen.“ Ameron´s Augen glänzten schwarz und unergründlich. Die abwartende Stille die zwischen den Kontrahenten stand war trügerisch. Angespannt starrte Raziel in das grinsende Gesicht Ameron´s, welches er ihm am liebsten direkt aus seiner Visage geprügelt hätte, doch er wusste einen direkten Angriff würden sie nicht überleben. Es musste eine Taktik her in der sie es schafften den selbsternannten Vampirkönig von seinem Amulett zu trennen. Mit einem Seitenblick auf Nathaniel wusste er das auch der Jäger angespannt und fieberhaft nachdachte. „Nun ich werte euer Schweigen als ein nein“, dröhnte Ameron´s Stimme durch die Stille und hallte von den kalten Steinwänden wie ein Echo wider. „Lasst uns beginnen“, verdunkelte sich seine Stimme und schwarzer dichter Nebel umgab den Vampir wie eine unheilvolle Aura. „Dann überzeugt euch von meiner Macht und von dem was euch und euren niederen Freunden bevorsteht, wenn ich euch getötet habe.“

Noch bevor einer der beiden Männer auch nur einen Schritt auf den Vampir machen konnte, schossen die Nebelschwaden wie schwarze Krallen auf sie zu. Mit einem Hechtsprung konnte sich Raziel vor dem trügerischen Nebel retten und landete auf seinen Knien. Nathaniel hatte weniger Glück und einer der Schwaden streifte sein Gesicht. Sein schmerzerfüllter Aufschrei übertönte das siegreiche Lachen Ameron´s und ließ Raziel nach seinem Bruder im Geiste umschauen. Leicht torkelnd wich Nathaniel dem Nebel aus, hielt sich dabei aber mit schmerzverzerrtem Gesicht seine Wange. Ameron zog diesen wieder zu sich zurück und blickte amüsiert auf den angeschlagenen Jäger. „Was ist los Sir Imetra, gefallen euch meine kleinen Tricks etwa nicht?“ Dieser nahm seine Hand von der Wange und knurrte ihn an. Raziel starrte auf die schwelende und eiternde Wunde auf der hellen Haut Nathaniel´s. Er sah aus als hätte man ihm einen glühenden Nagel durchs Gesicht gezogen und die Wunde nicht versorgt. Gelber dicker Eiter quoll aus der aufgerissenen roten und nässenden Haut. „Was ist das für eine Teufelsmagie?“ Spie er ihm entgegen, doch Ameron schüttelte nur mit dem Kopf und riss seine Arme ihnen entgegen. Ohne Vorwarnung stürzte sich der Nebel wieder auf sie beide und versuchte sie zu verbrennen. Egal wie sehr Raziel es auch versuchte diesen abzuwehren, sein Schwert ging einfach durch ihn hindurch während die schwarzen Finger ungehindert auf ihn zu krochen. Auch Nathaniel hatte seine liebe Not um sich neben der schmerzenden Wunde auch darauf zu konzentrieren nicht wieder in die Fänge Ameron´s Magie zu geraten. Dieser ließ diese aus sich hinausströmen und ergötzte sich an der Verzweiflung seiner beiden Gegner. „So also habt ihr eure Ländereien erobert und eure Feinde besiegt? Indem ihr euch hinter eurer Magie versteckt und die Menschen um euch herum einfach verbrannt habt?“ Lachte Raziel von einer Säule aus zu Ameron herunter und verfehlte seine Wirkung nicht. Das siegessichere Grinsen in dem aschfahlen Gesicht des Lords verrutschte zu einer wütenden Grimasse. Schwarze feine Äderchen umrandeten seine schwarzen Augen in dessen Grund man nicht zu blicken vermochte. „Schweigt!“ feuerte er eine Lanze aus purem schwarzem Rauch auf den Vampir ab der sein Ziel verfehlte und an der steinernen Säule verpuffte. Raziel landete geschmeidig wie eine Katze auf dem Boden und suchte Schutz hinter dem Altar außerhalb Ameron´s Sichtfeld. „Ihr seid nichts besser als all die Magier und Hexen die mit ihrer Magie ganze Landstriche verbrannten um an ihre Macht zukommen. Jene die ihr einst bekämpft und verachtet habt. Erinnert ich euch Lord Welish!?“

Ja er erinnerte sich, er erinnerte sich an die Kriege die er mit Raziel an seiner Seite und dem damaligen König in seinem Rücken ausgefochten hatten. Kriege gegen jene Hexen und Zauberer die ihr Reich bedroht hatten. Er erinnerte sich an Schauplätze dessen Erde verbrannt von Feuerwalzen nur noch schwarz verkohlt und unfruchtbar waren, die geschmolzenen Gerippe derjenigen die versucht hatten zu fliehen. Er erinnerte sich an Städte und Dörfer die in Blei gegossen oder in stinkendem Nebel gehüllt waren, in dessen das Atmen unmöglich war und es einem die Kehle weggeätzt hatte, wenn man es doch versuchte. Er erinnerte sich an Kämpfe in den Bergen und Hügeln, wo Hexen und Zauberer ihr magisches Werk taten von weit oben, fernab des Gemetzels und der verzweifelten Schreie derer die dem Tod ins Auge blicken mussten. Allein die Erinnerung daran wie er damals aufgeblickt und diese Feiglinge verachtete hatte, die es nicht für nötig hielten sich selbst in das Getümmel, zwischen Metall und Leder, Blut und Schweiß zu stürzen um, um das zu kämpfen welches sie ihr Eigen nannten. Nun stand er selbst inmitten einer jener Kämpfe die er damals so verachtete hatte. Den Prinzen in seinem Rücken hinter dem Altar versteckt und den Erzfeind verletzt aber kampflustig vor seinen tiefschwarzen Nebelschwaden ausweichend. Den Prinzen wissendes Lachen riss ihn aus seinen Gedanken. „Hatte ich also Recht, Lord Welish.“ „Ihr wisst gar nichts“, spie er ihm entgegen und wand sich an die Stimme des Vampirs. Ameron spürte die Macht die durch ihn hindurch floss, die ihm seinen Schmerz nahm und ihn unbesiegbar machte. Was machte da schon seine Vergangenheit und seine alten Ächtungen, flüsterte eine dunkle böse Stimme in seinem inneren. Er brauchte sich nicht mehr an die Regeln seines alten Ichs halten, er war ein anderer, ein mächtigerer als damals. Der altbekannte Hass und Häme verdunkelten sein Herz und ließen den dichten Nebel wieder aufwallen. „Ihr wisst gar nichts über mich, Prinz!“ Lachte er mit klarem Verstand und lies seine Finger sich langsam um den Altar schlingen, den Vampir in die Falle treibend. „Ihr seid schon so tief gesunken das ihr euch selbst verratet, euch der früher so sehr an seinen Prinzipien hing. Wart nicht ihr es der genau aus diesen Prinzipien Alice umbrachte?“ Ameron´s Wut wuchs ins unermessliche und er konnte regelrecht fühlen wie sich sein Zorn in dunkle Macht wandelte und ihn schier zum Platzen brachte. Ein Grollen ging von ihm und das Gewicht und die Schwere seines Nebels ließ den Stein unter seinen Füßen bersten. Wie konnte er es wagen ihren Namen in den Mund zu nehmen? Wie konnte er es wagen ihn an dem Mord seiner Frau zu bezichtigen? Aber ihr wart es doch! Lachte eine böse dunkle Stimme in seinem Herzen. Wer war das? Woher kam diese Stimme? Armer dummer mickriger Lord! Lachte die männliche Stimme und sein Klang hallten in seinem Kopf wider.  Ich leihe euch nur einen winzigen Teil meiner Macht um zu vergessen, um euch die Last eures Herzens zu nehmen und ihr prahlt herum als wäre es die eure. Seid bedacht, hat euch Lady Ännlin geraten und nun steht ihr hier und lauscht wie ein Wahnsinniger einer Stimme die niemand anderer hören kann Außer euch selbst! Das Lachen in seinem Kopf brachte ihn um den Verstand. „Haltet den Mund, ihr lügt. Es ist meine Macht! Lady Ännlin hat sie mir gegeben und ich werde einen Teufel tun und sie euch zurückgeben!“ Wirr sah sich Ameron um, seine Gegner gänzlich vergessen, blind in seiner Angst. „Lord Welish, mit wem redet ihr?“ schwang Raziel´s spöttisches Lachen nur wie ein leiser Windhauch an sein Ohr. Und wie ihr mir meine Kraft wieder geben werdet. Kalter Angstschweiß legte sich auf seine Stirn. „Nein“, hauchte er panisch. „Nein, ich könnt mir das nicht wieder wegnehmen!“ schrie er auf. Hämisches Lachen hallte in seinen Ohren wider als die Stimme in seinem Kopf sich seiner Angst und Kontrolle über ihn bewusst wurde. Das hier! Säuselte sie süffisant, als sich etwas Schweres und glühend Heißes durch sein Hemd brannte und auf seiner Brust lag wie ein Fels. Bin ich. Ist ein Teil von mir und es ist an der Zeit das ich wieder eins werde. Ich bin eurer überdrüssig geworden. Ihr habt euren Teil dazu beigetragen meinen Plan zu vervollständigen. Eure Zeit ist abgelaufen! Das Metall verschmolz mit seiner Haut und er spürte wie es ihm seine Magie aus jeder Zelle seines Körpers entzog. All seine Ängste und seelischen Schmerzen kehrten mit einem Schlag zurück, so schnell wie der dichte Nebel sich lichtete und gänzlich zerstob, so schnell entsagte sich die Magie und all seine Macht. Wimmernd kniete er vor dem Altar, während der Schmerz sein Herz förmlich zerriss. Tränen rannen über seine Wangen, seine Finger krallten sich in seine Brust, schlossen sich um das siedende Metall, doch er spürte es kaum.

Seine Peitschenschnur surrte durch die Luft, verzweifelt den dicken schwarzen Nebel der ihn so unsagbar schmerzhaft verbrannt hatte, zu vertreiben. Doch sie glitt durch ihn hindurch als wäre er nicht vorhanden. Ameron hatte sich nun auf Raziel konzentriert der hinter dem Altar saß und seine Spielchen mit dem Lord trieb. Er hörte die Wut aus seiner Stimme und die Verzweiflung als er zu sich selbst zu sprechen schien. Was genau war nur mit ihm los? Doch er hatte keine Zeit sich darüber Gedanken zu machen, er musste sich weiterhin vor den schwarzen Schwaden fernhalten, auch wenn sie ihn nicht mehr direkt angriffen. Seine Wange pochte und es stank fürchterlich aus der Wunde. Was war das nur für ein Zauber der so mächtig und tückisch war? Langsam schlich er um Ameron herum der nun sich nun blind umsah. Zwischen den Säulen versteckt hütete er sich trotzdem in das Blickfeld des Vampirs zu geraten, denn seine dunkle Aura zuckte, auch bei der geistigen Abwesenheit seines Herrn, bei jeder kleinsten Bewegung in seine Richtung. Als Raziel langsam in sein Blickfeld kam suchte er den Augenkontakt und der Vampir sah zu ihm herüber. In seinem Blick lag etwas Schelmisches. Umringt von den dunklen Nebelschwaden, mit dem Rücken zum Altar ohne Fluchtweg saß er dort entspannt angelehnt und lauschte dem wirren Gerede des Lords. Auch wenn er in die Enge getrieben zu sein schien, schien er einen Plan zu haben und einfach nur abzuwarten. Was hatte er nur vor? Mit einem ohrenbetäubenden Schrei sackte Ameron plötzlich zusammen und der Nebel schien sich zu ihm zurück zu ziehen. Der Vampir krallte seine Finger in seine Brust und sackte auf seine Knie zusammen. Verblüfft sah er dem Schauspiel vor sich zu und versuchte zu verstehen was vor seiner Nase vor sich ging. Dann veränderte sich die Stimmung. Raziel der noch entspannt auf dem Boden gesessen hatte, sprang nun mit gezücktem Schwert auf, landete mit einem geschmeidigen Sprung auf der steinernen Platte des Altars und stürzte sich auf den niederknienden Lord. Dieser saß wie ein Häufchen Elend auf dem Stein, Tränen rannen über seine blassen Wangen und die leere seiner schwarzen Augen schien sich noch weiter zu verfinstern. Raziel´s Schwert zielte genau auf die Brust des Vampirs in dessen entblößte Haut sich das Amulett gebrannt hatte. Fasziniert betrachtete Nathaniel für einen kurzen Moment den Anblick des mit der Haut verschmolzenen Amuletts, bevor sich die Klinge des Schwertes durch das porös gewordene Metall und dann durch die Brust des Lords bohrte und aus dem Rücken wieder austrat. Wo sich vor wenigen Minuten die Wunde schnell wieder geschlossen hätte, quoll nun dunkles fast schwarzes Blut aus der Wunde und benetzte die helle Haut des Vampirs mit einem dunklen Schlier. Lautlos riss Ameron seinen Mund zu einem Schrei auf, als sein Kopf in den Nacken und seine Hände auf seinen Schoß fielen. Die plötzliche Stille die die Gruft erfüllte, erschien lauter als alles andere zuvor. Nathaniel wollte bereits aufatmen, endlich war die Aufgabe geschafft, doch ein bedrohliches Knistern ging von dem vermeintlichen Leichnam Ameron´s auf. Das Schwarz seiner Augen wandelte sich zu lilafarbenen Pupillen, als er seinen Kopf wieder hob und Raziel hellwach anblickte. Ein Grinsen auf seinen Lippen und die entspannten Gesichtszüge ließen nicht darauf schließen, dass ihm gerade ein Schwert durch den Oberkörper gebohrt wurde. Als er anfing zu sprechen gefror es Nathaniel das Blut in den Adern. „Ihr armen törichten Wesen. Ihr habt einen Diener des Herrn töten können, doch was euch noch bevor steht geht weit über das hinaus was in eurer Macht steht.“ Ein mehrstimmiges Lachen ging von ihm aus und erfüllte die gesamte Gruft. Es schwoll an, so dass sich Nathaniel die Ohren zu halten musste, doch es brachte nichts. Es vibrierte in seiner Brust, ließ seinen Körper schmerzen und seinen Verstand verstummen. „Wer seid ihr?“ schrie Raziel ihn über das Lachen hinweg an, auch wenn es ihm ebenfalls Schmerzen zu bereiten schien. Was auch immer von Ameron Besitz ergriffen hatte, ließ sein Lachen verebben und sah ihm direkt in die Augen. „Ich bin der Herr, ich bin das Chaos, ich bin die Geißel der Welt. Ich werde aus dem Fleisch der Verfluchten widergeboren. Doch nun, sterbt!“ Spie er dem Vampir entgegen. Mit einem letzten Aufbäumen, schoss schwarzer Nebel aus der Wunde in Ameron´s Brust direkt auf Raziel zu. Erschrocken sah er ihm geradewegs entgegen, erstarrt zu einer Salzsäule. Nathaniel sprintete los und riss den Vampir in letzter Sekunde zur Seite.

Diese Augen, diese Stimme, Raziel kannte sie. Dachte er hätte sie irgendwann in seiner Vergangenheit bereits einmal gesehen, doch ihm fiel es nicht ein. Egal wie sehr er sich anstrengte sich zu erinnern, es war als würde eine Barriere ihn daran hindern. Er spie ihm all das Unheil entgegen und er vermochte nichts zu tun, als in diese Augen zu starren und sie fasziniert zu betrachten. Als der dichte Nebel auf ihn zugeschossen kam, sah er sich bereits elendig krepierend zu Boden gehen, doch im letzten Moment wurde er zur Seite gezogen. Hart landete er auf den Steinboden und ein unsäglicher Schmerz brannte sich seinen Oberarm hinauf auf seine Schulter. Blind vor Schmerz, lag er zuckend auf dem Boden, Nathaniel über sich gebeugt mit sorgenvollem Blick. Er hielt sich den Arm, verbrannte sich aber die Hand und ließ ihn einfach neben sich auf den kühlen Boden fallen. Der leblose und verstümmelte Körper Ameron´s lag seitlich auf dem Boden, zusammengefallen wie eine Strohpuppe und sah ihn aus leeren schwarzen Augen an. Das schwarze Blut benetzte seinen ganzen Körper und kreierte ein verstörendes Selbstbild. „Raziel haltet durch!“ Drang Nathan´s Stimme an sein Ohr, dumpf und wie in Watte gepackt stumpfte sein Körper ab, erlegen der Qualen der letzten Stunden. Die einzige die ihm Linderung versprechen konnte war tot, weit weg, er würde ihr bereitwillig folgen, wieder mit ihr vereint sein. Er sehnte sich so sehr nach ihr, dass er schon ihre Stimme hören konnte, wie sie auf ihn zu lief sich vor ihn kniete und seinen Kopf in ihren Schoß nahm. Wie betäubt hob er schwach seinen Arm und strich ihr sanft eine Träne vom Kinn. „Ray“, hauchte er und ein Lächeln umspielte seine Lippen, bevor ihm seine Augen zufielen und er in die tiefe kalte Schwärze des Todes entglitt.                 

Mein Zauber hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Die Schlösser waren einfach zu knacken gewesen und die der anderen Zellen ebenso. Die die stark genug waren zu kämpfen waren mir gefolgt und die Schwachen und Alten waren in die Kanalisation geflohen. Ich hatte ihnen den Weg erklärt und auch um die Gefahren gewarnt, doch alles war besser als weiterhin in diesem Kerker zu verrotten. Das sahen sie alle so und sie waren bereit diesen Preis zu zahlen. Während die Lawine an hunderten von Wölfen das Schloss fluteten und ihren Zorn an denen ausließen die sie festgehalten und gefoltert hatten, versuchte ich mich wieder an den Weg zu dem kleinen Garten zu erinnern. Bis ich mich aus dem Tumult und den Kämpfenden befreit hatte, dauerte es doch, ich musste mich beeilen. Wenn Raziel und Nathaniel schon tot waren, war alles vergebens. Ich musste es zu diesem weißen Baum schaffen, das war meine einzige Möglichkeit die Priesterin aufzuhalten. Ein paar Soldaten die mir entgegenkamen trieb ich, wie gelernt, meinen Dolch zwischen die Rippen und hielt mich nicht weiter bei den Verletzten auf. Neuer Mut und Lebenswille trieb mich an und die Furcht das bereits alles zu spät sein konnte, wenn ich meine Aufgabe erfüllt hatte. Doch zu meinem Glück fand ich den Garten und eilte auf den weißen Baum zu. Seine Energie war wirklich enorm und es tat mir weh, dieses magische Wesen, welches sichtlich in ihm wohnte, zu töten, doch ich hatte keine Wahl. Aus meiner Tasche kramte ich den Basiliskenzahn. Er lag schwerer in meiner Hand als ich ihn in Erinnerung hatte. Ich sah mir den Baumstamm an und suchte nach einer Schwachstelle in der sonst glatten Rinde. Ein kleines Astloch versprach die richtige Stelle zu sein und ich holte aus. Mit erstaunlicher Wucht trieb ich den Zahn der Riesenschlange in die Schichten des harten Holzes und war erstaunt wie leicht dieser sich durch das Holz treiben ließ. Sofort schien der Baum zu bluten und zu erzittern. Silbrige klebrige Flüssigkeit trat aus dem Loch welches der Zahn gerissen hatte und aus der Stelle wuchsen in rasendem Tempo feine schwarze Adern über den gesamten Baum. Das Gift des Basilisken tat sein Werk und mit einem Gefühl von Erleichterung und Trauer sah ich zu wie er seine Äste hingen ließ und immer grauer wurde, bis er gänzlich sein strahlendes Weiß und auch seine lebensspendende Energie verlor. „Was habt ihr nur getan?“ hörte ich es plötzlich an meiner Seite aufschreien und die sich krümmende und windende kahlköpfige Priestern erschien aus einer Wolke aus grauem Nebel. „Das was getan werden muss um dieses Volk zu retten und vor euch und eurem Gott zu schützen“, giftete ich sie an. „Ich hätte euch im Wald töten lassen sollen, wenn euer geliebter Nathaniel nicht so schwach gewesen wäre“, feixte sie zurück und hielt sich mit einer Hand ihre Brust. Zwischen ihren Fingern quoll schwarzes Blut. „Ihr wart das also der ihn gequält hat?!“ Ihr böses Lachen erfüllte den kleinen Garten und untermalte den Kampflärm der im Hintergrund immer weiter anschwoll. „Ich habe euch beobachtet, seitdem ihr aus den Höhlen gekrochen kamt. Denkt ihr etwa, dass wir nicht von euch wussten? Wer hat den Jäger wohl geschickt? Ihr glaubt doch etwa nicht, dass der Lord selbst auf diese Idee gekommen wäre!“ „Ihr werdet dafür büßen was ihr mir und meinen Gefährten angetan habt“, schrie ich und warf ihr einen Feuerball entgegen, dem sie trotz schwerer Verletzung auswich. „Lächerliche kleine Zaubertricks, habt ihr nicht mehr gelernt?“ Und schleuderte mir einen Blitz entgegen, der mich hart an der Brust traf. Es brannte und eine ungeheure Hitze durchströmte meinen Körper die mich für einen Moment lähmte. Mein Herz fing an zu rasen als würde es mir jeden Moment aus der Brust springen wollen. Es schmerzte unheimlich, doch gegen den den sie mir wegen Raziel und Nathaniel zufügte war es nur ein kurzes Zucken. Mich noch gerade auf den Beinen haltend funkelte ich sie zwischen meinen Haaren, die mir ins Gesicht gefallen waren, hindurch an. „Ist das etwa alles was ihr gelernt habt?“ warf ich ihr die Frage zurück und warf mich ihr mit voller Wucht entgegen. Den Basiliskenzahn im Anschlag stach ich auf sie ein. Sie schrie auf, wand sich, klammerte sich in meine Gewänder und kratzte mir mit ihren langen krallenartigen Fingern durch mein Gesicht. Plötzlich wurde alles dunkel und der Garten um uns herum verschwamm. Es fühlte sich an als würde ich mich in Rauch auflösen und mit der Priesterin verschmelzen. Mein Magen drehte sich und Übelkeit machte sich breit. Als der Strudel aus Rauch, Farben und sich drehenden Formen wieder zum Stillstand kam, rollten wir beide ineinander verhakt auf dem Boden. Aus den Augenwinkeln konnte ich drei Gestalten erkennen die wild miteinander fochten. Als ich näher hinsah, erkannte ich Raziel und Nathaniel die gegen den Lord kämpften. Raziel blutete stark aus einer Wunde an seinem linken Oberarm. Schweißgebadet, Blut überströmt und verdreckt hielt er sich gerade noch auf den Beinen. Nathaniel sah nicht besser aus und hielt gleichzeitig noch das Wolfsjunge in seinem Arm, welches zitternd und winselnd versuchte sich in seinem Mantel zu verstecken. Ich muss etwas tun! Fasste ich einen endgültigen Entschluss und trat die Priesterin von mir herunter. Diese schrie kurz auf und landete auf dem Rücken. Mit einem Satz saß ich auf ihr und hielt ihre Hände mit meinen Beinen fest. „Es reicht“, keuchte ich völlig außer Atem und starrte ihr in ihre grauen vor Hass triefenden Augen. „Ich werde das endgültig beenden, all dieser Schmerz und Hass. Reicht es nicht das durch eure Taten unschuldige Wesen sterben müssen?“ Die Priesterin lachte und verdrehte irre die Augen so dass man nur noch das Weiß ihrer Augäpfel sehen konnte. „Der Herr ist Allmächtig und überall, selbst wenn ihr mich tötet, es werden weitere kommen und das erledigen was uns der Herr aufgibt.“ Sie würde wohl Recht behalten, doch für diesen Moment nicht. „Das mag vielleicht sein, aber für heute werde ich ihm eine Dienerin nehmen. Und ihr werdet nicht die Letzte sein!“ Mit beiden Händen den Basiliskenzahn umklammert stieß ich ihr ihn in ihr Herz. Der Zahn zerriss die Haut und die Muskeln darunter mit Leichtigkeit. Schmatzend und Blut spritzend bahnte er sich einen Weg durch ihren Brustkorb. Knochen zerbrachen mit einem schmatzenden Knirschen und durchstießen das Gewebe darunter. Als der Zahn das Herz der Frau traf, konnte ich es für einen kurzen Moment durch ihn hindurch schlagen spüren, bis auch dieser Muskel nachgab und es zum Stillstand brachte.

 

 

Wie eine Druckwelle schien all ihre Energie aus ihrem Körper zu sprengen und sich einen neuen Wirt zu suchen. Es traf mich wie ein Schlag, als ihr Geist in mich eindrang und versuchte sich Platz zu verschaffen. Wie in einer Ohnmacht, verschwamm die Umgebung um mich herum und ich verlor mich in einer tiefen Schwärze. Als schwebte ich in einem großen dunklen Nichts war es plötzlich still um mich. Das Klirren der Schwerter und das Stöhnen der Männer war verebbt und alles was ich nun wahrnahm, war ein weiterer Geist der versuchte Herr meiner Selbst zu werden. „Ihr seid mächtiger als ich dachte.“ Schien eine männliche Stimme genauso in diesem Nichts zu schweben wie ich. Aus der Leere kristallisierte sich eine Gestalt. Die Schatten selbst schienen einen menschlichen Körper zu formen. Vor mir stand ein großer dratiger Mann mit langem glatten schwarzen, fast lilanen Haaren. Seine goldenen Augen hatten längliche Pupillen und waren, wie die einer Schlange, hypnotisierend. Über seinem nackten Oberkörper schlängelten sich dunkle Runenmale die sich stark von der weißen Haut abhoben. Ein diebisches Grinsen legte sich über seine Lippen, als mich meine Verwunderung über sein Antlitz sprachlos machte. „Gefällt euch was ihr seht?“ Seine spitzen Zähne und die Häme in seinem Blick, stand im starken Kontrast zu seinem betörenden Äußeren. Schnell riss ich mich wieder zusammen und fand meine Stimme wieder. „Die alte Dame hatte Recht, eure Diener sind nur leere Hüllen die ihr manipuliert wie Marionetten. Die Welt mit all ihren Geschöpfen kann ihren Weg selber finden und muss nicht von einem Allmächtigen erst geführt werden.“ „Törichtes Kind, wie könnt ihr nur so etwas Dummes sagen. Der freie Wille eines Jeden bringt der Welt nur Leid und Tot“. Spie er empört aus und sah mich missmutig an. Ich konnte ihm nur ein müdes Lächeln entgegenbringen. „Nein, ihr seid es der töricht ist. Selbst wenn der freie Wille nur Tot und Zerstörung brächte, so erblüht aus der Dunkelheit doch immer wieder was Gutes.“ Versuchte ich ihn aufzuklären, doch er verzog nur angewidert den Mund. „Ihr meint etwas wie die Liebe und Freundschaft“. „Ich kann eure Kälte spüren, eure Leere“, trat ich auf ihn zu und legte meine flache Hand auf seine Brust. In diesem Hier und Jetzt konnte er mich nicht verletzten, doch es war immer noch mein Geist indem er sich befand. „Spürt das was ich empfinde und ihr werdet es verstehen“, sein Gesicht veränderte sich von Hass und Zweifel zerfressen. Ich ließ ihn meine Liebe spüren die ich zu Raziel empfand, zeigte ihm all die schönen Momenten die ich mit ihm und auch mit Nathaniel und all den anderen verbringen durfte. Und eine unglaubliche Wärme und tiefgreifendes Glück durchströmte mich, vertrieb das Schwarz welches uns eingehüllt hatte und ließ das Eis schmelzen welches sich auch um die Seele des Dämons gelegt hatte. „Ich habe noch nie etwas derartiges gefühlt“, wurden sein Gesichtszüge weicher und Tränen rannen ihm über seine Wangen. Doch mit einem Mal trat Spott in seinen Blick. „Denkt ihr wirklich ihr könnt mich so einfach auslöschen? Mit ein wenig Liebe und netten Worten?“ Schrie er mich an und lachte gehässig auf. „Ich bin noch nicht fertig mit euch. Sie hat es nicht geschafft den Fluch endgültig auf euch und eure Brut zu legen, aber ich werde es.“ Ein böses Grinsen verzerrte sein Gesicht zu einer fiesen Fratze als er einen Schritt auf mich zu kam. Kurz bevor er gegen mich prallte, wurde ich aus meiner Ohnmacht gerissen. Mit einem Stich in meinem Unterleib, kam ich wieder zu mir und fand mich am Boden des Altarraumes wieder. Langsam setzte ich mich auf und sah mich um.

 

Raziel lag am Boden, Nathaniel kniete gebeugt neben ihm. „Nein bitte nicht!“ hauchte ich und eilte auf die beiden zu. Mit zitternden Händen kniete ich mich neben Raziel und nahm seinen Kopf auf meinen Schoß. Nathaniel machte mir Platz, Tränen rannen stumm über seine Wangen und die Schlinge die sich um mein Herz gezogen hatte, zog sich weiter zu. „Ist er…ist er tot?“ versuchte ich meinen Verstand ein Fünkchen Hoffnung zu bewahren. Nathaniel schüttelte traurig seinen Kopf, verzweifelt und untätig neben mir sitzend. Einer Eingebung folgend, durchsuchten meine Finger hektisch den ledernen Beutel an meinem Gürtel. Meine Finger umschlossen das kleine Päckchen. Ich zog es heraus und wickelte die blaue Blüte aus dem Papier. In meiner Hand zerdrückend, träufelte ich den Saft der Mondblume auf die Wunde an Raziel´s Oberarm. Sobald dieser das Fleisch berührte, hörte diese auf zu bluten und verschloss sich. Einen kurzen Moment hielten wir die Luft an, auf jedes Lebenszeichen Raziel´s hoffend. Äußerlich schien er nur zu schlafen, mein schöner Vampir, doch sein Brustkorb blieb weiterhin still. „Wacht auf!“ schrie ich ihn frustriert und mit gebrochenem Herzen an. Meine Fäuste sausten auf seinen Brustkorb nieder und prallten wie auf Stein schmerzend zurück. „Ihr dürft mich hier nicht alleine lassen, nicht jetzt. Wir haben doch gerade erst angefangen“, Tränen rann über meine Wangen und eine unergründliche Wut machte dem Schmerz platzt. Tiefe Verzweiflung packte mich und als sich Nathanails Arme um mich legten konnte ich mich nicht mehr dagegen wehren, Raziel war tot. „Ich liebe euch doch“, als hätten meine Worte ein magisches Gewicht, ging ein Ruck durch den Körper des Vampir´s und er riss hustend seine Augen weit auf. Tiefe Erleichterung durchströmte mich und ohne auf seine Proteste zu hören schlang ich meine Arme um ihn und drückte ihn fest an mich. Stöhnend wand er sich in meiner Umarmung, doch meinem freudigen Herzen war das egal. Tränen der Freude und ein unbändiges Schluchzen ließen meinen Körper erzittern. „Ihr lebt“, brachte ich nach einer halben Ewigkeit heraus und löste mich von ihm. Sein Blick noch etwas wirr sah sich um. Als er meinen Blick traf fingen sie an zu leuchten und ein unergründliches Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Seine Finger streiften sanft meine Wange als er mein Gesicht zu bewundern schien. „Wie habt ihr das nun wieder geschafft?!“ Es benötigte keine Antwort. Ich schmiegte meine Wange an seine kühle Hand und genoss das Kribbeln welches sie auf meiner Haut hinterließ.

 

„Wir haben es geschafft“, flüsterte Raziel und hob seinen Kopf und zwinkerte mir zu. In seinen Augen standen Tränen, Unglaube und eine unergründliche Liebe. „Ja wir haben es geschafft“, Nathaniel kniete sich zu uns hinunter und lächelte uns erschöpft, aber erleichtert an. Wir hatten es wirklich geschafft. Nach all der Pein und den Anstrengungen hatten wir Sorinta von seinem wahnsinnigen Herrscher befreit. „Lasst uns von diesem schrecklichen Ort verschwinden. Für heute ist genug Blut geflossen.“ Mit diesen Worten half er Raziel aufzustehen. Stöhnend hielt Raziel sich seinen Arm als die Wirkung der Blüte die Wunde heilte und der Schmerz nachließ. „Danke“, in seinem Blick las ich Liebe und Dankbarkeit. „Nicht dafür“, entgegnete ich ihm mit einem Lächeln. Die Überreste der Blüte verloren das Leuchten und zerfielen zu Staub. „Aber ihr hättet sie nicht an mich verschwenden sollen“, „Macht euch keine Gedanken darum“. Erleichtert nahm ich seine Hand, drückte sie fest und hoffte sie nie wieder loslassen zu müssen.

 

Es hatte lange gedauert bis ich endlich wieder durch die grünen Auen und die neu erblühten Wälder des Eryn laufen konnte. All die Strapazen und Anstrengungen der letzten Wochen schienen von mir abzufallen und mein Herz erwärmte sich bei dem Anblick meiner Heimat. Auch wenn ich bei Zeiten alleine gelebt hatte, so hatte ich mich doch niemals einsam gefühlt. Doch jetzt spürte ich, dass ich mein Leben nicht mehr alleine verbringen musste, dass ich nie wieder alleine sein werden würde. Doch Raziel hatte erst noch anderes zu klären. Nachdem wir die törichte Regentschaft des Lords beendet und Raziel seinen vorbestimmten Platz eingenommen hatte. Nachdem der gesamte Hofstaat seine Treue bezeugt und diejenigen ausgetauscht worden waren die den Prinzipien des ehemaligen Prinzen und Königs widersprochen hatten, öffnete er wieder die Tore der Stadt und war dabei den Handel und die Stadt selbst wieder zur selben Blüte aufzubauen wie zu damaligen Zeiten. Raziel reiste in die umliegenden Ländereien und auch zu den Lykanern um ihnen seine Reue und Besserung zu bekunden und um Verzeihung zu bitten. Die Lykaner nahmen seine Entschuldigung an, auch wenn sie es nur meinetwegen taten. Raziel schrieb mir in einem Brief das ihn eine alte Frau entgegengetreten war und sich als Stammesführerin vorgestellt hatte und ihm einen Waffenstillstand angeboten hatte, wenn er einer jungen Magierin seine ewige Treue bezeugen und sie nie wieder verlassen würde. Er war überrascht, tat aber wie ihm geheißen und nahm diese einzige Voraussetzung an. Nathaniel bot er einen Platz an seiner Seite als sein Berater an. Er nahm diese Stelle unter Vorbehalt an, er hatte dem Wolfsjungen versprochen sie zu seiner Familie zurück zu bringen und das hatte er auch getan. Erst dann als sie endlich wieder in den Armen ihrer Mutter lag, verwandelte sie sich in ein wunderschönes Mädchen zurück. Sie bedankte sich überschwänglich bei dem Jäger und er versprach sie so oft wie möglich zu besuchen, doch auch er hatte noch etwas zu erledigen. Er reiste zurück in sein Heimathaus, kniete an dem Grab seiner Mutter nieder und bat um Vergebung. Er erzählte ihr von allem was geschehen war und dass er alles wieder gut machen und den Namen Imetra wieder reinwaschen würde. Raziel schien sich mit seinem Dasein abgefunden zu haben und so wollte auch er zu seiner Herkunft stehen und ihn als Bruder akzeptieren. Sie hatten nach all den Jahren einiges aufzuholen und auch wenn sie es nicht zugaben, sie waren sich als Brüder ähnlicher als welche die mit einander aufgewachsen war. Schon bald hörte das ganze Land von dem Tod des Lord Welish und der Krönung des Königs Raziel. Ich wohnte dieser offiziellen Zeremonie bei, reiste aber bald danach ab. Raziel hatte auch, ohne mich zu bemuttern, noch einiges an Arbeit vor sich und auch ich hatte noch eine wichtige Aufgabe die ich erledigen musste.

 

Voller Reue und mit Trauer im Herzen, ritt ich direkt nach Loran. Alvitur´s Tod hatte ich immer noch nicht verarbeitet und nun lag es an mir seine Heldentat an seine Familie weiter zu geben. Als ich aus dem Wald herausritt und das kleine Wikingerdorf sich vor mir ausbreitete, musste ich einmal tief einatmen. Es würde nicht leicht werden. Als mich der Jarl kommen sah, ohne seinen Sohn an seiner Seite, lächelte er mich wissend an. Und nicht er war es der in Tränen ausbrach, nein ich war es die aufgelöst in seinen Armen lag und meinen ganzen Kummer an seiner Brust ausweinte. Seine väterliche Art, die mir niemals zuteilwurde, tröstete mich und half mir ihm die Geschichte zu erzählen. Die Geschichte eines lebensfrohen Jungen der sein Herz und seinen Mut in einem Abenteuer bezeugte um seinen Gefährten zu helfen und letztendlich sein Leben dafür opferte. Seine Mutter Birna war ebenso betroffen wie sein Bruder. Wir spendeten uns Trost und das ganze Dorf trauerte mit. Der Jarl lud mich ein bei der Trauerzeremonie beizuwohnen und ich fühlte mich geehrt dabei zu sein. In der folgenden Nacht lief die Prozession der Dorfbewohner mit brennenden weißen Kerzen an dem kleinen Ausläufer des Nimeneth entlang. Über die kleine Brücke und durch den düsteren Tannenwald liefen wir im Stillen hintereinander her. Einer der Dorfältesten sang dabei ein Klagelied in einer Sprache die ich nicht verstand. Doch das war gar nicht nötig, denn seine Stimme und die Melodie die er in die Nacht hinaus trug, berührte mein Herz und ließ es zu das ich meine Trauer voll und ganz ausleben durfte. Schweigend ging der Jarl an der Spitze, mit einem Tuch in dessen das Wappen der Familie gestickt worden war. Ohne dass ich das Ziel kannte und ohne dem Stamm anzugehören, wurde mir die Ehre zu teil direkt hinter der Familie gehen zu dürfen. Der Schmerz den mir der Tod Alvitur´s bereitete schien kein Ende zu finden, doch als wir an der Flussmündung ankamen und ich die Kraft des Wassers regelrecht spüren konnte, konnte ich verstehen weswegen wir genau an diesem Ort waren. An der Stelle wo der Nimeneth sich teilte, bildlich wie das Leben sich irgendwann teilte und es in den Tod überging und etwas Neues entstand, konnte ich einen kleinen Teil der Mythologie und der Lebensweise der Wikinger verstehen. Die Zeremonie war eine einfache und ich genoss es einfach mit dabei zu sein. Ein plötzlicher Frieden und eine Ruhe kehrten in mich ein und als wenn Alvitur ein letztes Mal bei uns wäre, rauschte ein kräftiger Wind durch die Wipfel der Nadelbäume und streifte mein Gesicht. Als würde er ein letztes Mal Lebewohl sagen, verabschiedete ich auch mich von ihm. Die Feier die danach die ganze Nacht andauerte, vertrieb all den Kummer und die Sorgen. Es wurde eine Kuh geschlachtete und über offenem Feuer gegrillt, Met und Bier floss ihn strömen, es wurde gelacht und getanzt und Loblieder über den jungen Wikinger gesungen. Für einen kurzen Moment war ich Teil ihrer Familie und das ehrte mich zutiefst.

 

Am nächsten Morgen machte ich mich wieder auf den Weg. Jarl Órnir verabschiedete mich auf seine Art, während ich von seiner Frau Birna herzlichst umarmt wurde. Skári gab mir als Abschiedsgeschenk ein selbst geschmiedetes kleines Messer mit und ich nahm es voller Stolz und Dankbarkeit entgegen. Sie wanken mir noch zum Abschied zu, bis ich sie hinter den Bäumen nicht mehr sehen konnte. Nun ritt ich weiter in Richtung Eryn. Es war lange Zeit her das ich alleine durch die Ländereien gereist war und fühlte mich seltsam leicht. Ilmare schritt gelassen und eifrig voran, als würde sie spüren, dass es gen Heimat ging. Als ich endlich den Pfad zu meinem ehemaligen Haus gefunden und die Überreste meiner verbrannten Hütte wiedersah, verspürte ich einen Schmerz den ich zuerst nicht zu erklären vermochte. Die verkohlten Balken glichen nur noch einem Gerippe und als ich abstieg um ins Innere zu gehen, war nichts mehr so wie es mal war. Sämtliche Bücher, Bilder, Möbel und andere Habseligkeiten waren zu Asche verfallen. Die Natur hatte sich bereits alles zurückgeholt. Nichts schien mich hier mehr zu halten und der Schmerz, keine Heimat mehr zu haben, wurde größer. Was sollte ich nun machen? Zurück ins schwarze Schloss? Zu den Elben oder den Wikingern? Nein! Ich hatte eine neue Aufgabe gefunden. Nachdem ich die Priesterin getötet hatte, hatte ich einen kurzen Einblick in ihre Erinnerung bekommen und wusste nun das es auf der gesamten Welt, Tempel und Ordenshäuser gab, die denselben Schrecken verbreiteten wie sie es hier getan hatte. Wie eine Krankheit durchzogen sie die Lande und verbreiteten ihren martialischen Glauben um das umzusetzen was sie der Herr zu ihnen sagte. Ich glaubte daran, ich hatte ihn und seine Pläne für unsere Welt gesehen. Sie glichen den Erinnerungen Raziel´s. Nein ich würde sie alle finden und diesem Schrecken ein Ende setzten, selbst wenn ich es alleine machen müsste, doch sie waren der wahre Grund warum ich nun keine Heimat mehr hatte und Alvitur sterben musste. Entschlossen schwang ich mich auf den Rücken der Rappstute und machte mich auf jene zu suchen die Unrecht über die Welt brachten. Ich wusste auch wo ich anfangen würde. Mein erster Anhaltspunkt war der Alchemist, den der Autor des grünen Buches nannte. Mein Weg führte also wieder nach Olinera.

 

Der Gesang von Tenoren erklang dunkel und unheilgeschwängert durch die in Stein gehauene Zitadelle. Der steinerne Schrein in der Mitte des Kreises aus bronzefarbenen Feuerschalen stand im Mittelpunkt der Zeremonie. Priester in schwarzen Gewändern und verborgenen Gesichtern standen um sie herum und besangen das gläserne rote Auge welches in einer bronzefarbenen Halterung lag. „Herr wir haben eine eurer Dienerinnen verloren, getötet von einer Magierin.“ Trat ein Priester hervor und kniete auf einem Bein nieder. Ehrfürchtig taten es ihm die anderen gleich und der Gesang verstummte. Eine unheimliche Stille entstand, als sich das Auge plötzlich entflammte und der gläserne Kristall einer Pupille glich. Ein Knistern lag in der Luft und prickelte wie geladen auf der Haut. Eine verzerrte Stimme die aus mehreren zu bestehen schien, hallte durch die kleine Höhle und schwoll an. „Die Prophezeiung bewahrheitet sich, die Magierin sie ist die Zukunft und die Vergangenheit. Sie wird diejenige sein die mich endlich auf die irdische Welt bringen wird!“

Inhaltsverzeichnis

 

1 - 10               Vergessene Leidenschaft

11 – 22            Verpasste Gelegenheiten

23 – 30            Olinera

31 – 27            Vertrauensvorschuss

28 – 52            Der Schein trügt immer

53 – 62            Noorac – Seelenverbündete

63 – 79            Pescandria

80 – 86            Offenbarung

87 – 107          Letzte Rettung

108 – 120        Gott des Waldes

121 – 128        Schicksale

129 – 137        Stadt der lebenden Toten

138 – 152        Bestimmungen                       

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Publication Date: 05-16-2019

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