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Die Tränen meiner Kindheit

Hinweis

Ich, Aimée Herrmanns, bin keine erfahrene Buchautorin und habe mich zum ersten Mal in meinem Leben gewagt ein Buch zu schreiben. Zudem schrieb ich nicht über mich, mein Leben, meine Erfahrungen, sondern ich habe versucht die Lebens- und Leidensgeschichte meines geliebten Mannes in Worte zu fassen.

Martin sagt ihnen:

Es vergingen Jahrzehnte bis ich das Schweigen brach. Erst durch die Liebe meiner Frau war ich in der Lage von meiner Leidenszeit zu sprechen.

Alles was auf den folgenden Seiten geschrieben ist, habe ich gelebt, erlebt und ertragen. Es ist kein Roman, sondern meine Autobiographie. Man möge mir verzeihen, dass ich keinen anderen Namen für die Frau gefunden habe, die mich zur Welt gebracht hat, ich nenne sie nur die „Alte“ und das hat nichts mit ihrem Alter zu tun. Ihren Mann nenne ich logischer Weise den „Alten“, da ich eine Gleichstellung der beiden Personen beabsichtige. Alle alten Menschen bitte ich die Sache richtig aufzunehmen und sich nicht verletzt zu fühlen, denn ich respektiere alte Menschen.

Um gewisse Personen nicht zu verletzten und ihr Anonymität zu gewehrleisten habe ich alle Namen geändert und auch die Orte der Handlungen nie exakt genannt. Das ist meine einzige Konzession an die Wahrheit, auch um nicht direkt betroffene Personen zu schützen.

Da ich alle Erinnerungen aus meinem Gedächtnis befreien musste, habe ich mich vielleicht manchmal mit den Daten der Abläufe vertan. Ich bitte sie mir diese kleinen Gedächtnislücken zu vergeben. Manchmal überschnitten sich auch Erinnerungen und Begebenheiten und ich habe trotzdem versucht die Dinge so chronologisch wie möglich wiederzugeben.

Wirklich sehr intime Erinnerungen habe ich aus Scham nicht erwähnt und sie bleiben mein persönliches Geheimnis.

Ich habe bis zum heutigen Tag nichts vergessen, kann nicht verzeihen, nicht vergeben. Diese beiden Personen haben mich zu sehr misshandelt und ich verachte sie bis zu meinem Lebensende.

 

 

 

 

 

 

Geleitworte

 

Aimée :

 

Ich habe ein Opfer von Gewalttätigkeiten kennengelernt und ich lebe mit diesem Mann bereits seit über 15 Jahre zusammen. Wo bin ich heute mit diesem Leben? Ich muss die Dinge bezüglich meines Ehemannes auf den Punkt bringen, zwischen ihm, dem Opfer und mir, die Frau die ihr Leben mit ihm teilt.

Die Frucht unserer Liebe ist geboren und auch für ihn, unseren Sohn, muss ich ausdrücken, was mir schon seit so vielen Jahren auf dem Herzen liegt. Ich habe ein normales Leben geführt, eine gute Kindheit und Jugend verlebt. Die gewalttätigen Handlungen die mein Mann leider über sich ergehen lassen musste in seiner Kindheit und Jugend hat unser gemeinsames Leben und das unseres Sohnes stark beeinflusst.

Die Psychologen und andere Fachkräfte der klinischen Therapie werden die kompletten Verhaltensmuster eines Opfers analysieren können. Das ganze Leiden meines Mannes, psychologische und physische Schmerzen seiner Kindheit und seiner Jugend haben definitiv seine Zukunft bestimmt und damit auch einen Einfluss auf unser Leben.

Ich sage ihnen sofort, dass die ungewollte Rolle des Opfers meines Mannes auch uns zu Opfern gemacht hat, unseren Sohn und mich. Ich will dieses Leben nicht leben, nicht für mich und auch nicht für unseren Sohn. Um es ganz klar und deutlich zu sagen, mit einem Menschen zu leben welcher von seiner Mutter und seinem Stiefvater misshandelt wurde, ist ein Kampf für starke Kämpfer und das Tag für Tag.

Heute ist er 53 Jahre alt und man könnte denken oder glauben, dass heute alles besser abläuft, nachdem er die Suche des Verstehens seiner Vergangenheit abgeschlossen hat. Aber auch wenn er nach und nach versteht dass ihn keine Schuld trifft an seiner Vergangenheit, hatte er einen solchen Hass den anderen gegenüber in sich gespeichert. Dieser Hass war alles was er gefunden hatte um sich zu schützen, eine Form von Auto-Verteidigung. Aber dieser aufgespeicherte Hass in ihm den er auch ständig weiter „unterhalten“ hatte, hatte er gegen sich selbst gerichtet und somit auch immer viele seine Entscheidungen von seinem Hass abhängig gemacht. Umso schlimmer und dramatischer für ein Opfer was mit Gewalt und Sadismus geschlagen, zerschlagen und zerstört wurde, das ganze ständig begleitet durch verletzende Worte.

Er hat dadurch ein gewisses, für ihn typisches Verhalten entwickelt, seine psychologischen Mauern aufgebaut um sich zu schützen, einmal vor sich selbst und vor allem vor den anderen. Er ist so fragil, so leicht zu verletzen und wenn jemand seine Schutzmauer einreißt dann steigt eine unbändige Wut in ihm auf und der Wille zur Gewalt dieser oder diesen Personen gegenüber. Im Grunde ist es ein Hass, den er gegen sich richtet, weil er sich als Kind und Jugendlicher alles hat gefallen lassen, von seiner Mutter und ihrem Mann, weil er sich nie gewehrt hatte und sich auch nicht hätte wehren können. Wie hätte er sich auch wehren können gegen den Hass seiner Mutter ihm gegenüber. Einen Hass den er nie verstanden hat, wie hätte er ein solches Verhalten auch verstehen können. Nur Menschen die auch Opfer solcher oder annähender Verhaltensweisen sind oder waren, können wirklich verstehen was er erlebt und durchgemacht hat.

 

Bei seiner Suche nach Liebe, war er fürchterlich ungeschickt, auch bei der Umsetzung der Theorien in die Praxis im Berufsleben hat ihn diese Ungeschicklichkeit begleitet, eine direkte Folge der erlebten Gewalt dessen Opfer er war. Schlagt mich, hasst mich, denn auf diese Art und Weise hat man mich konstruiert! Diese Anflüge von Hass haben ihn zerstört und waren ständig gefolgt von der Erkenntnis dass er es nicht verdient hatte ein Opfer zu sein, da er seine Lage jedoch akzeptiert hatte mauerte er sich in eine große Isolation und Einsamkeit ein. Sein Widerstand als Mann, seine Wut, seine eiskalte Wut, heutzutage sehr gut unter Kontrolle. Seine Wunden, seine Verletzungen, seine Narben die man sich vielleicht vorstellen kann, scheinen langsam, ganz langsam zu heilen. Aber diese Verletzungen und Wunden, können in jedem Moment des Lebens wieder aufbrechen und wenn es passiert dann ist er auf ein Neues tief verletzt. Irgendwie ist es ja auch die Wahrheit, dass er nicht der Schuldige seiner Lage ist.

Es ist einfach unmöglich, dass ein Mensch, geschlagen, verletzt, abgeschoben, weggeschoben wird und dass seit seiner frühen Kindheit, durch seine Mutter! Wie kann man sich ein normales Leben aufbauen und seinen beruflichen Weg wählen, eine Familie gründen, ein Liebesleben aufbauen und sich ein soziales, humanes, warmes und korrektes Sozialleben aufbauen, nachdem man solchen fürchterliche Dinge jahrelang über sich hat ergehen lassen müssen???

 

Martin:

 

Eines Tages lernen sie eine Frau kennen die das Kind in ihnen liebt, das Kind, das sie einmal waren. Sie schaut ihnen in die Augen und sie sieht in sie hinein und sagt: „ Ich kenne dich!“ Und diese Frau macht sie zu dem Mann der sie schon immer gerne sein wollten!

Die Frauen machen die Männer und die Kinder machen die Frauen, auf eine gewisse Weise. Wenn eine Frau einem Kind das Leben schenkt hat sie ihre Bestimmung erfüllt, denn nur eine Frau kann das Leben geben.

Eine Frau weiß dass sie Mutter wird, sie fühlt das Leben, wir Männer haben immer neun Monate Verspätung.

Vielleicht bin ich heute wirklich ich selbst!

Mit Aimée habe ich nicht nur die Frau meines Lebens gefunden, sondern auch meine innere Ruhe gefunden, die Wärme meines Seins gefunden, meine andere Hälfte, mein zweites ich!

 

 

 

Episode 1

Ich bin im Januar 1954 in einem kleinen Dorf in der Nähe von Aachen geboren. Geboren im Haus meiner Großeltern, wo ich die schönsten Momente meiner Kindheit verbrachte, bis auf einige kleine Ausnahmen.

Ich lebte mein kleines Leben in Ruhe und in Frieden mit meinen Großeltern mütterlicher Seite. Unsere Harmonie wurde nur selten durch die Anwesenheit meiner Mutter und meines „Vaters“ (zu diesem Zeitpunkt wollten mir alle diesen Mann als meinen Vater „verkaufen“, aber ich hatte schon damals ein instinktives Misstrauen ihm gegenüber, worauf ich später noch zurückkommen werde). Sie kamen regelmäßig einmal pro Monat, am Sonntag, um mit uns zu essen. Jedes Mal waren meine Großeltern sehr erbost, das sie immer zu spät kamen, um uns in die Messe zu begleiten, was sie sicherlich willentlich machten.

Jeder, der dieses Buch lesen wird, am besten bis zur letzten Seite, wird verstehen, dass ich in der Folge meine Mutter nur noch als „die Alte“ bezeichne und meinen Stiefvater nur als den „Alten“. Ich rufe sie auf diese negative Weise, weil ich weder Liebe noch Respekt für sie empfinde, nicht für sie, nicht für ihn. Sie haben mich nie geliebt und das Wort „Respekt“ war ihnen immer ein Fremd-Wort!

Ich habe einen tiefen Respekt für alte Menschen, aber die „Worte“ die ich für diese beiden Personen benutze, sind umso härter und verletzender, weil sie nichts gemeinsam haben mit dem Personenkreis der alten Menschen.

Nach dem Mittagessen, zogen die beiden Alten mich an und zwangen mich dazu mit ihnen spazieren zu gehen. Es waren nie ganz einfache Spaziergänge, denn ab meinem zweiten Lebensjahr waren es wirkliche Gewaltmärsche, wie bei der Armee. Ich wurde gezwungen 20 bis 25 km zu laufen und der Alte sagte mir, dass dies Märsche sehr wichtig wären, um mich hart und widerstandsfähig zu machen, das wäre eine normale Sache für einen zukünftigen Mann.

Ich vergesse nie, wie sehr ich die Tage hasste, an denen sie zu „Besuch“ anwesend war und diese Spaziergänge mit ihnen.

Ich war etwa zweieinhalb Jahre alt, als ich damit begann, bei diesen Gewaltmärschen einfach solange die Luft anzuhalten, bis ich ohnmächtig wurde. Meine Aktion hatte eine sofortige Wirkung, denn über mehrere Wochen hinweg wurde ich von ihren Spaziergängen ausgeschlossen. Doch es gab jemand, der ihnen eine gute Idee eingeflüstert hatte. Sie nahmen mich wieder mit auf ihre Spaziergänge und als ich wie gewohnt die Luft anhielt, warfen sie mir ein Glas mit kaltem Wasser ins Gesicht, mit sofortigem Erfolg, denn ich atmete kräftig durch. Meine Selbstverteidigung war also nur von kurzer Dauer, denn ich musste sie weiterhin bei ihren Gewaltmärschen begleiten.

In diesem Zeitraum lebten auch vier weitere Kinder mit uns im Haus meiner Großeltern, alle vier älter als ich. Jedes Kind musste die Schuhe des älteren Kindes auftragen und ich war eben das Schlusslicht in der Reihe und trug als letzter die Schuhe die schon vier meiner Cousinen und Cousins getragen hatten. Ich vergesse nie, wie sehr mir die Füße in den ausgelatschten Schuhen schmerzten. Aus diesem Grund lief ich vom Frühjahr bis zum Herbst barfuß. Wenn ich an den Sonntagen mit den Alten marschieren musste, zog ich bei unserer Ankunft zu Hause unverzüglich die Schuhe aus, denn meine Füße brannten wie Feuer und die an den Hacken hingen nur noch Fetzen meiner riesigen Blasen.

Meine Großmutter machte mir zwar sofort eine Creme auf die verletzten Hacken, um die Schmerzen zu mildern, aber es dauerte eine Weile, bis sich eine neue und feine Haut gebildet hatte. Die Alten haben mir nie neue Schuhe gekauft, obwohl mein Vater eine hohe Unterhaltszahlung für mich hinlegte, auch schon zu diesem Zeitpunkt.

Ich war immer vollkommen erledigt nach diesen Märschen mit den Alten und hatte nur eine Idee im Kopf, meine Schuhe auszuziehen und mit dem Hund meines Großvaters im Garten zu spielen.

Eine Sache die ich nie vergessen werde ist, dass der Alte mir nach jedem „Spaziergang“ sagte, dass ich ihm eines Tages sehr dankbar dafür würde, das er mich so hart anfasst, um mich widerstandsfähig zu machen. Welche Ironie!!!

Welches zwei oder zweieinhalb jähriges Kind hätte für solche Worte Verständnis aufgebracht?

Vor jedem Spaziergang versuchte ich den Blick meines Großvaters zu erheischen, in der Hoffnung, dass er mir zur Hilfe eilt um mich zu beschützen. Aber weder meine Großmutter, noch mein Großvater sagten ein Wort, um mir zu helfen und ich hatte immer das Gefühl, dass sie mich den beiden Alten ohne Schutz auslieferten. Sie beschützten mich nicht und ich verstand damals nicht warum mir ihr Verhalten eine solche Angst einflößte!

Nach unserem Eintreffen hatte meine Großmutter schon den Kaffee und Kuchen auf dem Tisch stehen.

Es folgte der beste Moment ihres Besuches, ihre Heimfahrt. Die Alten stiegen in ihr Auto um in Richtung Heimat abzufahren und ich fand die Ruhe meines süßen Alltaglebens zurück. Wie gewöhnlich verzogen sie sich ohne Abschied, ohne Küsse und ohne Streicheln, aber Mal ganz ehrlich, ihre „Gefühle“ für mich fehlten mir auch nicht, denn ich bekam alle notwendigen Streicheleinheiten von meinen Großeltern.

 

Die Alte hatte schon immer eine große Klappe und eine hohe, kreischende Stimme und sie hörte sich gerne sprechen und lachen. Wenn jemand anders etwas zu erzählen hatte, hob sie ihre Stimme so stark an, dass man nur noch sie hörte und nur ihr zuhörte. Schon damals mochte ich weder ihre Stimme, noch ihr idiotisches Lachen und nicht ihr Verhalten und ihre Art und Weise sich in den Vordergrund zu spielen.

Zum damaligen Zeitpunkt war ich etwa vier Jahre alt und schon damals schämte ich mich für ihr Auftreten.

 

Ich war etwas drei Jahre alt, aber ich kann mich genau daran erinnern, wie unsympathisch mir der Alte war. Ich beobachtete ihn immer mit sicherem Abstand und nichts an ihm gefiel mir. Heute ist mir bewusst, dass ich schon damals, als Kind, die richtigen Gefühle hatte und meine Einstellung ihm gegenüber wurden durch sein Verhalten mir gegenüber noch übertroffen.

Seine Anwesenheit, seine Blicke, seine Worte, alles an ihm ließen mir die Haare zu Berge steigen und ich wollte nur eines, so weit von ihm weg sein wie nur eben möglich. Zudem kam hinzu, dass er immer sehr, sehr hart mit mir sprach und umging. Er sprach immer knallhart mit mir und wenn ich seinen Anordnungen nicht unverzüglich Folge leistete, wurde er sofort sehr brutal.

Er schlug mir hart und trocken ins Gesicht oder er schnappte mich an den Ohren, oder an den kleinen Haaren über den Ohren und er zog mich auf diese Weise in die Höhe, bis ich nur noch auf den Zehenspitzen stand. Erst dann schlug er mir mit der anderen Hand knallhart ins Gesicht und es kam nicht selten vor, dass er mir mit der geschlossenen Faust ins Gesicht schlug.

Dieser liebe Vater war in Wirklichkeit nur mein Stief-Vater. Er hielt sich zu diesem Zeitpunkt noch zurück, da mein Großvater nie sehr weit entfernt war… Ich verstand sehr schnell, dass er mich nie schlug, wenn mein Großvater anwesend war. Ich tat alles in meiner Macht stehende, um mich so selten wie möglich mit ihm alleine vorzufinden, was jedoch nicht immer möglich war. Unsere Spaziergänge waren also die Momente in denen der Alte sich nicht zurück zu halten brauchte und er mich ohne Rücksicht schlagen konnte, denn meine geliebte Mutter eilte mir nie zur Hilfe.

Später wurden wir auch von Fred begleitet, meinem Halb-Bruder, aber er wurde entweder im Kinderwagen geschoben oder der Alte trug in auf seiner Schulter oder trug ihn in seinen Armen. Ich durfte mich Fred nie nähern, der Alte brüllte mich an, seinen Sohn in Ruhe zu lassen und er schlug nach mir oder trat nach mir. Sein Kopf war unverzüglich so rot wie eine reife Tomate und er versetzte sich von einem Moment zum anderen in einer fürchterlichen Wut. Ich verstand die Welt nicht mehr, denn ich hatte nichts Schlechtes oder Schlimmes getan.

Es war mir auch verboten mit Fred zu spielen oder mit ihm zu sprechen. Beim kleinsten Versuch mit Fred in „Kontakt“ zu treten, wurde der Alte fast verrückt vor Wut. Damals konnte ich nicht verstehen, warum die Alten willentlich und wissentlich eine solche Distanz zwischen uns aufbauten. Diesen Abstand haben wir unser ganzes Leben lang behalten. Fred hat heute zwei erwachsene Kinder, aber ich habe sie nie kennen gelernt. Aber um ganz ehrlich zu sein, weder Fred noch seine Familie, noch seine beiden Schwestern und die Kinder der ältesten Halbschwester fehlen mir. Mit meiner jüngsten Halb-Schwester hatte ich ein wenig Kontakt, da die Beziehung aber nur eine Einbahnstraße war und mir nichts positives einbrachte, war es wohl nicht nötig eine solche Relation aufrecht zu erhalten.

Die beiden Alten haben mit voller Absicht diesen großen Graben zwischen ihren Kindern und mir geschaffen und ab einem gewissen Zeitpunkt, konnten weder sie noch ich diesen überschreiten. Als sie grösser und älter wurden, behandelten sie mich auf die gleiche Weise wie die Alten, mit Abstand, mit Gewalt, mit Hass!

Die drei Geschwister und ich, wir sind uns immer fremd geblieben. Sie standen ihren Eltern immer sehr nahe, wir hatten zwar die gleiche Mutter, aber ich war für alle immer: „der Hurensohn, der Bastard“, wie die Alten mich riefen. Die beiden Alten sagten immer, dass sie ihre Kinder vor mir zu schützen hätten, aber schützen vor wem und vor was?

Aber ihre drei Kinder haben ihnen diesen „Schutz“ gegen mich auf gewisse Weise zurückgegeben, denn sie taten alles in ihrer Macht stehende um ihre Eltern zu schützen. Sie haben sie in allen Situationen und Lagen des Lebens unterstützt, auch finanzielle, sie bei und mit ihren Betrügereien unterstützt und ebenfalls davon profitiert. Aber auch sie haben bei diesen perversen Spielen „Federn“ gelassen, oft ohne einen Cent ihres eigenen Geldes zurück zu bekommen.

Aber dieses Thema behandele ich später, denn auch ich bin ein Opfer ihrer Betrügereien.

 

Ich komme nochmals auf diese blöden „Spaziergänge“ zurück, denn ich habe noch ein paar Worte dazu zu sagen. Ich habe und hatte ihren Kindern nie Schmerzen zugefügt und ich hatte auch nie die geringste Absicht ihnen weh zu tun, aber der Alte fügte mir Schmerzen zu, denn er verweigerte mir, mich seinen Kindern zu nähern und mit ihnen zu spielen, obwohl ich solch eine Lust darauf hatte.

Schon mit meinen drei Jahren hatte ich verstanden, dass es zwischen dem Alten und mir und seinem Sohn Fred und mir, ein großes Relationsproblem existierte und als meine beiden Halb-Schwestern geboren wurden, hat sich alles noch klarer abgezeichnet.

Ich fühlte, trotz meines jungen Lebens, das ich alleine auf der einen Seite stand und auf der anderen Seite die beiden Alten und ihre Kinder. Ich unterschied mich von ihnen, ohne zu diesem Zeitpunkt zu verstehen aus welchem Grund.

Bei meinen seltenen Besuchen bei den Alten und ihren Kindern, schlugen die Alten immer auf mich ein, für ein Ja oder für ein Nein, für einen Blick, für ein Wort, sie fanden immer einen Grund um mich zu schlagen und zu beschimpfen. Wenn ihre Kinder es ihnen gleichtaten und auch nach mir schlugen, durfte ich mich nicht wehren. Wenn mal eine dumme Sache angestellt worden war, egal von wem, stellten sie nie die Frage nach dem Schuldigen, der war ohne Einschränkung immer ich und sie schlugen einer nach dem andern auf mich ein. Jahrelang profitierten und benutzten ihre Kinder meine „ständige selbstverständliche Schuld“ für alle angerichteten Dummheiten und ich bekam für alles und alle diese ungerechten Strafen.

Ihr gesamtes Verhalten mir gegenüber fühlte ich als eine Ungerechtigkeit und meine Gedanken gingen in die Richtung dass etwas zwischen ihnen und mir nicht stimmen konnte. Tag für Tag wurden meine Beobachtungen und Erlebnisse zu einer erneuten Bestätigung meiner Gefühle.

Jedermann wird sicherlich verstehen können, dass ich sehr schnell gelernt habe, einen sicheren Abstand zu den Alten und ihren Kindern zu wahren, dass ich keinen Kontakt mehr mit einem von ihnen haben wollte und ich war froh, wenn sie sich weit weg befanden. Aber, leider eines Tages!!.........

 

Schon mit drei oder vier Jahren, stellte ich mir die Frage, was mit mir nicht stimmt könnte, denn wenn ich solche aggressiven und gewalttätigen Handlungen der Alten auslöste, dann konnte doch nur ich die Schuld an allem tragen und dass, obwohl ich immer voller gutem Wille war alles gut zu mache.

Wie oft stellte ich mir die Frage, aus welchem Grund die Alten mir verboten mit ihren Kindern Fred und Emma zu sprechen oder zu spielen, denn ich hatte nicht einmal das Recht mit ihnen zu sprechen. Damals dachte ich dass es meine Schuld war, weil ich nicht mit ihnen lebte.

Für einen kleinen Jungen der jede Menge Fragen ohne Antworten hatte, war es eine schlimme Lage und mein Selbstvertrauen bekam schon zu diesem Zeitpunkt einen großen Knacks.

Da ich jedoch nicht ständig ihrem Wohlwollen ausgesetzt war, da sie weit weg wohnten, lebte ich mein Leben in Ruhe und in Frieden mit meinen Großeltern und mit ihrer Hilfe konnte ich mir mein Selbstvertrauen immer wieder neu aufbauen. In Wirklichkeit wohnten sie nicht so weit weg, sondern nur etwa 100 km, aber für mich war das am anderen Ende der Welt.

 

Eines Tages wurden wir informiert, dass der Alte ganz in der Nähe arbeitete und uns einen Besuch abstatten wollte, was er auch machte. Er trat ein, ohne einen Gruß und er sagte zu mir: „ Höre auf zu essen, sammle deine Sachen ein, mit dem ruhige Leben ist Schluss für dich, ich nehme dich mit zu uns nach Hause!“

Ich war vollkommen überrascht und gleichzeitig erschrocken und verängstigt bei dem Gedanken dass der Alte mich mitnehmen würde, denn niemand hatte mit über einen Wohnungswechsel gesprochen und mich auf eine solche Situation vorbereitet. Ich sah meine Großeltern an und sah in ihren Gesichtern, dass sie genau so überrascht waren wie ich. Mit viel Mut stand ich auf, stellte mich vor ihm hin und sagte:“ Ich bleibe hier bei Oma und Opa und ich will nicht mit dir in deinem Haus leben!“

Seine gewalttätige Reaktion konnte ich jedoch nicht voraus sehen, denn er schlug unverzüglich auf mich ein, mit den Händen und mit den Fäusten voll ins Gesicht und er schlug weiter, als ich auf dem Boden lag.

Auf einmal sah ich meinen Opa über dem Alten und er riss ihn von mir weg und nun schlug mein Großvater ihm die Hand wieder und wieder in seine dreckige Fresse. Ich lag noch am Boden, verfolgte jedoch mit Freude die Handlung meines Opas.

Opa sagte ihm: „ Verschwinde aus meinem Haus, verschwinde aus meinen Augen und ich sage es dir nun wirklich zum letzten Mal, wenn du auch nur noch ein einziges Mal meinen Enkelsohn schlägst, dann lernst du mich richtig kennen und du würdest dir wünschen nie geboren zu sein. Martin bleibt hier bei uns und du verschwindest sofort!“

Da fing der Alte plötzlich fürchterlich an zu heulen, so wie ein kleiner Junge, seine Arme schützend vor sein Gesicht gehoben, als wenn er Angst hatte, weitere Schläge zu bekommen. Große Tränen liefen ihm die Wangen herunter.

Ich dachte, dass er weitaus mehr Angst vor den Schlägen meines Opas hatte, als ich vor seinen Schlägen gehabt hatte und ich war stolz auf meinen Mut.

Da, in diesem Moment sah ich den Alten mit anderen Augen, er war nicht mehr der harte Kerl, sondern nur noch ein „Waschlappen“ der heulte, wenn er eine Ohrfeige bekam.

Es ist mir vollkommen bewusst, dass ich in diesem Augenblick jeden Respekt für ihn verloren habe, es blieb nur noch Verachtung und ich fühlte mich ihm Haushoch überlegen.

Ich war mit meinen vier Jahren nur so hoch wie zwei Äpfel, aber ich hatte hundert Mal mehr Mut als der Alte, den ich hatte ihm nie meine Angst vor ihm und vor seinen Schlägen gezeigt.

Er, ja er heulte wie ein Baby und dass, obwohl er zweimal so jung und kräftig wie mein Opa war, aber er hatte eine mörderische Angst vor diesem alten Mann.

Ich dachte, dass das kein Mann, sondern ein Schlappschwanz war, der da so vor mir stand. Wie war es nur möglich, dass so ein Angsthase mich schon so oft und so fürchterlich hart geschlagen hatte?

Der Alte ging aus dem Haus, wie ein nasser Hund und wir haben ihn und seine Familie über Monate hinweg nicht mehr zu Gesicht bekommen, was mir sehr gelegen kam.

 

Am nächsten Tag sagte ich zu meinem Opa:“ Mein Papa ist in Wirklichkeit nicht mein Papa!“

Mein Großvater antwortete mir ganz entsetzt:“ Wie kannst du denn so etwas sagen, natürlich ist er dein Papa!“

Ich antwortete ihm jedoch, dass ich ihm kein Wort glauben würde und ich es schon seit dem Vorabend wüsste. Ich sagte ihm;“ Dein Satz war: dass du nicht mehr zulässt, dass er noch einmal deinen Enkelsohn schlägt, aber wenn er wirklich mein Vater wäre, dann hättest du ihm gesagt, dass du nicht mehr wolltest, dass er noch einmal seinen Sohn schlägt!“

Alle Gegenargumente meines Großvaters hatten für mich keine Bedeutung mehr. Für mich war es ganz klar, dieser Mann war nicht mein VATER!!!

Im gleichen Zeitraum begann ich zu verstehen, aus welchen Gründen er mich anders behandelte wie seine Kinder. Ein einfach ausgesprochener Satz, gab mir im Alter von vier Jahren die Gewissheit, dass ich die Wahrheit in den Händen hielt und nichts und niemand konnte mich von dem Gegenteil überzeugen. Die Zukunft sollte mir Recht geben!

 

Die Gewaltmärsche wurden nach der Geburt von Emma wieder aufgenommen. Sie hatte den Platz von Fred im Kinderwagen eingenommen und dieser hörte nicht auf zu schreien, zu weinen, zu heulen, denn wenn es eine Sache gab, die er nicht mochte, dann war es zu gehen oder zu laufen. Ich glaube der Alte hatte die Schnauze voll denn den dicken Fred über 20 bis 25 km zu tragen, was sicherlich kein einfaches Unterfangen war. Ich sah den Alten jedoch nie seinen Fred schlagen.

Da die Situation sich so verändert hatte, wurden die so genannten „Spaziergänge“ eingestellt.

 

 

Episode 2

Im Alter von 5 Jahren fuhr ich zum ersten Mal in Ferien zu den Alten und war somit auch zum ersten Mal von meinen Großeltern getrennt.

Die Alte und ihre Familie lebten zu diesem Zeitpunkt als Mieter bei einem alten und blinden Mann.

Die Alte erklärte mir, dass ihr Vermieter blind sei und ich ihn anzusprechen hätte, wenn ich ihm im Haus begegnen würde und ihm Platz zu machen hätte, damit er nicht fällt, da er sich ständig mit einem Blindenstock fortbewegt.

Ich hatte alle Anordnungen gut verstanden und auch die guten Absichten, diesem armen Mann zu helfen wenn es mir möglich war.

Mein kleines rotes Fahrrad war im Keller untergebracht, aber jedes Mal wenn ich in den Keller ging um es zu holen, folgte mir der Blinde und machte mir das Licht aus.

Damals hatte ich keine Angst im Dunkeln, aber der Blinde folgte mir in den Keller und ich hörte seine Stock, tikk, tikk…

Ich blieb stehen, ohne mich zu bewegen, ohne das geringste Geräusch zu machen, ich bin mir sicher dass ich sogar die Luft anhielt damit er mich nicht atmen hörte. Aber er fand mich trotzdem, schlug mich mit seinem Stock und lachte wie Idiot. Ich verstand nichts mehr, wie war es denn möglich dass er mich immer wieder im dunklen Keller fand und das er mit seinem Stock nie daneben schlug, sondern mich bei jedem Schlag traf und das obwohl er Blind war.

Mein Fahrrad, ließ ich an Ort und Stelle fallen und suchte das Weite. Von diesem Zeitpunkt an hatte ich wirklich Angst im Dunkeln und diese Angst blieb mir lange Zeit am Körper kleben.

Als ich außer Atem und voller Angst in der Wohnung der Alten ankam, erzählte ich ihr Wort für Wort was der Blinde mit mir gemacht hatte. Sie schrie mich an, nannte mich einen Lügner und schlug mit einem Holzlöffel auf mich ein. Solche Holzlöffel musste sie oft neu kaufen, denn sie zerschlug eine ganze Menge davon auf meinem Kopf und Körper.

Während dieser Ferien schlug die Alte mich jeden Tag und oftmals mehrmals am Tag, mit den Händen oder mit den Objekten die ihr gerade unter die Finger gerieten. Sie schrie mich an, dass sie Papa alles erzählen würde, wenn dieser nach seinem Arbeitstag nach Hause kam, damit er mir meine Konten regelte.

Jeden Abend, nach seinem Arbeitstag, setzte sich der Alte unverzüglich an Tisch um zu essen. Die Alte wartete immer bis er anfing zu Essen, um ihn mit ihrer schrillen Stimme darauf aufmerksam zu machen, wie sehr sie in Wut gegen mich und meine Verhaltensweisen wäre währen des vergangenen Tages. Da er jedoch müde und fertig war von seinen langen und schweren Arbeitstagen, wollte er nur in Ruhe und Frieden sein Abendessen einnehmen. Sie hetzte ihn jedoch so sehr gegen mich auf dass er aufhörte zu essen, um mich schnappen und wie ein wilder auf mich einzuschlagen. Anschließend hatte ich kein Recht mehr darauf zu essen und musste sofort in mein Bett gehen.

Ich verstand die Welt nicht mehr, denn niemand wollte mich verstehen, niemand wollte mir meine Geschichten mit dem Blinden Glauben schenken, obwohl ich doch nur die reine Wahrheit erzählt hatte. Zudem hatte die Alte mich schon mehrmals am Tage geschlagen und ich fühlte mich schon mehr als auseichend bestraft und nur weil ich die Wahrheit sagte. Aber jeden Abend bekam ich zusätzlich noch die gewaltigen Schläge des Alten zu spüren. Wo sollte ich denn einen Menschen finden der mir Glauben schenkte? Sicherlich nicht in dieser Familie!

Ich litt unter dieser Situation und da mir hier niemand glauben wollte, beschloss ich nach einigen Tagen kein Wort mehr zu sagen und die folgenden Erfahrungen mit dem blinden und alten Mann für mich zu behalten. Ich war so unglücklich, dass ich nur eines wollte, zu meinen Großeltern zurück zu kehren, in meine so beschützte Welt.

Ich weigerte mich jedoch immer wieder in den Keller zu gehen um mein Fahrrad zu holen, obwohl ich auch dafür Schläge einstecken musste.

Zu meinem Glück waren diese Ferien bald vorbei und ich konnte die Alten hinter mich lassen und meine glückliche Welt wiederfinden.

 

Etwa zum gleichen Zeitpunkt begannen meine Großeltern damit, sehr früh am Morgen Zeitungen auszutragen um ihre kleine Rente aufzubessern. Mein Opa war seit dem zweiten Weltkrieg sehr krank und er hatte zusätzlich auch noch Asthma. Um am Morgen bei mir zu sein standen die beiden sehr früh in der Nacht auf, nahmen ihre Fahrräder und machten ihre Arbeit. Da jedoch mein Onkel und seine Frau in der Nachbarwohnung wohnten und auch meine Tante und ihre Familie im Obergeschoss, war ich in den Nächten nie wirklich alleine im Haus. Mein Großvater führte auch immer seine Schäferhündin Asta ins Haus und sie wusste dass sie mich zu beschützen hatte.

Viel später erfuhr ich, dass mein Vater seit der Trennung von der Alten 200 DM Unterhaltsgeld für mich bezahlte. Damals waren 200 DM eine sehr große Summe, vor allem wenn man bedenkt, dass mein Vater nur 800 DM netto verdiente. Dieses Geld hätte meinen Großeltern sehr geholfen um mich zu erziehen und sie hätten es auch nicht nötig gehabt in der Nacht aufzustehen um zu arbeiten.

Aber die beiden Alten behielten dieses Geld um ihre ständigen Autokredite damit abzubezahlen!

Das Ehrgefühl ist sicherlich eine Frage von gutem Gewissen, nicht wahr?

Eine Sache ist sicher, die beiden Alten hatten sich gesucht und gefunden, denn beide waren gleichermaßen ekelhaft.

Sie waren Weltmeister, wenn es darum ging ihren Kindern oder ihren Familien das Geld aus den Taschen zu ziehen, denn das Risiko dass sie jemand anzeigen würde war im Familienkreis sehr gering oder vollkommen abwesend.

Und wenn sich Mal „jemand“ zur Wehr setzte und sich beschwerte, dann heulte die Alte, als wollte man ihr ans Leben und bat die betroffene Person sich moralisch zu verhalten und ihr nichts ans Leder zu gehen. Ihre „Masche“ hat immer funktioniert und sie hatte sich immer herausgewunden. Es waren die betrogenen und beklauten Personen die zum guten Schluss ein schlechtes Gewissen hatten …….

Zum Glück war ich bei meinen Großeltern weit von weg von diesen Problemen. Reich oder arm, das hatte keine Wichtigkeit für mich und ein kleines Kind hat sich auch nicht mit solchen Dingen zu beschäftigen. Hier war ich froh und glücklich und meine Tante Flora, die keine Kinder hatte, schenkte mir manchmal Dinge, welche mir meine Großeltern nicht kaufen konnten.

Jeden Morgen wachte ich durch die kleinen Geräusche auf die meine Großmutter macht, indem sie durch scheuern ihren Küchenofen, den sie vorher mit Holz angeheizt hatte, zum Blitzen brachte. Ich stand immer auf ohne mich bemerkbar zu machen, blieb im Türrahmen stehen und schaute ihr zu. Dastehend in ihrem langen Nachthemd, mit einem Schal um die Schultern gelegt und ihr langer Zopf der ihr bis zur Hüfte reichte, scheuerte sie ihren Ofen. Ich liebte es dazustehen um sie zu beobachten, ihre Bewegungen zu beobachten und auch den so speziellen Geruch des Produktes welche sie benutzte in mich aufzunehmen. Auch jetzt noch, in diesem Augenblick wo ich daran denke, habe ich diese Bilder vor den Augen, den Geruch in der Nase, schöne Erinnerungen. Es war einer der schönsten Momente meiner Kindheit, angenehm, gefühlvoll und unvergesslich.

Am Morgen, nachdem ich mich gewaschen und angezogen hatte, brauchte ich nur die Straße vor dem Haus zu überqueren und war beim Bäcker, um unsere morgendlichen Brötchen zu holen. Da bekam ich jeden Morgen von der Verkäuferin Anne-Marie ein oder zwei Bonbons geschenkt.

Wenn mir Tante Flora ein Pfennige zusteckte, ging ich in einen kleinen Krämerladen ganz in der Nähe, um mir ein paar Tonmurmeln zu kaufen, die billigsten, für einen Pfennig das Stück. Da ich von mir sagen kann dass ich ein guter Spieler war, gewann ich oft und konnte dann zehn Tonmurmeln gegen eine Glasmurmel eintauschen. Im Laufe der Zeit hatte ich einen richtigen Schatz angesammelt, den ich wie meinen Augapfel hütete.

Meine Großmutter erlaubte mir oft ihre kleinen Einkäufe zu machen, zum Bäcker, zum Schlachter, in die Apotheke, aber ich ging vor allem mit Freude in den kleinen Laden von Peter, denn er gab mir immer einige Bonbons und ich durfte mir sogar meine Lieblingsbonbons aussuchen.

Eines Tages habe ich das Portemonnaie verloren währen dich diese Einkäufe tätigte. Es blieb zwar nur wenig Geld übrig, da ich bereits all meine Einkäufe erledigt hatte, aber ich hatte das Gefühl, dass ich das Vertrauen meiner Großeltern missbraucht hatte.

Wochenlang war ich traurig und trist und behielt jeden Pfennig den ich geschenkt bekam oder ein wenig Taschengeld von Tante Flora, ohne mir dafür meine so geliebten Murmeln zu kaufen. Nach Wochen hatte ich endlich die damals verlorene Summe angespart, denn wenn mir jemand ein Geschenk machen wollte, fragte ich freundlich nach ob sie nicht bereit wären, mir dafür lieber etwas Geld zu geben.

Dann kam der Tag, an dem ich meinen Großeltern dieses Geld zurückerstatten konnte. Oma weigerte sich jedoch das Geld von mir anzunehmen, aber Opa hatte meine Geste verstanden, nahm das Geld mit Freude an und steckte es in seine Hosentasche.

Nachdem er das Geld eingesteckt hatte, nahm er mich ganz liebevoll in seine Arme und hielt mich fest und wir weinten beide zusammen. Wir hatten uns verstanden, auch ohne Worte!

Als ich etwa fünf Jahre alt war wachte ich jeden Morgen pünktlich um vier Uhr dreißig auf und um meine Großeltern nicht zu wecken, stand ich auf und spielte so leise wie nur möglich. Bevor ich mich am Morgen dann fertig machte, beobachtete ich wie immer meine Großmutter dabei wie sie den Küchenofen scheuerte.

Mein Onkel Bert, der jüngste Bruder der Alten, lebte zu diesem Zeitpunkt auch mit uns bei seinen Eltern, meinen Großeltern und hatte eine Ausbildung zum Verkäufer begonnen. Er bekam damals 5 DM netto pro Monat und er legte jeden Pfennig zur Seite um sich eines Tages ein schönes Fahrrad dafür zu kaufen.

Während eines Besuches der Alten hatte er erzählt, wie viel Geld er bereits angespart hatte. Und bei einem erneuten Besuch der Alten und ihrer Familie, fragte sie Bert ganz offen, vor allen Anwesenden, ob er ihr nicht 100 DM leihen könnte. Sie versprach hoch und heilig ihm dieses Geld in einem Monat, bei ihrem nächsten Besuch, zurück zu geben.

Onkel Bert sagte ihr, dass er ihr diesen Dienst gerne erweisen wollte, er jedoch darauf besteht, dass sie ihr Versprechen hält.

Sie antwortete ihm; „ Mensch Bert, du kennst mich doch!“

Er antwortete ihr, dass er eben aus diesem Grunde so darauf bestehe!

Einen Monat später, sofort bei ihrem Eintreffen, forderte Onkel Bert die Alte auf, ihm wie versprochen seine 100 DM zu erstatten.

Doch die Alte antwortete ihm ganz trocken, dass sie ihm zurzeit dieses Geld nicht erstatten könnte und er ja wohl nicht daran sterben würde wenn er noch ein paar Monate auf sein Geld warten würde.

Mein Großvater reagierte jedoch sofort und sagte ihr, dass er, als auch meine Großmutter als Zeugen anwesend waren, als sie meinem Onkel das Versprechen gemacht hatte ihm bei diesem Besuch sein Geld zu erstatten und sie sollte sich bitte an die Abmachung halten.

Die Alte verlor die Nerven und beschimpfte meinen Onkel Bert auf das schlimmste.

Es war nichts zu machen, trotz ihres unmöglichen Verhaltens, alle wollten dass sie das Geld unverzüglich zurückzahlte.

Auf einmal öffnete sie ruckartig ihre Handtasche, zog eine große Rolle mit 100 Markscheinen heraus, nahm einen Geldschein und warf ihn meinem Onkel mit den Worten ins Gesicht:“ Da du Drecksack, da hast du dein Geld, das kannst du dir in den Arsch schieben, als wenn ich es nötig hätte dir dein scheiß Geld zu klauen!“

Mein Großvater sagte ihr dass sie sich für ihr Verhalten und ihre Worte bei ihrem Bruder zu entschuldigen hätte, denn ein solches Verhalten sei in seinem Hause nicht akzeptiert.

Sie antwortete ihm, dass er sie Mal am Arsch lecken könnte, sammelte ihre Kinder und ihren Mann ein und sie verschwanden alle ohne ein weiteres Wort zu sagen.

Ich war mir sicher, dass mein Großvater ihr eine Ohrfeige verpassen wollte, aber er bekam von einer Minute auf die andere eine Asthma-Attacke. Diese war so stark dass unverzüglich der Arzt gerufen werden musste. Soweit ich mich erinnern konnte hatte ich einem so starken Anfall noch nie beigewohnt.

Und ich, ich versteckte mich in meiner kleinen Ecke hinter dem Sofa, vor lauter Scham und auch aus Hass gegen die Alte die ich meine Mutter nannte. Wie konnte es nur sein dass meine Mutter so vulgäre, so verletzend war?

Ich wäre gerne an ihrer Stelle vor Schamgefühl im Erdboden versunken!

In der Zukunft hatte ich noch viele Gründe mich ihrer zu schämen!

Nach diesem „Auftritt“ taten sie und ihre Familie uns den großen Gefallen, uns über mehrere Monate hinweg nicht mehr ihre Nasenspitzen zu zeigen!

 

Opa und ich machten fast täglich einen Spaziergang nach dem Mittagessen. Wenn ich nach dem Essen unverzüglich das Haus verlassen wollte, rief er mich mit den Worten zurück: „Zuerst die Arbeit, dann das Spiel.“ Also waren erst einmal die Hausaufgaben zu machen. Opa hatte eine Schäferhündin, sie hieß Asta und sie begleitete uns immer bei unseren Spaziergängen. Es bestand immer eine große Harmonie zwischen uns, wir unterhielten uns, ich bekam Naturkundeunterricht auf spielende Weise beigebracht, denn wir sprachen viel zusammen. Im Herbst gingen wir auf eine Obstwiese und machten eine Pause um ein paar Birnen zu essen. Opa besaß einen Jägerstock auf welchen er sich setzte um uns dann ganz in Ruhe die Birnen zu schälen. Danach spielte ich mit Asta auf der Wiese und Opa sah uns zu.

 

Wenn ich allein hinausging, um mit meine Freunden zu spielen, holte Opa Asta und gab ihr die Anordnung auf mich aufzupassen. Er sagte immer den gleichen Satz:“ Asta, geh mit Martin und passe auf ihn auf“ und er konnte sich auf seine Hündin verlassen.

Ich konnte ohne Probleme mit meinen Freunden spielen und wenn wir uns auch Mal anschrien oder uns schlugen, was auch vorkam, griff Asta nie ein und ließ uns unsere Probleme unter uns regeln.

Aber kein Erwachsener durfte sich mir nähern oder mich berühren. Ich kann mich daran erinnern dass sich mir eines Tages ein Mann näherte. Er war sehr schick angezogen, mit Anzug und Krawatte und er wollte mich auf alle Fälle berühren. Ich warnte ihn, sagte ihm, dass „mein“ Hund nie akzeptieren würde, dass er mich berührte und dass er es nicht erst versuchen sollte. Er legte mir trotz dieser Warnung die Hand auf den Kopf und Asta reagierte so wie es ihm gesagt hatte, denn sie biss ihn kräftig knurrend in die Hand. Der Mann zog unverzüglich seine Hand zurück und lief fort.

Wir haben sofort einen Erwachsenen gerufen und obwohl wir alle zusammen nach diesem Mann suchten, haben wir ihn nicht gefunden und nie wiedergesehen.

Mein Großvater dachte dass ich im Alter von fünf Jahren damit beginnen sollte lesen, schreiben und rechnen zu lernen. Und wenn mein Opa eine Entscheidung getroffen hatte dann war es so und nicht anders. Von diesem Tag an arbeitete ich jeden Tag mit ihm, oder besser gesagt, er mit mir.

Der Tag an dem ich eingeschult wurde, war ich bereits in der Lage, zu lesen, zu schreiben und zu rechnen. Der Schulbeginn wurde damals nach den Osterferien vorgenommen und im Alter von sechs Jahren. In unserem Dorf gab es in dieser Epoche noch keinen Kindergarten.

Jeden Tag, nach dem Mittagessen, machten Opa und ich den Abwasch, Oma nahm ihre Brille ab, legte ihre Ellenbogen auf den Tisch und hielt ihren Kopf zwischen den Händen und schloss die Augen, mit den Worten, dass sie sich nur ein wenig die Augen ausruhen wollte. Sie war kaum in dieser Position als sie auch schon schlief, obwohl wir sicherlich eine Menge Krach machten mit dem Geschirr und Besteck.

Sie gab jedoch niemals zu dass sie Geschlafen hatte, obwohl sich das gleiche Schauspiel Tag für Tag wiederholte.

Nachdem wir unsere Arbeit beendet hatten, zog sich Opa auf das Sofa zurück um in Ruhe seine Zeitung zu lesen. Seitdem ich jedoch begonnen hatte zu lesen war es mit seiner Ruhe vorbei, denn ich kletterte auf seinen Schoss um mit ihm zu lesen. Jedes Wort welches ich lesen konnte war Grund genug ihn zu stören und um ihm zu beweisen, was ich bereits alles gelernt konnte.

All diese kleinen Momente bleiben mir in Erinnerung und erwärmen auch heute noch mein Herz mit Glück, wenn ich an diese Augenblicke von Ruhe und Harmonie denke.

Meine Großeltern haben mir nie das Gefühl gegeben dass ich sie bei einer ihrer Aktivitäten gestört hätte, nie verboten auf ihren Schoss zu kommen. Sie hoben nie die Stimme an um mir etwas zu verbieten, oder etwas zu erklären oder um mich an die Hausordnung zu erinnern.

 

Mein damaliger Freund hieß Heinz und seine Eltern besaßen einen Bauernhof nur wenige Schritte vom Haus meiner Großeltern entfernt. Wir spielten sehr oft zusammen und die Hündin Asta war immer mit von der Partie. Ich besaß einen alten Bollerwagen, einige alte Kartoffelsäcke aus Jute in welche wir unsere Schätze steckten. Wenn wir nicht mehr wussten was wir machen sollten dann zogen wir in die Natur. Dort sammelten wir auf den Feldern und Wiesen die Munitionen auf, denn damals fand man noch jede Menge davon, man brauchte sich nur zu bücken.

Der Schrotthändler gab uns (fast) immer eine gute Summe für unsere Funde und das Geld teilten wir uns und kauften meistens sehr schnell Murmeln und Bonbons dafür.

Heinz Vater hatte während des zweiten Weltkrieges ein Bein verloren und fünfzehn Jahre später hatte er immer noch keine Prothese erhalten. Zu diesem Zeitpunkt gab es so viele Kriegsinvaliden, vor allem ehemalige Soldaten die alle auf eine Prothese warteten. Leider fand sich auch der Vater meines Freundes in dieser Lage und er wartete schon mit Ungeduld bis er an der Reihe war seine Prothese zu erhalten.

Er ging und arbeitete immer mit seinen Krücken und wenn er mit beiden Händen arbeiten musste, dann hüpfte er auf seinem verbleibenden Bein um sich fortzubewegen. Diese Bilder haben mich damals sehr geschockt, aber auch sehr berührt, denn ich mochte nie einen Menschen leiden sehen.

Heinz Vater hatte uns schon mehrmals darauf aufmerksam gemacht, dass wir nie die großen Minen anzufassen hatten, denn diese Panzerminen waren sehr gefährlich und konnten schon beim geringsten Kontakt explodieren.

Manchmal hörten wir eine große Explosion und die Erwachsenen sagen, dass schon wieder ein armer Bauer sein Leben gelassen hätte, mit diesen verfluchten Panzerminen die man während des Krieges überall vergraben hatte.

All das was wir hörten bezüglich der Gefährlichkeit dieser Minen und das absolute Verbot uns diesen Objekten zu nähern, hätte uns eine Lehre sein sollen, sollte man meinen. Zudem hatten wir die Anordnung erhalten, unverzüglich einen Erwachsenen zu verständigen falls wir eine solche Mine fanden.

Aber trotz aller Warnungen und Verbote sind wir eines Tages, an einem Nachmittag mit meinem Bollerwagen losgezogen, um unser kleines Taschengeld aufzubessern. Als wir an einem frisch gepflügten Feld vorbeikamen, stießen wir auf zehn oder zwölf dieser Minen, welche durch den Pflug ans Tageslicht befördert worden waren ohne zu explodieren. Wir dachten dass sie doch nicht so gefährlich waren wie die Erwachsenen uns glauben machen wollten. Sie waren aus Metall und sahen nun wirklich nicht sehr gefährlich aus, aber ihr Gewicht hat uns verblüfft.

Da der Schrotthändler uns unsere Patronen- und sonstige Munitionsfunde nach Gewicht bezahlte, dachten wir uns dass er es bei der Lieferung der Minen auch machen würde. Wir sahen uns schon mit den Taschen voller Geld!

Als wir zurückkamen war es schon sehr spät und wir hatten keine Zeit mehr unsere Ladung abzuliefern. Um uns nicht von Heinz Vater bei unserer verbotenen Handlung schnappen zu lassen versteckten wir diese im Stall der Kühe, hinter einem Berg von Stroh. Oh, wir armen Sünder, noch so klein aber Sünder!

Als sein Vater das Stroh zwischen seinen Kühen verteilen wollte, stieß er mit der Mistgabel auf unsere Minen!!! Das Geräusch sagte ihm nichts Gutes und er schaute unter das Stroh und fand unseren „Schatz“!

Er lief trotz seiner Krücken sehr schnell aus dem Stall und wir hörten seine Stimme schon im Hof. Er sagte seiner Frau dass sie schnell den Entminungsdienst anrufen sollte und ihm

Imprint

Publisher: BookRix GmbH & Co. KG

Publication Date: 04-01-2013
ISBN: 978-3-7309-1841-8

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Dedication:
Ich witme dieses Buch meinem geliebten Mann, dem Vater unseres Sohnes. Dem Mann der über Jahrzehnte hinweg an den Stigma seiner Msshandlungen litt. Ich witme dieses Buch auch unserem geliebten Sohn, der in den ersten Jahren seines Lebens unter den Verhaltensmustern seines Vaters litt und nun aber schon seit Jahren eine sehr harmonische Beziehung zu seinem Vater hat. Eine Vater-Sohn Beziehung in Liebe und Harmonie.

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