Menschen, die in der Kindheit und Jugend Gewalt, Misshandlung, Missbrauch, Vernachlässigung etc. erlebt haben, leiden oft ihr ganzes Leben unter Traumafolgen.
Diagnosen und Sichtweisen von Ärzten und Therapeuten helfen oft nicht weiter, weil die Ursachen von Traumen oft nicht erkannt werden und damit auch oft die Behandlungen nicht greifen. Die Diagnosen wie Depression, dissoziative Persönlichkeitsstörungen wie DIS, DDNOS, komplexe PTBS oder Angststörung, Borderline, ADHS, Selbstmordgefährdung....und wie sie alle heißen, helfen da alleine auch nicht. Die Bearbeitung dieser seelischen Verletzungen und Traumen, die hier meist zugrunde liegen, jedoch schon. Niemand entwickelt solche Symptome ohne zwingenden Grund.
Eine einfühlsame Begleitung im therapeutisch kompetenten Rahmen braucht es, um so viel Vertrauen zwischen Klient und Therapeut entstehen zu lassen, dass die Seele das verborgene Trauma überhaupt aus der Verdrängung freigibt. Jedoch nicht jede ausgeschilderte sog. Traumatherapie kann das leisten, es hängt viel von der Persönlichkeit des Therapeuten ab, seiner Empathiefähigkeit, seinem Wissen, Flexibilität und Erfahrung. Und natürlich auch von den zur Verfügung stehenden Therapieplätzen, die leider im unzureichenden Maße vorhanden sind
Hinzu kommt noch, dass viele der Menschen mit Traumafolgen zwar vielfältige Symptome zeigen, aber selbst oft nicht wissen, dass sie unter früheren Traumen leiden, denn die Natur von Trauma ist, dass sie verborgen bleiben (müssen) solange die Bedingungen im Außen und Innen (innere Stärke, soziales Netz, Stressarmut, Hilfe...) nicht stimmen, um die Beschäftigung mit den früheren Traumen überhaupt möglich zu machen. Wenn man nur die Symptome behandelt (mit Medikamenten etwa oder Therapieformen, wie einseitiges Verfahren: Analyse, Verhaltenstherapie, alleinige körpertherapeutische Maßnahmen …) und nicht der ganze individuelle Mensch wahrgenommen wird (welche kreativen Überlebensmuster er geschaffen hat um zu überleben) wird keine wirkliche Aufarbeitung geschehen können.
So kommt es leider sehr oft vor, dass Menschen mit verschiedensten Symptomen eine wahre Odysee an Therapien (und falschen Diagnosen) im Laufe ihres Lebens hinter sich haben und in nicht adequaten Therapien oder bei Ärzten landen, wo sie oft retraumatisiert werden (wieder nicht verstanden, erneut allein gelassen, gar als Simulant gesehen werden) und letztlich keine Hilfe erhalten. Bis sie resignieren und die Symptome chronisch werden, das Leid vermehren oder diese Menschen keinen Ausweg mehr sehen und ihrem Leben ein Ende bereiten.
Für die Überlebenden solcher Hilfesuchenden, (einschließlich mir, ich spreche übrigens aus eigener jahrzehntelanger Erfahrung), wie ich sie gerne nenne, die jahrelang unter leidvollen Bedingungen, mühsam erschöpfende Strategien erarbeitet haben, um in dieser Welt mit ihrem Riesenpaket an inneren Schmerz – ihrem „Trotzdemleben“ einigermaßen zurecht zu kommen (also funktionieren ohne Möglichkeit ihr wahres Potential, Glück und Freiheit von destruktiven Mustern aus der Vergangenheit zu erringen), habe ich dieses Buch geschrieben.
Die unterschiedlichen Kurzgeschichten handeln allesamt von Menschen mit Traumafolgen und zeigen mögliche (und beobachtete) Verarbeitungsmöglichkeiten, die ein Überleben der Schrecklichkeiten aus früher Zeit, irgendwie möglich machten, aber keineswegs Heilung bedeutet.
Mit Schreiben z.Bsp. habe ich einige meiner verdrängten Erinnerungen/Gefühle wiedergewonnen. Auch mit dem Schreiben eines Blogs zum Thema Traumafolgen und dem Austausch mit jenen, die Ähnliches erlebt haben, bin ich zu mehr Bewusstheit gelangt, was mir half stückweise mehr und mehr (auf sanfte Weise „Verdrängtes“ hervor zu holen) zu heilen.
Natürlich hoffe ich auch, dass dieses Buch viele Menschen lesen werden, die mehr über dieses Thema „Trauma und seine Folgen“ nachdenken und wissen wollen. Angesichts der Grausamkeit gegenüber Menschen in der heutigen Zeit besonders (Kriegs-Flüchtlingskinder, Sexueller Missbrauch im Kindesalter via Internet, Vernachlässigung der Kinder durch Parken vor dem Fernseher, Eltern, die im Alltag keine Zeit mehr finden sich um ihre Kinder zu kümmern.... auch das ist traumatisierender Missbrauch/seelischer) den Schwächsten gegenüber – ist es wichtig sich mit diesen Themen zu beschäftigen. Die Aggression bei den Menschen in der heutigen Zeit ist auch hier den Ursachen einer nicht Beachtung der kindlichen/menschlichen Bedürfnisse geschuldet, die notwendig sind ein einfühlsamer Mensch zu werden.
Wer selbst am eigenen Leib nie Liebevolles, Akzeptierendes, und Verständnis darüber was der Mensch zum Leben braucht erfahren hat, tut sich schwer mit liebevoller Eltern- oder Partnerschaft. Wie soll er fühlen was eine andere Seele braucht. Schon deshalb ist es wichtig von diesen Schädigungen zu heilen.
„Kinder, die man nicht liebt, werden Erwachsene, die nicht lieben.“ (Pearl S. Buck)
Vielleicht helfen diese Geschichten von und über Langzeitfolgen einer Traumavergangenheit ein wenig, aufzuklären. Möglicherweise verstehen die Menschen beim Lesen, dass Menschen mit diesen Symptomen eigentlich keine Kranken sind, sondern ihre Seelen diesen Weg gewählt haben um überleben zu können.
Und den Überlebenden gebe ich den Tipp – wenn kein Mensch in Eurer Nähe ist, der Euch wertschätzt, keine hilfreiche Therapie als Möglichkeit gegeben ist - schreibt! Schreibt Eure Gedanken und Gefühle auf, das nimmt viel Druck weg und schafft mehr Klarheit über Euch selbst. Dafür braucht es keine perfekten Rechtschreibfähigkeiten, dazu muss man kein Autor oder Germanist sein!
Ich wünsche allen Menschen in Not, dass sich baldige, wirkliche Hilfe einstellt oder dass sie soviel Kraft und Hoffnung entwickeln, dass sie "selbstwirksam" sein können und krativ an ihrer Heilung und ihrem Frieden arbeiten.
„Mein Mädchen, was hast du denn da schon wieder angestellt?“ Dr. Kober schüttelte den Kopf. So ein schlimmes Knie hatte er noch nie gesehen. „Wie hast Du dir das denn so schrecklich verletzt? Und den Ellbogen auch! Du meine Güte.“ Klarissa schwieg, was sollte sie dazu auch sagen. Es war besser zu schweigen, denn sonst würde eine Lawine ins rollen kommen. Unaufhaltsam würde sich alles dramatisch verändern und die Konsequenzen waren nicht auszudenken.
„Es war ja nichts gebrochen. Alles würde heilen“ dachte sie. Vielleicht würde ihn das aufwecken und er würde endlich damit aufhören.
„Hast du noch andere Verletzungen?“ wollte der Arzt wissen. Klarissa erschrak: „Nein, nein sonst ist nix!“ beteuerte sie schnell. Ihren Plan von zu Hause weg zu laufen hatte sie aufgegeben. Das hatte ohnehin keinen Sinn. Sie konnte ja sowieso nicht entkommen. So war es immer und wird es immer bleiben. Sie hatte alles nur schlimmer gemacht. Es war ihre Schuld, ihre ganz allein.’
Klarissa beobachtete interessiert wie der Doktor die Wunde versorgte. Der Schmerz war kaum zu spüren, da war sie schon anderes gewohnt. Es ging ihr gut. Hauptsache es kam nicht heraus.
„Soll ich Deine Eltern anrufen?“ wollte der Arzt wissen. „Nein, nein, sie wissen Bescheid“, das war nicht mal gelogen. „Komm in zwei Tagen wieder vorbei, der Verband muss gewechselt werden, unbedingt hörst du?“ vernahm sie die Stimme des Arztes. Schnell beteuerte das Mädchen: „Das ist nicht nötig, meine Mutter ist Krankenschwester“ und das war die Wahrheit. Erleichtert verließ Klarissa die Praxis. Allmählich fiel es auf, dass sie so oft verletzt war. Wäre die Lehrerin im Sportunterricht nicht gewesen, hätte sie sich dort überhaupt nicht verarzten lassen. Aber die Sportlehrerin brachte sie mit ihrem eigenen Auto zu Doktor Kober. Der hatte sie gerade zusammen hereinkommen sehen und hatte wohl gefolgert, dass sie sich beim Turnen verletzt hatte. Klarissa war froh, dass er das gedacht hatte, so konnte sie seinen Vermutungen ausweichen. Er war nun mal der einzige Arzt vor Ort und sie war im letzten Jahr einfach zu oft gezwungen gewesen vorbei zu kommen. Es sollte nun aber wirklich das letzte Mal sein. Sie hatte schon einen Plan.
Noch war Zeit bis die Schule offiziell zu Ende war, und das Geld in ihrem kleinen Geldbeutel spürte sie in der Hosentasche. Die Gelegenheit war echt gut. Sie lief in den Garten-Center, las in der Abteilung für Schädlingsbekämpfung sehr genau die Inhaltsangaben auf den Packungen der Rattengifte. Der Wirkstoff Warfarin war in einem Angebot besonders hoch, für dieses entschied sie sich. Ihr Geld reichte für zwei Packungen. Ein wenig ängstlich ging sie zur Kasse, Hoffentlich stellte ihr keiner Fragen, aber auch dafür war sie gut vorbereitet. Bevor sie wieder das Haus in dem sie wohnte betrat, ging sie in den Schuppen und riss von einem der Kartons die Gebrauchsanweisung ab und versteckte die Päckchen ganz hinten im alten Werkzeugschrank. Die Anleitung nahm sie unter ihr Hemd. Niemand war zu Hause und sie lief gleich in ihr Zimmer. Sie startete das Internet, weil sie sich unsicher war, welche Dosierung sie von dem Gift geben sollte. Zwei Stunden später wusste sie, was zu tun war.
Am gleichen Tag mischte sie ihrem Stiefvater eine halbe Packung von dem Granulat für Ratten in das Abendessen. Er war ohnehin meist schon sehr betrunken am Abend. Klarissa verfuhr so die nächsten vier Abende. Hoffentlich klappte es noch vor dem Freitag, da musste sie immer mit ihm in den Wohnwagen. Sie hoffte, dass es ihm bis dahin schon so schlecht ging, dass er sie nicht mehr dort hinbringen konnte. Schon am Donnerstag-Abend blutete er aus Nase und Ohr. Ihre Mutter brachte ihn ins Krankenhaus und kam ohne ihn zurück. Klarissa wagte nicht zu fragen.
Zu ihrer Sicherheit brachte sie die leeren Rattengift-Packungen fort, indem sie sie in der Schule in den Müllschlucker warf. Ihre Mutter kam ihr nicht beunruhigt vor, sie schien sogar erleichtert. Kein Wunder, die täglichen Schimpftiraden blieben aus. Am Freitag wagte sich das Mädchen nach der Schule kaum noch nach Hause.
Sie trödelte auf dem Nachhauseweg herum und stand plötzlich zehn Meter vor dem Wohnwagen, der außerhalb des Dorfes abgestellt war. Er schien verlassen. Schnell machte sie kehrt und lief so schnell sie konnte an den Waldrand. Dort ließ sie sich zitternd ins Gras fallen. Die Szenen vor ihrem inneren Auge ließen langsam nach und auch das Zittern. Mit immer noch weichen Knien kam sie in der Dämmerung nach Hause. Dort war alles dunkel.
Eine Weile schlich sie noch um das Haus, dann drückte sie endlich auf die Klinke der Haustüre. Sie war verschlossen. Mutter schien nicht zu Hause zu sein. Klarissa setzte sich auf die noch immer von den Sonnenstrahlen erwärmte Steintreppe. „Wo konnte Mutter sein?“ überlegte sie. „Und wo war er?“ Lange saß sie dort. Dann näherten sich Autoscheinwerfer dem Haus. Als Klarissa erkannte, dass es ein Polizeiauto war, zeriss ihr Herz fast von den heftigen Schlägen. Sie wusste, jetzt wurde sie geholt. Sie würde den Rest ihres Lebens im Gefängnis sitzen. Eine leise Stimme erzählte ihr tröstend: ‚Nein, man steckt Zwölfjährige nicht ins Gefängnis.’ Da öffnete sich die Fahrertür des Polizeiwagens. Ein Polizist ging um das Auto herum und öffnete
Publisher: BookRix GmbH & Co. KG
Publication Date: 06-04-2018
ISBN: 978-3-7438-7127-4
All Rights Reserved
Dedication:
Gewidmet ist diese Buch allen „Überlebenden“ von Menschen, die unter Traumafolgen leiden, sowie Menschen, die sich mit dem Thema Trauma mehr auseinandersetzen wollen.
Auch für Therapeuten und Politiker wäre dies ein lesenswertes Buch. Wollen wir hoffen, dass dort eine Sensibilisierung für die vielen Menschen in Not geschieht und endlich mehr Therapieplätze mit empathischen Therapeuten geschaffen werden.