... bis die Geschichte des Berbers begann, da es das war, was ich erwartet habe.
Gekonnt ziehst Du den Leser hinter den Erzähler und routiniert wandelt sich das Interesse des Protagonisten zum Interesse des Lesers. Für mein Empfinden schon etwas überstürzt geht der Prot. dann vor, um hinter das Geheimnis des Mannes zu kommen. Etwas mehr Distanz, Zeit und Vorsicht hätte ich mir gewünscht, bei einem Menschen, der solch ein... Show more
... bis die Geschichte des Berbers begann, da es das war, was ich erwartet habe.
Gekonnt ziehst Du den Leser hinter den Erzähler und routiniert wandelt sich das Interesse des Protagonisten zum Interesse des Lesers. Für mein Empfinden schon etwas überstürzt geht der Prot. dann vor, um hinter das Geheimnis des Mannes zu kommen. Etwas mehr Distanz, Zeit und Vorsicht hätte ich mir gewünscht, bei einem Menschen, der solch ein Interesse an seiner Umgebung hat. Als Ausgleich und Erdung fungiert hier allerdings die Freundin die sein Verhalten hinterfragt.
Trotzdem scheinen mir die Informationen, die er über den Mann sammelt teilweise zu detailliert, selbst für "die Hörweite":
- der Geruch (er stank nie)
- Zustand der Zähne
- die Art der Ratschläge, die er seinen Berberfreunden gibt
Hier scheinst Du zum ersten Mal teilweise die Perspektive des Erzählers etwas zu verlassen, um dem Leser mit mehr Infos zu versorgen und ich bin nicht sicher, ob Du das wirklich brauchst.
Noch stärker stört mich allerdings die Schilderung der Geschichte von Marek, dem Hauptteil der Geschichte, auf den die Vorgeschichte zielgerichtet zusteuert, denn ich frage mich, wer sie eigentlich erzählt (Du löst es ja dann auf, daß es die Schwester ist, aber das kann ich nicht glauben).
Die Perspektive ist komplett auktorial.
- die Beschreibung von Marek (was für ein Mensch er ist)
- die Beschreibung der Umgebung wenn Marek und Anna-Sophie durch die Straßen gingen (war die Schwester dabei?)
Die Inhalt der Geschichte von Marek wirkt stark überhöht. Alles ist perfekt, alle sind nett, alle sind erfolgreich.
Wer hat denn diese Sicht, auf Ereignisse und Zustände, die wohl 15-20 Jahre her sind (wenn Marek gegen 50 ist und zu dem Zeitpunkt mit dem Studium fertig war)?
Kann ein Marek bzw. seine Schwester dies wirklich so schildern?
"Den augenzwinkernden Seniorpartner", "der rollende Ring", der hier filmreif über´s Parkett rollt.
Oder entsteht dieses teilweise wertende Bild "...ihre Stimme schien reine Melodie zu sein" im Kopf des Protagonisten?
Kurz:
Wer drückt mir als Leser diese perfekt konstruierte Geschichte auf und warum?
Es wirkt komplett aus der Geschichte entrückt und für mich zu perfekt, wohl um den Absturz des Mannes besser nachvollziehbar zu machen.
Und hier muß ich dann Compuexe zustimmen. Die Art, wie der Mann die Geschichte erzählt, aus seiner Sicht, mit der Betonung der Dinge aus seiner Perspektive, daß würde eigentlich sehr viel erzählen (show, don´t tell). Das würde weniger Überhöhung brauchen, es wäre natürlich und man wäre Marek deutlich näher.
Der Prot. bräuchte am Anfang gar nicht so viele Informationen, weil er es dann später hören oder erkennen würde. Und es wäre aus meiner Sicht natürlicher.
Ich gehe davon aus, daß Du die Geschichte in der Geschichte absichtlich überhöht hast, aber dadurch wird es mir zu klischeehaft, ich erkenne, wo der Autor mich hinhaben will und verliere das Interesse.
Auch wenn sich die Geschichte routiniert schließt mit dem Erkennen des Protagonisten, welchen "Schatz" er da mit seiner intakten Beziehung hat, schaue ich mich verstohlen nach einem Zaunpfahl um.
Ich denke, Du kannst meine Nörgelei richtig einordnen und ich bin gespannt, wie Du diesen Aufbau begründest.
Viele Grüße
mac
P.S. Unsicher bin ich, ob man eine Person sieht, die "an unsere Hauswand gelehnt" dasitzt. Gewiß meinst Du ein Eckhaus, wo man ihn dann sehen kann. Aber es hat mich kurz stocken lassen.
Dramaturgisch fände ich es interessanter, wenn er dem Haus wirklich gegenübersitzt und man ihn also gar nicht übersehen kann. Und es würde heißen, daß die Unglückswohnung in seinem Haus ist, was dann sogar eine Analogie erzeugen würde. Der Prot. hat das Glück und weiß es nicht und der andere hatte es und trauert ihm hinterher.
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