Was die beiden auszeichnet: Sie können sich sehr schnell Wissen aneignen, dazulernen. Aber werden Philipp und Daniel überfordert? Fast ohne Schlaf die Welträtsel in wenigen Tagen ausklabüstern zu wollen - eine edle Unternehmung. Das weiterdenken, was Giordano Bruno angefangen hat; wie viel Welträtsel verträgt der Mensch? Sie machen sich auf die Suche, ohne zu wissen, was sie suchen. Doch unser Gehirn arbeitet selektiv - es... Show more
Was die beiden auszeichnet: Sie können sich sehr schnell Wissen aneignen, dazulernen. Aber werden Philipp und Daniel überfordert? Fast ohne Schlaf die Welträtsel in wenigen Tagen ausklabüstern zu wollen - eine edle Unternehmung. Das weiterdenken, was Giordano Bruno angefangen hat; wie viel Welträtsel verträgt der Mensch? Sie machen sich auf die Suche, ohne zu wissen, was sie suchen. Doch unser Gehirn arbeitet selektiv - es will wissen, worauf es achten soll. Wenn der Modus so gestellt ist, dass auf einmal alles als wichtig und bedeutend eingestuft wird, dann kombiniert das Gehirn munter die Fakten, bildet Figuren, Muster, bietet immer neue Varianten an, stolz darauf, was es alles aus dem Hut zaubert. Doch hat das etwas mit Wahrheitsfindung zu tun? Gewiss, im Vorfeld des eigentlich Wissenschaftlichen, muss man Hypothesen-willig sein, bereit für was Kühnes.
Aber in Dante Alighieris "Göttlicher Komödie" ohne Führer unterwegs zu sein - die beiden verirren sich. Sie hätten zwei Beatrices mitnehmen sollen. Frauen können Männer gut dirigieren. Stattdessen vertrauen sie aus Bequemlichkeit dem erst Besten. Gerade auf dem Weg in die Hölle ist es wichtig, verlässliche Partner zu haben; doch inwieweit können sie ihrem eigenen Gehirn trauen? Welche Streiche heckt es aus? Welträtsel und Seinserkenntnis - man braucht als Instrumentarium Witz, Intelligenz. Das haben die beiden. Vielleicht hätten sie eher darauf kommen müssen, dass Welt sich auch in ihrem Kopf abspielt - und sie diese inneren Seelenlandschaften nicht genügend würdigen. Ihr Ego ist wichtig.
Witzig im Buch: Panpsychismus. Die Dinge rätseln selber über die Welt. Ab wann kann man von Einheit sprechen? Wie kommt Geist in die Welt - können Dinge geistreich sein? Interview mit Chips - wenn es wenigstens Computer-Chips wären - aber High Life in der Chips-Tüte, das ist klärungsbedürftig. Dinge haben nicht solche Freiheit, sie sind Materie ... oder ist doch alles belebt, steckt die Weltseele in allem?
Sie gehen es mathematisch an; als ob das, was vom Universum unabhängig ist - das Apriori - irgendetwas retten könnte. Ist aber auch schwer, das Universum von innerhalb des Universums zu beurteilen.
Daniel entwickelt mit dem Computer-Spiel "Relictio" ein neues Universum: Fantasie einsetzen im Rahmen des Spiels - doch es ist so, als ob er Fantasie-Pferde zähmen will. In ihnen steckt Energie. Es ist nicht gesagt, dass derjenige, der die Pferde züchtet, ihnen ihre Freiheit nehmen will - sie sollen ja frei sein. Pegasus würde dem zustimmen.
Daniel erlebt es als Story - er selber ist mit seiner Story sehr zufrieden; hätte er es langsamer angehen sollen? Begeisterung gehört dazu, ein gewisser Fanatismus - die Fähigkeit, alles drum herum wirklich als peripher anzusehen.
Man möchte Dante Alighieri hinzubitten: Er weiß ja nicht mal, dass seine "Göttliche Komödie" so populär ist. Oder weiß er es mittels der Weltseele? Wo würde er Giordano Bruno hinschicken - wenn er nicht begrenzt ist durch den Zeitgeist, sondern wenn er urteilen kann in Übereinstimmung mit der Weltseele? Wenn jemand gemäß seines Dafürhaltens handelt und gute Argumente vorbringen kann - soll er sich verstellen? Giordano Bruno würde heutzutage zu anderen Schlüssen gelangen - aber wären wir bereit für seinen beißenden Spott, seine Ungezügeltheit?
So wie Dante Alighieri die Prominenten zuordnet - das stößt auf Ablehnung: Jeder würde das Hölle-Himmel-Spiel anders spielen - wer sind die Guten? Würde man sich selber das Heiligsein oder das Scheinheiligsein bescheinigen?
Es beginnt mit einer moralischen Frage - doch Philipp und Daniel weichen dem aus. Daniel nutzt die Gelegenheit zum Schreiben ... und unterschätzt die Kräfte; Schreiben ist was Schöpferisches. Ein skurriler Gedanke: Verantwortung zu haben für seine Protagonisten? Aber das Werk von Dante Alighieri führt ein Eigenleben, wirkt in der Historie, beeinflusst, verändert Menschen. Ebenso das Werk von Giordano Bruno.
Zuerst hatte ich vermutet, dass Daniel zum Schreiben gebracht werden soll. Das Spiel "Relictio" nutzen, damit er die angeregte Fantasie weiterschwingen lässt in der Story, ihr das zugutekommen lässt.
Tja, wenn man als Autor nur die alleinige Deutungshoheit hätte - aber die Figuren deuten sich selber, nutzen den Impulsantrieb, der schon immer in ihnen steckte - der Impuls wird weitergegeben - von Dante Alighieri, Giordano Bruno - mal sehen, wo er sich demnächst bemerkbar macht.
http://www.amazon.de/Relictio-Verm%C3%A4chtnis-Ketzers-Jacob-Nomus/dp/3000344373/
vielen lieben Dank für das ebook. Werd mich noch heute dransetzten und es lesen :-)
Gestern die Printausgabe erhalten, vielen Dank dafür. Storykonzept hört sich sehr interessant an.