Liebe M.d.S.,
ein interessantes Interview.
An dieser Stelle will ich aber nur an dem Punkt anknüpfen, wo du über "Abstrakte Literatur" in Bezug auf Informatik und digitale Bücher sprichst. Das erinnert mich an Versuche, die ich vor vielen Jahren nebenbei mit einem (CDC)-Computer anstellte, als es noch gar keine PC gab. Was ich da mit Philosophie machte, habe ich dann auch mit Poesie angestellt.
Was war die Grundidee? Nimm... Show more
Liebe M.d.S.,
ein interessantes Interview.
An dieser Stelle will ich aber nur an dem Punkt anknüpfen, wo du über "Abstrakte Literatur" in Bezug auf Informatik und digitale Bücher sprichst. Das erinnert mich an Versuche, die ich vor vielen Jahren nebenbei mit einem (CDC)-Computer anstellte, als es noch gar keine PC gab. Was ich da mit Philosophie machte, habe ich dann auch mit Poesie angestellt.
Was war die Grundidee? Nimm eines der gängigen philosophischen Wörterbücher und übertrage eine genügend große Anzahl philosophischer Fachausdrücke und Grundbegriffe auf geeignete Datenträger. Sortiere sie vor in getrennten Wortklassen. Die Klasse der Substantive enthalte z.B. Begriffe wie Vernunft, Sinn, Subjekt etc. Unter den Adjektiven seien z.B.: absolut, finit, objektiv. Die Verben enthalten Termini wie: transzendieren, definieren, konstituieren etc. Es gibt auch Klassen mit grammatikalischen Füllseln und auch Deklinations- wie Konjugationsformen. Das alles werden Eingabedaten für das Computerprogramm CAP (Computer aided philosophy), das eine bestimmte Grammatik möglicher Satzformen festlegt, die durch Input aus den verschiedenen Wortklassen zu füllen sind.
Ein mathematischer „Zufallsgenerator“ mit seinem algorithmischen Kalkül füllt die Leerformen der Satzstrukturen mit philosophischen Begriffen, die nach dem Zufallsprinzip, einer mathematischen Simulation der philosophischen Kategorie Zufall, aus dem Dictionnaire der Eingabe-Datei ausgewählt werden. Ergebnis : Gleiche Satzformen mit unterschiedlichen Ausfüllungen. Zwei Beispiele:
„Das Sein transzendiert apriori die sinnliche Anschauung, weil jedes Denken eine Finalität impliziert. Kant bestimmte eindeutig das Wesen des Willens, solange der Wille jeden Wert produziert.“
Aber nicht nur die Begriffe bleiben variabel, sondern auch die Satzformen selbst. Beide werden bei jedem Durchlauf aus einem Eingabefundus nach dem mathematisch simulierten Zufall ausgewählt, und da selbst der Anfangswert jeder vom Computer produzierten Satzfolge ganz dem Zufall unterworfen wird, kommt bei jedem Computerlauf eine andere Urteilsserie heraus. Eine andere Satzstruktur, die jedes Mal anders durch Konstanten gefüllt wird, sah z. B. so aus: „Entweder wählte Hegel die Intuition, oder der zureichende Grund ist unbestimmt.“
Der Programmierer sei nicht ein Technokrat, sondern Philosoph genug, diese Zufallstreffer nicht als Gottesurteile, als Deus ex machina, zu verehren, sondern nur als "philosophische Rohlinge", die zu überarbeiten, auszudeuten und zu veredeln sind. Immer wieder betone er, daß er nicht ganz dem Computer das Denken überlassen wolle und ihn nicht zum Superphilosophen mache. Aber der Datenprozessor produziert in wenigen Sekunden Abertausende von Begriffs- und Urteilskombinationen, indem er unvereinbare Termini zu Sätzen zusammenzwingt, welche die menschliche Assoziationsgewohnheit so kaum jemals miteinander verbunden hätte. Diese Maschine ist eben nicht gehemmt durch konventionelle Sinnvorgaben und Bedeutungsmuster. Der Programmierer legt vorweg nicht nur Wortschatz und Satzgrammatik fest, sondern trifft am Ende auch aus den Computerausdrucken seine Auswahl von Zufallskombinationen, die ihm ein neuartiges „semantisches Potential“ zu enthalten scheinen. Durch diese Auswahl bewahrt er ein wenig seine Würde als Philosoph auf zwei Beinen.
Heute hätte man da noch ganz andere Möglichkeiten.
Vielleicht amüsiert dich diese kleine Erinnerung, auf die mich dein Interview wieder brachte ...
LG
Fritz.
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Das deucht mich rätselhaft.
Einen Friedrich, der nun raus ist, kenne ich doch gar nicht! ;-)
Doch wohin die Gedanken einen tragen
Kann man sich wohl wagen.
Doch ist der Weg real
Wird's gelegentlich fatal!